gemacht
Beiträge von Iunia Axilla
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Viel zu klein? Nicht mehr lange, und er würde in den Liberalia die Toga eines Mannes anlegen. Er war in dem Alter, in dem Axilla ihren Vater verloren hatte, und sie erinnerte sich an alles von ihm, jedes Wort, jede Bewegung und jeder Hauch seiner Art. Sie glaubte nicht wirklich, dass er es vergessen würde. Aber wenn Silanus mit ihm redete, es vielleicht erklärte, würde er ihr vielleicht verzeihen.
Ermattet und zu erschöpft vom vielen Weinen nickte sie einfach nur, so ihr Einverständnis gebend, und flüsterte ihm zu, wo ihre Kinder zu finden waren. “Sie sind in der Insula des Gabinius Findulus nahe dem Forum Ostiae. Erster Stock, die rechte Wohnung.“Noch immer konnte sie ihn nicht loslassen, und so ließ sie sich bereitwillig die Tränen beiseite wischen und hielt sich einfach nur weiterhin an ihm fest. Auch das, was er über ihren Ehemann zu sagen hatte, klang irgendwie logisch. Also nickte sie artig und klammerte ihre Hoffnung an den Gedanken, dass Silanus wusste, was er zu tun hatte und wie es zu tun war. Bestimmt würde sich nun, da er wieder hier war, für alles eine Lösung finden. Auch für ihren lange verschwundenen Mann.
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jetzt aber
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und wieder gemacht
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Vielleicht fand er ja tatsächlich einen Hund. Axilla hatte keine Ahnung, wo sie selbst da mit Suchen angefangen hätte. Höchstens die Nachbarn gefragt, ob sie jemanden wussten oder gerade Hundenachwuchs hatten. Axilla wusste noch nicht einmal, wie häufig Hunde denn Nachwuchs so bekamen. Auf dem Hof in Hispania damals hatten sie Hunde gehabt, aber Axilla hatte sich nie näher mit ihnen beschäftigt. Sie waren halt da gewesen und hatten meistens Krach gemacht.
“Ich wüsste nicht, was“, antwortete sie schulterzuckend auf Senecas Rückfrage. Was er sonst für sie tun sollte, hatte sie ihm oft genug um die Ohren gehauen. Im Moment hatte sie dafür aber keinen Grund. “Kann ich noch etwas für dich tun?“ -
Die Dankbarkeit, die Axilla fühlte, als Silanus ihr sagte, was zu tun war, hätte Axilla nie in Worte fassen können. Endlich, ENDLICH musste sie nicht mehr die Erwachsene sein. Sie musste nicht mehr dafür sorgen, dass alles in den richtigen Bahnen verlief. Sie musste sich nicht mehr um ihre gesamte Gens als Oberhaupt kümmern, musste sich nicht mehr Sorgen um alle machen, musste nicht mehr Maßnahmen ergreifen, um alle zu schützen. Sie musste nicht mehr der Mann im Haus sein, der immer wusste, was zu tun war und wo man hingehen musste, was man sagen und wie man sein musste. Sie musste nicht mehr die Rolle spielen, in die sie so schlecht gepasst hatte, die aber niemand anderes zu spielen bereit gewesen war.
Unfähig, das in Worte zu fassen, ließ sich Axilla vornüber halb vom Stuhl fallen und fiel Silanus so erneut um den Hals, hielt sich an ihm fest und schluchzte hemmungslos. So fest sie konnte, zog sie sich an ihn und hielt sich an ihm fest. Für den Moment war er der einzig feste Punkt in ihrem stürmischen Meer aus Chaos und Gefühl, und es dauerte eine ganze Weile, bis die Wellen der Emotionen nicht mehr so hoch schlugen und der Regen ihrer Augen nachließ.
Nach ein paar rasselnden Atemzügen versuchte Axilla, sich soweit zu beruhigen, um ihrem Cousin antworten zu können, aber es brauchte einige Anläufe, ehe sie ihm zitternd und noch immer ganz eng an ihn gepresst Antwort geben konnte. “Ich weiß nicht, wo Imperiosus ist. Er... er ist festgenommen worden und... der Kaiser hat mir zwar versprochen, dass er wohlwollend über ihn urteilen wird, aber... ich hab nichts von ihm gehört.*“
Eine weitere Welle des Weinens folgte, und Axilla war nur so froh, dass sie es dieses eine Mal nicht zurückhalten musste und nicht stark sein musste, sondern so schwach sein konnte, wie sie es die letzten Monate immer hatte sein wollen. “Ich... ich mach mir Sorgen...“ gestand sie zwischen zwei rasselnden Atemzügen.
Und noch ein weiteres Geständnis folgte. “Ich hab Angst, dass Titus mich hasst. Ich hab ihn ganz allein gelassen...“ -
verspätet, aber gemacht
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Und wieder so eine Frage, über die Axilla lieber nicht auch nur nachdenken wollte. Sie schon diese Fragen vor sich her, so gut es ging, ohne sie auch nur annähernd für sich selbst zu beantworten. War es sicher? Bildete sie sich die Gefahr nur ein? Oder war es gut, wenn sie weiterhin vorsichtig und ängstlich blieb? Axilla wusste es nicht. Sie wollte auch nicht wirklich darüber nachdenken. Was allerdings die Antwort auf diese Frage nicht unbedingt erleichterte.
Sie zuckte also relativ hilflos mit den Schultern und ließ ihren Blick über den friedlich wirkenden Garten schweifen. “Ich weiß es nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass ich noch ein wenig warten sollte. Zumindest, bis ich etwas über meinen Mann weiß.“ Letzteres war so oder so eine gute Idee, denn auch wenn ihr Sohn der Erbe der Casa Pompeia wäre, würde sie mit ihren Kindern in dem Fall dennoch erst einmal richtig in der Casa Iunia Quartier beziehen. Und später vielleicht auch die Casa eines anderen Mannes, sollte sie danach noch einmal heiraten. Aber an letzteres wollte sie noch weniger denken wie an die frage, ob es für ihre Kinder denn sicher sei. -
Durch ihr Schluchzen hindurch hörte Axilla die Frage nach ihren Kindern. Nach Cossus. Armer, kleiner Cossus. Er würde seine Mutter wohl nicht wieder erkennen, sollte er sie jetzt sehen. Würde Axilla im Gegenzug denn überhaupt ihn wiedererkennen? Vermutlich nicht. Axilla wusste es noch von Atticus, wie schnell er sich in den ersten beiden Jahren seines Lebens verändert hatte. Jeden Tag ein bisschen mehr. Jeden Tag konnte er dann auch mehr. Erst kam das Sehen und das zuhören, später dann das Plappern, das Sprechen, das Krabbeln, das Laufen. Wie viel hatte sie von ihrem Jüngsten jetzt davon unwiderruflich verpasst?
Axilla schluchzte stärker und es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sich so weit gefangen hatte, dass sie überhaupt auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte. Zwischen zwei Keuchen nach Luft, die man kaum als Atemzug bezeichnen mochte, kam schließlich ein halb ersticktes “Ostia“ heraus, gefolgt von einem weiteren Heulkrampf. -
Rechnet erst wieder am Montag mit mir, übers verlängerte Wochenende bin ich erstmal unterwegs
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erledigt
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Von Silanus versuchter und gestammelter Entschuldigung bekam Axilla nicht wirklich etwas mit. Sie hörte, dass er es sagte, aber es kam nicht so weit in ihr Bewusstsein, um daraus die Notwendigkeit einer wirklich direkten Antwort zu schließen. Sie war viel zu sehr mit ihrer Erzählung beschäftigt, mit all den Dingen, die geschehen waren. Mit all den Sachen, die sie hatte tun müssen. Und auch mit den Sachen, die sie nicht einmal ihm erzählen konnte.
“Ich hab ja alles versucht. Aber als ich dann nach Ostia gegangen bin, als aus dem Norden die ersten Meldungen gekommen sind, konnte ich das alles auch nicht mehr so verfolgen. Seneca ist auch mit den Prätorianern ausgerückt, und er meinte noch, ich solle ja hoffen, dass er getötet werde, dann könne ich aufhören, wegen seines Verhaltens rumzumeckern.
Ich hätte vielleicht mehr versuchen müssen, aber ich war gerade wieder schwanger und hatte Angst um meine Kinder. Also hab ich das Testament, das echte Testament von Valerianus, genommen und bin nach Ostia gegangen. Und die ganze Zeit hab ich nicht gewusst, was ich machen soll. Ich habe Seneca von dem Testament erzählt, aber er ist trotzdem gegen Palma in den Krieg gezogen, obwohl der doch der richtige Kaiser war. Und ich wusste nicht, wem ich es sonst sagen konnte, und ob jemand was hätte tun können. Ich meine, was wäre gewesen, wenn jemand deshalb meinen Kindern etwas tut? Und wenn noch nicht einmal meine eigene Gens auf mich hört...Als dann aber Nachrichten kamen, dass im Norden die Prätorianer und die Legionen von Vescularius geschlagen worden sind, da... ich weiß, ich hätte bei meinen Kindern bleiben sollen. Cossus war erst ein paar Monate alt und Titus... er wird mich hassen. Aber ich musste doch gehen, oder?“ Aus verheulten Augen blickte sie Silanus kurz hilfesuchend an, auch wenn der vermutlich eher weniger verstand, wovon sie gerade überhaupt sprach. Ihre Gedanken waren doch recht wirr, aber sie wollte es jetzt alles sich vom Herzen reden, ehe ihr wieder der Mut dazu fehlen würde.
“Er hat versucht, tapfer zu sein, als ich ihm gesagt habe, dass ich gehe, aber ich weiß, dass er wütend ist. Und ich hab so Angst davor, ihn wieder zurück nach Rom zu holen und zu sehen, wie sehr er seine Mutter verabscheut.“ Und jetzt heulte Axilla einfach ungehemmt in ihre Arme und konnte sich nicht weiter beherrschen. Ihr ganzer Körper zuckte unter ihren Schluchzern und den keuchenden Atemzügen. Aber sie war jetzt nicht in der Lage, sich zu beherrsche, wo sie so viel vor sich selbst eingestanden hatte.Dass in ihrer Erzählung ein paar essentielle Teile fehlten – wie dass sie zu Palma gegangen war und ihn als Kaiser mithilfe des Testamentes legitimiert hatte (Kleinigkeiten eben) – hatte sie nicht einmal ansatzweise bemerkt.
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Also auch hier kein Glück, nachdem Seneca auch nicht so wirklich hatte weiterhelfen können. Wäre auch zu schön gewesen, jemanden zu finden, der ihr sagen konnte 'ja, klar, hier habe ich den perfekten Welpen' und ihn ihr in die Hand drücken würde. Nur leider funktionierte die Welt nicht so.
“Ich wollte meinem Sohn einen Welpen schenken, wenn er wieder zurück nach Rom kommt. Ich denke, er ist jetzt in dem Alter, wo er einen haben kann, wenn er einen will. Und... naja, ich dachte, es wäre eine gute Idee.“ Axilla zuckte mit den Schultern. Der eigentliche Inhalt der Idee war wohl eher, dass ihr Sohn nicht so wütend auf sie sein würde, wenn sie ihn wieder zurück nach Hause holen würde. Aber das musste sie so wirklich nicht kommunizieren. -
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Ja, sich hinzusetzen war eine gute Idee. Denn die Dinge, die Axilla sich nur zu gerne einmal von der Seele reden und mit einem Vertrauten teilen wollte, der sie dafür nicht verurteilen würde. Also nickte sie einfach stumm und ging mit ihm ein paar Zimmer weiter in die kleine Bibliothek, um sich dort hinzusetzen, während die Sklaven alle mit dem herumräumen von Silanus' Sachen beschäftigt waren.
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Die Schriftrolle, die Axilla fallen gelassen hatte, als sie Silanus begrüßte, lag mittlerweile fein eingerollt auf dem kleinen Tischchen bei den beiden Korbsesseln in der Ecke. Ein Sklave war wohl so umsichtig gewesen, wie wieder zumindest aufzuräumen, auch wenn Axilla so natürlich keine Ahnung mehr hatte, an welcher Stelle sie denn gewesen war. Die hätte sie aber wohl auch nicht, wenn die Rolle noch auf dem Boden läge. Und wichtig war es ohnehin nicht. Nicht jetzt.
Axilla setzte sich auf einen der beiden Korbsessel und zog gleich die Füße kindhaft mit zu sich auf die Sitzfläche. Sie fühlte sich nicht wohl. Vom Anfang sollte sie anfangen. Was war der Anfang?Axilla saß einen Moment lang schweigend da, vergrub sich in sich selbst. Es war so viel! “Ich...“ Nein, das war der falsche Anfang. “Es...“ Nein, so war es auch nicht richtig.
Axilla zog die Beine noch ein wenig enger an sich und schloss die Augen, atmete tief durch. “Als Aelius Archias sich vom tarpejischen Felsen gestürzt hat, hab ich mir Vorwürfe gemacht. Und ich war so wütend auf ihn. Ich habe gedacht, dass er noch wahnsinniger geworden ist. Ich meine, er war ja schon wahnsinnig, so unendlich eifersüchtig. Seine dauernden Unterstellungen und der Zwang, mit dem er mich kontrollieren wollte und das alles... Und ich hab gedacht, dass er sich da so hineingesteigert hatte, als ich einen Abend nicht zu ihm nach Hause gekommen sondern hier geblieben bin, dass er sich deshalb dann vor Eifersucht umgebracht hat. Sein Testament und sein Abschiedsbrief waren ja auch so, dass ich das denken konnte. Aber...
Ich weiß jetzt – ich glaube nicht nur, ich weiß es, dass Salinator ihn hat umbringen lassen. Um an sein Vermögen zu kommen und um einen weiteren Verwandten von Valerianus aus dem Weg zu räumen. Ich meine, er war zwar sehr weit entfernt verwandt mit Valerianus, aber er war es ja doch.“ Und die ersten Tränen flossen. Axilla öffnete zwar wieder die Augen, sah aber durch den Schleier ohnehin nicht wirklich viel und starrte nur vor sich hin. Es tat ihr so unendlich leid, dass sie so schlecht von Archias gedacht hatte. Was sie ihm alles unterstellt hatte. So unendlich leid.
“Aber das wusste ich damals nicht. Und deshalb bin ich zu Vescularius Salinator gegangen, damit er das Erbe von Archias freigibt. Und da hat er... er hat...“ Axilla konnte es nicht richtig sagen, sie verschluckte sich an den Worten.“Ich meine, es war auch meine eigene Schuld. Irgendwie. Ich hätte nicht allein zu ihm gehen dürfen. Ich hätte noch einen Beistand mitnehmen müssen. Oder zumindest ein paar Sklaven. Irgendwen...“ Und sie hätte sich hinterher eigentlich umbringen sollen. Allerdings hatte sie dazu nicht den Mut gehabt. Sie hatte es schon drei Mal in ihrem Leben gewollt, und immer wieder gründe gefunden, warum sie es nicht konnte. Mehr Tränen flossen.
“Als er... als er fertig war, hat er mich nur ausgelacht, und hat das Erbe behalten. Ich... ich bin danach nur heimgegangen. Es tut mir so leid. Ich war so dumm, ich hätte... ich weiß nicht...“
Ihr verheultes Gesicht vergrub sich in ihren Armen hinter ihren Knien, und ihr Körper schüttelte sich. Aber sie musste Silanus auch alles andere erzählen, was vorgefallen war. Es war so viel. Und wenn sie es jetzt nicht herausbrachte, dann wohl nie.Durchzogen von schwer unterdrückten Schluchzern fuhr sie also fort. “Ich hab dann Pompeius Imperiosus geheiratet. Er war der Klient von Vescularius, und so hatte ich auch meine Ruhe. Und Imperiosus ist auch wirklich sehr lieb. Er liebt mich, und die Kinder. Aber er... er hat das Testament von Valerianus gefälscht. Als die kaiserliche Familie getötet worden war, hat Vescularius das Testament nicht dem Senat vorgelegt, sondern es selbst geholt und es dann Imperiosus gegeben, damit er es fälscht. Was er auch gemacht hat. Deshalb konte sich Vescularius zum Kaiser ernennen und hat dann alle, die ihm gefährlich werden könnten, verbannt. Die alten Senatorenfamilien, alle Patrizier... Vinicius Lucianus hat er hinrichten lassen und Decimus Serapio hat über die Acta behauptet, er wäre hingerichtet worden, weil er die kaiserliche Familie ermordet hätte und nicht Vescularius! Ich meine... er hat einen Consular hinrichten lassen.“ Das war selbst wenn Vinicius Lucianus den Kaiser ermordet hätte, eine unzulässige Strafe gewesen, wenn man sich an das Recht gehalten hätte. Hätte, wäre, wenn...
“Aber überhaupt... das ist noch nicht alles. Die Decimer sind... ich meine, Decimus Livianus ist ja dein Patron, aber die anderen... die haben... Decimus Serapio hat mich in der Öffentlichkeit beleidigt. Seine Schwester hat sich, obwohl sie verheiratet war, an Seneca – unseren Seneca – herangeschmissen und mit ihm ein Verhältnis angefangen. Obwohl sie mit Terentius Cyprianus verheiratet war, der schon Urgulania hat umbringen lassen! Und der der Praefectus Praetorio war und Seneca bei den Prätorianern! Ich meine... Und als ich es herausgefunden habe, habe ich mit Seneca reden wollen. Das war gefährlich, für ihn, für unsere ganze Familie! Aber er hat nicht auf mich gehört, er wollte nicht. Im Gegenteil, als dann Terentius Cyprianus dahintergekommen ist, dass seine Frau eine Hure ist, und er zur Casa Iunia kam, um seinen verdacht zu bestätigen, hat Seneca mich angeschrien, dass das meine Schuld sei! Er hat mir unterstellt, ich wäre daran schuld, dass sein frevlerhaftes Handeln fast aufgeflogen ist, und er wollte mich zwingen,d a still zu sein. Er hat nichtmal ansatzweise einsehen wollen, dass sein Verhalten falsch war.
Und um das ganze noch zu toppen, kam Decima Seiana auch her, um mir zu drohen! Sie hat mir und meiner Familie gedroht, und meinte, sie wolle uns vernichten! Ich meine... sie war ja schon wütend, dass Aelius Archias die Verlobung mit ihr gelöst hat und mich geheiratet hat, aber dass sie so haßerfüllt ist... Und ich hab es Seneca auch gesagt, aber das ändert nichts! Ich meine... er hat nicht einmal ansatzweise ein Gewissen seiner Familie gegenüber. Er rennt in sein Verderben und hört nicht auf mich! Er benimmt sich wie ein Verbrecher und gibt mir dafür die Schuld!“
Das war jetzt zwar nicht alles, aber schon eine ganze Menge an Information, und Axilla konnte für den Moment auch nicht weiter. Es war so viel, so viel Durcheinander in ihrem Kopf, und dabei war es noch nicht einmal die Hälfte von allem, was in ihr vorgegangen war in den letzten Jahren. -
Zitat
Original von Aulus Iunius Seneca
...Allein auf den Straßen Roms liefen hunderte herrenloser Hunde herum und wühlten die Müllberge nach fressbarem durch. Das war der Hauptgrund, warum dort ausgesetzter, unbeliebter Nachwuchs meistens doch nicht von irgendjemandem gefunden wurde. Allerdings wollte Axilla ja keinen Streuner, sondern etwas Zahmes. Das musste doch in einer so großen Stadt wie Rom auch zu finden sein?
Aber bis vor wenigen Tagen hatte sie sich darüber auch nie Gedanken gemacht, vielleicht kaufte man Hunde ja wirklich eher auf dem Land und nicht beim Nachbarn. “Naja, direkt eilig ist es nicht. Aber es wäre schön, den Welpen dann zu haben, ehe Atticus zurück kommt.“ Wenn sie ihn zurückholen konnte. Wobei Axilla nicht die leiseste Ahnung hatte, wann Hunde so ihre Jungen zur Welt brachten und ob der nächste Schwung Welpen nicht ohnehin bis zum Frühjahr auf sich warten lassen würde. -
“Ja, die Pompeier...“, schloss sich Axilla dem Kommentar an. Hauptsächlich, weil sie sonst nichts dazu zu sagen wusste. Aber da ging es ihr vermutlich schon wie ihrem Cousin, der diesen Kommentar wohl aus einem ähnlichen Grund von sich gegeben hatte.
Ein Moment der Stille breitete sich zwischen ihnen aus, der unangenehm wurde. Aber Axilla wusste nicht, worüber sie mit dem ihr unbekannten Cousin großartig reden sollte. Sie kannte ihn gar nicht. Und trotz all der Übung als Frau eines Ritters hatte sie den Bogen dennoch nicht richtig heraus, wie man ungezwungen ins Gespräch kam und einfach über 'nichts' redete.
Also tat sie das, was sie stattdessen immer tat: Sie wechselte einfach das Thema. “Kennst du dich zufällig mit Hunden aus?“ -
Axilla ging einen Schritt zurück, aber nur auf Armlänge. Sie wollte Silanus nicht ganz loslassen. Irgendwie hatte sie Angst, dass wenn sie aufhören würde, ihn zu berühren, er doch wie ein Traum verblassen und verschwinden würde. So lag ihre Hand auf seinem Unterarm, als er an ihr heruntersah und sie damit doch mehr als nur ein wenig verlegen machte.
“Nein, mir... mir geht es soweit ganz gut. Ich mach mir nur Sorgen. Oh, Lucius, du weißt gar nicht was alles los war!“ Sie überlegte, wann sie ihm zuletzt geschrieben hatte. Er müsste noch erfahren haben, dass sie nach ihrer sehr unglücklich verlaufenen Ehe mit Aelius Archias dann nach Ablauf der Trauerzeit noch Pompeius Imperiosus geheiratet hatte. Und dass sie Atticus geboren hatte, müsste er auch noch wissen. Vielleicht sogar noch vom Beginn des Krieges und ihrer Absicht, nach Ostia zu gehen mit Atticus, dass sie Imperiosus darum gebeten hatte. Aber ihren Aufbruch dahin vermutlich schon nicht mehr, da zu dieser Zeit die Legionen aus Germania sich bereits gesammelt hatten. Und auch von ihrer zweiten Schwangerschaft, von der Geburt von Cossus und dem allem wusste er nichts.
Und es gab auch Dinge, die sie nie gewagt hatte, sie in einen Brief zu schreiben. Natürlich wusste er nichts davon, dass Salinator Hand an sie gelegt hatte. Auch wusste er nichts von ihrer kurzen Affäre mit Vala, und dass dieser der Erzeuger von Atticus war. (Vater war trotz allem nach all dieser Zeit eindeutig Imperiosus. Daran würde Axilla nichts ändern.) Auch davon, dass sie das Testament von Valerianus in Imperiosus' Unterlagen gefunden und an sich genommen hatte, wusste er nicht. Davon, dass ihr Ehemann das Testament gefälscht hatte für Salinator, und dass dieser so widerrechtlich die Macht an sich gerissen hatte. Folglich auch nichts von ihrer Reise hin zu Palma, um ihre Familie mit einem Stück Pergament zu retten. Sehr viele Dinge, die er so nicht wusste.
“Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Sie wusste es wirklich nicht. Den ganzen Unfug, den Seneca angestellt hatte, wusste er auch noch nicht. Und was sie hier alles hatte unternehmen müssen, um die Ehre der Familie zu retten, während scheinbar alle anderen nur an sich selber dachten und damit versuchten, die Ehre der Familie möglichst effektiv zu demontieren. -
Sie wurde hochgehoben, und Axilla ließ es für den Moment geschehen. Sie hing in Silanus' Armen, losgelöst von der Welt, stützte sich leicht mit ihren Armen an seinen Schultern ab, als er sie so an sich hielt und lehnte ihren Kopf einen Moment gegen seinen. Für einen kurzen Moment musste sie sich keine Sorgen machen, sondern konnte einfach nur sein und einfach nur fühlen.
Aber wie alles im Leben: Es ging vorbei. Sie fühlte sich noch immer wohl, geborgen, war noch immer froh, dass es Silanus gut ging und er lebte. Aber er konnte sie nicht ewig so halten. Überhaupt: “Oh, was macht deine Lunge? Du solltest dich nicht so anstrengen!“ Axilla wand sich ein wenig, nicht allzu sehr, um Silanus dazu zu bringen, dass er sie auf den Boden absetzte. “Lass mich runter“, meinte sie sanft, nicht fordernd. Sie wollte wirklich nicht, dass er sich gleich zu Beginn wieder wegen ihr überanstrengte.