Beiträge von Iunia Axilla

    Endlich war der für Axilla eher langweilige Teil der Spiele vorbei und der, der sie eigentlich mehr interessierte, begann. Sie LIEBTE Gedichte und Musik. Und auch, wenn es hier bei den Griechen schon ein wenig förmlicher und mathematischer damit zuging, war es nichts desto trotz Musik und irgendwo Kurzweil. Axilla liebte sowas, da konnte sie ihre Seele einfach mal baumeln lassen und musste nicht so viel nachdenken.
    Also war sie sogar überpünktlich, es hatte noch ncith einmal ansatzweise angefangen, als sie das Odeion betrat und sich umsah. Viel war noch nicht los, alle suchten sich noch ihre Plätze.


    Da fiel es Axilla ein. Da war ja was. Plätze… nun… hmmm. Vorne waren Holzstühle aufgestellt worden, wo die Ehrengäste und so weiter sitzen konnten, die steinernen Ränge waren für alle anderen bestimmt. Nur wo gehörte sie jetzt eigentlich dazu?
    Sie war Römerin, und sie war Scriba vom Gymnasiarchos – nungut, das war eigentlich nichts, was einen Ehrenplatz rechtfertigte, aber trotzdem – und sie war die Cousine der Exegete. Machte sie das nun zu jemandem, der vorne sitzen durfte, oder nicht? Verdammt, sie hätte vor lauter Vorfreude nicht einfach losgehen sollen, sondern zumindest Urgulania fragen sollen. So, wie es jetzt war, wusste sie noch nicht einmal, ob die Cousine selber überhaupt kam oder ob sie daheim bleiben würde.


    Ein bisschen verloren schaute sich Axilla um, ob sie jemanden sah, den sie mit diesem Problem behelligen konnte. Besonders viele Leute waren ja noch nicht anwesend. Da war Terentius Cyprianus, aber den würde sie sicher nicht fragen! Und bei der Orchestra stand Penelope, aber die hatte wohl grad auch besseres zu tun. Und dann entdeckte Axilla Nikolaos! Er unterhielt sich gerade mit einem Römer, den Axilla nicht kannte. Seltsam, sehr seltsam eigentlich. So viele Römer gab es hier ja eigentlich nicht, und so viel, wie Axilla rumzustromern pflegte, kannte sie eigentlich alles und jeden in der Stadt, vor allem die Römer. Aber der hier war ihr vollkommen neu.
    Die Neugier war schon groß, einfach dazuzugehen und zu fragen, aber sie traute sich doch nicht ganz. Wenn das wirklich ein neuer Römer in der Stadt war, musste er sie ja nicht gleich von ihrer ungestümen Seite kennenlernen. Vielleicht konnte man ja wenigstens die Beziehungen zu irgendeinem Mitrömer hier in dieser Stadt zu ihrer Gens retten.
    So stand sie ein bisschen verloren einfach da und sah sich um, unschlüssig, wohin sie nun eigentlich durfte und sollte.

    Dass mehrere Namen einer Familie auf einer Liste standen, war an und für sich nichts ungewöhliches. Viele Familien schickten ihre Söhne gemeinsam zur Ephebia, auch wenn diese zwei Jahre Altersunterschied hatten. Und Mädchen wurden überhaupt meistens nur mit irgendeinem Bruder als Aufpasser gemeinsam hingeschickt und waren daher auch meistens älter als die männlichen Absolventen. Also war das an und für sich nichts besonderes. Auch wenn der Name Bantotakis Axilla nun speziell aufgefallen war, aber sie wusste ja nicht, dass Ánthimos seine eigene Cousine angestellt hatte als Scriba.
    Dass sie seine Cousine war, hatte sie ja von ihm gehört. Er hatte sie ja mit einem ganzen Haufen Frauennamen überschüttet, um sie von der Idee, Timos zu sehen, abzubringen. Und auch wenn sie sehr krank gewesen war, das hatte sie sich doch gemerkt.
    “Und ich bin Iunia Axilla“, meinte Axilla mitnichten beleidigt. Hätte Emilia sie nicht noch darauf hingewiesen, dass das unhöflich gewesen sei, Axilla hätte es nichtmal als Unhöflichkeit bemerkt. Warum also sollte sie dann jetzt böse darüber sein?


    Dass ihr bei Ánthimos langweilig war, konnte Axilla wiederum sehr gut verstehen. Abgesehen davon, dass ihr bei Nikolaos auch langweilig war, wusste sie ja, wie oft der Grieche trainierte in letzter Zeit. Immerhin musste sie nur aus ihrem Fenster in den Hof des Gymnasions runterschauen und hatte alles im Blick. Dass er da wohl eher weniger zu tun hatte, konnte sie sich nur zu gut vorstellen.


    “Ach, du hast wenigstens wen, der ab und an Mal Unordnung macht. Ich bin in der Stege mit 5 Hilfsschreibern, die so ordentlich sind, dass die mir geben können, was ich suche, noch ehe ich weiß, dass ich es brauche. Eigentlich sitz ich die meiste Zeit nur dekorativ in der Gegend. Ich könnte auch eine Marmorstatue sein.“
    Naja, wobei sie für eine solche wohl nicht hübsch genug war, aber dieser Kommentar rutschte ihr zum Glück nicht heraus.
    “Naja, ein bisschen Zeit hab ich schon, aber nicht zu lange. Sonst macht sich Nik.. der Gymnasiarchos noch Sorgen. Weißt ja, die Unruhen und so weiter, und ich bin ja Römerin und so.“
    Ja, ein Meisterstück an Eloquenz und Konkludenz, das sie da vorbrachte. Bevor ihr offensichtlich fehlendes Redetalent noch für Belustigung sorgte, redete sie einfach weiter.
    “Vielleicht können wir erstmal die Urkunde fertig machen, dann haben wir das schon. Nicht, dass es dann doch plötzlich eilt und nicht fertig ist.“

    “Wirklich? Ich mach ja die Listen für die Ephebia, aber ich kenn immer nur die Namen und nicht die Gesichter dazu. Das ist ja ein Zufall!“, plapperte Axilla nicht minder gedankenlos, stockte dann aber kurz bei der Frage nach Anthi und Nikolaos. So ganz wohl war ihr bei dem Bantotaken immer noch nicht, er hatte ihr einen ordentlichen Gewissenskonflikt eingehandelt, den sie noch nichtmal im Ansatz gelöst hatte.
    “Du meinst, als Chef?“ fragte Axilla kurz, um Zeit zu gewinnen. Nicht, dass man ihr noch was anmerkte. Auf den Gedanken, dass sie lieber gar nichts erzählen sollte, kam sie hingegen überhaupt nicht.
    “Öhm, ja, er scheucht mich gerne wegen Briefen und solchen Formalitäten rum. Aber eigentlich ist er sehr nett. Ich hätte ja nicht gedacht, dass er mich überhaupt einstellt. Ich kam mit einem Zettel von der Anschlagtafel ohne Voranmeldung einfach in sein offi… ähm, seine Stege gestolpert und hab ihn gefragt. Und dabei konnte ich da noch nichtmal attisch. Also, kann ich jetzt immer noch nicht gut, aber ein bisschen schon.“
    Nonchalant setzte sich Axilla einfach auf den Rand von Emilias Tisch und ließ kurz ihren Blick über die Listen darauf schweifen. Viel interessanter als die Listen auf ihrem Schriebtisch sahen sie allerdings nicht aus.
    “Ich glaube ja, das hat er zum Großteil wegen meiner Cousine Urgulania gemacht, aber trotzdem fand ich es sehr nett von ihm. Nicht viele würden ein Mädchen als Scriba einstellen.“

    Kurz verunsicherte die Frage Axilla ein wenig. Eigentlich war sie sich sicher, dass sie schon gesagt hatte, was sie wollte, sogar auf griechisch. Eigentlich sprach sie, wenn sie für die Arbeit etwas tat, nur noch griechisch, wenn sie so darüber nachdachte. Aber vielleicht war sie ja ins ionische wieder verfallen, was ihr ab und an, wenn sie in Gedanken war, schonmal passierte. Und auch so war es ja nicht so, als ob Axilla nicht selbst genug Chaos anrichtete, so dass sie da alles andere als böse war.
    “Ich will einen Betrieb anmelden. Einen Fernhandel, um genau zu sein. Seide, Datteln, Weihrauch und so. Also, nicht für mich, sondern für den Gymnasiarchos.“
    Mit einem etwas schiefen und trotzdem leicht stolzen Lächeln fügte sie noch an “Ich bin sein Scriba.“

    Hatte er das nun ganz wirklich gesagt? Axilla blinzelte kurz etwas irritiert, mit diesen wenigen Worten hatte Nikolaos sie schon ein wenig aus dem Konzept gebracht. Sonst war er immer so bedacht und drückte sich so gewählt aus. Das grade war ein recht ungewohnter Ausrutscher.
    Nicht, dass Axilla solche Ausdrücke nicht vertragen würde. Gerade, wenn ihr Vater seinen Schwertbruder Castricus Tegula zum Essen eingeladen hatte, vielen häufiger noch viel blumigere Worte. Ihre Mutter schaute dann zwar immer streng, aber Vater meinte dann nach so einem Besuch nur, Soldaten seien eben so.
    Aber Nikolaos war alles andere als ein Soldat. So dauerte es eine kurze Sekunde, ehe sich Axilla wieder ganz gefangen hatte und Nikolaos ein wenig verlegen anlächelte. Sie fühlte sich ein wenig ertappt und wusste nicht einmal genau, wieso. Schließlich hatte sie eigentlich gar nichts angestellt. Zumindest heute nicht.


    “Ja, gerne. Also, wenn du mich gerne dabei haben möchtest.“
    Wichtige Zuschauer treffen, das klang doch nach was! Nungut, das einschleimen würde sie besser Nikolaos überlassen, zum einen konnte sie das sowieso nicht gut, da sie viel zu direkt dafür oftmals war. Und zum anderen war sie eine Iunia, ihr Vorfahr war erster Konsul der Republik gewesen und hatte den letzten Etruskerkönig erschlagen, da schleimte man nicht (wenn es nicht absolut nötig war. Und den anderen berühmten Vorfahr, der ebenfalls Brutus gerufen wurde, ließ man auch besser unerwähnt.)
    Nikolaos hatte es tatsächlich geschafft, sie ein wenig abzulenken und ihre Laune dadurch aufzuhellen. Sie mochte ihren kleinen Chef, wirklich.

    Auch wenn Axilla nicht unbedingt danach war, das jetzt zu machen, aber sowas gehörte halt auch zur Arbeit dazu. Also versuchte sie, sich möglichst nichts anmerken zu lassen, und nickte stattdessen möglichst eifrig.
    “Ja, ich geh sofort los. Strafe zahlen wäre ja wirklich überflüssig.“
    Sie schenkte ihrem Chef noch ein etwas schiefes Lächeln und huschte dann auch schon davon.
    Als sie aus dem Officium ausgetreten und die Tür geschlossen hatte, rieb sie sich erst einmal über die schmerzende Stelle und formte mit ihren Lippen ein lautloses „Au!“ Die Hilfsschreiber schauten kurz belustigt, als Axilla dann aber ertappt zu ihnen zurückschaute, waren alle plötzlich wieder beschäftigt mit ihren Arbeiten. Mit etwas skeptischem Blick ging Axilla langsam durch die Reihen und schließlich hinaus, um den Fernhändler gleich anzumelden.

    Der Weg vom Gymnasion war nicht weit, und so trat Axilla putzmunter in die Stege des Gymnasiarchos ein und grüßte erstmal die Scriba.
    “Chaire. Ich will nur schnell einen Betrieb anmelden, dann bin ich auch schon wieder weg“, plapperte sie fröhlich drauf los. Vielleicht konnte sie das auch gleich hier im Vorzimmer erledigen und musste dafür gar nicht rein. Die Anmeldungen für die Ephebia konnte sie ja auch alleine machen, ohne dass Nikolaos da was gegenzeichnen musste.

    Bei der ersten Aussage schwieg Axilla noch etwas verlegen. Sie wollte ja seine Entschuldigung annehmen, aber es wurmte sie trotz seiner Erklärung noch ordentlich, was er ihr gesagt hatte. Genau genommen machte es die Erklärung nur eher schlimmer als besser, denn Axilla verstand seine Gründe ja. Jetzt kam sie sich richtig schlecht vor, weil sie wusste, dass er irgendwo recht hatte, aber nicht wollte, dass er recht hatte.
    Dann aber kam er darauf zu sprechen, dass er Vater geworden war. Er hatte eine kleine Tochter. Axillas Blick ging automatisch wieder kurz hoch, um ihm in die Augen zu schauen, ehe sie sich wieder noch immer verwirrt senkten.
    “Oh, ähm, ja, natürlich. Panthea, das klingt wirklich schön. Ein… großer Name, aber ein schöner.“
    Axillas griechisch war ja schon sehr viel besser geworden, so dass sie nun auch Namensbedeutungen schließen konnte. Und da war Panthea auf jeden Fall weitaus größer klingend als ihr eigener Name beispielsweise. Trotzdem klang es hübsch, und Griechen neigten ja ohnehin zu Übertreibungen.
    “Ich gratuliere dir. Möge Iuno sie bewachen und behüten…“ Den Segen murmelte sie ein wenig, auch wenn sie es eigentlich ernst meinte. Allerdings war sie gerade doch etwas sehr durcheinander von der ganzen Situation.


    “Richte auch deiner Frau meine besten Wünsche bitte aus. Ich… ähm… ich glaube, ich sollte wieder weiter. Sonst kaufen mir meine Sklaven noch den halben Markt leer, und so…“
    Dass die Ausrede etwas schwach war, merkte selbst Axilla, aber sie wollte eigentlich nur erstmal raus und ihre Gedanken ordnen. Im Moment war ihr die Situation einfach zuviel auf einmal. Ihr schlechtes Gewissen plagte sie ordentlich, vor allem, weil es diese Sehnsucht in ihr nicht löschte. Sie sehnte sich nach wie vor nach zärtlichen Berührungen, und Timos war da nach wie vor in ihren Gedanken. Und das machte das ganze noch schlimmer.
    Dennoch stand sie auf und strich sich einmal das Kleid glatt, den Blick noch immer gesenkt und Ánthimos nicht anschauend.
    “Ich geh dann mal wieder. Bevor sie noch zuviel Blödsinn anstellen.
    Achja, viel Glück bei den Spielen. Die sind ja bald.“

    Bei den letzten Worten blickte Axilla noch einmal kurz auf, und Ánthimos konnte so sehen, dass sie es ehrlich meinte. Aber auch, wie verlegen sie im Moment war und wie stark der Wunsch, erstmal zu flüchten. Sie hoffte, er hielt sie jetzt nicht auf, sondern ließ ihr erst einmal den Raum für sich, den sie jetzt brauchte, um ihre Gedanken zu ordnen.

    Von dem Neid und den bösen Gedanken merkte Axilla nichts. Sie hatte zwar schon mitbekommen, dass Ánthimos und er einander nicht grün waren, aber mehr aufgrund der Tatsache, dass beide, wenn das Gespräch auf den jeweils anderen kam, dann plötzlich zögerlicher wurden und mehr blinzelten als sonst. Axilla hatte schon immer eine feine Beobachtungsgabe besessen, nur meistens ignorierte sie die Anzeichen oder deutete sie so, wie sie es haben mochte. Doch in diesem Fall war es zu auffällig, als dass Axilla es auf andauernde Nervosität hätte schieben können, jedoch dachte sie sich heute rein gar nichts dabei.
    Nikolaos schien angespannt zu sein, aber als er sie sah, wirkte er etwas fröhlicher. Das Opfer musste wohl sehr anstrengend gewesen sein, und sie wusste nicht, wie gut er die letzten Tage bei den ganzen Vorbereitungen geschlafen hatte. Allerdings traute sie sich auch nicht, ihn danach zu fragen, das klang ihr doch zu neugierig.
    “Chaire, Nikolaos“ flötete sie also fröhlicher, als sie sich eigentlich fühlte, aber darin hatte sie auch viel Übung. Gerne hätte sie ihm gesagt, dass die Wettkämpfe plötzlich hohl und leer ihr erschienen, da sie ohnehin gerade an Timos und die Frau an seiner Seite denken musste. Aber dann hätte er sich gefragt, warum das so wäre und wäre noch zu den falschen – oder schlimmer, zu den richtigen – Schlüssen gekommen.
    “Ach, so sehr, wie alle trainiert haben in den letzten Wochen, werden sie das bestimmt. Man konnte ja im Gymnasion kaum mehr über den Hof laufen, ohne einem Athleten auszuweichen“, kam es also leichthin aus ihrem Mund und lächelte Nikolaos an. Höchstens ihre Augen konnten vielleicht verraten, dass ihr anderes noch auf der Seele lag.
    “Aber wenn ich ganz ehrlich bin, freue ich mich fast mehr auf die Musik. Ich liebe Gedichte, und wenn sie schön gesungen werden… das wird sicher toll.“ Hierbei war ihr Lächeln nun zum ersten Mal ganz offen und ehrlich, auch wenn man sie gut kennen musste, um den Unterschied zu bemerken. Doch auf die Musik freute sie sich wirklich mehr als auf die Wettläufe und das Ringen. Sie hatte beileibe nichts gegen das Kämpfen, aber ein schöner Anblick war ein Pankration-Kampf nicht unbedingt. Und sie hatte wohl wirklich die letzten Wochen zu viele Übungen gesehen.
    “Und du? Musst du noch viel machen, oder hast du jetzt Zeit, die Spiele zu genießen?“
    Als sein Scriba sollte sie das eigentlich wissen, fiel ihr nachdem sie das gesagt hatte ein, aber jetzt war es schon zu spät.

    Nach ein wenig Hin und Her war dann auch ein Sitzplatz gefunden, und Axilla hörte sich die Ansprache von Nikolaos an. Hätte sie die Griechen in nunmehr über einem Jahr nicht schon gut kennengelernt, sie hätte die Ansprache vielleicht zu kitschig gefunden. Da sie aber schon das ganze Leben hier in Alexandria in sich aufgesogen hatte, fand sie sie gerade richtig, fast schon dezent für den Gymnasiarchos. Zusammen mit den vielen um sie herum jubelte sie, als Nikolaos das Wort an Cleonymus abgab, damit dieser den athletischen Teil der Spiele eröffnete.
    Sie selbst war eigentlich viel mehr auf den musischen Teil gespannt. Axilla mcohte Musik und Dichtung sehr gerne. Außerdem sah sie die schwitzenden Athleten jeden Tag bei der Arbeit, da verlor es irgendwie mit der Zeit seinen Reiz, ihnen zuzuschauen. Verstohlen und heimlich, versteht sich. Aber dennoch würde sie hier wohl kaum etwas sehen, was sie im Gymnasium nicht gesehen hatte, daher war es nun nicht ganz so aufregend. Bei Musik war das aber anders, davon konnte man nie genug hören. Ein gutes Lied konnte man auch Tausend Mal hintereinander hören und mitsingen. Daher freute sie sich schon, wenn dieser Teil der Spiele stattfinden würde. Auch wenn griechische Musik nicht unbedingt immer leicht und fröhlich war.


    Aber im Moment folgte ihr Blick Nikolaos, der von der Bühne getreten war. Kurz wurde ihr Blick etwas besorgt. Sie kannte ihren Chef nun ja schon eine ganze Weile, und auch wenn er nicht gleich danach aussah, als würde er zusammenklappen, war er wohl ein wenig erschöpft. Ob sie einfach zu ihm hingehen sollte, um ihn etwas aufzuheitern? Was natürlich die frage aufwarf, ob sie ihn überhaupt aufheiterte, oder er mittlerweile von dem ganzen Chaos, was sie so „im Vorbeigehen“ fabrizierte, mittlerweile schon gestresst war.
    Nun, egal, ihr war langweilig, hier sitzen bleiben wollte sie nicht, und Nikolaos bot sich an, weil sie ihn kannte und gern hatte. Und den ganzen Tag hier allein rumsitzen wollte sie nicht, da konnte sie ihn auch gleich begrüßen. Wenn sie zu ihm durchkam, hier das.
    “Ich sag mal Nikolaos hallo“ plapperte sie noch fröhlich und hatte sich schon erhoben, noch ehe der arme Leander überhaupt richtig reagieren konnte, schnurstraks auf ihren Arbeitgeber zu.

    “Neinnein, das klingt… nett“, versuchte Axilla diplomatisch zu sein.
    Sie musste sich gerade beherrschen, sich nicht über den Hintern zu reiben, wo es garantiert einen blauen Flecken geben würde. Warum auch musste Nikolaos sie so erschrecken? Nungut, er war ihr Arbeitgeber, aber trotzdem!


    “Ich.. ähm, werd das dann gleich erledigen. Ist ja nicht weit.“
    Auf die Frage, ob alles in Ordnung sie, ging Axilla nicht ein. Die Erklärung wäre ihr dann doch ein klein wenig zu peinlich gewesen.

    Gerade hatte Axilla damit angefangen, sich weit, weit auf ihrem Stuhl zurückzulehnen, so weit, dass dieser nur noch auf 2 seiner 4 Beine stand, als Nikolaos plötzlich nach ihr rief. Vor lauter Schreck verlor Axilla das Gleichgewicht und mit einem lauten Rumpeln ging sie mitsamt dem Stuhl dann rücklings zu Boden. Die aufgeschreckten Hilfsschreiber sprangen auf, um nach der kleinen Iunierin zu sehen, als eine Hand plötzlich hinter dem Schreibtisch auftauchte. “Nichts passiert!“ verkündete eine helle und beinah fröhlich klingende Stimme, und kurz daraufhin kam auch Axilla wieder hinter ihrem Tisch hervorgekrabbelt und rappelte sich auf. Das würde einen blauen Fleck geben an einer rückwärtigen Stelle, die zum Glück von der Tunika verdeckt wurde. Aber Axilla würde so schnell wohl nicht mehr mit dem stuhl kippeln.
    Sie betrat also das Officium von Nikolaos und versuchte nicht ganz verlegen auszusehen, während sie zuhörte, was es denn gab.


    “Ähm, ja, kann ich machen.“
    Begeisterung sah eindeutig anders aus. Aber ihr Verhältnis zu Ánthimos war nun mal durchweg als schwierig zu bezeichnen.
    “Läuft das dann unter dem Namen des Kontors mit oder bekommt das für die Anmeldung einen eigenen Namen?“
    Axilla wusste das ja noch von ihren Betrieben, dass in die Urkunde auch der Name eingetragen wurde. Und irgendwas würde sie ja sagen müssen, das konnte sie ja dann nicht spontan nach Lust und Laune einfach entscheiden.

    Wieder einmal gab ein Sklave des iunischen Hausstandes einen Brief auf, diesmal mit einem wachsversiegelten Ledertornister




    Marcus Duccius Rufus
    Mogontiacum
    Germania Superior



    Salve Ragin,


    Ist ja ein ganz schön langer Brief geworden.
    Zunächst einmal, ich pass schon auf mich auf. Da wollt ich dir keine Angst machen, ich wollt dir nur erzählen, was so alles passiert ist. Leander verfolgt mich jetzt sowieso auf Schritt und tritt, weil ich Urgulania versprechen musste, nicht mehr allein loszugehen. Es ist ziemlich langweilig, weil so kann ich gar nicht mehr überall einfach hingehen. Und Leander läuft für meinen Geschmack ein bisschen langsam, aber ich will ihn nicht hetzen.
    Dass du mir anbietest, zu dir zu kommen, ist süß. Aber ich kann ja meine Cousine hier nicht einfach so lassen, und die ganzen Sklaven, und ich hab ja auch Arbeit und Nikolaos zählt da auf meine Hilfe.
    Aber dass sie den Mann mit dem Schwert festnehmen mussten, war so schon ganz richtig! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach selbst Richter wäre und Urteile vollstrecken dürfte? Es ist die alexandrinische Bevölkerung, von der wir sprechen, nicht von Feinden des Imperiums. Bei einem feind muss man auch mal hart sein und gnadenlos, zum Wohle des größeren Ganzen. Aber doch nicht gegen die Einwohner der Stadt? Und das waren alles keine ausgebildeten Kämpfer, nur ganz normale Arbeiter. Und ja, auch die können gefährlich sein, aber ich bin ganz sicher, das hätte man anders lösen können. Ich frag mich sowieso, warum die Leute der Classis sich von denen haben entwaffnen lassen. Da fehlt es wohl an Disziplin.
    Aber der Mann mit dem Schwert war ausgebildet, sogar sehr gut. Ich finde, wenn man Soldat ist, sollte man wissen, wie man seine Kraft einsetzt, sonst wird man grausam. Noch dazu, wo dieser Mann weder bei der Legion noch bei der Stadtwache war!
    Es ist seltsam. Weißt du, ich kenne ihn, und er war mal mit meiner Familie recht gut befreundet, und dennoch bin ich mir nicht sicher, ob es nicht besser wäre, würde er bestraft werden. Vielleicht würde man ihm ja erlauben, Gift zu trinken oder durch ein Schwert zu sterben, anstatt ihn zu kreuzigen? Ich weiß es einfach nicht.


    Naja, aber genug davon.
    Freut mich, dass deinen Cousinen die Kosmetik gefällt. Dann haben wir ja etwas passendes herausgesucht. Wenn wir das von eurem Sklaven früher gewusst hätten, hätte ich vielleicht doch ein wenig Bleiweiß dazupacken sollen. Wenn er auch so ist wie unser Psammytichus, dann brauchten sie dafür verdammt viel Farbe.


    Dann erst einmal Glückwunsch zu deiner Wahl. Ich bin sicher, du kannst da vieles lernen, und das ist sicher ein ehrenwerter Einstieg zu höheren Ämtern.
    Ich glaube, ich wär für sowas nicht geeignet. Ein Bekannter hat einmal vorgeschlagen, ich solle doch in die Fußstapfen meiner Cousine treten und Eutheniarche werden, aber ich glaube, die Getreideversorgung Roms überlass ich doch besser fähigeren Händen.
    Aber ich kann ja bei Nikolaos ein wenig was lernen, er ist ja Gymnasiarchos. Also, wirklich viel lern ich zwar nicht, aber ein bisschen mehr weiß ich jetzt schon, wie Politik so funktioniert. Aber wenn das immer so ist mit endlosen Debatten, dann glaube ich, wär mir das sowieso zu langweilig. Vielleicht hab ich doch zu viel von meinem Vater in mir, als dass ich da ruhig in einem Officium immer sitzen könnte. Auch, wenn das für ein Mädchen standhafter wäre. Also, die Ruhe, nicht das Officium.


    Wo wir gerade bei Nikolaos sind, vielleicht hast du’s gesehen. Ich hab vor ein paar Wochen Aushänge für die verschiedenen Städte verschickt für das Neujahrsagon. Das ist heute, ich wird nachher hingehen. Im Moment wird ich grade frisiert, weil mich alle überredet haben, dass ich mich heute rausputzen muss, daher hab ich Zeit zum Schreiben. Oder diktieren, Leander schreibt den Brief, sonst krieg ich Tinte an die Finger.
    Das geht eine ganze Woche lang, verschiedene Sportarten und dann ein Musikerwettbewerb. Endlich ein wenig Abwechslung, mir ist nämlich ganz schrecklich langweilig im Moment. Ich bin schon gespannt, was alles geboten wird.


    Vale


    [Blockierte Grafik: http://img509.imageshack.us/img509/3392/axillaunterschrph0.gif]


    P.S.
    Nein, deine Überraschung hab ich nicht vergessen. Du wirst den Tornister wohl schon bemerkt und vielleicht sogar geöffnet haben. Ich hab das Bild entdeckt, als ich über die Agora geschlendert bin und musste an dich denken. Rate mal, welches Tier das ist?


    Sim-Off:

    Ein Hippopotamus-Bild in der WiSim :D



    Sim-Off:

    50 Sesterzen für Brief mit Warenanhang. Die Ware als direktes Angebot direkt an den Empfänger

    “Jetzt komm schon, Leander. Wir sind schon viel zu spät!“
    Da war einmal so ein Ereignis in Alexandria, und dann trödelte Axillas Leibsklave so herum. Nun, eigentlich trödelte er nicht, er kam nur nicht so schnell hinter Axilla her, wie die wollte. Warum auch hatte er darauf bestehen müssen, dass sie sich herausputzte? Sie wäre einfach wie immer losgegangen, mit offenen Haaren und einer einfachen, langen Tunika. Aber heute wurde sie überstimmt und hatte sich der versammelten Sklavenschaft in ihrem Schlafzimmer ergeben. Also war sie recht vornehm gekleidet, wenn auch nicht übermäßig. Ein grünes Kleid nach der neuesten, römischen Mode – zumindest dem, was es hier in Alexandria davon gab – dazu eine ebenso grüne Palla aus beinahe durchsichtigem Stoff, um die Form zu wahren. Ihre Haare waren schön hochgesteckt, nur ein paar widerspenstige Strähnen fielen in leichten Locken auf ihre Schultern.
    Doch durch diese ganze Aufmachung waren sie schon reichlich spät dran, und Leander musste seine Herrin geradezu davon abhalten, die ganze Strecke im Sprint hinter sich zu bringen. Und so kamen die beiden erst an, als das Opfer schon anfing und die meisten Besucher schon da waren. Natürlich war so das Gedränge recht groß, aber Leander tat sein bestes, die Leute ein bisschen auf Abstand zu seiner Herrin zu halten – oder seine Herrin auf Abstand zu den Leuten, je nachdem, was einfacher zu bewerkstelligen war.


    Axilla suchte nach einem vertrauten Gesicht, zu dem sie sich gesellen konnte. Am besten Nikolaos, der wusste ja auch, dass sie kommen wollte. Nur war der, als sie ihn entdeckte, gerade dabei, viel Rauchwerk für das Opfer zu verbrennen. Da gesellte sie sich lieber nicht dazu, das könnte doch negativ auffallen.
    Also schaute sie weiter, ob sie jemanden kannte. Auf den Sitzrängen konnte sie den Statthalter ausmachen – der sich aber vermutlich nicht an sie erinnerte, dafür war das Treffen beim Essen zu kurz gewesen und zu lange her. Machte aber auch nichts, denn zu diesem gesellte sich gerade Terentius Cyprianus, und zu dem wollte sie sich sowieso nicht setzen. Nachdem Urgulania sie schon so eindringlich vor diesem Mann gewarnt hatte. Außerdem hatte sie ihm den Vergleich mit dem Pferd, das man zureiten musste, immer noch nicht verziehen.
    Also schaute sie weiter, und entdeckte schließlich jemanden, den sie kannte. Ánthimos stand kaum übersehbar neben Cleonymus. Und da war auch Timos! Trotz allem machte Axillas Herz einen ganz kleinen Sprung, als sie ihn sah. Er sah stattlich aus, richtig herausgeputzt hatte er sich. Und er schien sich gerade gut zu amüsieren, denn er lächelte so, dass Axilla selbst auf die Entfernung mitlächelte. Und dann drehte er sich leicht… zu einer Frau… die ihn auch anlächelte.
    Axillas eben ins Gesicht gezaubertes Lächeln gefror langsam und wurde immer schwächer, bis es schließlich verblasst war. Sie schaute nur auf Timos und die Frau, wie sie sich anschauten. Die Blicke, die sie tauschten. Sein Arm um ihre Hüfte, das Blitzen in seinen Augen, das Lächeln, wenn sie ihn anschaute. Axillas Herz, dass gerade noch freudig gehüpft war, schien stehen geblieben zu sein. Und kalt, wie ein Stein in der Brust.
    Sie rang hart um ihre Fassung. Sie durfte sich nichts anmerken lassen, nicht hier in der Öffentlichkeit. Überhastet heimrennen, wie sie es am liebsten wollte, ging auch nicht. Axilla schaute nirgendwo bestimmtes hin, nur weg von Timos und seiner Freundin, und versuchte, sich zu sammeln.
    Was hast du denn erwartet, du dummes Huhn? Dass er kommt und sagt „Ist mir egal, ob sie mich dafür im Meer ersäufen“? Nachdem du blöde Kuh ihm auch noch klargemacht hast, dass es nicht geht? Hast du gedacht, er liebt dich, wo du ihn nichtmal wirklich liebst? Stell dich nicht so an, du bist Iunia! Wir heulen nicht in der Öffentlichkeit, und wir lassen uns von sowas auch nicht unterkriegen. Los jetzt, lächeln! Hopp
    Auch, wenn sie noch so sehr versuchte, sich in Gedanken zu zwingen, ein Lächeln kam nicht. Es ging nicht. Aber wenigstens konnte sie verhindern, allzu geschockt dazustehen und sichtlich zu leiden.
    “Leander? Siehst du irgendwo noch einen freien Platz? Ich würde gerne sitzen“, meinte sie zu ihrem Sklaven und ließ sich von diesem durch die Menge führen. Mit etwas Glück hatte sie keiner bei der Gruppe bemerkt, und sie kam drum herum, der Frau auch noch vorgestellt zu werden und ihre Maske der Gelassenheit zu testen.

    Axilla hörte sich alles an und kaute dabei gelegentlich auf der Unterlippe herum, wie sie es gerne tat, wenn sie überlegte. Diese Entshculdigung hier war ganz anders als die von Marcus Achilleos, aber deshalb nicht weniger unangenehm. Am liebsten wollte Axilla einfach rauslaufen und wieder flüchten. Sie hasste schwierige Situationen. Fast schon sehnsüchtig schaute sie aus dem Fenster in den Hof des Gebäudes.
    “Hmmm“ kam ihr schließlich, als er geendet hatte, über die Lippen. Was sollte sie jetzt sagen? Dass sie ihn verstehen konnte? Konnte sie eigentlich nicht. Nichtmal ansatzweise.
    Was dachte er denn, was sie getan hätte, wäre sie schwanger geworden? Sie hätte das noch nicht einmal Timos gesagt. Da wäre sie sofort zur nächsten Kräuterfrau gegangen, ohne Umwege. Axilla war zwar manchmal verrückt, aber sie war nicht wahnsinnig und hatte nun gelernt, dass sie an ihrem kleinen Leben doch irgendwie hing. Würde sie einen Bastard von einem Peregrinus bekommen, und das als Tochter der Iunier… undenkbar. Allein, was Silanus gesagt hätte, oder gar gemacht.
    Am Ende wäre sie noch einfach schnell an irgendwen verheiratet worden, nur um es zu verbergen. Dann wäre es ganz egal gewesen, dass sie sui iuris war. So schnell hätte sie vermutlich nichtmal schauen können.


    “Ich… ich weiß nicht was ich sagen soll…“ gestand sie schließlich sehr ehrlich und überaus kleinlaut. Ganz verlegen kratzte sie sich am Arm herum und schaute in der Gegend herum. Sie wusste wirklich nicht, was sie darauf erwidern sollte. Da war irgendwie alles schlecht, denn ihre Argumente konnte sie kaum vernünftig vortragen.
    Vielleicht sollte sie doch noch mal mit Nikolaos reden, ob er ihr nicht was beibringen wollte. Schlimmer konnte ihr Redetalent ja auch nichtmehr werden.

    Axillas eisige Fassade bröckelte ein wenig, als sie die Worte hörte. Sie war kein Mensch, der von Natur aus lange nachtragend war. Aber der Stolz verbot, dass sie jetzt einfach sagte, es sei in Ordnung. Es war nicht in Ordnung, überhaupt nicht. Aber jetzt war es mehr Trotz und weniger Wut, die Axilla erstmal kerzengerade dastehen ließen.
    “Levi? Leander? Ich denke, wo wir schon einmal hier sind, könntet ihr auf der Agora gleich ein paar frische Früchte kaufen. Irgendwas süßes, vielleicht Granatapfel oder sowas.“
    Mit dieser augenscheinlichen Ausrede entließ sie ihre beiden Sklaven, die nur mit einem im Chor gesprochenen “Ja, Domina“ antworteten, sich verbeugten und gingen. Aber was hier wohl besprochen wurde, mussten die beiden nicht mitkriegen. Leander wusste zwar von Timos, aber Levi soweit Axilla wusste noch nicht. Und der musste es so auch nicht erfahren, und ob das Gespräch darauf kommen würde, wusste Axilla nicht so genau. Vorsicht war da vielleicht etwas besser, mal zur Abwechslung.


    Axilla sah zu Anthimos, kaute kurz auf der Unterlippe, als sie überlegte, merkte es und schaute beschämt, ehe sie sich möglichst gewandt – was allerdings nicht so ganz gelingen wollte – hinsetzte und die etwas nervösen Hände in den Schoß legte.
    Sie wusste nicht so recht mit der Situation umzugehen. Bislang hatte sie sich selten gestritten, und schon gar nicht so und über solche Dinge. Also gab es bislang auch wenig Entschuldigungen. So wirklich wusste sie nicht, wie sie mit dieser umgehen sollte.
    Wenigstens schmeißt er sich nicht auf den Boden wie Marcus erinnerte sie sich an eine andere Entschuldigung.
    “Was meinst du denn, was ich falsch verstanden habe?“ fing sie schließlich an. Allerdings klang es weit weniger bissig, wie sie es gerne hätte klingen lassen wollen und machte somit die Wortwahl etwas zunichte. Aber Axilla war einfach nicht gut in sowas.

    “Danke“, sagte Leander noch artig und schloss sich dann seiner Herrin an, die gemessenen Schrittes das Officium betrat. Sie hatte es alles andere als eilig, aber die Wut gab ihr die nötige Kraft, ohne zu zögern und ohne zu schwanken einzutreten.
    “Salve, Ágoranomos. Du hast etwas mit mir zu besprechen?“ meinte Axilla wie ganz beiläufig beim eintreten und wartete, dass Ánthimos sie wahrnahm oder ihr einen Platz anbot oder einfach sagte, was es gab. Ihr war es gleich, sie wollte nur schnell wieder weg und sie hoffte, dass er es auch so verstand, ohne dass sie dabei unfreundlich werden musste. Axilla hasste das, sie war nicht gern unfreundlich. Das lag ihrem Wesen einfach zu fern. Allerdings war sie noch immer wütend, und dass durfte der Bantotake ruhig wissen.

    Volle vier Tage ließ Axilla Ánthimos warten. Anfangs, weil sie sauer war, dann weil sie sich drücken wollte. Am vierten tag aber, als Leucos sie zum dritten Mal erinnerte und auch Leander ihr eingeredet hatte, es könne etwas wichtiges sein, hatte sie sich breitschlagen lassen.
    Und so stand sie nun, flankiert von Leander und Levi, einem jüdischen Sklaven, der etwas kräftiger war und mehr nach Leibwache aussah als der griechische Sklave, in der Stege des Agoranomos. Ihr Haar war heute ausnahmsweise perfekt frisiert und hochgesteckt, streng römisch, und sie trug nicht nur eine einfache Tunika, sondern ein vornehmes, römisches Kleid mit Palla und dezentem, aber doch wertvollem Schmuck. Sie hatte nicht vor, sich noch mal so eine Blöße vor Ánthimos zu geben, und wenn es geschäftlich war, sollte er sie so ernst wie irgend möglich wahrnehmen.
    Daher sprach auch nicht Axilla selber den Scriba an, sondern sie ließ sich von Leander melden. Zwar in griechisch und nicht in Latein, sie wollte ja nicht die unterschwellige Feindschaft, die in der Stadt brodelte, noch bestärken. Sie selbst hatte ja ganz und gar nichts gegen die Griechen, eher im Gegenteil, ihre Familie galt ja schon fast als zu alexandrinerfreundlich. Aber dennoch war wohl auch so deutlich, dass das kein Freundschaftsbesuch war.
    “Chaire. Meine Herrin, die ehrenwerte Iunia Axilla, wünscht den Agoranomos zu sprechen. Er erwartet ihre Ankunft.“

    So, nun galt es, entweder die Wahrheit zu sagen, oder zu lügen. Leucos entschied sich fürs lügen, das klang nicht so aggressiv.
    “Die Herrin ist nicht im Haus.“
    Sie war zwar da, aber sie würde Ánthimos nicht empfangen. Wenn er etwas Verstand hatte, würde er den entschuldigenden Blick des griechischen Sklaven und diesen kleinen Tonfall, der sich in die Worte geschlichen hatte, zu deuten wissen, ohne dass er es wirklich aussprechen musste.