Beiträge von Iunia Axilla

    Beherzt griff Vala zu, und Axilla schenkte ihm kurz ein Lächeln, als sie ihren Becher auf dem kleinen Tischchen abstellte. Doch erreichte es ihre Augen nicht. Es fühlte sich so falsch an, das alles hier. Surreal. Das Essen, dessen köstlicher Duft zwar in Axillas Nase stieg, aber nicht das Gefühl von Hunger oder wenigstens Apetit aufkommen ließ, das eigentlich hätte kommen sollen, ja hätte kommen müssen. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Der Garten, der im immer schwächer werdenden Abendlicht immer mehr zu duften schien, der stets mild dreinschauende Pan im Hintergrund. Und vor allem Vala vor ihr, der erst ein paar Bissen aß, und sie dann so sorgenvoll anschaute. Das alles kam ihr so weit entfernt vor.
    Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis in ihrem Hirn auch die Information verarbeitet worden war, dass Vala etwas gesagt hatte und seine Worte in eine sinnbringende Reihenfolge gebracht worden waren. Axilla blinzelte kurz fast ein wenig verschlafen und schüttelte leicht den Kopf. “Ja, alles in Ordnung.“ Dass ihre Kopfbewegung ihren Worten eigentlich widersprach, merkte sie noch nicht einmal. “Entschuldige, ich war nur etwas in Gedanken. Ich fürchte, ich bin heute kein sehr guter Gastgeber.“ Sie nahm noch einmal einen Schluck Saft, weil ihr Mund sich plötzlich so trocken anfühlte. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, etwas Zeit rauszuschinden und zu überlegen, was sie sagen wollte.
    Nur was wollte sie sagen? Alles in Ordnung? Ich werde bald heiraten, weil ich die Hoffnung habe, dass mein Mann mich vor Übergriffen des Praefectus Urbi beschützt? Und ich sitze hier und erzähle das alles dem Mann, der mich nicht will und der mir nur immer wieder deutlich macht, warum nicht? War das wirklich das, was man 'in Ordnung' nennen konnte?
    “Keine Sorge, du störst wirklich nicht. Im Gegenteil, ich hoffe, deine Gesellschaft hält mich davon ab, noch mehr zu grübeln. Du tust mir damit eigentlich einen Gefallen. Ich hoffe nur, dass es dir jetzt nicht unangenehm ist.“ Eine kleine Lüge, die nicht so wirklich eine war. Axilla wusste bislang ja immer noch nicht, was Vala hier eigentlich hergeführt hatte. Und um welchen Rat er sie bitten wollte. Vielleicht brachte es sie ja auf andere Gedanken. Vielleicht half es ihr ja, die sachliche Distanz zu ihm aufzubauen, die sie eigentlich gerne zeigen würde. Vielleicht...


    Sie griff nach einem Bissen Fleisch. Die Gans war ganz zart durchgeschmort worden, das Fleisch sah wunderbar aus und roch noch wunderbarer, war saftig und doch nicht fettig. Dennoch fühlte Axilla beinahe Ekel bei der Vorstellung, etwas davon jetzt tatsächlich zu essen. Sie zwang sich zu einem kleinen Biss, behielt den Rest in der Hand, nahm mit der anderen etwas von dem Brot, das auch ungegessen in ihrer Hand blieb. Sie hatte einfach keinen Hunger. Sie konnte das so nicht.
    “Du hast vorhin eine Sache erwähnt, bei der du meinen Rat brauchst...?“ stieß sie das Thema von vorhin wieder an und hoffte, dass die Ablenkung ihren Apetit wieder anregen würde. Oder zumindest ihre Gedanken besser auf ein Ziel lenken würde, so dass sie aufhören würde, über Unmögliches nachzudenken.

    Hatte er sie gerade wirklich gefragt, warum sie nicht geflüchtet war? Zu perplex, um darauf zu antworten, stand Axilla erst einmal nur da und hörte ihren Cousin weiterreden. Er redete von Hochverrat. Er redete davon, dass sie sagen sollte, wen sie etwas wisse. Und dann sagte er, während er sich wieder umsah, dass sie nicht hier sein sollte!
    “Hast du noch alle Amphoren am Regal?“ platzte es schließlich aus ihr heraus. Sie war immer noch fassungslos, aber so langsam setzten sich die Bruchstücke in ihrem Kopf zusammen und ergaben zwar immer noch nicht wirklich Sinn, aber zumindest beherbergten sie eine gewisse Kausalität.
    “Also zunächst einmal lauf ich ganz sicher nicht weg, und zwar vor niemandem!“ Ein Soldat weicht nicht zurück! “Mein Vater hat sicher keinen Feigling großgezogen! Außerdem bin ich die verdammte Lectrix hier. Jeder weiß, dass ich hier Lectrix bin! Wo soll ich denn da hinlaufen? Das ist doch absurd!“ Und das war absurd. Hochverrat? Wer sollte hier denn Hochverrat begangen haben, und womit?
    Aber so langsam Axilla auch war, da es Raghnall war, der vorhin gekommen war, konnte sie doch eins und eins zusammenzählen. Seiana sollte die Verräterin sein. Und Axilla hatte um ehrlich zu sein keine Ahnung, ob da was dran sein könnte, so gut kannte sie die Decima nicht. Allerdings konnte sie es sich vom Bauchgefühl her eher nicht vorstellen. Und sie schuldete der Decima noch etwas und hatte vor, die Schuld zu begleichen. Wenn sich hier eine Gelegenheit bot, war das gut. Danach waren sie vielleicht doch einmal quitt.
    “Seneca. Seneca, jetzt hör mal auf mit suchen und erklär mir, was hier los ist! Was glaubt ihr, dass ihr hier finden werdet? Mordpläne, oder was? Worin soll denn der Hochverrat überhaupt bestehen?“ Das war einfach vollkommen absurd. Alles.

    “Oh, es fängt an!“ flötete es nur noch von der Kline neben Axilla, ehe der ganze Raum scheinbar in Ehrfurcht erstarrte und verstummte. So plötzlich, wie die Trommeln und Flöten verstummt waren, hatte die Stille etwas beinah greifbares, und die Nervosität bei Axilla wuchs zu echter Anspannung, als nun ein großer, bärtiger Mann hereinkam. Er hatte einen langen Stab, der mit Bändern und Weinblättern umrankt war, und an dessen Spitze sich ein auffällig großer Pinienzapfen befand, mit dem er bei jedem Schritt so aufdonnerte, dass es ein lautes, hallendes 'Klack' auf dem Marmorboden machte. Er hatte eine schneeweiße Toga an, und auf seinem Kopf einen Kranz aus Weinlaub. Ihre Nachbarin raunte ihr zu, dass dies der Gastgeber war, Aulus Laronius Pola, doch hätte Axilla auch gleich geglaubt, dass er nicht nur den Dionysos darstellte, sondern dieser höchstselbst war. Um ihn herum schlichen halb geduckt ein paar junge Knaben, die nur ein Ziegenfell um die Hüften trugen, und Mädchen, die bis auf ein paar Efeublätter hier und da gar nichts trugen.
    “Fremde, die ihr hergekommen seid, Namenlose Geister und Schatten, die ihr umhergeirrt seid, weil ihr das Licht und das Lachen gesucht habt! Seid willkommen! Heute sollen wir gleiche unter gleichen sein, heute soll Freiheit unter uns herrschen. Gleich wollen wir sein den Satyrn und Nymphen, gleich dem unsterblichen Gott, dem Freien Vater, dem Unbefangenen Kind, dem Jüngsten der Götter, Taurocranus, Gehörnter , Zweimalgeborener! IHM zu Ehren wollen wir feiern mit seinem Wein, IHM, aus dessen Asche das Menschengeschlecht geboren, IHM, der uns Freude und Gesang, Spiel und Leichtigkeit schenkt! Heute wollen wir alle Freunde sein, Gleiche unter Gleichen, freie Menschen!“
    Eine Ziege wurde von den Mädchen hereingeführt, reich geschmückt mit bunten Bändern, die Hufe und die Hörner vergoldet. Die Jungen hingegen trugen einen ebenso reich geschmückten und besonders großen Phallos herein, schritten mit dem übergroßen Gemächt, welches das Zeichen von Bacchus war, einmal rechtsherum durchs Tablinum, vorbei an allen Gästen, so dass jeder das Kultbild sehen konnte, und stellten es schließlich auf einen Sockel vor Gastgeber und Ziege.
    “Großer Gott der Freude und der Feste, Herr des Weines. Segne uns mit deinen Gaben, mach unsere Herzen leicht und beschwingt. Vor dir kann kein Mensch bestehen, keiner kann sich dir wiedersetzen. Schenke uns den Rausch! Schenke und Verlangen! Schenke uns Vergnügen!“
    Trommeln setzten ein, nur leise, ein ständiges Vibrato im Hintergrund. Latonius tauschte Thyrsus gegen Opfermesser und Weinbecher, goss den Wein der Ziege über den Kopf, den Hals, den Rücken, weihte sie dem Gott des Weines. Die Mädchen hielten das Tier fester, als er sich schließlich zu der Ziege herunterbeugte und ihr mit einem tiefen Schnitt die Kehle aufschnitt, so dass das Blut kräftig aufspritzte, nur unzureichend von einer Opferschale aufgefangen. Ein kurzes Zittern ging noch durch den Ziegenkörper, dann brach das Tier endgültig zusammen. Ein weiterer Schnitt folgte, und die blutige Leber spiegelte im Licht der Fackeln, die den Raum erhellten. Ihr Gastgeber hielt sie hoch über seinen Kopf, so dass das Blut an seinen Händen herunterlief und auf sein weißes Gewand tropfte und auch auf den Boden. “LITATIO!“ brüllte er geradezu bis in die hintersten Winkel des Raumes, und erster Jubel kam wie ein Echo zurück zu ihm.


    Axilla merkte, dass sie den Atem angehalten hatte, und lächelte jetzt aus keinem besonderen Grund, vornehmlich aus Erleichterung über den guten Ausgang des Opfers (wenngleich wohl nichts anderes zu erwarten gewesen war). Sie wollte gerade dazu ansetzen, einen Schluck Wein zu trinken, als ihre Nachbarin sie mit einem leisen “Noch nicht“ abhielt. Und als Axilla wieder aufsah, merkte sie, dass der Ritus mit dem erfolgreichen Opfer wohl noch nicht vorbei war.
    Der Opferherr war verschwunden, ebenso die Ziege. Nur ihr Blut war noch stellenweise am Boden, doch war es kaum zu sehen. Auf dem Platz, rund um den noch immer aufgestellten Phallos, herrschte rege Bewegung. Die Satyrn und die Nymphen hatten angefangen, zu tanzen, mit teils fließenden, teils abgehackten Bewegungen. Die Flöten setzten wieder ein, eindringlicher, schriller, und die Trommeln wurden lauter. Dazu kamen nun auch Zimbeln, die mit ihrem metallischen Scheppern der Situation eine Anspannung gab, ähnlich dem ersten Aufeinandertreffen wütender Schwerter.
    Ein besonders schöner junger Mann in Ziegenfell schnappte sich eine der Nymphen, zog sie näher zu sich heran. Und beide tanzten, wiegten ihre Oberkörper vor und zurück, enger, vertrauter. Seine Hand streichelte über ihren Körper, ihre über den seinen, immer noch enger, bis man zwischen beide Körper keine Feder mehr bekommen hätte. Beide sanken langsam nieder, noch immer in der steten Bewegung ihrer Oberkörper vor und zurückwiegend mit dem Rhythmus der Trommeln, auf die Knie, und immer vor und zurück, wie im Wind wiegendes Gras. Er zog sie immer dichter an sich, immer in derselben Bewegung, bis schließlich das Auge nicht mehr unterscheiden konnte, wo der Tanz aufhörte und etwas anderes anfing. Aber dass es nicht mehr länger nur ein Tanz war, je lauter das Trommeln, je heftiger die Cimbeln wurden, umso weniger ließ das Tun einen anderen Schluss zu. Noch dazu, als die Nymphe in lustvollem Stöhnen aufseufzte, den Kopf in den Nacken warf, noch immer gefangen in der immer impulsiver werdenden Bewegung. Axilla merkte, dass ihr warm wurde. Sie wollte wegschauen, aber andererseits war sie wie gefangen von dem Anblick und konnte nicht. Sie fühlte, wie ihr Mund trocken wurde, ihr Atem langsamer und tiefer wurde. Und schließlich und für alle deutlich erreichte der Satyr zu einem crescendo der Instrumente die höchste Ekstase und sank ermattet einfach nieder.
    Um sie herum hörte Axilla den Ruf “PER BACCHO!“, und als sie die anderen trinken sah, murmelte sie ebenfalls die kleine Weihung an den Gott und trank einen Schluck Wein. Und in diesem Moment störte es sie nicht im Geringsten, dass dieser unverdünnt und mit exotischen Gewürzen und Honig versetzt war. Sie nahm einen tiefen Zug, und es schmeckte süßer als Ambrosia. Irgendwie fühlte sie sich beklommen und ertappt, sah verwirrt und doch erregt zu ihrer Nachbarin herüber. Sie hatte keine Ahnung, was jetzt kommen würde, wie es weitergehen würde. “Und jetzt?“ fragte sie daher vorsichtig.
    “Jetzt... machst du was immer dir gefällt.“ Eine Sklavin kam mit Opiumpfeifen herbei. Axillas Nachbarin nahm lächelnd eine entgegen, Axilla lehnte mit einem Winken ab. Ihre eine Erfahrung mit Opium damals in Alexandria reichte ihr, das wollte sie hier keinesfalls wiederholen.
    Sie sah sich um. Eigentlich hatte sie erwartet, dass nun alle übereinander herfallen würden wie die Karnickel, aber nichts dergleichen. Musik spielte wieder, sanfte, ruhige Klänge. Viele Leute tranken oder rauchten. Einige spielten ein Brettspiel wie mulina oder Alquerque. Nur ein Teil der Gäste war dazu übergegangen, sich zu Küssen, zu streicheln, oder auch... direkteren Tätigkeiten nachzugehen. “Entspann dich einfach“ kam es lachend von ihrer Seite, wo ihre Nachbarin aufgestanden war. “Ich geh jetzt erst einmal zu Petreius hinüber und will mal schauen, was er so zu meinem Vorschlag sagt. Wenn du magst, komm zu uns herüber.“ Sie hauchte Axilla noch einmal verführerisch den süßen Rauch des Opiums entgegen und schlenderte dann an ein paar der Nymphen und Satyrn, die es den ersten nachtaten, ruhig und gelassen vorbei.
    Und Axilla lehnte sich mit einem sehr tiefen Durchatmen erst einmal in die Kissen ihrer Kline zurück.

    Sim-Off:

    Die Römer kennen nur ein „du“. Ihrzen und Euchzen kommt erst im Mittelalter ;) Guckst du mal hier ;)


    Axilla fragte sich gerade, was an den Sachen, die er gerade anhatte, so verkehrt war. Alles wichtige bedeckt und dem Wetter angepasst, wieso konnte man da dann nicht losgehen? Und wenn er sich besonders fein machen wollte mit Toga, dann störten sie doch eher noch mehr als weniger?
    Axilla verstand es nicht so ganz, nahm es aber als höfliche Ausrede einfach so hin. Sie kam ohnehin nicht dazu, lange darüber nachzudenken oder noch was dazu zu sagen, als der Pompeius ihren Blick zu seiner Glatze nicht nur bemerkte, sondern auch kommentierte. Natürlich fühlte sie sich sofort mehr als nur ertappt und eine schamhafte Röte zog sich über ihre Wangen, die nur dadurch gemildert wurde, dass der Grund dafür doch eher in den Bereich des Ekels fiel. Zwar wich ein Soldat nie zurück, aber Axilla begab sich doch auf einen gebührenden Abstand. Läuse war nun wirklich ein Feind, dem man nicht standhaft gegenübertreten konnte. Und es auch gar nicht wollte. Und Axilla fragte sich grade, ob es wohl arg unhöflich wäre, wenn sie nachher Imperiosus bitten würde, dass man ihr Zimmer (welches jetzt definitiv weit weg von diesem hier liegen würde) vorher einmal mit Schwefel ausräuchern konnte.
    “Ah, ja, denken. Ich bin mir da zwar nicht so sicher, dass das was nützt, aber wenn du das meinst, wird es sicher richtig sein. Ich behalte da lieber meine Haare. Allerdings muss ich als Frau mich ja auch nicht mit schweren philosophischen Fragestellungen beschäftigen, außer zum Vergnügen.“ Nein, eine plattere Phrase war ihr nicht eingefallen, und ja, sie sagte es nur, weil sie irgendwas sagen musste. Sie konnte hier ja nicht nur verschreckt rumstehen und sich am Arm kratzen.

    Raghnall war grade eben erst verschwunden, als auch schon die Männer in Schwarz dann hereinkamen. Allen voran jemand, den Axilla am liebsten nicht gesehen hätte und der ihre aufgesetzt herrschaftliche Miene doch ins Wanken brachte. Irgendwie machte sich ein Gefühl, das mit „unangenehm“ noch schöngeredet war, in ihr breit. Natürlich wusste sie, dass Seneca nun bei den Schwarzröcken diente. Sie schuldete ihm immernoch die versprochene Rüstung. Aber wenn der Kerl nicht und nicht zuhause vorbeikam, so dass sie einen Schmied herbestellen konnte, der sie ihm anpasste, dann ging das alles ja auch gar nicht!
    Doch musste er ausgerechnet jetzt bei ihnen sein, wenn sie die Acta durchsuchten? Wobei Axilla immer noch nicht wusste, was das ganze eigentlich sollte. Und Senecas Frage machte das ganze auch nicht unbedingt besser. “ICH etwas unrechtes? Iiich? Was macht denn IHR hier, allen voran DU? Ich weiß nur, dass ihr hergekommen seid, um in den Unterlagen der Acta rumzuwühlen, und hab nicht einmal eine Ahnung, wonach ihr sucht! Wie soll ich da was verbotenes tun, wenn ich noch nichtmal weiß, was ihr hier verloren habt?“ Um ihre Planlosigkeit zu unterstreichen, wurden die Worte mit wildem Gefuchtel noch großzügig untermalt. “Das einzige Unrecht, das ich sehe, ist, dass die Prätorianer hier einfach wild einmarschieren. Was soll das alles hier? Was bei allen Göttern des Olymp machst du hier?“
    Jetzt, wo sie nur unter sich waren, konnte Axilla einfach nicht an sich halten. Raghnall hatte vorhin keine vernünftige Erklärung gewusst. Also musste jetzt Seneca herhalten.

    “Ja, keine Sorge, ich habe dich schon nicht vergessen“, meinte Axilla fröhlich und beschwingt und schien zu der Person von vorhin wie ausgewechselt. Aber sie hatte sich mit Kephalos prima unterhalten, der alte Grieche hatte sie mit seinen Schrullen wie meistens sehr amüsiert, sie hatte alles erledigt bekommen, was sie hatte erledigen wollen. Und darüber hinaus hatte sie auch noch gute Nachrichten zu verkünden gehabt, denn allem Anschein nach konnten sie mit den Renovierungarbeiten am Tempel des Mars tatsächlich beginnen. Allessamt also Gründe, die ihre Laune sichtlich hoben. Plus dazu der Grund, dass sie sich selbst einredete, dass sie sich nicht so verschreckt benehmen sollte und wieder fröhlich sein sollte. Axilla war schon immer gut darin, sich Sachen vorzunehmen und einfach zu machen, ohne weiter über die eigentlichen Gründe nachzudenken.


    Und so war sie auch jetzt relativ unbeschwingt und ließ es einfach nicht mehr weiter zu, sich unwohl zu fühlen, während sie sich wieder zwischen dem nach wie vor schweigsamen Malachi und dem etwas aufgeschlosseneren Luca einordnete und mit einem “Da lang“ einfach eine Richtung vorgab und losmarschierte. Lediglich ihre Augen, die doch hin und wieder über die fremden Menschen huschten, mochten nicht ganz über ihr Lächeln dann und wann hinwegtäuschen, wenn ihnen doch eine etwas zwielichtigere Gestalt entgegentrat. Allerdings glaubte Axilla nicht, dass das irgendjemand bemerken würde, vor allem, da sie sich selbst einredete, dass das ohnehin nichts war. Und wie immer, wenn sie über eine Sache hinwegtäuschen wollte, fing sie an, zu plappern.
    “Wie heißt es so schön? Alle Wege führen nach Rom. Und in Rom führen alle Wege zum Forum. Naja, vielleicht nicht alle. Aber die hier sollten dahin führen, wenn wir immer leicht hangab gehen, Richtung Tiber. Wir waren ja vorhin schon fast am Augustusforum. Kaum zu glauben, dass so ein prächtiges Forum direkt an die Subura anschließt, aber... naja, ist halt so. Und direkt dahinter ist die Wohnlage ja auch bedeutend besser.“ Es war relativ inhaltsleer, um nicht zu sagen komplettes Geplapper, aber Axilla musste den Klang ihrer eigenen Stimme nur laut genug hören, um sicher zu gehen, dass diese leichtherzig klang. Denn wenn ihre Stimme so war, dann musste sie ja auch so sein. Kein Grund für Anspannung oder gar Angst. Vor allem, da sie ja beschlossen hatte, beides nicht zu fühlen.
    Allerdings konnte sie nicht den ganzen Weg entlang nur plappern, irgendwann gingen selbst ihr die Phrasen aus. Also lenkte sie sich weiter ab, indem sie Luca einfach ausfragte. “Und du gehörst also Flaccus? Hat er dir von mir erzählt? Nein, wahrscheinlich nicht, hab ihn ja schon lange nicht mehr gesehen, und wenn du erst kurz in Rom bist, dann ist das wohl schon zu lange her. Wie geht es ihm so? Was treibt er so? Ich hab schon lang nichts mehr von ihm gehört.“

    Der Ianitor öffnete natürlich auch Cyprianus die Tür und musterte diesen, wie er auch schon die anderen Gäste kurz gemustert hatte. Immerhin war es seine Aufgabe, dass nur das passende Klientel die Villa betrat, während der unwichtige und stinkende Pöbel Roms schön weit ferngehalten werden sollte. Wobei eben jener sich auch nie eine Garderobe hätte leisten können, die zum Eintritt hier benötigt war. Und so war es auch mehr ein Einschätzen eben jener Kleidung als des Mannes an sich, als der Ianitor seinen Blick an jenem hinunterwandern ließ. Erst zuletzt ruhte er auf dem dazugehörigen Gesicht, und Erkennen spiegelte sich in seinen Augen wider. Immerhin hatte der Präfekt das Kommando vor gar nicht allzu langer Zeit über die Garde noch feierlich übernommen.
    Stumm wie schon der Rest der Begrüßung trat der Ianitor einfach einen Schritt zurück und machte eine einladende Handbewegung ins Hausesinnere, von wo ein paar Flötentöne und Kitharaklänge bis hier zum Eingang wehten. Auch wenn der Ianitor sich recht sicher war, dass der Terentier nicht geladen war, so war er sich doch ebenso sicher, dass der Mann nicht zu denen gehörte, die er in solchen Fällen abwimmeln sollte. Ebensowenig hätte er den PU abgewimmelt, oder einen Großteil der Senatorenschaft Roms. Schlicht, jeder der dem Hausherren nützen oder Ärger von ihm abhalten konnte, war willkommen.


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    Im Hausinneren hatte Axilla inzwischen eine verdammt gut gepolsterte freie Liege gefunden und es sich dort bequem gemacht. Ein wenig hatte sie noch versucht, ihr Kleid so zurechtzuzupfen, dass es sie doch bedeckte, aber in der halb sitzenden, halb liegenden Position gelehnt an die weichen Kissen in ihrem Rücken war dies ein nutzloses Unterfangen, so dass sie schließlich aufgegeben hatte und damit nun lebte, dass ihre Unterschenkel und Füße sehr gut sichtbar auf dem roten Polster ruhten.
    Ihre Nachbarin hatte direkt die Liege neben ihr und fing schon an, freudig zu erklären. “Am besten, du schaust dich jetzt schon einmal um, ob dir jemand gefällt. Nachher könnte es da etwas schwieriger werden, in Ruhe jemanden zu bezirzen. Vor allem manche Herren sind da erschreckend schnell bei der Wahl einer Partnerin und...“
    “Ich will mir aber gar niemanden aussuchen. Ich meine... überhaupt... hier so... ich meine... vor allen?“
    “...du solltest auch darauf achten, wen du da ansprichst. Siehst du die dicken, silbernen Armreife mit dem Efeublatt drauf? Was? Schämst du dich etwa? Also, Laronius hat auch ein paar hübsche Zimmer, die er dir sicher überlassen würde, wenn du ihn fragst, aber ...““Ich will ihn ja gar nicht fragen!““...eigentlich bleibt man dazu hier. Macht ja auch einen Teil des Reizes aus, wenn man zusehen kann.“ Den erschrockenen Blick ignorierte Axillas Nachbarin und redete nahtlos weiter. “Also, die mit dem Efeublatt sind die Sklaven. Wenn dir da einer gefällt, winkst du ihn einfach her, wenn er frei ist. Oder sie, je nachdem, wonach dir ist. Die machen wirklich ALLES, was du ihnen sagst. Aber wirklich spaßig ist es eigentlich mit den anderen Gästen.“
    Axilla merkte, dass ihre schockierten Blicke irgendwie nicht wirkten und wohl auch nicht angebracht waren. Also beschränkte sie sich lieber darauf, sich umzusehen. Ihr Blick fiel als erstes auf einen jungen Mann in Lorica, und sie fragte sich kurz, was ein Legionär hier zu suchen hatte, als sie auch schon die Erklärung bekam. “Ja, Petilius sieht großartig aus. Aber an den bist du verschwendet. Zweimal rein und raus, und der Gute ist fertig. Wirklich eine herbe Enttäuschung.“ Axilla hatte das eigentlich so genau gar nicht wissen wollen, und schaute schnell auch weiter, was ihre Nachbarin aber zu weiteren Erklärungen ermutigte.
    “Das da hinten ist Senator Aponius. Der hat normalerweise eine Hetäre dabei, der lässt sich nur gern zuschauen. Ah, und der Dicke dahinter ist ein Ritter... Hippius... oder Hirrius? Eins von beiden. Der Mann ist ein Tier, im wahrsten Sinne. Lass dich nicht von ihm beißen! Aber ansonsten macht der es dir auch die ganze Nacht und...““Ja, schon gut...“ Axilla war das doch unangenehm. “Jetzt sei doch nicht so schüchtern! Dir tut ja keiner was. Du kannst ja auch erstmal schauen. Oder wir finden was sanfteres für dich?“ Axilla holte Luft, um etwas zu sagen, unterließ es aber dann. “Voconius da hinten... steht mehr auf Knaben. Oh, und das da vorne ist Petreius Geta. Und heute wird DER mir gehören, und ich werd ihn reiten wie...“ “Ja, ich kanns mir vorstellen...“ “Ich kann ihn auch sicher überzeugen, dass du mitmachen kannst? Ich mein, du bist jünger, das hätte für ihn sicher seinen Reiz und würde meine Chancen auf ihn nicht unerheblich verbessern...“
    Axilla begann, sich doch etwas unangenehmer zu fühlen und kratzte sich verlegen am Unterarm – mit dem Ergebnis, dass sie sich etwas von der leicht goldenen Farbe abkratzte, die nun unter ihren Fingernägeln klebte und in einem unbeobachteten Moment dann an die Kline geschmiert wurde. Und anscheinend merkte ihre Nachbarin, dass sie da doch noch etwas schüchtern war und ließ das Thema wieder fallen. Zumindest fast.
    “Na, du wirst schon sehen, ob du nachher Lust hast oder nicht. Genieß es einfach erstmal. Oh, da kommt der Wein, gleich geht es auch los.“
    Sie bekamen alle einen schönen Becher in die Hand gedrückt, der mit fast schwarzem Wein gut gefüllt war. “Ich möchte eigentlich lieber nicht...“ fing Axilla an, aber der Sklave vor ihr sah sie nur verwirrt an.
    “Du musst! Das gehört doch zum Ritus! Nimm ihn einfach. Musst ihn ja nicht austrinken gleich.“
    Also nahm Axilla den Becher, lehnte sich etwas in ihre Kissen zurück und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

    Die Villa Laronia lag am südlichen Rand des Esquilin, fast schon auf dem Oppius gelegen, und doch trennten die Villa einige hundert pedes von den prächtigen Gartenanlagen der höchsten Gesellschaft Roms. Dennoch musste der Hausherr sich wohl nicht verstecken mit seinem kleinen Anwesen aus feinem, weißen Stein und dem wundervollen großen Garten mit seinen vielen Statuen, Büsten, Bäumen und Büschen. Aulus Laronius Pola hatte Geld. Sehr viel Geld sogar, vornehmlich geschöpft aus dem Vermögen seiner Frau und diversen klug abgeschlossenen Geschäften, die ihm erlaubten, desöfteren Gastgeber kleiner Feierlichkeiten zu sein, die sich in den Kreisen der Ritterschaft und Senatorenschaft Roms großer Beliebtheit erfreuten.


    So auch heute.


    Eigentlich hatte Axilla ja gar nicht herkommen wollen. Eigentlich hatte sie überhaupt gar nie vorgehabt, eine solche Veranstaltung auch nur von Weitem zu besuchen. Sie hatte viel zu viel Angst, dass jemand sie erkennen könnte und es dann darüber Gerede geben würde, was sie getan hätte. Ganz zu schweigen von den viel naheliegenderen Risiken, die sich aus solchen Begegnungen, so sie sich darauf einließ, ergeben konnten. Aber am gestrigen Tag hatte sich etwas ergeben, vor dem sie noch mehr Angst hatte.
    Nach den letzten Worten des Terentiers war sie doch irgendwann schließlich nach Hause gekommen. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass es vorbei war, und dass sie gesiegt hatte. Aber irgendwie hatte sie angefangen zu zittern. Sie hatte sogar eine teure Glasphiole mit Rosenwasser fallen lassen und wäre beinahe barfuß noch in die Scherben getreten, als sie sie wegräumen wollte, wenn Levi sie nicht rechtzeitig noch davon abgehalten hätte. Aber ein Gedanke spukte durch ihre Gedanken, und den wurde sie nicht los: Was, wenn Terentius Cyprianus wirklich mit Vescularius Salinator redete? Was, wenn er oder der PU auf der Feier auftauchen würde und merken würde, dass sie gelogen hatte? Was, wenn er einfach nur den Namen überprüfte? Dann wusste er, welcher Art das Fest hier und heute war. Vielleicht schickte er ja auch nur jemanden, der prüfen sollte, ob sie da war?


    Der Gedanke ließ sie einfach nicht los. Den ganzen Abend nicht, und auch nicht die ganze schlaflose Nacht. Am nächsten Morgen schließlich hatte sie ihre Nachbarin einladen lassen und ihr dann eröffnet, dass sie doch die Einladung von dieser annehmen und sie begleiten wollte. Was jene in helle Begeisterung versetzte, und in jeder Menge nützlich gemeinter Tipps zur passenden Garderobe.
    Wenigstens jene kam Axilla dergestalt entgegen, dass – wohl eben um mögliches Gerede abzuwenden und so auch die weiblichen Besucher zum Kommen zu bewegen – die Damen eine Maske tragen durften. Und von diesem kleinen Zugeständnis an die Privatsphäre machte Axilla reichlich Gebrauch.


    Mit ihrer Nachbarin in deren Sänfte war sie am Haus angekommen, und verhüllt in einen langen Umhang mit Kapuze gingen beide die restlichen Schritte bis zum Haus. Der Ianitor sah fast durch sie hindurch, begrüßte sie nur stumm und ließ sie ein, nachdem Axillas Nachbarin ein paar geheimnisvoll klingende Worte mit diesem gewechselt hatte. Und dann waren sie drinnen und die ganze Pracht Roms schien ihnen hier entgegentreten zu wollen.
    Unsicher folgte Axilla ihrer Nachbarin über einen Fußboden, der in einem feinen Mosaik gemustert war. Er zeigte Vögel und wilde Tiere, dazwischen immer wieder einmal auch Nymphen und Satyrn, die sich hinter Büschen versteckten oder hinter Steinen hervorsahen.


    “Nimm den Mantel ab“, wies ihre Nachbarin sie an, als ein paar Sklaven auf sie zutraten, um eben jene ihnen abzunehmen. Ein wenig unbeholfen übergab Axilla den ihren und fühlte sich augenblicklich sehr nackt. Auch wenn sie das nicht war. Wenngleich man ihr Kleid wohl auch kaum als solches bezeichnen konnte.
    Es war aus feinem, durchscheinenden, hellgrünem Stoff. Die Beine waren geschlitzt bis hinauf zu den Hüften, so dass bei jeder Bewegung ihr komplettes Bein gut sichtbar wurde. Und der Ausschnitt, so man ihn so nennen wollte, hörte nicht sittsam am Dekolleté auf, sondern ging tiefer bis hin zu dem schmalen, goldenen Gürtel, so dass nur zwei fast durchscheinende Streifen Stoff ihre Brüste bedeckten. Eigentlich war Axilla nicht schamhaft, aber hier verschränkte sie ganz kurz die Arme vor der Brust, um sich etwas mehr zu bedecken. Auch wenn ihr gleich darauf wieder einfiel, wie albern das war. Vor allem angesichts ihrer Nachbarin, die bis auf eine Konstruktion aus weichem Leder um ihren Brustkorb und weiß fließendem Stoff um ihre Beine nichts trug, so dass ihre Brüste frei lagen, nur bemalt mit derselben leicht goldenen Farbe, mit der auch Axilla sich Gesicht, Schultern und Hals geschminkt hatte. Dazu trug Axilla noch eine Stoffmaske, die mit ein paar geschickten Haarnadeln mit ihrer Frisur verwebt worden war und so nicht rutschen konnte, ebenso wie ein paar grün gefärbte Federn, die sie in ihren Augen albern, in den Augen ihrer Nachbarin wie Vögelchen aus Arkadien aussehen ließen.


    “Versuch, dich zu entspannen. Du bist jetzt schon so lang Witwe und warst immer brav zuhause. Da darfst du auch einmal nochmal aufblühen, bevor du in das nächste Gefängnis wechselst.“
    Axilla folgte ihrer Nachbarin weiter den Flur entlang in Richtung einer sanften Flötenmusik und den Stimmen einiger Menschen. “Ich bin entspannt! Aber ich will nur mal kurz gucken, und dann geh ich wieder heim.“ Axilla wollte sich nur versichern, dass Terentius Cyprianus nicht hier war. Oder wenn doch, dass er sie kurz sah, vielleicht nicht erkannte, aber dass sie zumindest sagen konnte, sie hätte ihn gesehen. Wobei sie doch hoffte, dass überhaupt niemand sie erkennen würde und ihre Maskierung sie ausreichend schützte.
    “Ach, du musst keine Angst haben. Genieß es einfach. Sieh es dir einfach mal an. Vielleicht änderst du noch deine Meinung.“
    Das glaubte Axilla kaum, aber dann betraten sie auch schon das mit Klinen, Kissen und Blumen reich hergerichtete Tablinum, in dem sich jede Menge spärlich bekleideter Frauen und teils vornehm, teils ebenso spärlich bekleideter Männer aller Altersstufen bewegten.
    “Oh, die bacchischen Riten sind noch nicht vollzogen. Komm, suchen wir uns eine bequeme Liege. Das musst du sehen.“ Axilla ließ sich mitziehen, und dann war sie mittendrin in dieser beginnenden Orgie.

    Die Schiffsreise von Ostia nach Luna dauerte nicht besonders lange. Nicht verglichen mit derselben Strecke zu Fuß, hieß das, dennoch waren es einige Tage. Und wohl auch sehr viel bequemer, selbst wenn Nikon mit einem kleinen Platz zwischen Unmengen an Amphoren hatte vorlieb nehmen müssen. Doch das Schaukeln des Schiffs machte ihm nichts aus wie ein paar der anderen Passagiere, die sich bei jeder größeren Welle aufs Neue erbrachen. Und nach etwa einer Woche waren sie auch im sehr viel kleineren Hafen von Luna angekommen und legten nach Anweisung des Hafenmeisters an.
    Während das Schiff noch abgeladen wurde, ging Nikon bereits von Bord. Er hatte nur einen kleinen Sack dabei, es gab ja auch nicht viel mitzunehmen. Er war hier nicht, um hier zu leben oder länger zu bleiben. Er war nur hergekommen als Geselle seines Meisters, um das zu kommen, weshalb diese ganze Stadt mitsamt ihrem Hafen überhaupt erst entstanden war, so tief im etrurischen Gebiet: Der weiße, feine Marmor von den Steinbrüchen ein kleines Stückchen weiter im Landesinneren.


    Eine Unterkunft in einem Gasthof war rasch gefunden. Er konnte in einem großen Raum schlafen, der sogar mit frischem Stroh eingestreut war. Es war trocken und einigermaßen sauber, und solange niemand allzu schlimm schnarchte, war es wohl ganz annehmbar. Und der Gastwirt wusste auch gleich den Namen eines Vorarbeiters des Steinbruches, und für ein paar Münzen versprach er auch, am nächsten Tag seinen Burschen mit dem Griechen mitzuschicken, die Straße entlang zum Steinbruch. Es war zwar unwahrscheinlich, dass es dort einen Überfall gab. Der Marmor war kostbar und daher jeder Transport gut bewacht. Diese Straße lohnte nicht für Überfälle. Zu viele Männer mit Waffen waren schlicht auf ihr unterwegs, und die Chance, von einer bewaffneten Eskorte erwischt zu werden, schlicht zu groß. Dennoch wäre es für Nikon eine große Hilfe, da er dann auch sicher zum richtigen Mann gelangen würde und mit diesem zumindest einmal sprechen konnte. Und er hatte ja durchaus einen nicht unwichtigen Auftrag.

    Auch wenn sie es versuchte, Axilla verstand nicht wirklich, was los war. Seianas Sklave war hereingeplatzt, als sie gerade nach Hause gehen wollte, und hatte sie und einen der Subauctores aufgehalten und irgendwas davon gefaselt, dass sie kritische Akten fortschaffen müssten. Die Prätorianer wollten die Acta durchsuchen.
    Selbst jetzt noch, während sie die vielen verschiedenen Wachstäfelchen überflog, die handschriftlichen Notizen und sogar die Einkaufslisten, ergab das noch nicht wirklich Sinn. Warum sollten die Prätorianer die Acta durchsuchen wollen? Und vor allem: Warum mussten die kritischen Schriften deshalb verschwinden? Jedem Menschen mit ein bisschen Hirnschmalz musste doch klar sein, dass sie hier allen möglichen Kram hatten. Und natürlich auch Berichte über die verschiedenen Graffitis, die den Präfectus Urbi in nicht unbedingt schmeichelnder Art und Weise darstellten. Es gab andauernd irgendwen, der sich über irgendwas beschwerte und das niedergeschrieben haben wollte und nicht eher Ruhe gab, bis man nicht wenigstens ein Wachstäfelchen gezückt und etwas draufgekritzelt hatte, weil ja jeder einzelne dieser Schreihälse sich für so ungeheuer wichtig hielt.
    Aber der Punkt war doch: Davon wurde nichts veröffentlicht. Und das, was veröffentlicht worden war, das SAH doch jeder jetzt schon. Warum also hier herumwühlen? Axilla verstand es wirklich nicht.
    Aber gut, wenn sie den ganzen Kram packen sollte und dem Sklaven mitgeben, dann packte sie eben den ganzen Kram und gab ihm dem Sklaven mit. Und so packte sie gerade einen geflechteten Korb voll mit Wachstäfelchen (bei denen ein gefühltes Viertel ob der groben Behandlung auch gleich mal zerbrach), als sie den Krach vom Eingang her hörte. Der Ianitor öffnete auch schon die Tür und begrüßte die Prätorianer, wie lauthals von einem Mann mit Befehlston zu hören war. Axilla also unterließ es, die restlichen Tafeln auf dem Tisch durchzusehen und stopfte einfach ALLE in den Korb, um ihn Raghnall in die Hand zu drücken. Nunja, oder zu wuchten, das Ding war doch ganz ordentlich schwer, und Axilla nicht unbedingt ein olympischer Ringer.
    “Ab mit dir!“ scheuchte sie ihn leise weg und richtete sich gerade und gesittet auf, um die Eindringlinge in Empfang zu nehmen – und betete, dass der Terentier nicht dabei war.

    Axilla hatte noch nie einen so jungen Menschen ohne Haare gesehen. Sie versuchte ja, nicht auf die Glatze zu schauen, aber das war gar nicht so einfach. Sie kannte zwar Männer, die sich die Haare kurz schnitten, aber so kurz?
    “Salve, Pompeius“ begrüßte sie Imperiosus' Cousin und ließ sich auf dem angebotenen Stuhl nieder, nur um den Bruchteil einer Sekunde später wieder aufzustehen. “Oh, wir wollten dich nicht aufhalten. Ich wollte dich nur kennenlernen, immerhin leben wir bald unter einem Dach miteinander, und da wollt ich uns nur miteinander bekannt machen. Wenn du aber wichtige Dinge zu erledigen hast, dann hat das hier auch Zeit.“
    Vielleicht hatte er Läuse gehabt? Manche Leute sagten, dass dann das Abschneiden der Haare die einzige Möglichkeit war, die Viecher wieder loszubekommen. Axilla bekam vom bloßen Gedanken daran Phantomjucken und kratzte sich leicht am Unterarm.

    [Blockierte Grafik: http://img823.imageshack.us/img823/1926/malachi2.jpg]


    Offenbar wollte der andere nicht lieber Griechisch reden, wie Malachi angenommen hatte. Er hätte kein Problem damit gehabt, wenn Luca in der einen und er in der anderen Sprache geredet hätte. Aber im Grunde war es ihm gleichgültig. “Ja, sogar weiter als Dalmatien“, stimmte er also zu und ließ das Schweigen zwischen ihnen beiden wieder anwachsen.
    An dem Punkt, wo es anfing, für die meisten Menschen unangenehm zu werden, fing Luca wieder an, zu reden. Malachi hörte einfach nur ruhig zu und beobachtete weiterhin die Straße und die vorbeikommenden Menschen. Ein freundschaftliches oder auch nur vernünftiges Gespräch sah sicherlich anders aus und war von weit mehr Interaktion geprägt, doch es war die schlichte Tatsache, dass es Malachi tatsächlich egal war. Er wollte keine Freunde, er wollte nicht mehr geben als nötig. Er wusste, wie das wirkte, wusste um die Unhöflichkeit. Nicht nur einmal hatte seine Art ihn unter den Gladiatoren abgegrenzt. Während die anderen scherzten und auch lachten, obwohl sie Sklaven waren, saß er oft allein und aß wie mechanisch seinen Puls. Er atmete, er aß, er tat, was ihm gesagt wurde. Aber nicht mehr.
    “Die lernst du mit der Zeit“, kommentierte Malachi dann nur die Aussage, dass der andere nur gebrochen Latein sprach. Er hatte anfangs außer 'Ja' und 'Nein' nur ein paar nette Beleidigungen gekannt. Aber das war nun mehr als ein Dutzend Jahre her, und heute fragte er sich eher, ob er noch seine Sprache sprechen konnte. Wenn er sich überhaupt einmal nach irgendetwas fragte, hieß das.


    ---
    Nach etwas mehr als einer halben Stunde kam schließlich Axilla wieder heraus und sah sichtlich zufriedener und entspannter drein als zuvor. Selbst der Anblick der Straße vor dem Haus konnte das nicht gänzlich revidieren, auch wenn sich zu dem Lächeln ein tiefes Durchatmen gesellte, als ginge es nun auf in die Schlacht.
    “Na, habt ihr mich vermisst?“ meinte sie frech zu ihren beiden Begleitern, und zwar noch immer in Koine. Nachdem sie das eine halbe Stunde lang mit Kephalos gesprochen hatte, fiel es ihr noch nicht einmal auf. Und die Frage war ohnehin nicht ernst gemeint.
    “Also, meinetwegen können wir jetzt gehen.“

    Eigentlich hatte Axilla ja angenommen, sie würden sich im Garten noch ein wenig unterhalten. Aber Imperiosus konnte es anscheinend kaum erwarten, ihr sein Haus zu zeigen, und irgendwie ließ sie sich von ihm anstecken und folgte ihm dann einfach wieder hinein in das Gebäude, das bald ihr Zuhause sein sollte. Dass sein Cousin vielleicht nicht da sein konnte, quittierte sie nur kurz mit einem schüchternen Lächeln.
    “Als angehender Diener der Götter hat er sicherlich viel zu tun.“ Axilla hatte keine Ahnung, was er werden wollte und was er da zu tun hatte. Als einer der flamines minores war das sicher mehr, als wenn er einfach nur in einem Tempel diente. Und Axilla wusste ja auch gar nicht, in welchem Tempel. Vielleicht war es ja auch der der Kybele und er bereitete sich darauf vor, sich selbst zu entmannen oder ähnliches. Bei dem Gedanken schüttelte es Axilla ganz kurz. Die Priester der Kybele waren ihr, was diesen Punkt anging, äußerst suspekt.


    So aber folgte sie Imperiosus und sah sich immer wieder ein bisschen in den Gängen um. Schön hatte er es hier, alles war sauber und ordentlich und sogar ein wenig verziert hier und da. Er schaute immer wieder zu ihr zurück und lächelte sie an, und Axilla lächelte einfach nur zurück. Ihr war, als würde sie gleich ein wenig rot, auch wenn sie nicht wusste, warum. Aber das alles hier hatte mehr Leichtigkeit in sich, als sie angenommen hatte, und es tat gut, mal wieder zu lächeln und den eigentlichen Grund, warum sie Imperiosus heiraten wollte, einfach zu vergessen.
    Imperiosus klopfte dann irgendwann an einer Tür und Axilla versuchte sich zu merken, welche diese war, als von drinnen auch schon eine Aufforderung zum eintreten erfolgte. “Anscheinend ist er doch da“, meinte sie nur lächelnd und überließ es Imperiosus, die Tür zu öffnen und sie dann seinem Cousin vorzustellen. Sie traute sich nicht, einfach da unbekannterweise in das Zimmer hereinzuschneien.

    Oh, die Römer waren bei der passenden Anrede sogar eigentlich sehr exakt.


    Nehmen wir als Beispiel einen Herrn namens Decimus Villius Thermus, den der Namensgenerator grad ausgespuckt hat. Sagen wir, er ist Senator.


    Wollte man ihn höflich anreden, benutzt man den Gensnamen: "Salve, Villius"
    Soll es besonders höflich sein und/oder ist man im Stand unter ihm: "Salve, Senator Villius"


    Sind da nun mehrere Villii auf einem Haufen, so dass man unterscheiden muss, nimmt man den Cognomen dazu: "Villius Thermus"
    Sagen wir, er ist mit seinem Bruder Aulus Villius Surdinus unterwegs, der KEIN Senator ist, dann ist der Senator "Senator Villius" und der Bruder "Villius Surdinus" (oder kurz: Titel > Cognomen).


    Kennt man sich besser und will das auch betonen, nimmt man im persönlichen Gespräch immer den Cognomen dazu. Aus dem einzelnen "Villius" wird ein "Villius Thermus".
    Ist man befreundet, nimmt man NUR den Cognomen (der ja eigentlich dieselbe Funktion wie ein Spitzname erfüllt): "Salve, Thermus".


    Engen Familienangehörigen oder wirklich guten Freunden ist der Praenomen vorbehalten, also "Decimus". Wenn man den benutzen darf, dann hat man das Vertrauen seines Gegenübers.



    Das is eigentlich schon sehr genau :D

    Nun, es ist hier der Forumsstandard und eingebürgertes Gewohnheitsrecht, eben die zweite Person singular zu nehmen, weil Römer das unpersönliche "Sie" nicht kennen und auch das Geihrze und Geeuchze des Mittelalters einfach fehl am Platz ist. Den Fehler macht so ziemlich jeder Neuling am Anfang einmal, bekommt es dann gesagt, und ändert das üblicherweise und hat auch gleich noch was mitgelernt (nämlich das Römer nur ein "du" kennen).
    Natürlich ist das dann immernoch kein Satz, wie er im lateinischen geschrieben worden wäre (denn Caius-Normalrömer hat sicher nicht so schicke 7-Zeilen-Gerundium-Konstruktions-Sätze benutzt, mit denen man im allgemeinen Lateinschüler quält). Aber ich denke auch nciht, dass es Sinn und Zweck dieses Forums ist, für die paar Wenigen, die ihr Latein perfektionieren wollen, eine Plattform zu schaffen, sondern viel eher, um der großen Masse an Interessenten noch das ein oder andere über die Römer beizubringen. ;)


    Von daher find ich es gut, dass auch mal hier im SimOff das Thema angesprochen wird, um so eine breitere Masse an Leuten, die sehr gerne Ihrzen und Euchzen, zu erreichen, so dass man da nicht jeden wieder einzeln drauf aufmerksam machen muss. Ich dacht schon, ich bin die einzige, deren Lesefluss es durcheinanderbringt :D

    Also im Grunde genommen, dass du diese Zeile im Profil mit "Letzter Beitrag" in einer Übersicht siehst? Is wahrscheinlich viel Code-Frickelei, um den Befehl in eine extra Übersichtsliste zu bekommen.
    Die einfachste Lösung is wahrscheinlich dennoch die Buddy-Liste zu nutzen und da dann einfach die Profile durchzuklicken :D Aber vielleicht fällt den PHP-Künstlern auch was ein

    Ganz kurz schrak Axilla zusammen, und sie hoffte nur, dass ihr Gegenüber es nicht gesehen hatte. Sie fühlte sich so unendlich ertappt, als der Terentier vorschlug, er solle mit dem PU darüber reden, dass dieser Axilla sie – noch einmal! - zu sich bestellen sollte. Einen Augenblick lang fühlte sie sich elend und zittrig, wollte sich gar übergeben, aber sie bemühte sich um Standhaftigkeit. Dennoch fiel ihr nicht die spitze Bemerkung ein, die sie gerne erwidert hätte, um als Siegerin dieser kleinen Schlacht eindeutig hervorzugehen. Immerhin zog sich der Praefectus Praetorio zurück, vor ihr! Nur ging es irgendwie nicht, Axilla traute ihrer Stimme nicht ganz, und so war der passende Moment für die Gemeinheit ungenutzt vorbeigezogen.
    “Den wünsch ich dir auch. Vale“, schloss sie also diametral zu ihrer vorigen Frechheit reichlich lahm und wartete nur, dass er aus ihrem Blickfeld verschwand, ohne dass sie selber Anstalten machte, weiterzugehen. Sie traute ihren Beinen noch weniger als ihrer Stimme.

    Naja, ich hab jetzt keine Ahnung, wieviel Arbeit das wäre, aber in der Freundesliste gibt es ja auch die Option, direkt PN an xy zu versenden. Vielleicht kann man da auch den "Suchen"-Befehl einfach auch einfügen, dann wärs ja genau das, was gefragt wird?