Wie üblich ging Axilla zu Fuß, sehr zum Leidwesen aller anderen Beteiligten. Als Dame von Stand sollte sie sich eigentlich in einer Sänfte dahin tragen lassen, wohin sie wollte. Das würde es auch sehr erleichtern, sie zu beschützen, wie beispielsweise Araros, ihr Ianitor, ihr zum wiederholten Male gesagt hatte. Außerdem würden dann ihre Kleider nicht so schmutzig, und es müsste nicht so oft ein Saum genäht werden, oder ein Stoff dunkler gefärbt werden, da sich am unteren Rand ein nicht mehr auswaschbarer Schmutzfilm gebildet hatte. Und es würde auch ihre Schuhe schonen, so dass sie nicht gleich zwei paar Caligae brauchte. Überhaupt versuchte ihre neue Ornatrix sie davon zu überzeugen, dass eine Dame in diesen Männerschuhen eigentlich nichts zu suchen hatte. Das machte sie vornehmlich im Balneum, wenn sie Axillas Haare gerade bürstete, während eine andere Sklavin sich um ihre Füße kümmerte und alles, was nach Hornhaut aussah, wegraspelte und Axillas Fußnägel fein säuberlich zurückfeilte.
Aber: Axilla hörte nicht auf sie. Auf keinen von ihnen. Sie musste einfach zu Fuß gehen, wenn sie schon nicht so laufen, rennen, klettern konnte wie sie wollte. Weil es sich nicht schickte. Und sie konnte auch nicht jeden Tag so lange in der Palästra der Thermen verbringen, bis sie all ihre Kraft losgeworden war. Abgesehen davon, dass die auch nicht jeden Tag für Frauen geöffnet waren. Und dass sie dort dennoch nicht all das machen konnte, was sie wollte, denn die älteren Matronen hatten durchaus auch mal ein kritisches Auge auf junge Mädchen, die Stunden damit verbrachten, die Laufbahnen entlang zu fegen. Und so blieb ihr ja nicht viel anderes, als dieses kleine bisschen Freiheit für sich zu erobern, ihre Schuhe und ihre Kleider zu ruinieren und es ihren Bewachern schwerer zu machen, indem sie einfach zu Fuß ging und sich nicht faul und damenhaft in der Sänfte durch die Gegend tragen zu lassen.
Heute musste sie in die Subura. Axilla hatte diese Gegend gemieden, so gut sie konnte, so lange sie konnte, und auch jetzt näherte sie sich nicht dem tiefsten Klüngel des Straßengewirrs. Sie war nicht lebensmüde. Und noch immer hatte sie zu viele Erinnerungen an Leander und den Überfall in sich, als dass sie es gern tun würde. Aber sie hatte dringend, wirklich dringend mit Kephalos sprechen müssen über die Aufstockung der Betriebsräumlichkeiten, und dieser war nunmal heute nur dort zu finden gewesen.
Und sie hatte ja Malachi dabei. Der große Gladiator war wie ein steter Schatten bei ihr, hielt jeden, der ihr unheimlich war, auf Abstand, machte sie zu einem schwer überfallbaren Ziel. Zwar nicht unmöglich, doch warum sollte sich ein Dieb mit einem Mann anlegen, der seine Kraft ruhig zur Schau trug, wenn es hier so viele Existenzen gab, die niemanden hatten, der sie beschützte? Und so redete Axilla sich ein, sie wäre sicher, während sie die Straßen entlanglief und versuchte, sich zu orientieren.
In der Nähe eines Schreins für Merkur sollte sie nach rechts abbiegen, hatte man ihr gesagt. Wenn sie beim Augustusforum wäre, wäre sie zu weit. Nun war nur das Problem, dass Axilla weit und breit nichts aussah, was auch nur annähernd wie ein Schrein für Merkur aussah. Nirgends auch nur eine einfache Herme oder irgendwas. Und sie war schon beinahe beim Augustusforum!
Hilfesuchend sah sie zu Malachi, der aber auch keine Antwort wusste und nur kurz die Schultern zuckte. Er war zwar schon weit länger als sie in Rom, hatte aber auch nicht so viel davon gesehen. Und in der Subura brannte es so oft, dass andauernd neue Häuser entstanden, die die alten ersetzten, neue Straßen und neue Orientierungspunkte, so dass es auch nicht viel genützt hätte, wenn er sich hier ein wenig ausgekannt hatte.
Axilla sah sich um, ob sie jemanden fand, der ihr helfen würde. Problem war nur, dass sie den meisten Menschen hier nicht traute. Bettler saßen auf der Straße und hielten ihre schalen jedem vorbeikommenden entgegen. Frauen boten noch blutiges Fleisch an ihren kleinen Ständen feil, und Axilla wollte nicht wissen, von welchem Tier sie stammen mochten. Vermutlich waren auch Hunde und Katzen auf diesen Tischen zu finden. Und dazwischen spielten magere Kinder fangen. Natürlich gab es auch hier unten bessere Straßen und schlechtere Straßen, aber was für eine diese hier war, darüber war sich Axilla noch nicht ganz sicher.
Am Rand der Straße stand ein Sklave in besserer Kleidung, gut erkennbar an seiner Bulla. Axilla hatte jetzt keine Ahnung, wem er gehören mochte, aber dass er keinem der Gestalten hier gehörte, das war wohl klar. Und damit war er jemand, dem man prinzipiell vertrauen konnte, dass er einen nicht in eine dunkle Gasse schickte, um dort abgestochen zu werden.
“Salve. Hast du hier zufällig irgendwo einen Schrein für Merkur gesehen? Ich suche das Wohnhaus des Kephalos und muss ihm dringend sagen, dass er in ehrbarere Viertel umziehen soll. Und man sagte mir, es sei gleich hinter diesem Schrein, nur find ich ihn nicht.“ Axilla plapperte einfach drauf los. Schlimmer als jetzt konnte es ja auch nicht mehr werden.