Zwischen unmöglich und sehr einfach war aber ein gewaltiger Unterschied. Axilla kaute sich auf der Unterlippe herum. Ohne Einwilligung ihrer Verwandten dürfte sie wahrscheinlich ohnehin nicht. Aber ein Teil von ihr war so verdammt versessen neugierig darauf, was genau man da nun machen musste. Das war beinahe kaum auszuhalten. Wenn sie doch nur ein bisschen mutiger gewesen wäre!
„Hmmm, leicht genug, dass es auch jemand lernen könnte, der sonst nicht so viel macht? Sagen wir, eine Frau, oder sowas?“
Beiträge von Iunia Axilla
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„Hmmhmm.“
Es klang sehr interessant. Und Axilla würde es auch gerne mal versuchen. Aber das klang sehr schwer, so wie er es beschrieb, und bestimmt war sie dafür zu unruhig und zu quirlig, um das zu lernen. Das Chaos, dieser Hauch vom Geiste des Faunus, der sie stets umgab, vertrug sich sicher nicht gut mit mir Ruhe und Frieden, ganz zu Schweigen von Disziplin.
„Und das ist sehr schwer zu erlernen dann? Also, die Übungen und die Philosophie und die Disziplin und so?“
Axilla würde ihn ja wirklich gerne fragen, aber sie traute sich nicht. Nicht nur, weil sie davor wohl wirklich noch eine Erlaubnis ihrer Verwandten einholen müsste. Aber sie wusste einfach nicht, ob sie soviel Disziplin aufbringen könnte. Und wenn sie damit anfing und es dann nicht schaffte, wäre Marcus sicher sehr böse auf sie.
Axilla wusste, dass sie alles andere als perfekt war, aber sie gab sich stets Mühe, die Menschen ihrer Umgebung so wenig wie möglich zu enttäuschen. Soweit ihr das mit ihrem losen Mundwerk eben möglich war. Und sie wollte nicht, dass sie erst um Erlaubnis fragte, dann seine Zustimmung einholte und dann alle enttäuschte, weil sie es doch nicht konnte -
Übereifrig, wie sie war, wollte Axilla ihn schon gleich fragen, als das böse Wort „Disziplin“ in einem Atemzug mit „Lernen“ fiel und sie entschloss, besser den Mund zu halten. Axilla hatte alles Mögliche, aber keine Disziplin. Wenn sie etwas begeisterte und interessierte, konnte sie Stunden damit zubringen. Aber wenn sie etwas langweilte, wanderte ihr Blick gerne aus dem Fenster oder sie lauschte dem Lied der Vögel. Wie oft hatte Iason sich ihretwegen die Haare gerauft, als er wieder und wieder versucht hatte, ihr die mathematischen Erkenntnisse von Thales von Milet beizubringen. Dabei war sich Axilla sicher, dass er nur so vernarrt in diesen Kreistypen war, weil er auch aus Milet stammte. Und wozu musste Axilla schon wissen, dass der Winkel im Halbkreis ein rechter war? Wozu gab es denn schließlich Architekten?!
Bei seinen letzteren Worten musste Axilla schmunzeln. Sie musste an eine Satire denken, die sie bruchstückweise heimlich gelesen hatte. Vor allem wollte sie sie lesen, weil der Schreiber ein gewisser Decimus Iunius Iuvenalis war, und damit wohl um hundert Ecken oder so mit ihr verwandt. Bis sie dieses Schriftstück einer kichernden Sklavin weggenommen hatte, hatte sie noch nie etwas von ihm gehört, aber Tarraco war ja auch weit weg von Rom. Und sie erinnerte sich nun an seinen Ausspruch, dass man die Götter nur darum bitten solle, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper stecke, und sie sonst mit nichts belästigen solle.
„Was genau meinst du mit der Schulung des Körpers dann?“ -
Nicken und lächeln, das war alles, was Axilla dazu einfiel. Wo hatte dieser Grieche eine so hochgestochene Sprache her? Da würde ja selbst jeder Philosophos vom Museion nur noch Wortfetzen verstehen. Wissen war Macht, war das nicht genug Nutzen? Axilla schwirrte irgendwie der Kopf. Sie hatte nie den Eindruck gehabt, dass die Lehren, die sie kannte, keinen Nutzen hätten. Zugegeben, beim Lernen bezweifelte sie das ein oder andere Mal die Nützlichkeit, vor allem wenn es um Mathematik ging. Aber Iason hatte ihr stets vermittelt, dass sie all dieses Wissen noch einmal wirklich, wirklich brauchen würde. Und jetzt sollte es eigentlich nutzlos sein, weil man es auf Menschen nicht anwenden könne? Irgendwie war das ganze sehr verwirrend.
„Aha“, war der intelligenteste Kommentar, der ihr dazu einfiel. Doch dann musste sie doch wieder grinsen.
„Also, falls du dir das mit dem Lehrer doch noch überlegen willst, musst du dir aber angewöhnen, den Schüler auf seinem Kenntnisstand abzuholen. Ich glaube, meiner ist weitaus kleiner als deiner.“ -
Warum sollte Axilla böse sein, wenn die Serer größenwahnsinnig waren? Wenn das Land so weit weg war, konnten sie ja nicht wissen, dass sie im Unrecht waren. Und hatten nicht auch die Perser sich einst für das größte Reich gehalten? Axilla nahm diesen Scherz auf Kosten der Römer nicht persönlich.
„Wie meinst du das: Subjekt-orientiert und Objekt-orientiert? Ich kenne ja bis auf dieses eine Gedicht von vorhin noch nichts aus Han, und selbst das hab ich nicht verstanden.“ -
Bei seinen Worten wurde auch Axilla etwas schwermütiger. Ja, die Götter waren grausam. Sie gaben einem, was man von Herzen begehrte, und nahmen es einem wieder weg. Sie ließen einem die Hoffnung auf Besseres, während sie einem das schlimmste Unglück schickten.
„Vielleicht stimmt es ja, was man sagt, und die Götter sind eifersüchtig auf das Glück der Menschen. Und durch diese Prüfungen erinnern sie uns daran, dass wir nur Sterbliche sind, sie aber Götter. Aber manchmal hoffe ich, dass der ein oder andere Gott die Menschen doch einfach liebt und ihnen ab und zu etwas schenkt.“
Sie war sie beispielsweise sehr sicher, dass das gute Schicksal sie auf Markus’ Fuß hatte treten lassen, damit sie ins Gespräch kamen und er sie noch einmal die Bücher im Museion lesen ließ. Und das war für sie ein unendliches Glück. Sie hoffte, dass es sich nie in Leid verwandeln möge.
Das Thema war traurig, und Axilla wusste nichts so recht mehr dazu zu sagen. Aber Schweigen empfand sie als bedrückend. Also überlegte sie schnell eine andere Frage, um sie beide auf andere Gedanken zu bringen.
„Kennen die Philosophen in Han eigentlich auch die griechischen Philosophen?“
Vielleicht war diese frage etwas plump, aber ihr viel auf die Schnelle keine bessere ein. -
„Na, ich weiß nicht… ist das nicht unehrlich? Ich meine, wenn ich für dich ein gedicht schreibe… das ist doch nicht dasselbe, oder? Ich meine, meinst du wirklich, dass ihr das dann gefallen würde?“
Axilla rutschte ein wenig unwohl auf ihrem Hocker herum. Irgendwie war sie von dieser Idee ganz und gar nicht überzeugt. Aber was musste Archias auch so gucken! Mit diesem Blick hätte er selbst Pluto erweicht! Da müsste Axilla ja schon einen Stein anstelle eines Herzens haben – nein, nein! So leicht bekam er sie nicht rum!
Wild verschränkte Axilla die Arme und schüttelte noch einmal energisch mit dem Kopf. Das war nicht richtig. Das war ganz und gar nicht richtig. Mit Liebe trieb man keine Spielchen, nein, das machte man nicht. Mh-Mh.
Sie drehte den Kopf seitlich mit hoch gerecktem Kinn. Sie schaute Archias nicht an. Sie schaute nicht hin. Schaute er zu ihr? Nein, sie schaute nicht hin. Sie schaute nicht… sie schaute doch. Und wieder dieser Hundeblick. Nein, sie würde sich nicht erweichen lassen, niemals, sie würde das nicht tun. Da half auch dieser hilflose, bittende, herzerweichende Blick nicht. Auch wenn er noch so lieb, schmeichelnd und… ach verdammt noch mal.
„Du bist gemein, hat dir das schon mal einer gesagt? In Ordnung, ich versuch’s, aber wenn es ihr nicht gefällt, ist es ganz allein deine Schuld, und wenn sie böse ist, weil sie rausfindet, dass ich es geschrieben habe, ist es auch ganz allein deine Schuld.“ -
Axilla lachte. „Na, ist es hier denn soviel anders? Patrizier heiraten nur Patrizier, Plebejer nur Plebejer. Ich würde auch niemanden heiraten, der unter meinem Stand ist. Wenn man als Frau den Schutz seiner Gens verlässt, muss man ja auch sicher sein, dass man gut versorgt ist.
Aber es ist schön, wenn man den heiraten kann, den man liebt. Nur aus Politik vielleicht sogar zwei oder drei Mal zu heiraten, das ist nicht gut. Aber den heiraten zu können, den Amor uns geschickt hat, unser Herz durch seinen bloßen Anblick zu erfreuen, das ist ein Segen.“
Bei den letzten Sätzen musste auch Axilla wieder lächeln. Sie liebte Silanus so unendlich. Und auch, wenn er sie wohl nicht heiraten würde, war das Wissen, dass sie es rein theoretisch könnten, wenn sie nur wollten, mehr, als Axilla sich je zu träumen erhofft hätte. Und es war ein wunderschönes Gefühl. -
Seine Frau? Axilla fiel auf, dass sie über diese Möglichkeit bisher noch gar nicht nachgedacht hatte. Aber natürlich, er war ja bestimmt schon über dreißig, wie konnte sie so naiv sein, anzunehmen, er sei nicht verheiratet? Noch dazu als Beamter, da waren die meisten ja verheiratet. Manchmal war sie aber auch einfach zu kurzsichtig!
„Dann warst du verheiratet? Ist deine Frau auch von Griechenland mit dir mit gekommen?“
In ihrem Denken war verankert, dass jemand aus einem Volk nur jemand aus seinem Volk heiratete. Dass Marcus Frau eine Sererin sein könnte, daran dachte sie überhaupt gar nicht, obwohl es eigentlich logischer gewesen wäre. -
Als ob Gedichte nicht wichtig wären! Männer! Gedichte, das waren Worte, die einem tief in die Seele drangen und die kühnsten Träume weckten. Als ob das nicht wichtig wäre, pah! Aber so ein trockener Bericht, dass irgendwo zwei Kälber mehr als sonst geboren wurden, das war natürlich im Vergleich dazu ungemein viel wichtiger…
Grade wollte Axilla schon überlegen, ob sie wegen seinem Rückzieher etwas sagen sollte. Warum sich Männer immer um das Lesen von Gedichten oder Geschichten drücken wollten? Aber sie kam gar nicht dazu, denn plötzlich kam er derartig schnell auf sie zu sprechen, dass sie nur mit aufgerissenen Augen ihn anstarren konnte, als hätte er den Verstand verloren. Wie kam er denn darauf, dass sie über seineGefühle zu einer anderen ein Gedicht schreiben könnte, und auch noch so, als wäre es von ihm?
„Ich? Nein, das wäre – das geht doch nicht! Dann ist es doch nichts Persönliches. Jetzt guck nicht so! Nein, guck, guck weg! Das ist ja schlimmer als kleine Hunde!“
Axilla rückte auf ihrem Hocker ein wenig nach hinten und sah ihn immer noch entgeistert an. Sie konnte für ihn doch kein Liebesgedicht schreiben! Das war verrückt! Nein, nicht verrückt, aber unehrlich.
„Außerdem krieg ich gar nicht das Versmaß hin. Und ich weiß doch gar nicht, wie du für sie fühlst. Ich kann ja nicht einfach irgendwas schreiben, was dann gar nicht stimmt. Und wenn sie es herausfindet? Dann ist sie bestimmt böse auf dich.“ -
„Nunja, es gibt roten Ton und schwarzen und weißen, warum soll es nicht auch irgendwo blauen oder grünen geben?“
Axilla zuckte die Schultern. Sie hatte gehört, in Germanien gäbe es Hirsche mit drei Geweihen, und tief im Süden in Africa gäbe es sogar die gefürchtete Chimaera. Wenn es solche Tiere gab, was war dann ein bisschen bunte Erde im Vergleich dazu?
„Und die Frauen? Tragen die auch solche Sachen, oder andere? Können sie auch lesen und philosophieren, oder ist das nur etwas für Männer?" -
Wie sahen mandelförmige Augen aus? Axilla konnte es sich nicht wirklich vorstellen, wo da der Unterschied zu normalen Augen sein sollte. Ihre Augen waren ja auch nicht eckig. Aber vielleicht sah sie ja mal eines Tages einen… wie hießen die dann eigentlich? Haneser? Häner? Hanusianer? Egal, vielleicht sah sie einmal einen solchen Menschen und konnte sich dann ein Bild davon machen.
„Und ich habe mich schon gefragt, ob dieser Schnitt eine neue Mode ist, als ich dich auf dem Fest gesehen habe. Hier in Alexandria weiß man ja nie, hier sind alle immer so bunt angezogen und geschminkt.“
Manchmal kam Axilla sich dann richtig nackig vor, wenn sie nur mit einer einfachen Tunika und einem Ledergürtel bekleidet das Haus verließ, völlig ungeschminkt und un-bunt.
„Haben die in Han bunten Ton, oder haben sie so viel Geld, die Ziegel einzufärben?“
Axilla wusste natürlich, dass Farbe sehr teuer war. Sie kannte zwar nur die zum Färben von Kleidung, aber sie glaubte nicht, dass Ziegelfarbe sehr viel billiger sein würde. Und wenn es keine eigene grüne Farbe gab, sondern man blau und gelb erst mischen musste, dann war grün wirklich, wirklich teuer. Axillas bestes Kleid war grün und aus diesem Grund nicht gerade billig gewesen. -
„Alles!“
Axilla musste lachen und verfiel für zwei, drei Schritte in einen beschwingten Hoppsergalopp. Für die anderen Passanten musste es sicher komisch aussehen, wie sie beinahe tanzte und Marcus mit verschränkten Armen ruhig daneben lief. Aber Axilla kümmerte das nicht weiter. Es war ein schöner Tag, die Mittagshitze war bereits vorbei und vom Meer her wehte eine frische Brise, die den Sandgeruch vertrieb.
„Wie sieht es da aus? Was trägt man da so? Sind die Frauen hübsch? Wie kam es überhaupt, dass du dort warst?“
Axilla fielen bestimmt noch hundert Fragen ein, wenn sie ein wenig überlegte. -
Axilla beobachtete, wie er alles fein säuberlich aufräumte und an seinen Platz stellte. Es war wohl wirklich besser, wenn sie ihm dabei nun keine Hilfe anbot, denn Axilla war alles, nur nicht ordentlich. Zumindest nicht so.
„Nun können wir los, wenn du magst.“
Sie stand auf und strich sich ihre lange Tunika noch einmal glatt, damit sie ordentlich und ohne Knitter fiel. Sie hatte schon desöfteren überlegt, sich einen Chiton anzuziehen, wie ihn die alexandrinischen Frauen gerne trugen. Diese waren viel luftiger als ihre Tuniken. Aber sie war doch Römerin und wollte das nach außen hin doch irgendwo sichtbar zeigen, auch wenn sie dafür manchmal schwitzen musste.
Sie lächelte Marcus strahlend an und trat neben ihn. Allerdings verzichtete sie darauf, sich bei ihm einzuhängen, so vertraut waren sie ja nun doch nicht miteinander.
„Und auf dem Weg kannst du mir vielleicht noch ein wenig was von deinen Reisen erzählen, ja?“
Axilla setzte ihren Bettel-Blick kurz auf, ehe sie grinste und sich daran machte, das Museion mit Marcus zu verlassen. -
„Oh, das stimmt. In Hispania war es im Sommer auch warm, aber diese Sonne hier ist fast schon herzlos. Mittags kann man kaum auf die Straße gehen. Und so ein schöner Regen wäre mal etwas feines, aber ich habe mir sagen lassen, dass es hier nie regnet. Leider.“
Ein wenig hilflos schaute Axilla auf den Tisch. Bestimmt musste Marcus das hier zumindest noch verräumen, bevor sie loskonnten. Sollte sie ihm dabei helfen? Eigentlich machten so etwas Sklaven, und sie brachte bestimmt nur Unordnung hinein.
„Musst du das verräumen oder machen das die Sklaven hier?“
Nicht, dass Axilla es irgendwie eilig hätte. Sie hatte alle Zeit der Welt, und wenn sie Marcus noch ein Weilchen für sich hatte und nicht mit Urgulania teilen musste, war sie sicher nicht böse. Eifersucht war ihrem Wesen zwar an und für sich fremd, aber Gespräche zu zweit waren einfach ungezwungener. -
„Und wer würde mich schon als Lehrer wollen?"
„Ich zum Beispiel.“
Axillas Mund funktionierte wie gewöhnlich schneller als ihr Verstand, und so war es heraus, ehe sie es irgendwie noch einmal überdenken konnte. Aber gut, dass Marcus das Thema gleich auf Urgulania zu sprechen brachte, so hatte Axilla keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob sie so eine Aussage überhaupt hätte treffen dürfen.
„Urgulania? Ja, natürlich, sie wohnt auch in der Villa. In letzter Zeit ist sie zwar viel unterwegs, sie ist ja…“ Wie hieß das gleich, zu dem sie gewählt wurde? Axilla vergaß es andauernd. „Eutheniarchos? Ja, ich glaube, das war’s. Aber du kannst gerne vorbeikommen. Oh, oder noch besser, du könntest mich nach Hause begleiten. Ich glaube, heute ist sie da, aber ich weiß es nicht sicher. Aber wir könnten mal schauen, also ich meine, wenn du hier nichts mehr zu tun hast. Ich will dich ja nicht von deinen Schriften abhalten.“
Das sie das nun schon bestimmt eine halbe Stunde mit Erfolg tat, vergaß Axilla dabei einfach mal. -
Wenig überzeugt schaute Axilla ihn an. Grade, wenn man schon den Luxus eines schönen Lebens genossen hatte, konnte man doch nicht sagen, dass einem ein ärmeres Leben von der Hand in den Mund genügte?
„Aber… ich meine, du bist gebildet, du könntest doch sicher als Lehrer arbeiten, oder… wenn du ein Buch über deine Reise schreiben würdest, vielleicht findest du dann einen Gönner oder… ich meine, reicht dir das hier wirklich?“Allein wenn Axilla hörte, dass er fünf Pferde verschlissen hatte, und die Menge an Sesterzen, die er allein für die Reise ausgegeben hatte, konnte sie das kaum glauben. In Hispania hatten sie grade mal zwei Pferde, und die brauchten sie als Arbeitstiere. Wären die verschlissen worden dabei, wäre Axilla noch mehr in Geldnot geraten, als sie es damals ohnehin schon war. Ein junges Mädchen war halt kein Verwalter. Nein, diese Not und die Sorgen, die würde sie nie wieder erleben wollen. Geld war wichtig, diese Lektion hatte sie gelernt.
Sie überlegte, ob sie mit Silanus einmal reden sollte. Sie mochte Markus hier, vielleicht könnte er als ihr Lehrer arbeiten, nur ein paar Stunden die Woche. Es musste ja nicht viel sein, aber hier so völlig kostenlos mit ihm zu philosophieren und ihn über dieses Han auszufragen erschien ihr plötzlich nicht mehr so ganz richtig. -
Er war hier nur Gast? Und übersetzte all das, ohne dafür Geld zu bekommen? Axilla hatte ja durchaus Ehrfurcht vor Menschen, die Dinge taten, weil sie richtig waren, und nicht nur für ein paar Münzen, aber irgendwie musste man doch auch seinen Bauch füllen? Und ohne Geld konnte man sich auch nichts kaufen, oder Heiraten, oder sich eben ein klein wenig Luxus gönnen. Axilla hatte ja selber schon ein schlechtes Gewissen, dass sie nur Geld von Silanus zugeteilt bekam und kein eigenes Vermögen hatte. Aber wie musste das erst als Mann sein, kein eigenes Geld zu haben?
„Dann kriegst du gar kein Geld hier? Wie kaufst du dir dann Essen, oder neue Sachen?“
Nicht, dass die alten Sachen schlecht wären, aber Kleidung ging immer mal wieder kaputt, weil man irgendwo hängen blieb. Und natürlich brauchte man für ein angenehmes Leben auch Sklaven. Axilla konnte sich nicht vorstellen, wie das denn ohne diese gehen sollte. Schon früh morgends beim Aufstehen hatte sie eine Sklavin um sich, die ihr mit ihren Haaren half oder das Bett richtete, während sie sich anzog. Natürlich könnte Axilla das auch alles alleine machen, sie war ja kein hilfloses Dummchen, aber dieses klein wenig Luxus genoss sie durchaus. -
Er vermisste diesen Ort, das konnte Axilla hören.
„Als ich klein war, hab ich im Garten eine Vogelfeder gefunden. Es war eine hübsche, bunte Entenfeder. Ich hab sie meinem Vater geschenkt, damit sie ihm Glück bringt. Es war absolut nichts besonderes, nur eine kleine, bunte Feder. Aber er trug sie immer bei sich, denn für ihn war sie kostbar.
Ich glaube, die Dinge, die wir für die tun, die wir lieben, sind wertvoller als Gold oder Erfolg.“
Axilla bekam einen sehr schwermütigen Ausdruck, weil sie an ihren Vater dachte. Selbst nach über zwei Jahren vermisste sie ihn so schrecklich. Wehmütig blickte sie geradeaus, ohne wirklich etwas zu sehen, und seufzte dann. Ein Lächeln kam wieder auf ihr Gesicht. „Das klang jetzt sicher sehr altklug, was?“
Axilla verbarg ihre Traurigkeit hinter ihrer Fröhlichkeit, auch für sich selbst. So war es schlichtweg einfacher für sie.
„Und du arbeitest hier, oder machst du das nur zu deinem Privatvergnügen? Also, das übersetzen, meine ich.“ -
Die zweite Geschichte gefiel Axilla wesentlich besser als die erste, und während Marcus erzählte, musste sie wieder anfangen herzlich zu grinsen. Sie konnte es sich bildlich vorstellen, wie der alte Mann dastand und freudestrahlend verkündete, dass er keine Ahnung hatte, was sie da taten. Aber manchmal musste man das ja auch gar nicht wissen, es war nur wichtig, etwas gemeinsam zu versuchen. Das hatte Axilla bei ihrer Mutter gelernt. Es war nicht wichtig, ob sie den Haushalt führen und die Mutter pflegen konnte, es war nur wichtig, dass sie und die Sklaven ihr Bestes taten, alles so gut es ging zu tun.
„Nun, Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Ich kann es mir richtig vorstellen, wie du und die anderen versucht haben, wie Sisyphus den Stein den Berg hinaufzubekommen. Aber ich denke, es war doch viel wichtiger, dass ihr es für ihn tun wolltet und dass ihr alle es dann gemeinsam gemacht habt, oder? Meinst du, der Mönch hätte sich mehr gefreut, wenn der Stein oben in seinem Garten gewesen wäre?“
Axilla glaubte das nicht. Sie kannte zwar weder Buddha noch diesen Mönch, aber so, wie Marcus es erzählte, konnte sie es sich nicht vorstellen.