Beiträge von Iunia Axilla

    So gut es ging, kuschelte sich Axilla in ihr Fell und überließ es dem Pferd, die Richtung und Geschwindigkeit zu finden. In der Kolonne war es ohnehin nichts spektakuläres, das Pferd folgte einfach der Herde in langsamen Trott.
    Es war ein wenig seltsam. Axilla hatte nie ein Problem gehabt mit Blicken, die Männer ihr zuwarfen. Sie taten es oft und gern. Axilla wusste,dass sie nicht häßlich war. Und sie zeigte ja auch durchaus gerne etwas von ihrer Figur, wickelte Männer hier und da mal um den Finger, flirtete ausgesprochen gern. Aber im Moment empfand sie die Blicke, das Lachen, das Getuschel als bedrohlich, es bedrückte sie irgendwie, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach nur zuhause zu sein bei ihren Kindern und ihrem Mann, ganz sittsam eingepackt in jede Menge warmen Stoff.
    Der Schlamm an ihren Füßen begann, zu trocknen (oder zu gefrieren), und ihre Haut spannte sich leicht. Sie hätte sich wirklich ein paar schöne, hohe Schuhe anziehen sollen. Allerdings war es eine sakrale Handlung gewesen, die sie vollzogen hatte, da hatte man barfuß zu sein. Axilla hatte soviel göttlichen Beistand brauchen können, wie nur möglich. Auch wenn sie letzten Endes doch gescheitert war.


    Die Frage des Kaisers riss sie da ein wenig aus ihren doch recht trübsinnigen Gedanken. “Bei Ausbruch des Krieges, kurz nach der Machtergreifung von Vescularius, hat mein Mann dafür Sorge getragen, dass meine Söhne und ich in Ostia eine Unterkunft fanden. Und mit uns das Testament von Valerianus sicher verwahrt außerhalb der Stadt und des Einflussbereiches des Usurpators war.“ Gut, von letzterem wusste Imperiosus genau genommen nichts. Letzteres war Axillas alleinige Entscheidung gewesen. Aber diese kleine Ungenauigkeit tat ihr nicht weh und half vielleicht doch letzten Endes ihrem Mann. “Als Rom dann schließlich belagert wurde, ließ ich meine Kinder in vertrauenswürdigen Händen und habe mich aufgemacht, um dich zu suchen. Ich wusste nicht, dass du diese Straße entlangkommen würdest, bis dein Heer am Horizont erschien.“ Axilla ließ Malachi in ihrer Erzählung aus. Und die Pferde. Dass sie nicht die hundert Meilen gelaufen war,konnte Palma sich sicher denken. Und Axilla wollte den Gladiator, der sie so beschützt hatte, nicht ohne Not in Gefahr bringen. Er hatte mehr als eine Stunde Vorsprung, er würde lange vor ihnen Ostia erreichen. Und solange Palma nicht nachfragte,musste sie an diesem Zustand nichts ändern.
    Axilla sah zu dem Cornelier hinüber, in ihrem Blick war kein Stolz auf das, was sie getan hatte, aber auch keine Scham. “Du wirst sicher verstehen, dass eine Mutter stets alles für das Wohl ihrer Kinder zu tun bereit ist. Dich zu finden war das mindeste, was ich für sie tun kann.“


    Eigentlich wäre es wohl schicklicher gewesen, jetzt wieder zu schweigen und dem Kaiser weitere Nachfragen so zu ermöglichen, oder zumindest den Verlauf des Gespräches zu bestimmen. Aber andererseits saß Axilla hier in ein Fell gehüllt und barfuß auf einem Pferd. Was war da schon Schicklichkeit?
    “Über deinen Sieg habe ich nur Gerüchte gehört. Wie kommt es, dass die Classis an deiner Seite marschiert? War sie nicht ausgezogen, um dich zu bekämpfen?“ Wenn man schon einmal im Gespräch war, konnte Axilla auch ihre Neugierde stillen. Letztendlich war sie das Kind eines Soldaten, die Schlacht interessierte sie wirklich. Undob es eine gegeben hatte. “Ein vorbeiziehender Händler meinte, du hättest Dämonen beschworen, um zu siegen. Deine Armee scheint mir doch sehr irdischen Ursprungs zu sein, dennoch lassen auch solche Gerüchte schon auf einen interessanten Sieg schließen.“

    ... aber mein Petzatron 9000 (auch bekannt als ICQ ) hat mich gerade lautstark darauf aufmerksam gemacht, dass heute jemand Geburtstag hat:


    Numerius Duccius Marsus, alte Socke! Naja, nicht ganz so alte Socke, aber jetzt ältere Socke! Lass dich heute schön feiern und genieß deinen Geburtstag!

    Ein Pferd wurde herbeigeschafft, ebenso ihr Beutel und das Fell. Axilla raffte die Tunika bis zu Knie und ging dicht an das Tier heran. Vermutlich wäre es klüger gewesen, erst die Schuhe anzuziehen, aber an die dachte Axilla nicht einmal so recht. Ihre Gedanken waren vielmehr gefangen in der Überzeugung des eigenen Versagens, und noch ein wenig bei dem Decimer und seinem Hilfsangebot, wie sie es auffassen sollte. Sie war sich da alles andere als sicher, und ein Teil von ihr war durchaus so neugierig, um auch ohne konkretes Anliegen am Abend vielleicht bei ihm vorbeizusehen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Natürlich vor dem Zelt und nicht im Zelt, um jedwedem Gerede vorzubeugen. (Was ihren Verstand aber ebenso zu der Frage trieb, wo sie denn wohl würde schlafen sollen unter all diesen vielen Männern. Vermutlich einsamen Männern...)
    Ein Legionär kam und stellte sich neben sie, machte seine Hände zur Räuberleiter. Axilla stützte ihr Knie in seine Hände und griff nach Mähne und Zügel. Mit einem Ruck und etwas Schwung durch den Legionär saß sie dann auch schon im Sattel, schob ihre Tunika wieder so weit zum Knie, wie es mit etwas hin und herrutschen eben ging und ihr noch einen einigermaßen bequemen Sitz ermöglichte. Besonders tief war es wohl dennoch nicht. Nichts für sittsame Damen, soviel stand fest.
    Ihr Beutel wurde ihr ebenfalls angereicht, so dass sie ihn hinter sich aufs Pferd legen konnte. Mit ein bisschen Zurren und der Mithilfe des Legionärs war er dann wohl auch recht schnell an die Hörner des Sattels gebunden. Schließlich ließ sich Axilla noch das Bärenfell angeben, welches sie sich um die Schultern zu drappieren versuchte. Sie musste es festhalten und mit einer Hand zuhalten, damit es den Wind etwas abhielt. So halb ging sie in dem ganzen Fellwust dabei dennoch unter. Aber wenigstens bedeckte es sie ein wenig und war wärmer als nur die bloße Untertunika. Und sie würden ohnehin nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit reiten, so dass sie ihre Hände nicht wirklich zum Reiten brauchen würde. Im Grunde genommen durfte sie nur nicht vom Pferd kippen.
    Mit ein wenig Zupfen und Zerren war sie dann auch so weit, den Weg in Palmas Heer fortzusetzen.

    Der Decimus verabschiedete sich von Axilla und verwirrte sie damit doch ein wenig mehr, als sie erwartet hätte. Er bot ihr seine Hilfe an. Er. Ein Decimus. IHR. Axilla sah ihm mit einem gemurmelten “Vale“ kurz abgelenkt hinterher und überlegte, wie das wohl gemeint gewesen sein mochte. Decimus Serapio und seine Schwester Seiana hatten mehr als klar gestellt, wie das Verhältnis der Decimer zu ihr war, und Massa war deren beider Vetter. Folglich hätte er ihr vielleicht einen Dolch zum erstechen anbieten können, aber eigentlich keine Hilfe. Aber das Angebot war so eindeutig, und dazu so öffentlich, dass es eigentlich nicht mißzuverstehen war.
    Während Axilla also dem davonreitenden Centurio nachschaute, hätte sie beinahe die frage von Palma nicht gänzlich mitbekommen. Sofort aber zwang sie ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder auf den Cornelier. Reiten? Axilla konnte reiten. Nachdem sie über hundert Meilen bis hier her geritten war, konnte sie es sogar wieder so gut wie in ihrer frühen Jugend auf dem elterlichen Hof, wo sich niemand darum geschert hatte, dass sie als Frau nicht zu reiten hatte. Allerdings war reiten etwas, was eine feine Dame nicht zu können hatte, und sie als Frau eines der wichtigsten Ritter in Rom hatte eigentlich nicht zu reiten. Die passendere Antwort wäre also gewesen, zu behaupten, dass sie es nicht könne. Das war wohl das, was auch erwartet wurde. Aber Axilla hatte keine Lust, irgendwo hinten beim Gepäck zu sitzen wie eine eroberte und mitgebrachte Trophäe.
    Der Ledertornister lag immer noch vor ihr auf dem Boden, den Papyrus mit dem Testament hatte sie soweit wieder zusammengerollt, so dass sie ihn eigentlich verpacken konnte. Aber sie würde sich auf keinen Fall vor Palma verbeugen, und sei es nur, um das Ding aufzuheben. Axilla sah ihr gegenüber also noch immer fest an, blickte kurz hinunter zu der Rolle und schummelte ihren Fuß unter das Leder. Mit einem geschickten, kleinen Ruck – begleitet von einem Schmatzgeräusch, als ihr Fuß sich vom lehmige Boden trennte – flog die Lederhülle gerade auf, so dass Axilla sie fangen konnte. Und den zuvor angerufenen Göttern danken konnte, dass ihr Plan geklappt hatte und es einigermaßen lässig aussah, und sie nicht ihren künftigen Kaiser mit einem Ledertornister beschossen hatte. “Ich kann es, wenn es nötig ist“, kommentierte sie also seine Frage, während sie das Testament wieder sorgfältig und vorsichtig einpackte. “Für die Ankunft in Rom wäre ein Wagen allerdings vorzuziehen. Doch bis dahin ist noch etwas Zeit.“ Es war mehr eine Feststellung als ein Rat, wenngleich Axilla es unfreiwillig auch als Rat meinte. Es würde wirklich seltsam anmuten, wenn die Frau des Procurators nach Rom hineinritt mit den Männern Palmas und dort dann noch das Testament des verstorbenen Kaisers vorlegte. “Mein Gepäck ist gleich hier drüben, kein Grund für Verzögerungen. Wenn mir einer deiner Männer aufs Pferd helfen und es dann anreichen könnte, wäre ich dankbar.“
    In der langen Tunika zu reiten würde schon schwer. Sie würde sie bis über die Knie hochziehen müssen und den Männern dabei sehr exklusive Blicke auf ihre Beine gestatten müssen. Und sie konnte in diesem Ding definitiv nicht allein aufsteigen und dabei auch noch irgendwie mit ihrem Beutel und dem Bärenfellhantieren. Allerdings wollte Axilla noch viel ungerner auf einen Gepäckwagen verfrachtet werden, als sich jetzt einfach schnell helfen zu lassen.

    Das war weniger als gar nichts, was er ihr gab. Nicht das kleinste bisschen, was sie als Ehrenwort auffassen konnte, nicht die kleinste Beruhigung. Im Grunde genommen vertröstete er sie nur aus später und sagte – versprach es noch nicht einmal – dass er, sofern ihm die Fälle ihrer Lieben vorgelegt wurden, dann wohlwollend sein wollte. Was nicht viel mehr hieß, als dass er sie vielleicht nicht tötete, sondern nur ins Exil schickte. Da mochte auch seine freundliche Art nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Axilla nicht das geringste Zugeständnis machte.
    Die Iunia fühlte sich ob dieser Erkenntnis alles andere als gut. Im Grunde war sie froh, dass sie sowieso schon stand, wäre dies im Laufen geschehen, sie wäre gestrauchelt. Und ihre Knie fühlten sich so weich an, dass sie sich sehr konzentrieren musste, nicht zu wanken oder die Verzweiflung über sie hereinbrechen zu lassen und gänzlich zu fallen.


    Ihre Antwort stand noch aus auf seine 'Einladung'. Noch immer war die Aufmerksamkeit der Männer auf sie beide gerichtet. Sie musste antworten. Und natürlich gab es auch keinen Zweifel daran, wie sie antworten musste.
    Axilla zwang sich zu einem freundlichen Lächeln, bei dem man sie allerdings nicht einmal zu kennen brauchte, um zu sehen, dass dies nicht echt war. Selbst zu ihrem gefälschten Lächeln war sie im Moment nicht in der Lage. Ihre Gedanken waren ganz bei ihren Kindern und ihrem Mann, bei ihren Vettern und all dem, was sie für sie zu tun bereit gewesen war. Und dass es doch nichts genützt hatte.
    “Wer wäre ich, die Einladung meines Kaisers auszuschlagen? Sofern du einen Platz für mich in deinem Zug hast, begleite ich dich gerne nach Rom.“ Es war wieder so laut, dass alle um sie herum es hören konnten. Es war ja auch die einzig passende Antwort gewesen, noch dazu freundlich vorgetragen. Wenngleich ihr Herz etwas anderes sagen wollte.
    So blieb Axilla aber erst einmal nur die Hoffnung, dass Palma wenigstens den Anstand besaß, sie während ihrer Geiselhaft vernünftig unterzubringen und ihr einen standesgemäßen Platz finden würde. Er konnte kaum von ihr erwarten, bis nach Rom zu laufen.

    Das war jetzt nicht direkt an dich gerichtet, Dives. Natürlich wär es am alleridealsten, wenn die Städte in ihren Munizipalrechten eben auf den einen oder anderen Test dann auch verweisen. Aber wie auch der Fall hier zeigt: Wir sind alle nur Menschen und können (und dürfen auch) da mal Fehler machen. Von daher ist das nicht "schlimm", wenn eine Stadt die Regel dann vergisst. Im Zweifelsfall muss halt nur eine Regel da sein, die das eindeutig aussagt, und in dem Fall heißt das einfach, Spielregel >>> andere Regeln. Also auch, wenn im mogontiacensichem (?) Stadtrecht nichts von dem Test drinsteht (ich kenn die Lex nun nicht auswendig :D ), gilt bei sowas halt im Zweifel die Spielregel. Wobei es natürlich, da geb ich dir ganz recht, schöner ist, wenn so etwas auch SimOn eine Verankerung hat. Da sind halt dann die Duumvirn gefragt, wie man das genau formuliert.


    Aber wie Crispus auch schon sagt: Wir beraten da mal in der SL, wie man das vielleicht etwas besser machen kann.

    Ja, die Gesetze müssen sicher im Zuge der angedachten Reform einmal alle angeschaut und überarbeitet werden. Das ist ganz definitiv noch ein Batzen Arbeit, den es da zu bewältigen gilt.
    Allerdings wie gesagt heißt das nicht, dass überhaupt kein Wissen abgeprüft werden sollte - SimOn oder SimOff - ehe ein Spieler dann ein Amt und damit auch eine gewisse Verantwortung übernimmt. Und mal Hand aufs Herz, so schwer sind die Tests jetzt ja auch nicht, als ob man die nicht zumindest einmal ablegen könnte, bevor man wählt oder sich wählen lassen will.

    Du solltest auf jeden Fall zwischen SimOn und SimOff strikt trennen. SimOFF braucht man ebenso einen Kurs, um in den Cultus deorum aufgenommen zu werden (SOKR I oder auch II), während in der Antike (und damit der Spielwelt) natürlich da kein Test bestanden werden musste. Jeder Tempel oder Kult hatte da andere Voraussetzungen an die Ämter, die damit verbunden waren, und die meisten Tempel hatten da gar keine Voraussetzungen, da die Menschen der Antike natürlich alles Wissen ihrer Zeit über ihre Religion von der Pike auf gelernt haben. Ebenso wie jeder zeitgenössische Mensch von damals das Wissen um die Welt um ihn herum einfach hatte, wiel er ja in ihr lebte, und da nciht erst einen Test dazu ablegen musste.
    Du, der Spieler, SimOff, hast dieses Wissen da aber nicht. Also ist es nicht schlecht, erst einmal zu schauen, ob du dieses Wissen hast, bevor du Ämter ausübst, die Auswirkungen auch auf andere Spieler haben. Dein Char, SimOn, sollte dieses Wissen nämlich haben, da der Charakter im Spiel ja in dieser Welt aufgewachsen ist.


    Im übrigen sollte man die Zeit bis zur Freischaltung, wie der gute Marcus Tiberius Magnus jedem mitgibt, dazu nutzen, die Spielregeln einmal durchzulesen ;) Das hilft, solche Torten zu vermeiden ;) Da stehen auch noch mehr Regeln in den Spielregeln, die in der SimOn-Welt so nirgends wiederholt werden, weil Spielregeln sind sImOff an die Spieler, die Spielwelt ist SimOn an die Charaktere.

    Der Cornelier stieg ab und kam auf Axilla zu. Jeder ihrer Instinkte riet ihr, zurückzuweichen, die direkte Begegnung zu vermeiden. Wegzulaufen, so lange sie dazu noch die Chance hatte, heim, zu ihren Kindern, die sie vermisste, und die sicher auch sie vermissten. Aber standhaft und aufrecht blieb sie stehen, nicht einmal ein Zittern war ihr anzusehen, als sie den neuen Kaiser des römischen Imperiums auf sich zukommen ließ. Er berührte das Testament nicht einmal, oder machte Anstalten, es an sich zu nehmen. Lediglich stellte er fest, was Axilla ja schon wusste: Dass dieses Testament nie verlesen worden war und das Siegel des Kaisers echt war.
    Warum er es nicht an sich nahm, das erklärte er auch sogleich danach, wenngleich leiser. Das war also der Preis, den er verlangte. Axilla hatte nicht einmal damit gerechnet, so weit zu kommen, und auch nicht damit, es zu überleben. Dann so gesagt zu bekommen, dass sie nun wohl eine Geisel war, um später die Legitimität des Corneliers noch einmal öffentlich zu bezeugen, war nun nicht wirklich überraschend, aber eben auch nicht erwartet. Aber Axilla war nicht dumm genug, um nicht zu erkennen, dass sie wohl kaum eine andere Wahl hatte, als zu tun, was der Cornelier von ihr erwartete.
    Dennoch wollte sie nicht gleich ganz mitspielen. Seine Worte waren ihr zu vage, zu allgemein. Was er sagte, konnte alles oder auch nichts heißen. Es konnte heißen, dass er Rom nicht abfackelte – was sie ohnehin nicht geglaubt hatte – aber es hieß nicht unbedingt, dass ihre Familie gerettet und in Sicherheit war. Oder eine angemessene Zukunft hatte. Er konnte ihren Mann ins Exil stecken, ihre Söhne zu Peregrinen erklären. Oder töten lassen. Nichts davon würde das Erbe von Valerianus ernsthaft ankratzen. Von daher war Axilla seine Einlassung zu ungenau. Allerdings war sie auch nicht so dumm, ihn da herauszufordern und laut mehr zu fordern, vor all seinen Männern. Wenn sie es leise tat, ließ sie ihn besser sein Gesicht wahren, und vielleicht war er dann großzügiger.
    Also trat sie noch ein wenig näher an ihn heran, während sie das Testament herunternahm und vorsichtig einrollte. Sie wollte nicht jammerig oder ängstlich klingen, und sie hoffte, dass ihre Stimme nicht ihre Unruhe widerspiegelte. “Und was ist mit meinen Söhnen, Cornelius? Werden sie unter deiner Herrschaft Ritter sein können mit entsprechenden Posten, wenn sie alt genug sind? Und mein Mann? Er ist Procurator a libellis. Wirst du ihm die Gelegenheit geben, dir auf diesem Posten weiterhin zu dienen? Ebenso habe ich zwei Vettern bei den Prätorianern. Wenn sie noch leben, werden sie ihre Karriere dort fortsetzen können?“
    Axilla wollte etwas definitiveres als das gesagte. Sie wollte wenigstens ein klein wenig Hoffnung haben. Sie erwartete ja gar nicht, dass er auf den Stein des Iuppiter schwor, ihr all das im Gegenzug für ihre Dienste zu geben. Aber wenigstens sein Wort als Mann, das wollte sie.

    Das Heer kam immer näher heran. Bald war Axilla sich nicht mehr sicher, ob sie aus Aufregung oder der Kälte leicht zittern mochte, oder ob die Straße so vibrierte, dass es ihr wie Zittern vorkam. Sie hielt die Augen geschlossen, um so ihren Mut zu bewahren und nicht am Ende angesichts der Armee, die auf sie zuhielt, zurückweichen würde. Und so fühlte Axilla nur, dass die armee sie schließlich erreicht hatte, die Augen fest geschlossen haltend, bis wieder ein Schatten auf sie fiel und ihr eine Frage gestellt wurde. Ob sie eine Priesterin sie. Nein, vielmehr die Priesterin. Das war es also, was sie sein würde? Eine Priesterin? Sie hatte nie gesagt, dass sie eine wäre, und es war ein seltsames Gefühl, jetzt wohl eine sein zu sollen. Aber auf der anderen Seite, es war etwas sakrales, was sie tat, Axilla verstand ihr Handeln durchaus als religiöse Tat. Sie hütete das Testament des verstorbenen Kaisers, wie es eine Vestalin tun würde. Abgesehen von der Sache mit der Jungfräulichkeit.
    Sie öffnete also die Augen und sah Reiter um sich. Sie blinzelte leicht gegen die Sonne und sah zu dem Reiter auf, der sie so neugierig betrachtete. Und sie kannte den Mann. Einen Moment nahm sie sich Zeit, ihn genau anzusehen, bevor ihr wieder einfiel, woher sie ihn kannte. Das war der Vetter von Decimus Serapio. Sie hatte ihn vor langer Zeit bei Gladiatorenspielen getroffen. An und für sich wäre ihr die Begegnung nicht im Gedächtnis geblieben, aber angesichts der Tatsache, dass Decimus Serapio sie an dem Tag so schwer beleidigt hatte, hatte sie es sich doch gemerkt. Aber was machte er hier. War er noch bei der Classis? Axilla verstand es nicht, aber es war auch nicht wichtig. Eine Antwort stand noch aus. “Jede Frau ist eine Priesterin, Appius Decimus Massa.“ Wenn er sie erkannt hatte, wusste er, wen er vor sich hatte und was sie hier wollte. Aber warum sollte er sie dann gefragt haben, ob sie Priesterin sei? Nein, vermutlich hatte er sie nach all der Zeit schon lange vergessen.


    Und es war auch keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Weitere Männer rückten nach und betrachteten sie mehr als neugierig. Axilla zwang sich, still wie eine Marmorstatue dazustehen und zu warten. Sie unterdrückte jedes Zittern, dass ihr flatterndes Herz ihrem Körper aufzwingen wollte, verbannte jede Unsicherheit aus ihrem Blick. Sie war eine Mutter, sie konnte sich Zweifel nicht leisten. Sie tat das hier für ihre Kinder, und für die würde sie wilder kämpfen als jede Wölfin, Löwin oder Bärin. Und daraus schöpfte sie Kraft.
    Es war auch nicht lange, bis ein weiterer Mann ihr eine Frage stellte, die darauf schließen ließ, dass dies Cornelius Palma wäre. Axilla nahm sich auch die Zeit, zu ihm hoch zu blicken. Er war alt, die wenigen Haare auf seinem Kopf waren grau, und sein Gesicht hatte etwas Strenges, wenn auch nicht Abweisendes. Axillas Nervosität nahm zu, aber sie zwang sich weiter zur Ruhe. Jetzt zählte es. Sie hatte nur ein Schild aus Papyrus gegen diese ganze Armee. Sie musste es weise einsetzen, damit es dem Ansturm standhielt und ihre Familie beschützte.
    “Ich habe mehr als eine Botschaft. Durch mich wird der Unterschied gemacht, ob du als Eroberer oder als Kaiser nach Rom einziehst.“ Auch wenn er das vermutlich anders sehen würde. Er hatte Rom schon erobert, keiner konnte ihn wohl mehr daran hindern, Kaiser zu werden. Und trotzdem wählte Axilla ihre Worte so. Sie merkte, wie ihr Körper zittern wollte, dass sie die Anspannung nicht in alle Ewigkeit halten würde können. Um ihn herum war seine halbe Armee, sie alle würden Zeuge sein von dem, was sie sprachen, sie alle hingen an ihren Lippen. Sie atmete einmal tief durch, und wandte jedes bisschen inneres Stärke auf, um jetzt nicht zu zögern und hoffentlich die Stärke auszustrahlen, die sie hierfür brauchte. Sie öffnete den Tornister und holte das in weiches Leder eingeschlagene Papyrus hervor. Den Tornister ließ sie einfach fallen, weil sie hierfür ihre beiden Hände brauchte. Das Siegel des Kaisers hing groß und gut sichtbar schon jetzt herunter. “Dies ist das Siegel des Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus! Es wurde gebrochen!“ Axilla wartete einen kurzen Moment, schätzte die Reaktion der Männer ab, hoffte, ihre stimme hielt, als sie das Papyrus aufrollte und laut vorlas. “Testamentum des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, Imperator Caesar Augustus, Divi Iuliani Filius Pontifex Maximus, Tribuniciae Potestatis Imperii Proconsulare Censor!


    Pars Prima. Meine Betriebe, Grundstücke und Immobilien, mein Privatvermögen, Lagerbestände und aller beweglicher Besitz sollen meinem Sohn und Thronerben Publius Ulpius Maioranus zufallen.
    Pars Secunda.Sollte das Erbe aus Gründen der Unvolljährigkeit oder des Todes meines Erben nicht auszahlbar sein, so wird mein nächster agnatischer Verwandter aus der Gens Ulpia als Verwalter bis zur Vollstreckung des Erbes bzw. selber als Gesamterbe eingesetzt.
    Pars Tertia. Sollte die Gens Ulpia zum Zeitpunkt meines Todes erloschen sein, setze ich den Consular Appius Cornelius Palma ein, der meinem Vater und Großvater in Krieg und Frieden tapfer und treu gedient hat, als meinen Gesamterben und Thronfolger ein.
    Dies verfüge ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, niedergeschrieben und gesiegelt mit eigener Hand.
    Unterschrieben und gesiegelt vom Kaiser am sechsten Tag vor den Iden des Mai im Jahr Achthundertachtundfünfzig.


    Vescularius wollte dieses Testament zerstören, aber die Götter ließen dieses Sakrileg nicht zu und gaben es in meine Hände zur Aufbewahrung.“
    Axillas Stimme fühlte sich heiser an, aber sie war noch nicht fertig. Sie musste noch mehr sagen, und die Männer um sie herum mussten nicht nur das Testament des Kaisers hören, sondern auch alles weitere. “Als Gnaeus Marcius Coriolanus nach Rom zog, kamen seine Frau und Mutter ihm entgegen, um ihn abzuhalten, Rom zu zerstören. Ich bin weder deine Frau, noch deine Mutter. Und doch stehe ich hier aus demselben Grund.
    Mein Name ist Iunia Axilla, Tochter des Atticus Iunius Cassiodor, Witwe des Caius Aelius Archias, Ehefrau des Procurator a libellis Gaius Pompeius Imperiosus und Mutter zweier Kinder.
    Kaiser Valerianus glaubte, du bist ein guter Mann und ein würdiger Nachfolger. Also sage mir, Cornelius, bist du der Mann, für den Valerianus dich hielt. Bist du ein Kaiser, der Großmut, Treue und Mut anerkennt, der nicht kommt, um alles zu zerstören, was ich an Rom liebe, der nicht das Erbe des letzten Kaisers Ulpius Valerianus zerstört? Denn wenn ja, dann bitte ich dich darum, eben jene Kaiserlichkeit und Großmut auch zu zeigen, die meinen Söhnen eine Zukunft und einen Vater erhält. Und wenn nein, dann bitte ich dich darum, nach meinem Verwandten Iunius Priscus zu fragen, der für dich in der Legio Prima gekämpft hat, damit ich von der Hand eines Verwandten sterben kann, wie es mir nach Rang und Namen als Iunia und Frau eines Ritters zusteht, und nicht von der Hand eines Schlächters.“

    Axilla hielt ihm am langen arm ausgestreckt das Testament entgegen. Das Papyrus bog sich leicht in der sanften Brise, die erste Frühlingsluft zu ihnen brachte. Axilla hatte keine Ahnung, ob er das Testament ergreifen würde. Mehr als diesen dünnen Schild hatte sie nicht, und sie hoffte, dass sie ihn weise eingesetzt hatte und die Anwesenheit all dieser Männer, die sie gehört hatten, ihn zu Milde zwang und er der Mann war, den Kaiser Valerianus in ihm gesehen hatte.

    Vermutlich war es eine ausgezeichnete Idee, von der Straße zu gehen und zu warten, bis Palma zu ihr an den Straßenrand kam, während die Legionen vorbeimarschierten. Vermutlich hatte der Kundschafter hier recht, und die Legionen würden sie da überrennen, wenn sie es nicht tat. Aber – und das war der eine, große und entscheidende Grund – wenn sie von der Straße ging, konnte Palma einfach an ihr vorbeireiten. Und sie hatte dann absolut keine Chance, zu ihm zu gelangen. Wie ein Bettler, der versuchte, von einer vorbeiziehenden Sänfte einige Münzen zu erbetteln, würde sie einfach auf der Seite gehalten werden, und sie hatte nicht die Möglichkeiten, einfach mit ihnen mitzumarschieren, bis Palma sich ihrer erbarmte. Was er dann vermutlich auch nicht tun würde, sondern sie einfach weiterhin von sich fernhalten ließ. Nein, ein Soldat wich nicht zurück. Auch wenn er bisweilen schlotternde Knie hatte.
    Axilla sah dem Kundschafter nach, während das Heer näher heranrollte, blieb aber auf der Straße stehen. Es war ihrer Meinung nach ihre beste Chance, wirklich ein treffen herbeizuführen, wenn sie nur den Männern genug Angst und Unsicherheit einflößte, indem sie einfach nicht wich. Nichts war ehrfurchtgebietender als unnachgiebige Entschlossenheit und Disziplin, so hatte sie es gelernt. Auch wenn sie dabei fürchterliche Angst hatte.
    Axilla schloss die Augen und wartete, betete wieder leise murmelnd. “Marspiter, lass mich standhaft sein und nicht weichen. Iuppiter Optimus Maximus, schenke mir deine Ausstrahlung, so dass sie vor mir zurückweichen. Diana, große Jägerin, schenke mir deine Stärke und Entschlossenheit. Isis, große Göttin, gib mir die Kraft, dies für meine Kinder zu tun...“

    Die erste Antwort fiel recht pampig aus, aber Axilla durfte sich jetzt nicht verunsichern lassen. Sie hatte da gar keine Wahl, sie war zu weit gegangen, hatte zu viel riskiert – und sie würde noch sehr viel mehr riskieren müssen! - um sich davon jetzt abhalten zu lassen. Wenn sie zauderte, würde sie alles verlieren. Wenn sie unsicher war, würde sie alles verlieren. Jede noch so kleine Schwäche würde dazu führen, dass sie weichen musste. Und das war das einzige, was sie nicht konnte.
    Wer war sie also in diesem Moment? Eine Mutter, die um das Leben ihrer Kinder kämpft. “Ich bin fama. Ich bin fortuna. Ich bin Rom.“ Ich bin verrückt. Axilla blickte dem Mann fest und unnachgiebig in die Augen. “Also geh und sag Cornelius, dass hier das Schicksal auf ihn wartet, um zu bestimmen, ob er als Kaiser oder als Schlächter nach Rom einzieht. Ich warte hier auf ihn.“
    Axilla wusste, dass sie hoch pokerte. Aber angesichts der Tatsache, dass sie alles daran gesetzt hatte, um diese Begegnung so mythisch und sakral wie irgend möglich zu machen, um die Götter ihrer Sache auch gewogen zu machen (und nebenbei die Chance zu steigern, dass Cornelius Palma schon allein aus Religiosität nicht einfach an ihr vorbeimarschierte, ohne wenigstens mit ihr gesprochen zu haben und so böse Omen auszuschließen), war ein klein wenig Kryptik passend. Und erhöhte auch die Chance, dass Palma aus Neugier mit ihr sprach, und nicht einfach nur 'Welche Iunia? Nie gehört' sagte und weiterging.

    Wie ein langer Wurm zog sich die marschierende Armee über den Weg. Malachi hatte sie am Morgen entdeckt, da die Straße hier in Richtung Süden leicht abfiel und somit einen weiten Blick auf die vor ihnen liegende Umgebung zuließ. Natürlich war es auf die Entfernung nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen, dass Axilla mit ihrer Vermutung richtig lag, dass dies wirklich Palma war. Auf der anderen Seite: Welche Wahl hatte sie, außer es fest zu glauben und darauf zu hoffen, dass sie recht hatte? Sie wusste noch nicht einmal, wie der Mann aussah, so dass es auch nichts genutzt hätte, näher heran zu gehen. Und sollten diese Truppen zu Salinator gehören und sie nach Cornelius Palma bei ihnen fragen, war es gleichgültig, ob sie es dort oder hier oder sonstwo täte. Sie käme sicher auf ihrem Weg nicht weiter. Also musste es einfach Palma sein. Und Axilla musste Vorbereitungen treffen.


    Sie ritten ein Stück den Weg entlang zurück, zu einem kleinen Wasserlauf, in dessen Nähe sie die Nacht verbracht hatten. Es war nicht viel mehr als eine kleine Tränke für wilde Tiere, kaum als Bach zu benennen, aber es musste genügen. Trotz der Kälte, die noch immer am frühen Morgen herrschte, zog Axilla sich aus und wusch sich, so gut sie konnte, schrubbte jedes bisschen blaugefrorener Haut, rieb mit dem Bimsstein jedes kleine Schüppchen ab, bis sie sicher war, dass jedes weitere bisschen eine blutige Wunde reißen würde, wusch ihre langen Haare so gründlich es ging in dem eisigen Wasser, bis sie völlig durchgefroren war. Aber es war gleichgültig.
    Von Malachi ließ sie sich ihre Untertunika aus ihrem Bündel geben. Die feine weiße, die sie sich für diesen Moment aufgespart hatte. Die einzige, die noch rein und sauber und unbenutzt nach dieser Reise war. Viel zu dünn für diese Jahreszeit, zu dünn für diese Gegend. Aber das war nicht wichtig.
    Ihre Haare waren vom Wind und vom Wasser zerknotet, es fühlte sich fast angefroren an. Mit einem einfachen Kamm aus Bein kämmte Axilla sich die langen Strähnen, ignorierte das Ziehen und Zupfen. Sie hatte nicht so viel Zeit. Und es war nicht wichtig, ob es schmerzte.
    Schließlich trat sie barfuß an die Straße. Noch immer war die Straße leicht nass, immer wieder hatte es in den letzten Tagen geregnet. Der kalte Schlamm quoll zwischen ihren Zehen hindurch. Aber auch das war nicht wichtig.


    Malachi wartete bei den beiden Pferden mit dem ganzen Gepäck. Axilla sah ihn eine Weile lang an. Vor diesem Schritt fürchtete sie sich. Überhaupt fürchtete sie sich vor allem, was gleich noch folgen würde. Und die schrecklichste Vorstellung davon war, es ganz allein tun zu müssen. Ungeschützt, ohne Hilfe, ohne Unterstützung von irgendjemandem. Aber es wäre unfair von ihr, Malachi noch weiter mit hinein zu ziehen, als sie es schon getan hatte. Und auch, wenn ihr Sklave das nicht wusste, Axilla war ihm so unendlich dankbar für alles, was er schon für sie getan hatte. Und für alles, was sie noch von ihm verlangen würde, unabhängig davon, was hier und heute weiter mit ihr geschehen würde.
    “Malachi, gib mir die Rolle.“ Sie hielt ihm den ausgestreckten Arm entgegen, damit er ihr den Ledertornister reichen konnte. Ihren papiernen Schutzschild, hinter dem sie ihre Familie zu verschanzen gedachte. Ein dünnes Stückchen Pergament. Alles, was sie hatte.
    Malachi reichte es ihr wie immer schweigend. Überhaupt hatten sie auf der ganzen Reise – in der ganzen zeit überhaupt, die Axilla ihn besaß! - kaum miteinander geredet. Im Grunde wusste Axilla nicht mehr von ihm, als seinen Namen. Seltsam, dass ich dennoch so viel auf seine Ehre setze.
    Ihre Finger fuhren steif und kalt über das gehärtete Leder, trommelten kurz unsicher darauf, als sie den Tornister eng an den bibbernden Körper drückte.
    “Und jetzt möchte ich, dass du meinen Beutel dort hinter den Stein legst, und dann die Pferde nimmst und mit ihnen wieder zurück nach Ostia reitest. Zu meinem Sohn und ihm dienst“ Axilla meinte fast, an den Worten vor Angst ersticken zu müssen. Sie hoffte, dass ihre Stimme fest klang und nicht so zittrig, wie sie sich fühlte.
    “Dominus?“ fragte Malachi zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, auf einen ihrer Befehle nach – und dennoch korrekt nach ihrer Weisung, sie nicht mehr Domina zu nennen. “Soll ich dir dein Pferd nicht hier lassen?“
    Er hatte nachgefragt. Axilla hatte es nicht erwartet. Die Erkenntnis zauberte kurz ein Lächeln auf ihr Gesicht. Er hatte sich Sorgen um sie gemacht. “Nein, nimm es mit.“ Ich brauche es nicht mehr. Es war ein seltsames Gefühl der Ruhe, anzunehmen, dass man sterben würde. Axilla wollte hoffen, dass alles gut werden würde, wollte hoffen, dass sie ihre Familie retten konnte und alles sich zum guten wenden würde. Aber wenn sie ehrlich war, dann glaubte sie nicht daran, den heutigen Tag zu überleben. Aber zumindest zu kämpfen musste sie versuchen. Ein Soldat weicht nicht zurück.
    Malachi nickte, sah sie noch einen Moment an – und stieg dann auf, führte ihren Befehl aus.


    Und dann war sie allein. Der kalte Wind zerrte an ihrer Gestalt, zerzauste ihr offenes Haar, riss an der dünnen Tunika. Und das Heer rollte unablässig näher heran. Axilla konnte es auf der nächsten Hügelkuppe schon sehen. In nicht einmal einer Stunde wäre es hier.
    Ihr Herz schlug schnell und hart vor Aufregung in ihrer Brust. Obwohl sie seit zwei Tagen eigentlich nichts nennenswertes gegessen hatte, war ihr übel. Ihre Gedanken rasten. Sie wollte noch etwas tun, wollte sich noch besser vorbereiten, aber sie wusste nicht, was sie noch tun konnte.
    Vor ihr auf der matschigen erde lag ein scharfkantiger Stein. Ihr Blick fiel darauf und heftete sich daran fest. Die Gedanken rasten weiter, ebenso ihr Herz. Dem drang, etwas zu tun, folgend, hob sie den Stein auf und wendete ihren Blick zum Himmel.
    “Ihr Götter, hört mich an. Ich habe nicht viel zu geben. Im Grunde hab ich nichts, was ich euch geben kann. Alles, was ich habe, werde ich jetzt aufs Spiel setzen, und wenn es vergebens ist...“ Axilla sprach den Gedanken nicht aus. Was wird die Nachwelt wohl von diesem Treffen sagen? “Darum weihe ich euch kein Tier. Keinen Reichtum. Nur das hier.“ Sie schnitt sich mit dem Stein in den rechten Handballen. Es war nicht sehr tief, aber sie hatte Angst gehabt, sich zu tief zu verletzen, und es tat auch so weh. Dennoch blutete es kaum, und sie musste mit den fingern leicht drücken, dass überhaupt Blut kam. “Lares“, begann sie, nach Süden gewandt, streckte den Arm aus und ließ einen Tropfen Blut zur Erde tropfen. “Schützt diesen Ort nach Süden... Osten... Norden... Westen...“ Jeweils rechts herum gedreht ließ sie einen Tropfen Blut mit ein bisschen Nachdruck auf ihren Handballen zu Boden tropfen. Beim letzten wollte schon kaum mehr einer kommen, der Schnitt hatte sich schon wieder geschlossen, brannte nur noch ein wenig. Axilla hatte das Gefühl, das Blut wäre auf der Haut direkt festgefroren. Ob es wohl heißen würde, eine Zauberin hätte auf Palma gewartet?
    “Ianus, schließe die Schlösser der Himmel auf, damit alle sehen, was hier geschieht.“ Vielleicht auch eine Nymphe? Ein mythisches Wesen? “Mars, gib mir die Stärke, dass ich nicht kläglich oder jämmerlich wirke. Lass mich keine Schande über meine Ahnen bringen, indem ich furchtsam bin. Lass mich nicht zurückweichen. Ein Soldat weicht nicht zurück... Vielleicht auch nur eine Verrückte, ein irres, häßliches, altes Weib. Sie fühlte durch ihre Fußsohlen, wie die Erde leicht zitterte, als sich der Heerwurm langsam näher wälzte. Sie schloss die Augen und zwang sich, ruhig stehen zu bleiben, weiter zu flüstern. “Tellus, die du den Schmerz einer Mutter kennst, die von ihrem Kind getrennt ist, weihe diese Erde. Lass sie nicht an mir vorbeigehen. Hilf mir, meine Kinder zu schützen...“ Vielleicht auch gar nichts. Vielleicht war das hier zu unwichtig, um irgendwo aufzutauchen. Der Wind wehte den Geruch von Pferden, Rost, Leder und Schweiß heran. “Dis pater, halte deinen Blick auf mich, damit ich stark bleibe und keine Schande über meine Ahnen bringe. Lass mich aufrecht sterben, wenn es soweit kommt...“ Staub im Wind, nicht einmal ein Geist der Toten, wenngleich so bleich. Vergessen im Sand der Jahrhunderte... Axilla konnte jetzt die Stimmen schon hören, das erzittern der Straße unter den genagelten Sohlen und den Hufen fühlen. Ihre Finger klammerten sich enger um den Ledertornister. Der Druck auf ihren rechten Handballen ließ den leichten Schmerz in ihrer Hand wieder aufflammen, zeigte ihr, dass sie noch am Leben war, nicht träumte. “Isis, die du Schmerzen kennst, den Schmerz einer sorgenden Mutter, Isis, große Mutter, Isis, große Hüterin, wache über meine Kinder...“


    Ein Schatten fiel auf sie, und Axilla öffnete ihre grünen Augen, blickte fest auf den Mann, der den Schatten warf. “Ich warte auf Appius Cornelius Palma.“ Sie sagte es fest, laut, und ohne zittern, und rührte sich dabei kein Stück, wie eine Marmorstatue, die jemand hier auf die Straße gestellt hatte und die sich dazu entschieden hatte, plötzlich etwas zu sagen.

    Die Nachrichten waren schneller zu ihnen gedrungen als die Männer, die deren Inhalt waren. Es hatte südlich von Misenum eine Schlacht gegeben. Eine große, hieß es. Je nachdem, wen man fragte, waren die Truppenanteile unterschiedlich gewesen. Nach einer Geschichte, die Axilla von einem Händler aufgeschnappt hatte, war Palma sehr stark in der Unterzahl gewesen gegen die römischen Truppen und hatte dann Dämonen beschworen, die über die Truppen Salinators hergefallen waren. An die Art von Zauber glaubte Axilla zwar nicht – sie hatte in Alexandria sehr vieles gesehen, aber nie einen Dämonen oder jemand,d er ernsthaft behauptete, er könne sie beschwören – aber zumindest bedeutete die Nachricht, dass Palma wohl gesiegt hatte. Und das war es, das für sie zählte.


    Sie waren der Straße in Richtung Misenum gefolgt, noch immer der unübersehbaren Spur hinterher, die auf eine Truppenbewegung von Norden nach Süden schließen ließ. Axilla hoffte, dass diese Truppen auch bereits von Palma besiegt waren und er wirklich, wie es hieß, auf dem Weg in Richtung Norden wäre.
    Nach vier Tagen hatte sie darüber Gewissheit.