Beiträge von Iunia Axilla

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    “Die Schätzungen beruhen auf meinen Erfahrungswerten aus Alexandria, wobei der hiesige Preis für geeignetes Holz abweichen kann. Für den Marmor habe ich das anderthalbfache des üblichen Preises für die benötigte Menge als Schätzwert hergenommen. Verzeih mir, Tiberius, aber ich hatte bislang noch nicht die Ehre, mit solch hochwertigem Material zu bauen, wie dem weißen Marmor aus Carrara, aus dem der Tempel erbaut wurde.
    Sofern sich die Materialpreise also nicht erheblich von meinen Schätzungen unterscheiden, sollte die Endsumme weniger als zehn Prozent von meiner Schätzung abweichen. Und Löhne für Tagelöhner sind bereits im Gewerk Delta berücksichtigt. Von daher erwarte ich keine größeren Kosten abgesehen von denen für das Ausgangsmaterial.“
    Reine Arbeitskraft wurde ja bekanntlich nicht bezahlt, sondern nur das Produkt eben jener.

    So sehr Axilla es auch versuchte, sie verstand die Männer einfach nicht. Gerade eben noch hatten der Sklave und der Fremde sich angefaucht und misstrauisch umschlichen wie zwei Katzen kurz vor dem Revierkampf, und jetzt knickten sie ein wie Strohhalme bei einem Sommergewitter. Axilla verstand es einfach nicht. Irgendwas war grad passiert, nur war ihr der entscheidende Punkt wohl völlig entgangen.


    Die größte Überraschung aber war, dass Luca zugab, dass er gelogen hatte. Gerade eben, mit der Ala. Er hatte den Mann nur loswerden wollen. Nun, das überraschende war nicht, dass er den Mann loswerden wollte. Nach der Sache mit dem Rempler und dem komischen Gebahren und nicht zuletzt dem Dolch war Axilla nicht besonders traurig, dass er seiner Wege zog. Und die blumigen Worte über die verschiedensten Göttern, denen er alles Opfern wollte – wenn er das heute alles machen wollte, musste er sich mit dem Finden eines geeigneten Opfertieres aber beeilen. Und er sah auch nicht so aus, als hätte er genug Geld, um sich die versprochene Ziege für Mars leisten zu können. Der Kork seiner Schuhe quietschte sogar im Gehen ein bisschen, bildete Axilla sich ein. Die Iunia wusste wirklich nicht, ob sie traurig sein sollte, dass der Mann nun ging.
    Das überraschende an der Situation war vielmehr, dass Luca sich bei ihm entschuldigte, und ihm sagte, dass er gelogen hatte. Axilla war eine schlechte Lügnerin. Sogar eine hundsmiserable. Aber wenn sie log, hatte sie nie einfach so danach ohne Notwendigkeit zugegeben, dass sie es getan hatte. Und überhaupt, wenn sie schwindelte – lügen war so ein häßliches Wort. Manchmal nur war es besser, einen anderen im Glauben zu lassen, dass eine Sachlage anders wäre, als sie war – dann machte sie das aus gutem Grund und nicht einfach so, um es danach zurückzunehmen. Zu wollen, dass eine zwielichtige Gestalt ging, war eigentlich so ein Grund, nur der Sklave verstand vielleicht die Feinheiten davon nicht. Oder sie hatte den einzigen Menschen auf der Welt getroffen, der tatsächlich noch schlechter lügen konnte als sie.


    Und dann entschuldigte sich Luca auch noch bei ihr und brachte damit noch das letzte bisschen Ordnung durcheinander. Axilla sah nur kurz dem weggehenden Fremden nach, ob dieser auch wirklich und sicher ging, ehe sie ihre Sprache einigermaßen wiederfand, um Luca zu antworten. “Ist schon gut. Helfen wollen ist eine noble Eigenschaft.“ Es klang irgendwie nach hohler Phrase, und im Grunde war es das ja auch, auch wenn Axilla es durchaus irgendwie ehrlich meinte. Nur konnte sie nicht verstehen, wie Luca ihr hatte helfen wollen, indem er eine Lüge eingestand. Es hätte viel mehr geholfen, wenn er den Fremden einfach sonstwohin geschickt hätte und die Lüge eben Lüge hätte sein lassen. Wenn er es Axilla gegenüber später gestanden hätte, hätte sie es sogar als noble Geste von ihm empfunden. Aber so, wie es jetzt war, war es ein seltsames Durcheinander, das nicht so ganz in Axillas Weltbild passen wollte.
    Sicher, Veritas war die Mutter der Tugenden. Aber selbst jemand wie Axilla, die ihr Herz meist auf der Zunge trug und schneller redete als nachdachte, selbst ihr war klar, dass die Wahrheit einfach nicht immer angebracht war, und die nackte Wahrheit manchmal sogar unerträglich.


    Reichlich verwirrt also stand sie nun da, sah zu wie der Rempler weg ging und der Sklave fast wie ein begossener Molosserhund – was nach Größe und Gesichtsausdruck zu passen schien -neben ihr stehen blieb. Axilla hasste die Subura. Kephalos sollte in ein besseres Viertel umziehen, und zwar schnell.
    “Gut.... und jetzt?“

    Und so schnell wie Axillas Theorie gekommen war, so schnell legte sie sich auch wieder, als Imperiosus seine Hand wieder weg nahm und noch mehr Wein trank. Er vertrug selbigen zum Glück weitaus besser als Axilla, die wäre bei dieser Menge schon lange unter dem Tisch gelegen. Wobei das nichts heißen musste, zwischen leichtem Schwips und Vollrausch lag bei der Iunia nur ein halber Becher Wein. Trotzdem blieb es dabei, dass das wohl kein Annäherungsversuch von Imperiosus gewesen war, und Axilla war sich jetzt ganz und gar nicht sicher, ob sie darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
    Als er aber Salinator erwähnte in der Art und Weise, wie er es tat, da war Axilla doch erheblich erleichterter über das Fehlen einer Annäherung, wenngleich erschreckt über das Lachen, dass ihr eine unwohle Gänsehaut bescherte. Dieses Lachen erinnerte sie irgendwie an das Lachen von Salinator, als er... nein, nicht daran denken! Sie schüttelte den Gedanken fort nach dahin, woher er gekommen war.
    “Naja, dann sollten wir vielleicht bald einen Termin finden. Also, ich meine, du kannst dir ja mal ein paar Gedanken machen, und wenn ich dich dann besuche, wegen dem Cubiculum, können wir ja darüber reden.“
    Axilla sah wieder auf und stellte fest, dass die Erleichterung nicht so lange angehalten hatte, wie sie gedacht hatte. Vielmehr drängte sich so nach und nach die Frage in den Vordergrund, warum Imperiosus, wo er doch mit ihr allein war, sie direkt neben ihm und sie auch seit eben gerade verlobt waren, sich lieber dem Wein widmete. Axilla kannte das nicht. Die meisten Männer sahen sie ja doch an – gut, außer alte Politiker, aber das war eine andere Geschichte. Und außer Vala.
    Je mehr Axilla darüber nachdachte, umso unsicherer wurde sie überhaupt bezüglich der ganzen Geschichte. So alt war sie ja eigentlich noch nicht. Noch keine Zwanzig. Aber... war das schon zu alt? Oder war das etwas anderes, was störte? Lag es überhaupt an ihr, oder tickten Männer da einfach anders?
    Je mehr sie darüber nachdachte, umso frustrierender wurde das Ganze. Vielleicht hatte Imperiosus mit dem Wein schon ganz recht, und um es ihm nachzutun griff nun auch Axilla noch einmal zum Becher, bei dem sie sich bislang doch sehr zurückgehalten hatte.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Das nun war der zweite Teil dessen, was Kephalos vorbereitet hatte. Immerhin hatte der Pontifex auch gleich bei Erteilung des Auftrages darauf hingewiesen, dass er einen Kostenvoranschlag zu sehen wünschte. Von daher schickte er seinen Gehilfen noch einmal mit einem Wink nach vorne, diesmal aber mit den deutlich billigeren Wachstafeln. Das hier war nur eine Kostenschätzung, da konnte der Tiberier verändern, was er wollte, solange sie sich auf eine angemessene Endsumme einigten. Die Zusammenstellung hingegen war ohne Belang.



    KOSTENSCHÄTZUNG


    Baubeschreibung: (stichwortartig)
    Austausch der defekten Bodenplatte auf dem Augustusforum. Austausch der Treppenstufe. Austausch der Bodenplatte vor dem Tempel mit eingelassenen Eisenringen für die großen Opfertiere.


    Anfertigen eines Pferdeohres für die Statue des Augustus durch einen Steinmetz. Anbringen des Ohres durch Befestigen mithilfe von Gips. Eventuelle Überstände vorsichtig abfeilen.


    Auffüllen des Mörtels auf der rückseitigen Tempelwand in die ausgewaschenen Fugen. Glatt verspachteln. (Zum Aushärten wird sonniges Wetter benötigt.)


    Aufrichten eines Krans. Abdecken des Daches. Entfernen zweier verschimmelter Dachbalken bei gleichzeitiger Abstützung der Dachkonstruktion mittels einem Stützbalken in der Dachmitte. Ersetzen der Dachbalken durch zwei geeignete Balken abgelagerten Holzes entsprechender Länge. Einpassen in die vorhandene Dachkonstruktion, Befestigung mittels Holzzapfen.
    Abtransport der alten Balken.
    Neu Eindecken des Daches unter Verwendung noch tauglicher alter Dachziegel. Ersetzen der Restziegel.
    Abbau des Krans.
    (Für die Dauer dieser Reparatur wird mindestens 1 Woche sonniges Wetter veranschlagt)


    Ausräumen der Tempelküche. Aufstemmen des Bodens im beschädigten Bereich. Abtransport der nicht zerbrochenen Bodenplatten. Abstützung der Wände durch 2 über Kreuz gelegte Balken entsprechender Länge vom oberen Drittel der zu stützenden Wand zum gegenüberliegenden Sockel.
    Aushub des abgesagten Bereichs bis zur Tiefe von 1 passus. Untersuchung auf Hohlräume oder Erdspalten.
    Verdichten des Aushubs mit Kies und Tonerde. Auffüllen des Loches und Verdichten der Masse. Ruhen des Bodens von 1 Woche, anschließendes erneutes Planieren und ggf. weitere Auffüllung, bis der Boden ebenmäßig ist.
    Entfernen der Stützbalken. Wieder anbringen der Bodenfliesen.


    Kostenschätzung, aufgeteilt nach Gewerken:



    Mögliche Einsparungen können erfolgen, indem auf verschiedene Bauschritte verzichtet wird. Als optional gelten der Austausch der Bodenplatten aus Carrara-Marmor auf Platz und Tempelstufe, ebenso den Austausch der Platte mit Eisenring für Halterung der Opfertiere; oder die Verlegung auf ein günstigeres Grundmaterial.


    “Ich habe mir erlaubt, für die ehrenwerte Pontifices schon eine Kostenschätzung anzufertigen. Aus dieser kannst du die erwarteten Kosten ablesen. Die Dauer der Maßnahme hängt davon ab, wieviel davon durchgeführt wird. Die meisten Arbeiten sind unabhängig voneinander und können parallel durchgeführt werden. Vor allem die Steinmetzarbeiten dürften nur einen Tag lang in Anspruch nehmen, was die Arbeiten direkt am Tempel angeht. Die Dacharbeiten werden aber mindestens eine Woche in Anspruch nehmen und können auch erst beginnen, wenn passendes Bauholz gefunden ist.“ Bäume dieser Größenordnung, dazu noch abgelagertes Holz, das nicht gleich wieder Schimmel ansetzen würde, weil es noch nicht durchgetrocknet war, war heiß begehrt. Natürlich baute Kephalos darauf, dass so ein Prestigeobjekt eher beliefert werden würde als eine private Baustelle, und dass auch die Pontifices ihre Beziehungen spielen lassen konnten. Nichts desto trotz war Bauholz immer knapp, und alles, was lang genug war, um als Dachbalken herzuhalten, war auch lang genug, um sich im Gerüst eines Schiffes wiederzufinden. Und daher war das Holz sehr teuer.
    “Die Arbeiten in der Tempelküche werden insgesamt zwei bis drei Wochen benötigen, wobei eine Woche Ruhephase für den Boden dabei eingerechnet ist, damit dieser sich vernünftig senken kann. In dieser Zeit müsste man das Kochen der geopferten Tiere auf außerhalb dieser Räumlichkeiten verlegen. Ansonsten sollte der Tempelbetrieb nur während des direkten Austausches der Dachbalken gestört sein, was innerhalb weniger Tage erledigt sein muss.“


    Ad
    Gymnasiarchos Cleonymus
    p.a. Kapeleion Archaon
    Alexandria
    Aegyptus


    Chaire Cleonymus,


    wie geht es dir? So langsam mache ich mir sorgen, dass ich in Alexandria gar keine Freunde mehr habe und vergessen bin, da meine Briefe immer unbeantwortet bleiben. Ist denn alles noch in Ordnung?


    Der Grund, aus dem ich dir schreibe, ist aber nicht nur, weil ich einmal nachhören will, wie es euch in Ägypten geht. Vielmehr habe ich ein geschäftliches Anliegen, und ich hoffe, dass es die Zustimmung der Ekklesia findet.
    Anthimos Bantotakis ist ja verstorben, und von seinem Bruder habe ich lange nichts gehört. Durch den Verwalter meiner Farbmischerei habe ich erfahren, dass der Malerbetrieb, der Anthimos gehört hatte, in den Besitz der Stadt übergegangen ist. Sofern es die Zustimmung der Stadt findet, würde ich diesen gerne erwerben.
    Mein Angebot wäre, dass ich ihn für 150 Drachmen erstehe. Sofern noch geeignete Arbeiter ebenfalls in den Besitz der Stadt übergegangen sind, bin ich gern gewillt, diese für die Ablösesumme von jeweils 300 Sesterzen ebenfalls zu erwerben.


    Ich hoffe, dass ich bald von dir höre.


    Chaire


    [Blockierte Grafik: http://img509.imageshack.us/img509/3392/axillaunterschrph0.gif]


    Sim-Off:

    Wertkarte Iunia

    Sim-Off:

    Wär schön, wenn ich auch noch reagieren darf ;)


    “Ich bin nicht erschreckt!“ verteidigte sich Axilla instinktiv auf die Worte des Fremden. So langsam kehrte ihre Selbstsicherheit zusammen mit ihrer Gesichtsfarbe zurück. Und damit erinnerte sie sich auch mehr daran, wie sie sich benehmen sollte. Und eines war ja ganz klar, dass die Tochter von Atticus Iunius Cassiodor vor absolut gar nichts Angst hatte. Ein Soldat weicht nicht zurück.


    Doch irgendwie waren ihre Worte ohnehin nicht von Belang, da jetzt der fremde Sklave wie auch der Rempler miteinander redeten und keiner sie oder ihren Einwand beachtete. Eigentlich wäre das Axilla ja sogar egal, sollten sie sich streiten oder vertragen, solange sie hier von diesem Platz wegkam und die Peinlichkeit gleich vergessen konnte. Eigentlich war sie es ja gewohnt, dass man nicht wirklich auf sie hörte. Eigentlich war das nur eine kleine Lappalie, nichts, was sie sonderlich berührte.
    Aber uneigentlich sagte Luca genau den Satz, der sie tief traf. 'Sie sein unwichtig.' Axilla ist niemand... hallte eine andere Stimme eines sie um einen Kopf überragenden Mannes durch ihre Gedanken, und die Selbstsicherheit, die sich gerade ihren Weg wieder an die Oberfläche gekämpft hatte, fiel niedergeprügelt zurück in das Loch, in das sie sich geflüchtet hatte. Einen Moment lang erstarb jede Freundlichkeit in ihren Blick, auch wenn es völlig vergebens war. Luca stand mit dem Rücken zu ihr und konnte es ohnehin nicht sehen.
    Und sie wusste ja auch, dass er es nicht so gemeint hatte. Er konnte die Sprache ja nicht einmal richtig, und sein Verhalten sah eher danach aus, als wolle er sie beschützen. Axilla wusste das, und nach einem Augenblick des Unbill ließ sie dieses Wissen auch wieder zu, sah beiseite und versuchte, nicht daran zu denken. Er hatte es sicher nicht so gemeint, ganz sicher. Sie war nicht unwichtig. Sie war eine Iunia. Eine Iunia war niemals unwichtig. Ihr Vorfahr war mit Aeneas gereist und hatte Rom gegründet, ihre Familie hatte Könige hervorgebracht und den letzten von ihnen getötet. Die Iunier hatten die Republik gegründet. Sie war nicht unwichtig. Niemals. Der Sklave hatte es nicht so gemeint.


    Das Gespräch zwischen den beiden bekam sie nur halb mit. Axilla hatte keine Ahnung, ob es hier in Rom eine Rekrutierungsstelle für die Auxiliareinheiten gab. Sie wusste, dass es viele Alae gab, aber wie jede militärische Einheit war sie außerhalb von Rom und nördlich des Rubicon stationiert. Außer der Classis in Misenum, die ja aber keine Landtruppe waren. In Rom gab es nur die Cohortes der Urbaner und Prätorianer, aber kein Militär. Das Betreten des Pomeriums war diesen verboten. In Rom waren sie Zivilisten.
    Aber wenn es eine Rekrutierungsstelle gab, war sie in der Subura sicher gut stationiert. Hier lebten viele Peregrine, und für diese waren die Alae natürlich eine Möglichkeit, hier heraus zu kommen. Aber auch die Legiones suchten sich hier sicher ihren Nachwuchs. Drei Mahlzeiten am Tag überzeugten sicher auch viele der römischen Bürger, die hier lebten. Aber WO die war, davon hatte Axilla schlicht keinen Schimmer.


    Ein wenig verwunderte es sie schon, dass sich der Sklave da so sicher zu sein schien, wo sie war, war er doch eben gerade noch nicht einmal sicher, wo er selber war und wie er zurück nach Hause kam. Aber sie dachte nicht zu sehr darüber nach. Vielleicht hatte er die Stelle genau so gesehen, wie er die Herme gesehen hatte, zu der er sie führen wollte. Im Grunde war es gleich, und Axilla wollte im Moment am liebsten über gar nichts nachdenken. Je mehr sie sich erinnerte und je mehr sie nachdachte, umso mehr wühlte sie nur Dinge auf, die sie am liebsten vergessen wollte. Die sie am liebsten nie gewusst und erfahren hätte.

    Offenbar hatte Axilla Imperiosus verärgert. Im Nachhinein ging ihr auch auf, dass es wohl eine weniger intelligente Frage gewesen war, da Imperiosus ja ganz recht hatte. Natürlich musste er sein, was er war, um Tribun sein zu können, und eigentlich wusste Axilla das auch. Aber wie immer, wenn sie merkte, dass eine Situation ihr entglitt – und seine Hand in ihrem Nacken fühlte sich so an – hatte sie einfach drauf los geplappert, um die Situation zu überspielen. Überhaupt war sie sich nicht sicher, was Imperiosus damit bezwecken wollte. Nun, eine Möglichkeit fiel ihr da durchaus ein, und der Gedanke jagte ein Kribbeln ihren Rücken hinunter. So abwegig war die Vorstellung ganz und gar nicht, und wenn die Hochzeit nicht mehr lange auf sich warten ließ....
    Aber andererseits glaubte sie nicht, dass genau das jetzt gemeint war, dafür war Imperiosus zu sehr auf das Gesagte fixiert und versuchte auch viel zu wenig, um sie in eben jene Richtung zu überzeugen. Nein, bestimmt meinte er es rein... freundschaftlich. Zumindest war dieser Gedanke etwas beruhigender und eine willkommene Fluchtmöglichkeit für Axillas Geist.
    “Ja, das solltest du machen. Wozu ist er schließlich dein Patron?“ Sie schaffte es sogar, das ganze einigermaßen freundlich klingen zu lassen und nicht wie die Anklage, als die sie diesen Umstand empfand. Aber genau diese Tatsache würde ihr hoffentlich die Sicherheit bringen, nach der sie sich sehnte. Dann würde Salinator sie sicherlich in Ruhe lassen, aus Rücksicht auf seinen Klienten.
    “Willst du ihm auch gleich von unserer Verlobung erzählen, oder erst, wenn der Termin steht?“ Axilla wäre es durchaus lieb, wenn er es recht zeitig machen würde. Umso schneller wäre sie aus seiner Reichweite, und so etwas wie bei dem letzten aufeinandertreffen wäre ausgeschlossen.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Mit seinem Gehilfen im Schlepp betrat Kephalos wieder das Atrium wie vor gar nicht so langer Zeit und wurde auch schon vom Hausherrn begrüßt.
    “Chaire, Tiberius. Wie du gewünscht hast, habe ich einen Bericht über den allgemeinen Zustand des Tempels angefertigt.“
    Er gab seinem Gesellen ein Zeichen, und der ging vor und überreichte dem Tiberier die Schriftrolle. Eigentlich verwendete Kephalos wie alle lieber Wachs, aber das er nicht gewusst hatte, ob der Tiberier es noch an anderer Stelle vorlegen würde, und er nicht wollte, dass es verändert wurde, hatte er sich doch für den teureren Papyrus entschieden.



    [Blockierte Grafik: http://www.abload.de/img/gutachtenoc1p.png]
    (Gutachten)


    über den Zustand des Templum Martis Ultoris und des Vorplatzes auf dem Forum Augustum
    aus den Begehungen vom ANTE DIEM VI ID IUN DCCCLXI A.U.C. (8.6.2011/108 n.Chr.) bis PRIDIE ID IUN DCCCLXI A.U.C. (12.6.2011/108 n.Chr.)


    Es zeigte sich folgendes Schadensbild:


    Auf dem Vorplatz fehlt dem zweiten Pferd von rechts der Statue des Augustus das rechte Ohr.
    Eine marmorne Bodenplatte zwei passus von der Statue entfernt in Richtung Templum ist gesprungen. Ebenso auf der zweiten Steigung die vierte Treppenplatte auf der südlichen Seite.
    Die Halteringe für die größeren Opfertiere zeigen starke Rostbildungen. Ihr Austausch mitsamt Bodenplatten ist nicht zwingend notwendig, aber angeraten.


    Im Bereich der Tempelküche zeigte sich nach genauer Messung eine Absenkung des Bodens zur Mitte hin um etwa zwei palmae. Eine Auffüllung des Bodens ist dringend notwendig. Um einen Hohlraum unterhalb des Gebäudes auszuschließen wird ein vorausgehender Aushub von mindestens einem Passus empfohlen, ehe eine Auffüllung mit verfestigter Erde und Kies erfolgen muss.


    Im Bereich des Daches müssen zahlreiche Schindeln ausgetauscht werden. Desweiteren sind zwei der die Dachkonstruktion tragenden Balken mit grünem Schimmel überzogen und müssen dringend ausgetauscht werden.


    Die rückwärtige Wand des Tempels weist auf der Außenseite einige Auswaschungen im Mörtel auf, die aufgefüllt und glatt gespachtelt werden müssen.



    Im Übrigen ist die Bausubstanz gut. Sämtliche Wände sind lot- und fluchtrecht und weisen eine stabile Statik auf, ebenso sämtliche Säulen und Statuen.


    [Blockierte Grafik: http://www.abload.de/img/kephalos1e769.png]
    Architektos


    Kephalos gab dem Mann einen Moment, sich das Geschriebene anzuschauen, ehe er zu erzählen anfing.
    “Der Zustand des Tempels an sich ist ein erfreulich guter. Das meiste sind ein paar kleinere Schönheitsfehler, die einfach behoben werden können und innerhalb weniger Tage zu richten sind bei schönem Wetter. Nur zwei Dinge sind aufgefallen, die einen erheblicheren Reparaturaufwand benötigen.
    Zum einen sind zwei Dachbalken leider von Schimmel befallen und müssen ausgetauscht werden. Dazu wird man geeignetes Holz heranschaffen müssen und selbstverständlich das Dach neu eindecken, was eine Woche ohne Regen benötigen wird.
    Das andere ist eine Absenkung des Bodens im hinteren Tempelbereich, die ich großflächiger zu beheben empfehle, um mögliche Risiken auszuschließen.“

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Auch wenn der Ianitor nicht unbedingt die Herzlichkeit in Person war, war Kephalos ruhig und höflich. Er hatte schon desöfteren mit streitenden und auch schreienden Bauherren zu tun gehabt, und auch schon mit dem einen oder anderen harschen Ianitor. Es nützte nie etwas, sich darüber aufzuregen.


    “Salve, ich bin der Architektos Kephalos und komme wegen dem Gutachten zum Tempel des Ares auf dem Augustusforum sowie den Kostenanschlag für die notwendigen Reparaturen. Sofern der Pontifex Tiberius hierzu oder zu dem Kostenanschlag Fragen hat, wäre ich erfreut, es ihm in einem Gespräch erläutern zu können.“

    Eigentlich sprach Malachi wie stets ruhig und bestimmt. Ab einer gewissen Körpergröße und Muskelmasse war es schlicht nicht mehr nötig, die eigenen Worte noch durch Lautstärke zu intensivieren. So oder so schien es aber die gewünschte Wirkung erzielt zu haben, denn der Mann steckte die Waffe weg und gab sich friedlicher, zumindest im rudimentären Sinn des Wortes. Dennoch war das kein Grund für Malachi, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Er blieb, wo er war, und ließ den Mann vor sich nicht aus den Augen. Auch den Wein rührte er nicht an. Als Gladiator trank er ohnehin keinen. Das letzte Mal, dass er Wein getrunken hatte, das war noch in Judäa gewesen im Haus seines Vaters zur Geburt seines Sohnes. Das musste schon zwölf oder noch mehr Jahre her sein.
    Nein, er blieb einfach nur zwischen dem Mann und seiner Herrin stehen, schirmte sie so mit seinem Körper, und wartete auf ihre Reaktion.


    Axilla allerdings war beiweitem nicht so ruhig. Es dauerte einen ganzen Augenblick, bis sie merkte, dass der unbekannte Sklave sie hielt und stützte, und sie sich an ihm festhielt und zitterte. Und noch einen Moment länger dauerte es, bis sie merkte, dass er sie etwas gefragt hatte. Und NOCH einen Moment länger, bis sie ihn loslassen konnte und wieder Teile ihrer Dignitas soweit zusammensammeln konnte, wieder allein dazustehen – wenngleich immernoch in auffälliger Nähe zu ihm. “Nein, ich bin in Ordnung“, flüsterte sie kraftlos, ehe sie sich räusperte und noch einmal wiederholte: “Mir fehlt nichts.“ Aber so wirklich glauben konnte sie sich nicht einmal selber.
    Der Zusatz mit den Sachen war in Axillas Hirn irgendwie untergegangen. Überhaupt hätte sie es wohl nur verneinen können, denn außer das, was sie anhatte, hatte sie nichts dabei. Geld nahm sie ohnehin so gut wie nie mit, und so leichtsinnig sie auch war, so todessehnsüchtig war sie nicht, als dass sie teuren Schmuck anziehen würde, wenn sie in die subura ging. Sie hatte nur ganz einfache Haarnadeln, die ihre Frisur hielten, und bronzene Fibeln, die ihr Kleid hielten. Kein Silber, kein Gold.


    Sie merkte, dass der Mann sie anredete, auch wenn seine Art zu sprechen irgendwie seltsam war. Axilla wusste nicht genau, was es war, aber es war auch nicht so interessant, als dass sie sich darüber näher Gedanken machen wollte. Diese kreisten gerade vehement um Ereignisse, die sie schon längst verarbeitet glaubte, schon lange vorbei und zwar nicht vergessen, so doch überlebt. Aber jetzt und hier war es wieder so frisch wie vor über einem Jahr, und ihr Herz schien zu bluten bei der Erinnerung daran.
    Irgendwie realisierte sie, dass er ihr etwas zu Trinken anbot, und Axilla schüttelte nur heftig den Kopf. Alles in ihr schrie danach, hier jetzt einfach wegzugehen, Kephalos zu vergessen, ihr Versprechen an den Sklaven neben ihr, alles. Einfach Malachi zu sagen, dass sie nach Hause wollte, und sich dort ins Dunkel zu verkriechen und zu versuchen, die Geister der Vergangenheit wieder loszuwerden. Aber sie konnte nicht. Ein Soldat weicht nicht zurück. Wie oft hatte ihr Vater ihr das gesagt? Hatte es ihr vorgelebt, hatte selbst seinen Tod so gefunden. Sie konnte nicht weglaufen, sie durfte nicht.
    Und so blieb sie stehen, allerdings ohne etwas zu sagen, und ohne dem Wein irgendeine Beachtung zu schenken. Nimm dich zusammen. Ein Soldat steht nicht verschreckt herum und zittert. Los! Und auch, wenn Axilla wohl nie Soldat werden würde, mühte sie sich redlich um innere Ruhe.
    “Mir geht es gut. Ich brauche nichts. Ich möchte einfach nur meinen Weg fortsetzen.“ Es klang nur halb gefasst, aber zu mehr war sie trotz aller Bemühungen gerade nicht in der Lage. Sie war schon stolz auf sich, dass sie hier stand, ohne Hilfe, und auch nicht mehr zitterte, obwohl alles in ihr danach verlangte, wegzulaufen, und weiter und weiter zu rennen, bis ihre Muskeln brannten und der Schmerz in ihrem Körper den in ihrem Herzen übertönen würde.

    [Blockierte Grafik: http://img843.imageshack.us/img843/3899/kephalos.jpg]


    Pünktlich wie ein Uhrwerk war Kephalos nach der angegebenen Zeit wieder vor der Villa Tiberia, diesmal allerdings ohne die Begleitung seiner Arbeitgeberin. Er hatte nur seinen ältesten Gesellen dabei, der das Gutachten und den Kostenvoranschlag bei sich trug. Immerhin wusste Kephalos nicht, ob der Hausherr Zeit hätte – wobei die frühe Stunde darauf schließen ließ, seine Salutatio sollte noch nicht beendet sein. Und nach seinen Klienten sollte der ein oder andere Moment für einen Architekten noch sein, sofern der Tiberier das überhaupt wünschte.


    Und so klopfte Kephalos an die große Tür und wartete, dass ihm geöffnet wurde.

    Jetzt, wo der schwierige Teil geschafft war und Axilla sich nach und nach begann, endlich zu entspannen, kam auch der Hunger wieder. Erst ein wenig zaghaft, aber irgendwann dann doch so richtig. Vor lauter Aufregung hatte sie den ganzen Tag noch nichts gegessen, so dass es wohl nur eine frage der Zeit war, wann sie einfach hatte Hunger haben müssen. Sie nahm sich eine der Lerchen, inzwischen zwar erkaltet, aber immernoch lecker, und verklebte ihre Finger mit der dunklen Sauce, so dass sie kurzerhand die Fingerspitzen ableckte. Klebrige Angelegenheit aber auch, so eine Sauce, aber die Köchin hatte recht behalten: es war lecker. Sogar sehr.
    “Oh, das klingt hübsch. Ich werd dann die nächsten Tage einmal vorbeikommen, wenn es dir passt. Ich weiß ja nicht, wie lange du jetzt noch in Rom bist?“ Zu diesem Zeitpunkt konnte sie ja noch nicht wissen, dass Imperiosus nur wenige Tage später den Posten innehaben würde, den auch Archias gehabt hatte, und sie somit wieder die Frau des Procurators a memoria sein würde.


    Imperiosus fragte Seneca noch nach den Wünschen zu seinem Patron, und am liebsten hätte Axilla geantwortet, dass es jemand schön weit weg von Salinator sein sollte. Sehr weit weg, aber nicht entgegengesetzt. Das sicherste wäre, die Iunii würden keine politische Stellung im Moment beziehen. Es war einfach zu gefährlich. Wobei vielleicht ein Patronat bei einem der Gegner Salinators auch gar nicht so ungeschickt wäre, wo Axillas Ehe die Gens in seine Nähe rücken würde. So wäre man dennoch neutral positioniert. Wobei Axilla das ja kaum Imperiosus auf die Nase binden konnte.
    Und auch Seneca hielt sich vage und wich der Frage aus. Doch dass er gleich so auswich und die Flucht ergriff, hatte Axilla jetzt doch nicht geplant. Ein bisschen verwundert sah sie auf, ließ sich über die Wange streicheln und konnte nicht viel mehr als “Dir auch eine gute Nacht und süße Träume. Pass auf dem Weg zur Castra auf.“ sagen und ihm dann hinterhersehen.


    Doch damit der Überraschungen nicht genug, auf einmal berührte sie auch Imperiosus, der ihr sonst den restlichen Abend ja fast ausgewichen war. Sie fühlte seine Hand an ihrem Hinterkopf, wie er ihr Haar berührte. Axilla fühlte, wie sich eine der kunstvoll versteckten Haarnadeln löste bei seiner Berührung und mit leichtem Klirren direkt neben die Kline auf den Steinboden fiel Axillas Kopf folgte dem Geräusch, was dann endgültig dazu führte, dass sich eine der hochgesteckten Strähnen verselbständigte und ihr in den Nacken fiel. Sie beschloss, einfach so zu tun, als hätte sie es nicht bemerkt, und die Situation zu überspielen, und plapperte los.
    “Naja, zumindest wird das so sein. Also, er und du werdet ja verschwägert sein, und da gehört sich das ja auch, dass man einander solche Gefälligkeiten erweist. Und ich finde, Seneca wäre auch wirklich ein sehr guter Ritter. In meiner Familie gab es ja schon einige, und ich finde, wo mein Cousin Silanus wegen seiner Gesundheit Rom fernbleiben muss, sollten die Iunier in Rom wieder einen Eques haben.
    Und... bist du eigentlich schon Eques?“
    Dass er den Ordo hatte wusste Axilla, aber ihr wäre neu, dass er auch den notwendigen Grundbesitz vorweisen konnte. “Ansonsten sollte dein Patron sich da dringend darum kümmern, denn cih glaube, du wärst auch ein sehr geeigneter Eques.“

    Ein Lächeln war das erste, was sie erhielt, ehe sie eine Antwort bekam. Und selbige offenbarten auch den Grund für das Amusement, denn Axilla hatte nicht nur die einzig halbwegs vertrauenswürdig aussehende Person im Umkreis von 5 Straßen gefunden, sondern auch die einzige, die sich hier genauso wenig auskannte wie sie. Nunja... vielleicht nicht die allereinzige, Axilla weigerte sich, daran zu glauben, dass sie als einziges irgendwohin ging, ohne genau zu wissen, wo das war. Dann nämlich hätten unweigerlich all jene Kopfschüttler recht, die sie in die Sänfte zwingen wollten und nicht wollten, dass sie zu Fuß ging, erst recht nicht in solche Gegenden. Und da diese einfach Unrecht haben mussten, folgte anhand der reversen Beweisführung, dass es noch mehr Leute hier geben musste außer ihnen beiden, die hier in die Subura gekommen waren, ohne zu wissen, wo sie lang mussten.
    Änderte aber alles nichts an der Tatsache, dass der Sklave vor ihr sich auch nicht auszukennen schien. Axilla versuchte die Bulla zu lesen, als sie so vor ihm stand, aber es klappte nicht so ganz. Von dem ganzen Gewirr der Leute war sie abgelenkt und andauernd drehte sie den Kopf doch leicht nach einer verdächtigen Bewegung, sah hinüber zu einem vorbeieilenden Mann, einer vorbeihuschenden Frau, und über all das Gewirr hinweg versuchte sie dem Sklaven mit seinem unbeholfenen Latein auch zu folgen.
    “Oh, du meinst verlaufen, half sie freundlich nach, als dem Mann ein Wort fehlte. Ja, verlaufen hatte sie sich auch irgendwie. Sie konnte sich so ganz und gar nicht vorstellen, dass sie hier richtig sein sollte.
    Doch dann kam doch eine Bestätigung, dass sie so verkehrt nicht sein konnte. Es gab eigentlich nur einen Gott mit geflügeltem Helm – zumindest soweit Axilla das wusste. Kamen immer wieder ein paar Kulte doch hinzu und fremdländische Gottheiten – und das war Mercur. Oder eben Hermes, wie der Sklave ihn nannte. Axilla war lang genug in Ägypten gewesen, um sich absolut gar nichts bei den griechischen Namen der Götter mehr zu denken, die waren ihr so vertraut wie die in ihrer eigenen Sprache, selbst wenn sie die Interpretatio Romana nicht von Kindesbeinen an einigermaßen beigebracht bekommen hätte. Sofern sie nicht lieber ihren Lehrern ausgebüchst war, hieß das.
    Axilla strahlte also ihr Gegenüber an und nickte beinahe übereifrig mit dem Kopf beim Namen Hermes, bekam vor lauter Überschwang den Rest nur mehr rudimentär mit und erklärte sich daher auch großzügig mit allem einverstanden. “Ja, natürlich, ich kann dich da hinbringen, wenn ich bei Kephalos war, ist kein Problem.“ Dass wohl auch die Richtung gereicht hätte, war untergegangen. “Dann zeigst du am besten die Richtung, und Malachi und ich folgen dir. Wenn es wirklich nicht so weit ist, sollte es ja schnell gehen. Ich bin übrigens Iunia Ax...aaaah“


    Ein Mann rempelte sie an. Nun, nicht direkt, er war im Begriff, das zu tun, als sich auch schon Malachi zwischen sie und ihn schob und seine Herrin so ein wenig beiseite drückte, so dass sie kurzerhand gegen Luca gestoßen wurde und sich kurz und mit erschrockenen Augen an ihm festhielt. Bedrohlich wie ein Schatten ragte ihr Custos Corporis über dem Mann auf und beobachtete jeder seiner Bewegungen. Axilla, die erschreckt hinschaute, um zu verstehen, was geschehen war – und überdies vergaß, Luca wieder loszulassen und auf respektvollen und angemessenen Abstand zu gehen – sah den feinen Hauch von Anspannung auf den Muskeln unter der Haut. Erst danach, als der Mann sich nach dem Dolch bückte, verstand sie, was geschehen sein musste.
    Ein Dolch! Gut, jeder Zweite in Rom missachtete das Verbot, innerhalb des Pomeriums keine Waffen tragen zu dürfen, Axilla selbst hatte ja ebenfalls das Schwert ihres Vater in ihrem Cubiculum, was streng gesehen eine Waffe wäre. Und hier in der Subura galt das besonders. Dennoch wurde sie beim Anblick der Klinge mit einem Mal kreideweiß, als ungewollt Bilder in ihr aufkamen. Eine Situation, dieser nicht unähnlich, Menschen um sie herum, das Aufblitzen eines Messers, die Enge, der Gestank, der Schrei, der ihre Kehle verließ, ohne dass es sich wie ihre Stimme anhörte. Und Leanders Augen, so starr und so bar des Lichts, das sonst darin leuchtete. Einen Moment lang war Axilla sich nicht sicher, ob sie sich auf den Beinen halten konnte, und ihr war unendlich schlecht, so dass sie kurz nach Atem rang, bemüht, ihre Fassung zu bewahren und sich die Angst, die sie sonst nicht kannte und die mit so krallenbewehrten Händen in ihr Herz bohrte, nicht zuzulassen.
    Malachi hingegen war weniger überrascht und auch nicht annähernd ängstlich. Der Gladiator war ausgebildet und wusste um seine Kenntnisse. Und so hatte er nur ein Wort für den vermeintlichen Angreifer übrig. “Verschwinde.“


    Sim-Off:

    Entschuldige bitte die Reaktion, aber das ist die Subura und du bewaffnet und nicht unbedingt „nicht feindselig“ und vertrauenserweckend, da wär jede andere Reaktion unlogisch.

    *Mit Feuer verbrannt zu werden, gefesselt zu werden, geschlagen zu werden und durch Eisen zu sterben


    Die Frau war alt und wirkte irgendwie eingefallen, aber ihre Hände waren ruhig. Sie hatte schwarze Fingernägel von der vielen Tinte, und schwarze Augen. Man sagte von ihr, sie war eine Maga, eine Zauberin, die in ihre Tätowierungen geheime Zauber einwob, die einen stärker machten, den Gegner schlechter treffen ließen, dafür sorgen, dass das Publikum einem mehr zujubelte. Dennoch blieb sie eine Zauberin mit ihren vielen Amuletten um den Hals und den altersfleckigen Händen und dem zahnlosen Mund.
    Und sie wartete auf Shayan, hieß ihn, sich hinzusetzen auf einen mitgebrachten Klotz und seine Arme auf einen höheren direkt vor sich zu legen, so dass sie arbeiten konnte. Und nicht zu zucken! Es würde weh tun.


    Ob es wirklich Zauber waren oder nicht, war Spurius Iuventius Murcus gleichgültig, so wie ihm das Leben seiner Gladiatoren im Grunde gleichgültig war. Er interessierte sich nur für seine Bücher und die Zahlen darin, und solange die am Ende jeden Monats stimmten und sein Haus Gewinne erwirtschaftete, das Volk Roms befriedigt wurde und niemand ihn wegen seiner Arbeit tadelte, war es ihm genug. Er verdiente hier seinen Lebensunterhalt – und das mit recht großzügigem Salär – und die Männer unten in der Arena waren für ihn nicht mehr als für einen Krämer seine Waren.
    Und die Tätowierungen, die jeder Gladiator erhielt, waren nicht viel mehr als die Wachssiegel, die Händler an ihre Amphoren anbrachten. Nur dass man diese Zeichnungen weniger leicht entfernen und zerstören konnte. Doch Gladiatoren waren gefährlich. Sie waren die niedrigsten der niedrigen, von allen Sklaven die erbärmlichsten. Sie verkauften ihr Fleisch an eine schaulustige Menge, freiwillig oder nicht mal dahingestellt, und waren damit nicht besser als die Lupae im Venustempel. Selbst wenn sie freigelassen wurden, so hell ihr Stern auch strahlte, sie waren immer infam. Und dennoch gab es keinen größeren Ruhm und keine größere Popularität im Reich für einen einzelnen Mann zu erlangen als die im Sand. Tausende jubelten einem einfachen Mann zu, egal wo und von wem er geboren war, unabhängig von Stand und Ansehen seiner Familie. Eine zweischneidige Einstellung, gewiss, aber eine verbreitete.
    Und darüber hinaus waren sie gut ausgebildet. Ein Gladiator wusste, wie man tötete, mit allen möglichen Waffen. Es hatte bereits einmal einen schändlichen Verrat eines Gladiators gegeben, der sich zu einem aufrührerischen Aufstand ausgewachsen hatte und Rom viele Soldaten und noch mehr Sesterzen gekostet hatte. Man konnte nicht riskieren, dass einer von ihnen floh und abtauchte. So ein Mann wusste, dass sein Leben verwirkt war, wenn man ihn aufgriff. Was also sollte ihn davon abhalten, niedrig wie er war, auch die schlimmsten Gräueltaten zu vollbringen?
    Und so zeichnete man ihn, an Armen oder Beinen, seltener im Gesicht, machte ihn einmalig und leicht erkennbar. Und selbst, wenn die Menschen, die ihm begegneten, nicht wussten, wer er war, so würden sie sich erinnern an einen Mann mit auffälligen Zeichnungen auf der Haut. Es gab kein Entkommen für einen Gladiator.


    Und so war auch die alte Frau da, wartete mit ihren Schälchen mit schwarzer Tinte und der spitzen Nadel aus Bein; bereit, Shayan zu zeichnen, während die anderen Gladiatoren nun in der sommerlichen Abendsonne dasaßen und zusahen.

    “Ihr seid nicht hier, um zu meinen, sondern um zu wissen“, maulte der Doctor erst einmal los. “Im übrigen ist es teilweise richtig. Ein Gladius ist schwerer, massiver, zum durchstechen des Gegners mitsamt seiner Rüstung. Eine Präzisionswaffe.
    Ihr habt Siccae, die sind leichter und gebogen, und gut zum Schlagen geeignet. Und das ist auch gut so. Wer schaut schon gern einem Gladiator zu, der sich nur hinter seinem Schild versteckt und ab und an den Arm mal vorreckt, häh?“

    Dass die ganzen Gladiatorenarten, die mit einem Gladius kämpften, das auch nicht so praktizierten, sondern ihrem Publikum durchaus etwas bieten konnten, das ließ die Herzlichkeit in Person unerwähnt.
    “Deshalb lernt ihr auch nicht nur Stiche, sondern vor allem Hiebe und Schwünge. Nicht nur, weil die hübsch aussehen, sondern weil ihr mit der langen Schneide so auch Schaden anrichtet, wenn ihr euren Gegner trefft.
    Allerdings ist die geschwungene Sica* keine reine Hiebwaffe. Wir reden hier immernoch von einer zweischneidigen Waffe mit einer genauen Spitze. Sie ist kein Knüppel, mit dem man auf den Gegner einprügelt. Sie kann sehr wohl genaue Stiche vollbringen, ganz wie das Gladius auch.
    Die geknickte Variante* hingegen eignet sich wirklich kaum mehr als Stichwaffe, und wird fast ausschließlich im Schlagen verwendet.
    So, und nun ab zum Essen mit euch.“


    Sim-Off:

    *So ziemlich jedes gekrümmte Schwert wird vom Römer Sica genannt (was übrigens als unehrenhafte Waffe galt und besonders schwer bestraft wurde :D ), auch die Schwerter der Piraten :D
    Bei den Gladiatoren fanden sich da 2 verschiedene Schwertarten für den Thraker (hat sich wohl so nach und nach entwickelt), einmal sehr säbelartig, aber dennoch mit rhombischen (also rautenförmig) Querschnitt und 2 Schneiden wie hier bei diesem Dimachaerus: http://storage0.dms.mpinteract…ock-5042026.jpg?width=600
    Und einmal wirklich wie ein geknicktes Gladius, was häufiger auf Mosaiken zu finden ist (wohl auch wegen leichterer Darstellbarkeit) und wohl so ausgesehen hat: http://www.gsr-roma.com/gladia…0da%20Gladiatore-Sica.jpg



    LUDUS DACICUS

    “Ja, kann ich machen. Ich werd sowieso ein paar meiner Sklaven mitnehmen. In jedem Fall Levi und Malachi. Also, Levi ist mein Leibsklave und Malachi mein Custos Corporis“, begann Axilla einfach drauflos zu erzählen. Die beiden mitzunehmen sollte ja nun wirklich kein Problem darstellen, da es ja absolut üblich war, dass Eheleute getrennte Vermögen hatten. Und kein Mensch konnte von Axilla verlangen, dass sie auf ihre persönlichen Vertrauten verzichten sollte, das wäre absolut absurd.
    Ob sie Lysandra allerdings mitnehmen würde, wusste sie noch nicht. Zum einen war das ja eine Sklavin, die hier eigentlich in die Casa gehörte, und zum anderen wusste Axilla ja auch nicht, was sie alles brauchen würde. Sicher würde Imperiosus auch genügend eigene Sklaven haben, gerade für die Küche oder das Balneum würde schon gesorgt sein. Und eine Ornatrix gab es dort sicher auch. Von allem anderen brauchte Axilla ja nichts.
    “Ich würde dich dann sowieso noch vor der Hochzeit besuchen kommen, um mich einmal in der Casa umzusehen, wenn du erlaubst. Und ich muss mein Cubiculum dann ja einrichten, nicht?“ Nicht dass Axilla viel einzurichten hätte. Bett, Kleidertruhe, Tisch, Stuhl und das passte schon. Auf irgendwelchen schnörkeligen Krimskrams legte sie keinen Wert. Der ging früher oder später ohnehin nur in ihrer Unordnung unter.


    Davon, dass Imperiosus vielleicht nicht mehr so aufnahmefähig war, merkte sie nichts. Allerdings hätte er auch schon laut lallend singen müssen, dass sie es über ihr eigenes Gefühlschaos hinweg bemerkt hätte.

    Wie üblich ging Axilla zu Fuß, sehr zum Leidwesen aller anderen Beteiligten. Als Dame von Stand sollte sie sich eigentlich in einer Sänfte dahin tragen lassen, wohin sie wollte. Das würde es auch sehr erleichtern, sie zu beschützen, wie beispielsweise Araros, ihr Ianitor, ihr zum wiederholten Male gesagt hatte. Außerdem würden dann ihre Kleider nicht so schmutzig, und es müsste nicht so oft ein Saum genäht werden, oder ein Stoff dunkler gefärbt werden, da sich am unteren Rand ein nicht mehr auswaschbarer Schmutzfilm gebildet hatte. Und es würde auch ihre Schuhe schonen, so dass sie nicht gleich zwei paar Caligae brauchte. Überhaupt versuchte ihre neue Ornatrix sie davon zu überzeugen, dass eine Dame in diesen Männerschuhen eigentlich nichts zu suchen hatte. Das machte sie vornehmlich im Balneum, wenn sie Axillas Haare gerade bürstete, während eine andere Sklavin sich um ihre Füße kümmerte und alles, was nach Hornhaut aussah, wegraspelte und Axillas Fußnägel fein säuberlich zurückfeilte.
    Aber: Axilla hörte nicht auf sie. Auf keinen von ihnen. Sie musste einfach zu Fuß gehen, wenn sie schon nicht so laufen, rennen, klettern konnte wie sie wollte. Weil es sich nicht schickte. Und sie konnte auch nicht jeden Tag so lange in der Palästra der Thermen verbringen, bis sie all ihre Kraft losgeworden war. Abgesehen davon, dass die auch nicht jeden Tag für Frauen geöffnet waren. Und dass sie dort dennoch nicht all das machen konnte, was sie wollte, denn die älteren Matronen hatten durchaus auch mal ein kritisches Auge auf junge Mädchen, die Stunden damit verbrachten, die Laufbahnen entlang zu fegen. Und so blieb ihr ja nicht viel anderes, als dieses kleine bisschen Freiheit für sich zu erobern, ihre Schuhe und ihre Kleider zu ruinieren und es ihren Bewachern schwerer zu machen, indem sie einfach zu Fuß ging und sich nicht faul und damenhaft in der Sänfte durch die Gegend tragen zu lassen.


    Heute musste sie in die Subura. Axilla hatte diese Gegend gemieden, so gut sie konnte, so lange sie konnte, und auch jetzt näherte sie sich nicht dem tiefsten Klüngel des Straßengewirrs. Sie war nicht lebensmüde. Und noch immer hatte sie zu viele Erinnerungen an Leander und den Überfall in sich, als dass sie es gern tun würde. Aber sie hatte dringend, wirklich dringend mit Kephalos sprechen müssen über die Aufstockung der Betriebsräumlichkeiten, und dieser war nunmal heute nur dort zu finden gewesen.
    Und sie hatte ja Malachi dabei. Der große Gladiator war wie ein steter Schatten bei ihr, hielt jeden, der ihr unheimlich war, auf Abstand, machte sie zu einem schwer überfallbaren Ziel. Zwar nicht unmöglich, doch warum sollte sich ein Dieb mit einem Mann anlegen, der seine Kraft ruhig zur Schau trug, wenn es hier so viele Existenzen gab, die niemanden hatten, der sie beschützte? Und so redete Axilla sich ein, sie wäre sicher, während sie die Straßen entlanglief und versuchte, sich zu orientieren.
    In der Nähe eines Schreins für Merkur sollte sie nach rechts abbiegen, hatte man ihr gesagt. Wenn sie beim Augustusforum wäre, wäre sie zu weit. Nun war nur das Problem, dass Axilla weit und breit nichts aussah, was auch nur annähernd wie ein Schrein für Merkur aussah. Nirgends auch nur eine einfache Herme oder irgendwas. Und sie war schon beinahe beim Augustusforum!
    Hilfesuchend sah sie zu Malachi, der aber auch keine Antwort wusste und nur kurz die Schultern zuckte. Er war zwar schon weit länger als sie in Rom, hatte aber auch nicht so viel davon gesehen. Und in der Subura brannte es so oft, dass andauernd neue Häuser entstanden, die die alten ersetzten, neue Straßen und neue Orientierungspunkte, so dass es auch nicht viel genützt hätte, wenn er sich hier ein wenig ausgekannt hatte.


    Axilla sah sich um, ob sie jemanden fand, der ihr helfen würde. Problem war nur, dass sie den meisten Menschen hier nicht traute. Bettler saßen auf der Straße und hielten ihre schalen jedem vorbeikommenden entgegen. Frauen boten noch blutiges Fleisch an ihren kleinen Ständen feil, und Axilla wollte nicht wissen, von welchem Tier sie stammen mochten. Vermutlich waren auch Hunde und Katzen auf diesen Tischen zu finden. Und dazwischen spielten magere Kinder fangen. Natürlich gab es auch hier unten bessere Straßen und schlechtere Straßen, aber was für eine diese hier war, darüber war sich Axilla noch nicht ganz sicher.
    Am Rand der Straße stand ein Sklave in besserer Kleidung, gut erkennbar an seiner Bulla. Axilla hatte jetzt keine Ahnung, wem er gehören mochte, aber dass er keinem der Gestalten hier gehörte, das war wohl klar. Und damit war er jemand, dem man prinzipiell vertrauen konnte, dass er einen nicht in eine dunkle Gasse schickte, um dort abgestochen zu werden.
    “Salve. Hast du hier zufällig irgendwo einen Schrein für Merkur gesehen? Ich suche das Wohnhaus des Kephalos und muss ihm dringend sagen, dass er in ehrbarere Viertel umziehen soll. Und man sagte mir, es sei gleich hinter diesem Schrein, nur find ich ihn nicht.“ Axilla plapperte einfach drauf los. Schlimmer als jetzt konnte es ja auch nicht mehr werden.

    Was machte sie hier eigentlich?


    Als in der Acta bekannt wurde, dass es eine Verhandlung eines Homo Novus gegen einen Sohn aus patrizischem Hause geben würde, hatte man natürlich entschieden, dass man sich das Ganze zumindest an schauen musste. So etwas geschah ja nicht alle Tage, gerade die Flavier waren ja doch recht selten dergestalt im Gespräch, galten sie doch als wahre Vorzeigepatrizier ansonsten. (Zumindest für die meisten, hatte Axillas Faust nach der Bekanntschaft mit Pisos Wange da doch eine etwas abweichende Meinung.) Doch was genau Axilla dazu getrieben hatte, sich zu melden, nachdem sie den Namen des Klägers gelesen hatte, das wussten wohl nur die Götter.
    Vala wollte sie nicht mehr sehen, das hatte er sehr deutlich gemacht. Er hatte gewollt, dass sie ging, und die ganze Zeit seines Tribunats davor und auch die ganze Zeit nun nach dieser Begegnung hatte sie nicht auch nur einen Piep von ihm gehört. Auch wenn seine Worte bei dieser Begegnung Axilla teilweise doch mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen hatten, es war nur allzu offensichtlich, dass er sie am liebsten gar nicht kennen würde, und sie sich von ihm besser fernhalten sollte.
    Flaccus dagegen war nicht so direkt vorgegangen. Er hatte seine Abneigung gegen Axilla eher darin ausgedrückt, dass er ihr aus dem Weg ging und sie nicht mehr sehen wollte. Sie hatte ihn ja noch eingeladen zu den Lupercalien – oder er sie, oder sie sich gegenseitig – aber nachdem sie ihm das mit Piso gebeichtet hatte, hatte er ihr einfach nur eine kurze Nachricht zukommen lassen, er müsse das überdenken. Und offenbar dachte er da ziemlich lange nach. So lange, dass Axilla nun seit Monaten nichts mehr von ihm gehört hatte. Und das wiederum war ein untrügliches Zeichen, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.


    Was also machte sie genau hier? Warum hatte sie sich gemeldet, um sich das anzuschauen? Es war absolut unlogisch, dass sie sich gerade hierfür gemeldet hatte, noch dazu, wo sie Gerichtsverhandlungen nicht wirklich interessierten. Schon bei der letzten, bei der es um Decimus Livianus gegangen war, hatte sie nicht wirklich alles verstanden, was sich abgespielt hatte. Was also erhoffte sie sich hierbei?


    Axilla wusste es nicht, und als sie sich schließlich setzte, hatte sie ein mehr als flaues Gefühl in der Magengegend. Die bemerken mich sicher nicht. Kein Grund nervös zu sein, redete sie sich selbst ein. Und kurz darauf folgte ein erkennend-erschrockenes Ich bin auch gar nicht nervös!, als müsse sie sich selbst überzeugen.
    Vala war bereits da und stand am Platz des Anklägers. Axilla sah zu ihm hin und ein Gefühl der Wehmut machte sich in ihr breit. Schnell konzentrierte sie sich auf die anderen im Raum, den Consular Purgitius, den sie zum Ende seiner Amtszeit für die Acta interviewt hatte. Ob der sich noch an sie erinnerte? Nun, vermutlich nicht. Und Flaccus war auch da, sah aber auch zum Glück nicht zu ihr herüber. Auch er sah sehr stattlich aus, wie es sich für einen Gerichtstermin auch schickte. Nur fühlte sich Axilla angesichts der vielen weißen Togen im Raum geradezu grotesk bunt in ihrem zartgrünen Kleid und dem Silberschmuck mit den Peridoten im Haar.
    Als Flaccus sich dann in Richtung Zuschauerraum drehte, blickte sie schnell beiseite und erblickte noch einen alten Bekannten. Es war eine ganze Weile her, seit sie mit diesem Flavier im Park in der Frühjahrssonne gesessen hatte, dennoch errötete Axilla ganz leicht bei der Erinnerung, als sie dessen nur ein paar Sitzplätze von ihr entfernt gewahr wurde. Er sprach mit einem Jungen, der sein Sohn oder Neffe sein mochte, vielleicht sogar sein Enkel. Axilla hatte keine Ahnung, wie alt der Pontifex war, und war auch schlecht im Einschätzen des Alters des Jungen.


    Noch einmal fragte sich Axilla, was sie hier machte, und beschränkte sich darauf, auf ihre mitgebrachte Wachstafel zu schauen und sich zu bemühen, doch irgendwie unsichtbar zu sein. Es war eine Schnapsidee gewesen, aber was sollte sie jetzt auch anderes machen ? Aufstehen und wieder gehen? Dann würde sie bestimmt bemerkt werden. Nein, sie saß lieber ruhig da und sah sich an, was hier geschah.

    Auch mit der Verletzung wusste Flamma sich eindeutig zu wehren. Er war kein Anfänger und schon öfter verletzt worden, aber je länger der Kampf andauerte, umso mehr fühlte er das Brennen und Ziehen der aufgerissenen stelle, fühlte die Wunde und auch den leichten Blutverlust, der zum Glück durch seine Masse eingedämmt war. Und so gesellten sich zu seinen Wunden bald noch ein paar weitere dazu, am Arm, am Bein, wenn er zu langsam wurde für die flinken Schwerter seines Gegenübers. Zwar landete auch er seine Treffer, doch waren die nicht mehr als Kratzer auf der Haut seines Gegenübers. Dennoch wenigstens ein klein wenig Genugtuung, dass er den flinken Burschen auch mal erwischt hatte, wenn auch nicht so sehr, wie dieser ihn.
    Dennoch war es nur eine frage der Zeit, bis ihn die Kräfte verließen. Oh, er lieferte noch eine gute Show für die Zuschauer, brachte seine Fans, seine amatores dazu, ihm laut zuzujubeln, seinen Namen zu rufen, mit jedem Streich mitzugehen, aber dennoch war das Ende absehbar. Und schließlich machte er sich mit einem letzten Schildstoß von seinem Angreifer frei und ließ seine Waffe fallen und sein Schild, sank auf ein Knie und hob seinen Arm Shayan entgegen. Sofort war auch einer der Schiedsrichter dabei in seiner weißen Tunika und hielt Shayans rechten Arm fest. Nicht erst einmal war es passiert, dass ein siegender Gladiator nicht das Votum des Ausrichters abwartete und im Eifer des Gefechtes seinen Kontrahenten einfach nieder machte. Eine Katastrophe, musste der Ausrichter dann doch den Gladiator ersetzen, was mitunter sehr teuer war. Außerdem liebte das Publikum das Bild, dass der Gladiator, diese persona infamia, ihre barbarische Seite zeigte. Und auf der anderen Seite diese gleichzeitige Ambivalenz, die beim Mut des Unterlegenen auftrat, wie dieser sich ergab, ruhig, geradezu stoisch, auf den Schiedsspruch wartete. Nicht jammernd, nicht zaudernd, nicht stöhnend. Er nahm sein Schicksal mit ruhiger Gelassenheit an. Wenn der Niedrigste der Niedrigen zu solchem Heroismus fähig war, wieviel mehr mochte dann ein wahrer Römer schaffen?


    Und so dauerte es ein paar Sekunden der Stille, ehe die Rufe laut wurden. "FLAMMA!“ riefen sie, intoniert von den treuen Anhängern des geschlagenen Gladiators, der zwar nur hier in den Straßen zu einer beschaulichen Berühmtheit gelangt war, dafür aber umso treuere Fans hatte. Und so dauerte es nicht lang, bis die wenigen die anderen Leute um sie herum durch ihre Stimmung und ihr rhythmisches Rufen für sich gewonnen hatten und die kleine Holzarena vom Namen des Geschlagenen widerhallte. Und Decrius Pandus war nur zu gewillt, seinen eigenen Gladiator zu entlassen, so dass er laut vernehmbar die “Missio!“ verkündete.


    Ruhig erhob sich Flamme. Sein halber Bauch war rot, auch wenn es eigentlich nur ein Schnitt war, der nicht einmal sonderlich blutete. Aber es sah aus, als wäre er halb geschlachtet worden. Aber er wankte nicht, als er ging, an Shayan vorbei und zu dem Eingang, von dem er gekommen war. Im Vorbeigehen raunte er dem Parther noch etwas zu, das sich ein wenig nach 'nicht schlecht für 'nen Anfänger' anhörte.


    Der Doctor wartete schon, winkte Shayan zu sich, dass er wieder zurück zum Käfig kommen mochte, damit sie ihm die Rüstung ausziehen konnten. Neben ihm stand der Nubier, dessen weißes Lächeln aus seiner schwarzen Gestalt heraus blitzte wie die Zähne einer Raubkatze. Kurz nickte er Shayan zu, und als er nah genug war, meinte er ganz lapidar: “Vielleicht wirst du doch noch mein Bruder.“