Beiträge von Iunia Axilla

    Wie eine plötzliche Regenwolke schon sich ein Schatten über ihre beiden Gestalten, und Axilla sah den Begleiter des Senators kurz flüchtig gegen die blitzende Sonne an, ehe sie ihre Betrachtung wieder dem Garten widmete. Das war er, der Punkt, an dem der Traum nun gänzlich wieder verblasste und die Wirklichkeit so unbekümmert von den Hoffnungen und Gedanken der darin lebenden Wesen ihren Platz zurückeroberte und über Axilla hereinbrach wie ein plötzlicher Regenschauer. Der Flavier erhob sich und entschuldigte sich, dass er nun wieder weiter musste. Es war nicht wirklich eine Flucht von ihm, und es war ohnehin erstaunlich, dass er nicht schon eher geflohen war, bedachte man ihr Betragen. Aber nein, er ging ganz gemächlich und mit aufrechtem Bedauern.
    Axilla wünschte, sie hätte die passende Worte zum Abschied, eine leere Floskel der Wirklichkeit, die von Anstand und Erziehung kündete und dem ganzen Gespräch, gleich wessen Inhalts es gewesen sein mochte, einen positiven Nachklang gab, den Schein von Leichtigkeit und Frohsinn. Doch kannte sie solche Worte nicht und verlief sich in einem gestammelten “Vale, Flavius“, unfähig, ihrer eigenen Beklommenheit zu entkommen, wie sie es noch vor einigen Momenten völlig ungeachtet der Konsequenzen getan hatte.


    Und dann, gerade als Axilla sich damit abfinden wollte, dass der Moment vergangen und der Zauber verflogen, das alles nur eine vage Erinnerung sein würde, bei der sie nicht wusste, ob sie sich dessen schämen oder diesen Augenblick mit Sehnsucht rekapitulieren wollte, just da drehte sich der Flavier noch einmal um, erhob noch einmal das Wort, und am liebsten wäre Axilla ihm noch einmal um den Hals gefallen. Einfach so. Einfach, weil ihr ohnehin die passenden Worte fehlten, um das auszudrücken, was sie ihn gerne hätte wissen lassen.
    “Du hast mich um nichts gebracht, Flavius. Vielleicht habe ich nicht das bekommen, was ich beim Eintreten in diesen Garten gesucht habe, aber ich fühle mich dennoch reicher, wenn ich ihn wieder verlasse. Dein Angebot ist sehr großzügig. Und ich danke dir aufrichtig dafür.“ Mit dem letzten Satz meinte sie nicht nur sein Angebot, sondern die gesamte Situation.
    Meistens gaben die Götter einem nicht das, was man wollte. Diese Lektion hatte Axilla sehr hart gelernt, als ihr Vater gestorben war. Noch einmal, als ihre Mutter gestorben war. Oder Urgulania. Leander. Als sie ihr Kind erst nicht verloren hatte, als sie es versucht hatte, und dann doch verloren hatte, als sie sich mit dem Gedanken, es zu bekommen, gerade angefreundet hatte. Als sie Pluto angefleht hatte, den Tod Urgulanias zu rächen und Terentius Cyprianus erst in Verzweiflung zu stürzen und dann zu töten. Nie hörten die Götter zu, sie machten sich nichts aus den Wünschen der Menschen und schon gar nichts aus denen einer junger Frau. Aber manchmal, in ganz seltenen Augenblicken, da bekam man zwar nicht das, was man wollte, aber das, was man brauchte. Und Axilla war sich durchaus bewusst, dass das hier ein solcher kleiner und kostbarer Moment war, wenngleich er wie die meisten solcher Momente mit Schmerz und Verlust einherging.


    Sie wartete noch, bis der Pontifex aus ihrem Blickfeld verschwunden war, ehe sie dann doch die Wachstafel aufnahm. Das Träumen war vorüber, die Wirklichkeit war hier und präsent, und sie sollte einfach versuchen, das beste daraus zu machen. Was diesen Artikel mit einschloss, der wie ein Damoklesschwert noch über ihr hing, bis sie ihn geschrieben hätte. Sie seufzte wieder, diesmal aber weniger resignierend, und nahm den Stylus zur Hand. Ein bisschen was musste ihr doch einfallen, was sie schreiben konnte. Und so schrieb sie.

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    “Et simul!“ Erschallte Kephalos Bass laut über das Stimmengewirr der Schaulustigen, und die Männer zogen an den Seilen. Wieder, wieder, wieder, immer auf sein Zeichen, zugleich, zugleich, zugleich. Stück für Stück hob sich der Baukran, mehr und mehr spannten sich die Seile durch die kurzerhand in den Boden gehämmerten Ringe, immer mehr ächzte die ganze Konstruktion. Aber Stück für Stück hob sich die Kranspitze, erst über den Straßenboden, dann über die Zuschauer, bis sie schließlich bis über das Dach des Tempels ragte. Und je höher sie stieg, umso leiser wurden die Leute, die zusahen, bis schließlich nur noch die tiefe Stimme des Architekten über den Platz scholl, der die Männer anwies, zu ziehen, ziehen, ziehen. Und schließlich war die richtige Höhe erreicht. Seine Gesellen verließen ihre Plätze an den Seilen, lasteten ihre Kraft den anderen zum Halten auf, und halfen dabei, die langen Holzzapfen am Fuß des Kran in die Erde des Seitenwegs zu schlagen, so dass dieser mit einem kräftigen Querholz zusammen arretiert wurde. Danach halten sie, die Seile zu vernieten und festzublomben an den Seilen, diese durch geschickte Knoten so festzumachen, dass das Gewicht des Krans dieselben zuzog, so dass sie sich nicht öffnen konnten, außer man wusste, wie, oder war ein Seemann.
    Aber der Kran stand, und war sicher. Es fehlte nur ein Rad an der Seite, mittels dem die Fracht leichter hinauf oder hinabgezogen werden konnte. Doch für ihre jetzige kleine Untersuchung war das kaum von Belang, da mussten keine zu großen Lasten gezogen werden. Das würde über die einfache Mechanik mittels Flaschenzug genügen. Sollten Arbeiten am Dach vonnöten sein und sie den Auftrag dazu erhalten, konnte man die Machina immernoch montieren und so die Bauarbeiten erleichtern.


    Der Flaschenzug war auch schnell montiert, mit fünf großen Bronzerollen, die das Gewicht auf das Seil verteilten und so die Lasten einfacher machten. Und auch ein Korb war am unteren Ende schnell angebracht, schön stabil. Dennoch war Kephalos hierbei mehr als gewillt, seinen Gehilfen und ihrem Urteil zu vertrauen, wenn dies hieß, dass er nicht selbst nach oben fahren musste, um das Dach in Augenschein zu nehmen. Oh, er hatte keine Angst vor der Höhe, aber ein Sturz aus derselben verlief meist letal. Und das wollte er doch vermeiden.
    Und so kletterten schließlich zwei seiner Gesellen in den Korb, der sonst Steine und ähnliches beförderte, und ließen sich nach oben fahren. An der Dachkante angekommen kletterten sie über den Rand, und begannen mit ihrer Arbeit. Zunächst einmal das Melden des Zustandes.
    “Kyrios! Es sind einige Dachplatten kaputt und gebrochen. Weiter hinten ist eine ziemlich große stelle, die nicht gut aussieht. Nikias ist schon dabei, ein paar Schindeln abzudecken, so dass wir uns das Gebälk anschauen können!“
    Kephalos stand unten und nickte. “Gut, macht das so“, rief er den beiden jungen Burschen zu. Und dann hieß es warten, warten, warten. Die Zeit verging, Kephalos tippte mit seinen Fingern im Rhythmus auf seinen Arm, besah sich den Stand der Sonne, besah sich die Stabilität des Krans, lief etwas auf und ab. Aber es kam nichts weiter. Natürlich wusste er, dass sowas Zeit brauchte, deshalb ließ er sich nicht dazu herab, einen weiteren seiner Burschen hoch zu schicken oder gar selbst sich hochfahren zu lassen. Dennoch war er sehr erleichtert, als zwei über und über mit Staub bedeckte Köpfe über den Rand des Tempeldaches nach unten schauten.
    “Kyrios! Da war tatsächlich eine undichte Stelle. Ich glaub, das war ein Blitz, ich bring eine Schindel mit runter. Die ist ein bisschen versengt. Und Wasser ist da unter das Dach eingedrungen. Die meisten Balken sind gut, aber die zwei direkt bei der Stelle sind von grünem Schimmel überzogen.“
    Kyrios verzog kurz den Mund. Schimmel war unangenehm. Er stank, staubte und machte die Leute krank. Das würden definitiv auch Tagelöhner machen dürfen. Und es war ein weiterer größerer Punkt auf seiner Liste, den er den Bauherrn erklären würde müssen.
    “Gut, deckt das Loch gut ab und kommt dann nach unten.“
    Wenn sie gebadet wären, würden sie ihm helfen dürfen, den Bericht zu schreiben. Und einen Kostenvoranschlag.

    Die Becher machten ein kleines, metallisches Geräusch, als sie aneinandergestoßen wurden, und das wars. Sie war verlobt. So einfach, mit so einer einfachen, kleinen Geste, die unpompöser nicht hätte sein können. Nur einmal kurz 'klack', und damit war es besiegelt.
    Ein verlegenes Lächeln schlich sich auf ihre Züge, als die Männer damit ihre Zukunft beschlossen hatten, und fast schon erleichtert sackte sie ein wenig in sich zusammen. Geschafft. Ganz einfach. Ein bisschen wunderte sie sich nur über sich selbst. Sie hatte gedacht, dass sie sich erleichterter fühlen würde, sich vielleicht sogar richtig freuen. Aber irgendwie ließ das leichte Gefühl auf sich warten. Da war einfach... nichts. Vielleicht, so sagte sie sich, war sie auch einfach zu verwundert im Moment, und das würde schon alles noch kommen. Sie konnte sich ja auch wirklich freuen, sie hatte alles erreicht, was sie wollte. So schnell wieder einen Mann zu finden war schon ein Glück.
    “Gut, dann... esst doch noch, ist noch genug da. Oh, und Lysandra sollte noch etwas vorspielen, wenn ihr mögt.“ Axilla sah sich nach der Sklavin um, die auch artig mit Lyra bewaffnet hereinkam und ein paar sanfte Klänge anschlug.
    Den Termin für die Hochzeit wollte sie mit Imperiosus lieber ein andermal besprechen, vielleicht dann auch gleich bei ihm. Sie hoffte nur, er würde nicht zu lange warten wollen.

    Dass Imperiosus nicht wirklich auf ihre Annäherungsversuche reagierte, irritierte Axilla doch ein wenig. Sie war es doch eher gewohnt gewesen, dass Männer doch recht eindeutig reagierten, sie ansahen – oder mit Blicken auszogen – über ihre Haut streichelten und diesen ganz bestimmten Blick bekamen. Diesen Hauch von Gewalt in ihren Augen, als ob sie sie packen wollten und einfach auf die nächste Kline drücken und dann eben tun, wonach sie begehrten, was Anstand und Moral aber nur gerade eben so verhinderten. Nur Imperiosus, der hatte diesen Blick nicht. Der schien noch sehr sachlich und gefasst. Und ein bisschen war Axilla verunsichert, ob sie denn alles richtig machte.
    Aber so oder so, das Ergebnis war im Grunde erreicht. Und das weitaus einfacher, als Axilla sich das hätte vorstellen mögen. “Wollen wir es dann feierlich besiegeln?“
    Axilla sah zu Seneca und zu Imperiosus hin. Eigentlich fehlte nur noch ihrer beider Wort, dass es so Zustimmung fand, und sie wären verlobt. Und dann ein Termin für die Hochzeit.

    Sim-Off:

    Nach allen Quellen, die ich bislang gelesen habe, kam dieser Gladiatorentyp erst so um 100 v. Chr. überhaupt auf (also gegen Ende der Republik), als Rom im Balkanraum eroberungstechnisch tätig war und daher in Thrakien viele Kriegsgefangene gemacht hat. Und bis zum Niedergang der Gladiatorenspiele im 3. Jhdt. (oder besser deren Ablösung durch die beliebteren Tierkämpfe und verschiedene Beschlüsse der Kaiser, die den Nachwuchs an Gladiatoren abschnitten) war die Paarung Thraex/Murmillo die beliebteste und häufigste.
    Wie der Schreiber des Gladiatoren-Artikels auf diese Einteilung gekommen ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich kenn allerdings die aufgeführte Quelle auch nicht



    Der Doctor nickte langsam und bedächtig. “Japp, japp, japp. Durch den Helm erkennt man euch auch auf den hinteren Rängen. Er hat ein geschlossenes Visier mit Sehlöchern, das eure Sicht einschränkt, und ein ordentliches Gewicht, weshalb ihr das Tragen trainiert, und einen hohen Kamm oder Federbusch. Ihr sollt damit wie griechische Barbaren aussehen.
    Dazu kommt eine parmula am Schildarm, eine manica am Schwertarm und ocreae an den Beinen. Ihr seid damit schwer gewappnet und gut geschützt. Nur eure Brust ist vollkommen nackt, weshalb ihr darauf achten müsst, sie zu schützen.“
    Einige weniger dekorative Narben auf der Brust des Doctors zeigten, dass er es einige Male nicht so geschafft hatte, wie er es seinen Schützlingen beizubringen versuchte.
    “Letzte Frage, bevor ihr trauriger Haufen zum Essen geht: Was ist der Unterschied zwischen der Sica und einem Gladius?“




    LUDUS DACICUS

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    “Zwei Sesterzen! Ich suche Träger und Helfer für zwei Sesterzen! Das sind zwei Laibe Brot für wenige Stunden Arbeit! Helft uns vier Stunden und ernährt eure Familie für zwei Tage!“


    Mit diesen und ähnlichen Worten suchten die Gesellen nach Tagelöhnern. Und sehr lange mussten sie da auch nicht suchen, den Rom war voll von gestrandeten Existenzen, die solch tiefen Schichten der Gesellschaft angehörten, dass kaum einer von ihnen sein dreißigstes Lebensjahr erreichte, sondern vorher an Hunger starb. Denn so nobel und strahlend die Bauten waren, die Rom für die ganze Welt schön erstrahlen ließen, so arm waren doch letztendlich die Menschen, die dazwischen lebten, arbeiteten und auch starben. Und diese waren auch noch so zahlreich, dass es für jegliche gefährliche Arbeit lohnenswerter war, einfach einen Tagelöhner anzuheuern, der erst NACH Verrichtung derselben bezahlt wurde, anstatt einen Sklaven zu nehmen, den man VORHER irgendwann gekauft hatte. Abgesehen davon, dass man für den Preis jedes noch so ärmlichen Sklaven ein Dutzend Tagelöhner mehrere Tage beschäftigen konnte.
    Und so sammelten sich viele Männer, deren Alter nicht immer eindeutig zu bestimmen war, um die Burschen, warben für sich, zeigten ihre Muskeln, gaben sich stark und zäh. Die traurige Wahrheit war, sie brauchten wohl diese Arbeit allesamt, und zur Familie mit Brot heimzukommen war mehr, als sie an den meisten Tagen zuwege brachten. Sofern sie auch dieses Mal damit heimkehren würden und es nicht anderweitig verlieren würden, sei es, dass sie ihren Lohn verspielten oder er ihnen abgenommen wurde oder aber sie im Überlebenskampf sich dazu entschieden hatten, erst einmal das eigene Überleben sicherzustellen und das der Familie den Göttern zu überlassen.


    So oder so, Kephalos brauchte Helfer, um seinen Kran zu errichten, und dafür würden sich unter den Tagelöhnern kräftige Hände finden lassen. Und das sogar recht schnell, die Jungen waren nicht einmal eine Stunde unterwegs gewesen, ehe sie mit einem Dutzend Männern zurückkamen, die danach aussahen, als ob sie zupacken konnten. Und das auch tun mussten, die Einzelteile trugen sich nicht von selbst. Und so trugen sie dann auch, von der Werkstätte des Kephalos zur Baustelle, die großen langen Holzbalken, die kleineren Querbalken, die Winden, und die vielen Seile, die noch einmal so viel zu wiegen schienen wie das Holz. Aber das störte den Griechen weniger, war ja nicht er es, der sich hierbei die Hände schmutzig machte. Bis zum Tempel ging es ein gutes Stück durch die verschlungenen Straßen Roms. Zwei seiner Burschen liefen vorneweg, er lief hinter der Kolonne her, bekam so als letzter die Beschimpfungen der Händler zu hören, an deren Ständen sie manches mal wegen der Größe der Bauteile etwas dicht vorbeiliefen, oder des Barbiers, den sie wohl komplett von der Straße mit seinem kleinen Stand vertrieben hatten, um passieren zu können. Aber Kephalos störte es nicht. Der Mann sollte schimpfen und seinen Stand wieder mitten auf der Straße eröffnen, bis er über den nächsten zetern musste, der ihn von der Straße verscheuchte, um passieren zu können. So war das eben in den Straßen, nirgendwo war wirklich viel Platz, schon gar nicht für neunzehn Männer in Kolonne, von denen zwölf einen Kran schleppten.


    Doch die wahre Aufgabe folgte erst am Tempel des Mars. Dank des Schreibens des Ädils konnte Kephalos mit dem Recht im Rücken die Leute vom Forum Augustum etwas verdrängen und sich so den nötigen Raum schaffen. Vielleicht nahm er sich etwas viel heraus, als er damit drohte, notfalls die Urbaner zu rufen, wenn ihm nicht genügend Platz gemacht wurde, aber im Grunde war es ja so. Er hatte eine Erlaubnis des Ädils, was die meisten stände in Rom nicht von sich behaupten konnten. Wer also wollte sich da mit den Stadtwachen anlegen?
    Schließlich aber war der Platz weit genug geräumt, so dass sie sich ans Aufstellen machen konnten. Im Liegen wurden die beiden langen Hauptträger des Krans aneinandergelegt und mittels eines großen Holzzapfens und einigen kräftigen Hammerschlägen miteinander zu einem gleichschenkligen Dreieck verbunden (mit offener unterer Seite). Zur weiteren Stabilität wurden drei Querbalken eingezogen, ebenfalls festgehämmert, so dass das Dreieck weitere Stabilität erhielt. Und die war für das folgende auch bitter nötig, denn noch stand der Kran nicht einmal ansatzweise.


    Seile wurden durch Flaschenzugwinden gezogen, diese am Holzgestell an den dafür vorgesehenen Stellen montiert. Weitere Seile zur Sicherung folgten. Dann schließlich die Seile am unteren Ende des Krans, die zur Sicherung des ganzen Unterfangens in die andere Richtung gezogen werden würden, um so den Fuß des Gestells vom Wegrutschen zu hindern.
    Auf dem großen Steinboden des Forums hätten sie wohl ein schweres Brot bei der Sache gehabt, doch hier in der Nebenstraße hatten sie mit dem Untergrund etwas mehr Glück. Wenn auch weit weniger Platz und so weit mehr Probleme mit den Zuschauern. Aber schließlich war es so weit, alles war ordentlich vertäut, es konnte losgehen.

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    Unwissend von der Aufmerksamkeit des Gottes kam die Gruppe am nächsten Tag wieder, schwer bewaffnet mit allerlei Hilfsmitteln. Heute stand die genaue Bausubstanz auf dem Plan, und dazu gab es einiges zu vermessen. Die Größe und Pracht des Baus ließ zwar schon erahnen, dass der Architekt, der diesen entworfen, ein wahrer Könner war. Sämtliche Mauern passten, jeder Stein schien gerade verfugt. Doch die beste Planung und die genauesten Winkel mochten mit der Zeit ihre Fehler offenbaren, da die Götter es vielleicht doch anders meinten. Ein übersehener Hohlraum unter den Fundamenten konnte Mauern wandern lassen, Risse entstehen lassen, ganze Gebäude zum Einsturz bringen. Mit der Zeit konnten wirkende Kräfte die geradesten Säulen verbiegen, Fugen in so winzigen Bereichen sich verschieben lassen, dass es mit dem bloßen Auge nicht erkennbar war, bei den sich aufsummierten Effekten aber dazu führte, dass mit einem Mal eine eben noch tragende Säule plötzlich nachgab.
    Nicht, dass Kephalos solches hier erwartete. Das bloße Gewicht der Dachkonstruktion verlieh dem Hohlraum im Inneren eine Stabilität, indem die Wände herabgedrückt wurden und auf ihre eigenen Fundamente fixiert wurden. Gäbe es hier eine Schwachstelle, sie hätte sich wohl weit früher offenbart. Dennoch galt es natürlich zu prüfen, denn Kephalos war kein Freund von halben Sachen. Der Pontifex hatte ein Gutachten verlangt, und er würde ein umfassendes erhalten.


    Also fingen sie an, die Säulen zu vermessen. Hilfmittel dabei waren Setzwaage und ein extra kurz gefertigter Chorobates, dazu noch allerlei Lotblei und sogar ein Dioptra, das einer seiner Gesellen im Innenraum zusammensetzte. Jede einzelne Säule wurde vermessen – was bei den allein acht Säulen aus Carrara-Marmor am Eingang und derselben Zahl an jeder Seite viel Arbeit war, indem eine Leiter daran angelegt wurde. Von Oben wurde nun ein Lot herabgelassen, und mithilfe des Chorobates, der hierbei als Wasserwaage diente, und der Setzwaage wurde die Vertikalität jeder einzelnen Säule überprüft. Danach wurden die Wände auf ähnliche Art vermessen, wobei man sich hier noch eines geeichten Abstandsholzes bediente, um gleich zu testen, ob die Wand nicht nur lot-, sondern auch waagrecht erbaut worden war. Und hier konnte Kephalos schon einmal erleichtert aufatmen, denn alle Fluchten verliefen in perfekt gerader Linie. Nichts war schlimmer, als einem Bauherrn mitzuteilen, dass Wände neu errichtet werden mussten. Noch dazu der Alptraum, eine tragende Wand zu ersetzen, ohne das Gebäude komplett einzureißen... Aber nein, zum Glück waren die Baumeister der letzten zwei Jahrhunderte da zuverlässig gewesen und hatten im Bezug auf die Bausubstanz hier gute Arbeit geliefert.


    Schwieriger nun war aber die Vermessung im Innenraum des Tempels, wo Kephalos schon tags zuvor eine auffällige stelle ausgemacht hatte. Und dieses galt es nun genau zu begutachten. Das Dioptra stand mittlerweile auch, und Kephalos prüfte noch einmal, ob sein junger Gehilfe es auch korrekt zusammengebaut hatte. Immerhin hing von der genauen Einstellung dieses Gerätes gleich ab, ob ihre andere Messung korrekt sein würde. Mit Lot und Wasserwaage wurde wieder nachgeprüft, ob die Scheibe exakt horizontal verlief. Hier und da justierte Kephalos etwas nach, zog eine Schraube fester, weil es ihm nicht exakt genug war, aber schließlich war das teure und hochmoderne Gerät geeicht und bereit, benutzt zu werden.


    Die Messung im Hauptraum war schnell und einfach getan. Sie maßen vom Eingang zur Raummitte, und einmal vom Eingang zum anderen Ende des Raumes. Nachdem die Wände ja bereits vermessen waren, konnte höchstens eine Senkung des Raumes zur Raummitte eingetreten sein. Kephalos selbst also stand am antiken Nivelliergerät, um zu messen, sein ältester Geselle stand neben ihm zur Überprüfung der Einstellungen und zum Mitschreiben, und der Jüngste der sechs Burschen hatte den Zollstock, auf dem im Abstand von einem digitus Markierungen angebracht waren, abwechselnd schwarze Streifen mit dem blanken hellen Holz. Die anderen vier Burschen wiederum maßen dasselbe, nur mit dem Chorobates, der etwas älter war, nicht so modern, nichts desto trotz prima geeignet, den Jungen die Prinzipien des Nivellierens beizubringen, und das sehr genau.
    Im Hauptraum ergab sich wie zu erwarten war auch keine Auffälligkeit. Der Boden hatte sich zur Mitte hin erwartungsgemäß etwas gesenkt, aber nicht mehr als einen halben digitus, und das war durchaus im Rahmen des erwarteten und vor allem weit im Rahmen der Statik. Aber hier hatte Kephalos auch keine Bedenken gehabt.
    Die Tempelküche wiederum war etwas anderes. Hier, wo so viele Fliesen gesprungen waren, waren eindeutig Kräfte am Werk, die stark genug waren, den Ton zum Platzen zu bringen. Und das wiederum war etwas, dem höchstwahrscheinlich entgegengewirkt werden musste. Und etwas, das ein eindeutiges Messergebnis ergeben konnte.


    Und so fixierte Kephalos die Messstange durch die Fenster des Dioptra an, ließ die Eichmarke so anbringen, dass sie genau der Eichhöhe am Rand der Küche entsprach. Während er also durch die Zielvorrichtung des Dioptra blickte, ging sein Gehilfe mit dem Zollstab zurück, weiter zu den gesprungenen Fliesen. Kephalos ließ ihn auch etwas links und rechts davon treten, schwenkte die Drehscheibe des Gerätes seitlich mit der Bewegung mit, bis er schließlich die Stelle gefunden hatte, die er gesucht hatte. Als er hier durch seine kleinen Fenster sah und die Stange anvisierte, konnte er sehr deutlich den Unterschied zur Eichmarke feststellen. Der Boden hatte sich hier gesenkt, nicht nur einen oder zwei digitus – was vernachlässigbar gewesen wäre – sondern fast zwei palmae – was definitiv gerichtet gehörte. Da die Wände alle gerade waren, war zwar kein Einsturz zu befürchten in den nächsten hundert Jahren, aber Kephalos war doch zu exakt, um einfach darüber wegzugehen. Nur machte er sich ein wenig Sorgen, wie er diese Kosten dem Bauherrn wohl schmackhaft machen konnte.
    Sein Blick glitt zu den Wänden, zu den Übergängen zur Decke, und sein Kopf arbeitete schon daran, wie man dieses Problem wohl am geschicktesten Lösen konnte. Und er hatte da auch schon eine Idee...


    Aber erst einmal waren sie fertig für heute, und am morgigen Tag würde noch einmal viel Arbeit auf sie warten. Denn morgen, da ginge es aufs Dach.

    “Ah, offensichtlich denkt wenigstens einer von euch hier mit! Denn verdammt richtig – Deckung nicht vernachlässigen, Ellbogen hoch! Denken und Kämpfen müsst ihr gleichzeitig hinkriegen, sonst seit ihr in 2 Minuten in der Arena sowas von tot! - wo war ich? Ahja, ihr sollt zulegen, damit eure Verletzungen nicht so schwer ausfallen. Ihr geht da raus mit so wenig Rüstung wie irgend möglich. Ihr seid keine Legionäre, die noch hundert Mann mit fetten Schilden neben sich haben. Ihr habt keine Kameraden in der Arena, die euch den Arsch retten, wenn ihr Scheiße baut. Also gebt euch keinen Illusionen hin. Ihr werdet verletzt werden. Ihr werdet bluten. Jedes verdammte Mal, wenn ihr da raus geht, werdet ihr mit einer neuen Narbe den Platz verlassen – oder aber man zieht euch mit einem Schicken Haken durch eure Ferse hinaus. Warum? Weil ihr tot seid!
    Also ist alles, was euch davor schützt, dass euer Gegner euch die Muskeln aufschlitzt und eure Arme und Beine damit kampfunfähig macht, ein bisschen Fett, dass er zuerst trifft. Dann ist nicht jeder kleine blutende Kratzer gleich ein Schnitt in eure Muskelfasern.“

    Als er bei seinem beständigen Schreiten an Alexion vorbeikam, hatte er dieses Mal keinen Spott für ihn, sondern stupste ihn nur leicht am Ellbogen, der nach Meinung des Ausbilders ein wenig zu tief gehalten wurde. Es waren ja nur drei Stunden ununterbrochenes Training bislang an diesem Tag, da durfte man sich noch nicht ausruhen. Aber dass er es diesmal nicht von irgendwelchen Beleidigungen unterstreichen ließ, konnte als gutes Zeichen gewertet werden. Vielleicht.


    “Wo wir gerade dabei sind: Ihr werdet, wenn ich mit euch fertig bin und ihr tatsächlich länger als fünf Minuten gegen einen echten Gegner überlebt, mal Thraker sein. Mit was seid ihr ausgerüstet?“



    LUDUS DACICUS

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    Wenngleich der Tag schon weit vorangeschritten war, entschied Kephalos, dass es das beste wäre, das restliche Tageslicht noch zu nutzen und gleich mit der Arbeit zu beginnen. Seine Gesellen maulten ein wenig vor sich hin, denn sie waren müde und vor allen Dingen hungrig, dann Pause hatten sie noch keine heute gemacht, um etwas zu essen. Kein Wunder also, dass sich ihre Begeisterung in Grenzen hielt, als der ältere Architekt sie antrieb, weiter zu machen. Essen konnten sie auch noch, wenn es zu dunkel wurde, aber eine Woche war nicht unbedingt eine lange Zeit, um sämtliche Dinge zu prüfen und sich anzusehen. Und er wollte ja nur einige Ansatzpunkte sammeln um zu wissen, was sie am nächsten Tag für Ausrüstung am besten mitnehmen sollten.
    Also begannen sie mit der Begutachtung der oberflächigen Schäden und ihrer genauen Protokollierung.


    Auf dem Vorplatz fingen sie an, bei der Statue des Augustus, der diesen Tempel mit seinen 8 Säulen aus blendend weißem Marmor gestiftet hatte. Die Statue an sich war soweit wunderbar, nur fehlte einem der Pferde leider ein Ohr, was wohl würde ersetzt werden müssen. Es war aufwendig, ein perfektes Ohr nachschneiden zu lassen und dann mit Gips so anzubringen, dass man den Unterschied nicht sah, aber es blieb nur das, oder das ganze Pferd auszutauschen. Auf dem Weg zum Tempel hatte eine der Bodenplatten einen häßlichen Riss, was das Gesamtbild des Platzes etwas störte, ebenso wie eine der Stufen zum Tempel hinauf gesprungen war. Kein gravierender Mangel, aber ein Mangel.
    Die Ringe, die die großen Opfertiere an Ort und Stelle hielten, waren rostig, aber stabil. Kephalos würde dennoch eine Erneuerung vorschlagen, da er nicht absehen konnte, wie lange diese Ringe noch stabil bleiben mochten. Sie kamen häufiger mit Blut und anschließend Wasser in Berührung, was den Rost noch weiter fördern würde, und die Götter mögen einen davor bewahren, herauszufinden, dass die Ketten nicht hielten, wenn gerade ein großer Ochse oder etwas gefährlicheres geopfert werden sollte.
    Aufs Dach konnten sie jetzt nicht, dafür würde Kephalos morgen den Kran aufstellen lassen, damit man ein Teil der Schindeln abdecken konnte, so dass er sich das Gebälk ansehen konnte. Also ging es erst einmal weiter näher zu dem Tempel. Die Säulen sahen auf den ersten Blick allesamt noch prächtig aus. Außer ein bisschen bessere Putzarbeit mit einer weichen Bürste an den oberen Kapitellen gab es da nichts dran auszusetzen. Wenn sie ihre Instrumente dabei hatten, würden sie noch prüfen, ob sie alle auch perfekt lotrecht standen, aber bislang sah die Sache an dieser Stelle wunderbar aus. Ein Glück, dem Bauherrn zu sagen, dass man das komplette Dach einstützen musste, nur um eine Säule zu begradigen, war meistens ein sehr kostspieliges und sehr nervenaufreibendes Unterfangen, sowohl für Bauherren, wie auch für Architekten.
    Die Fassade allerdings konnte dem ersten Eindruck dann nicht standhalten. An einigen stellen waren kleinere Haarrisse zu sehen, an der Wetterseite des Tempels hatte sich ein Teil des Putzes in den Fugen gelöst und sah arg mitgenommen aus. Weiter oben hatte sich Grünspan gebildet, wo das Dach auf der Mauer aufsetzte. Hier mussten mehrere Schritte unternommen werden, um die Stabilität des Gebäudes für die nächsten Jahrzehnte zu gewährleisten. Als allererstes sollten die Fugen neu verputzt werden.
    Der Innenraum wiederum war prächtig hergerichtet und gepflegt, wie es sich für einen Tempel gehörte. Die Standbilder der Götter, allen voran natürlich Ares im Zentrum, waren prächtig, an diesen gab es zum Glück nichts auszusetzen. Auch der Boden im öffentlichen Bereich war wundervoll gepflegt, gerade und ebenmäßig. Im Nicht-Öffentlichen aber sah die Sachlage etwas anders aus. Oh, hier war er auch sauber, aber in der Tempelküche entdeckte Kephalos ganze 5 Fliesen, die zersprungen waren. Und das auffällige an ihnen, sie lagen in einer Linie. Ein sehr ungutes Zeichen für eine nicht-unterkellerte Stelle. Hier würde er morgen genau messen müssen, ob sich der Boden nicht etwas abgesenkt hatte.


    Alles in allem wartete noch einiges an Arbeit auf ihn und seine Gehilfen.

    Hah! Er sagte jetzt doch ja! Axilla hätte beide Männer küssen mögen, doch begnügte sie sich mit einem strahlenden Lächeln. Im Grunde bekam Axilla gerade alles, was sie wollte, auf dem Silbertablett serviert. Sogar mit kleinem Schleifchen, denn nicht nur, dass sie das alles bekam, Imperiosus hatte noch nicht einmal eine negative Eigenschaft bislang gezeigt. Er war weder alt, noch fett, noch faul. Wenn er jetzt noch ein ansprechender Liebhaber war – oh bitte, Venus! - konnte Axilla wirklich nicht den klitzekleinsten Haken bislang finden.
    Und was wollte Imperiosus dafür von ihr? Nichts, wie es schien. Nur das Vergnügen, ab und an ihr Bett zu teilen, wie es schien, und sie ab und an zu sehen. Das waren wirklich nichtige Forderungen, verglichen mit dem, was er ihr zugestanden hatte. Er hatte noch nicht einmal versucht, über ihre Dos zu verhandeln. Im Grunde genommen bekam Axilla gerade ein wunderbares Geschenk. Sie wäre sicher vor Salinator, das Kapitel mit Archias und die damit verbundene Schmach wären vergessen und die Zukunft sah gar nicht so unrosig aus.


    “Naja, nach Misenum werd ich jetzt nicht so oft kommen, aber wenn du in Rom bist werden wir das auf jeden Fall.“ Sie rückte wieder ein wenig näher, während Imperiosus noch ein wenig trank, und strich ihm einmal ganz leicht mit den Fingerspitzen über seine Seite, nachdem er den Becher wieder abgestellt hatte. Ein bisschen träumend biss sie sich auf die Unterlippe. Oh ja, sie würde sich schon erkenntlich zeigen für all das, was sie bekam. Sie nahm es sich fest vor.
    “Also, wenn du willst, können wir das ganze ja schon schriftlich besiegeln, oder möchtest du eine offizielle Sponsalia feiern? Also, mir reicht eigentlich auch die Hochzeit an sich, aber wenn du es vorteilhaft findest, können wir natürlich auch zwei Mal laden...“

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    Kephalos hatte einige helfende Hände in seinem kleinen Betrieb, und heute waren sie alle zusammengerufen worden. Fünf junge Burschen gingen ihm zur Hand, ihre Familien hatten ein ordentliches Lehrgeld an ihn gezahlt, damit sie von ihm lernten. Und heute würden sie einiges an theoretischem Wissen lernen können, denn der Zustand des Tempels bot eine Hülle an Möglichkeiten. Fehler waren immer am anschaulichsten, denn keiner vergaß, die Statik zu prüfen, wenn man schonmal gesehen hatte, wie ein Bau in sich zusammenkrachte, oder vergaß, Winkel auszumessen, wenn das Mauerwerk nicht passte. Fremde Fehler waren zwar nicht so lehrreich wie eigene Fehler, dafür aber auch weniger kostspielig.


    Mit dem Tempelvorsteher hatte Kephalos noch am Abend zuvor gesprochen, dass sie heute hier Untersuchungen vornehmen würden. Natürlich so, dass sie den Tempelbetrieb möglichst wenig stören würden, weshalb sie die erste Morgenstunde für das rituelle tägliche Opfer an Ares hatten verstreichen lassen, aber den einen oder anderen Schritt durch die heiligen Hallen würden sie machen müssen. Vor allem, da sie in wirklich jeden Raum hinein mussten, was dem Tempelvorsteher dann doch weniger gepasst hatte. Aber was sein musste, musste sein.
    Und so machte die kleine Gruppe noch einmal draußen vor dem Tempel am Altar einmal kurz halt. Jeder von ihnen entzündete ein wenig Weihrauch, um dem Gott Respekt zu zollen. Hier in Rom war der Gott etwas friedvoller, kümmerte sich auch um Ackerbau und die Bauern. Aber sie sechs waren allesamt Griechen, und sie kannten Ares eigentlich nur als den großen Kriegsherrn,d er auf den Häuptern seiner erschlagenen feinde schlief. Und diesen Gott wollten sie sicher nicht erzürnen.


    Nachdem also dicke, weiße Schwaden vom Alter waberten, machten sie sich an die Arbeit. Als erstes galt es, den Tempel vernünftig aufzumessen. Alles war eine Frage des richtigen Aufmaßes. War erst einmal alles in Zahlen erfasst, konnte man später alles vernünftig belegen, und niemand musste lange suchen. Und so fingen sie an, zunächst die Außenseiten abzuschreiten. Kephalos gab die Schrittweite auf der einen Seite vor, sein ältester Lehrling auf der anderen Seite. Jeweils zwei andere schrieben dann Maße mit. Von Mauerecke zu Mauerecke. Von Säule zu Säule. Von Fenster zu Fenster. Dasselbe innen. Wieviele Schritte vom Eingang zum Bildnis, wieviele zu den Seiten. Jeder Durchlass, jede Tür wurde genau eingemessen, vermessen und genau aufgezeichnet. Ohne Aufmaß schließlich keine Massenberechnung, ohne Massenberechnung kein berechenbarer Verbrauch, ohne diesen keine Zahlen, wieviel das Ganze kosten würde.
    Die Höhen zu bestimmen war da dann schon aufwändiger, denn hier mussten Leitern aufgestellt werden, was dann doch dem ein oder anderen Tempeldiener ein Stirnrunzeln aufs Gesicht zeichnete. Erst recht, als sie das Seil mit den Knoten an die Wand anlegten und daneben ein Lot, um sicherzugehen, dass es senkrecht war, und Kephalos' jüngster Gehilfe auf der Leiter schon ziemlich wackelig stand, um auch wirklich die Decke zu erreichen. Bei derselben Aktion draußen hatten sie dann eine erhebliche Menge Zuschauer, wenngleich diesen nicht der heimliche Wunsch nach einem Absturz erfüllt wurde.


    Bis sie schließlich das komplette Aufmaß des Tempels erstellt hatten, alles aufgeschrieben und auf Papyrus übertragen hatten, geordnet und berechnet hatten, war schon später Nachmittag. Aber jetzt konnten sie immerhin mit der wirklichen Arbeit beginnen!

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    Dankbar nahm Kephalos die Tafel entgegen und hörte sich die Worte des Mannes an.
    “Ich werde es ihr gerne ausrichten. Danke für die Genehmigung, Aedil. Mit deiner Erlaubnis begebe ich mich jetzt an meine Arbeit und überlasse dich weiter der deinen. Chaire.“
    Er wusste nicht, dass der Senator seine Herrin scheinbar kannte, aber er würde die Grüße gerne übermitteln, wenn er die Iunia das nächste Mal traf.

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    Kephalos blickte auf den Schreiber runter und reichte ihm schon einmal die Wachstafel des Pontifex. Es war immer einfacher, zu erklären, was man wollte, wenn das Gegenüber gleich etwas in der Hand hatte und so mitdenken konnte.


    Ad
    Aedilis Plebis L Iulius Centho
    Casa Iulia
    Roma



    M' Tiberius Durus Pontifex pro Magistro Consularis Vir Aedili Plebis L Iulio Centhoni s.


    Hiermit informiere ich dich, dass der Architectus Kephalos, angestellt von Iunia Axilla, im Auftrag des Collegium Pontificium mit der Erstellung eines Gutachtens über den baulichen Zustand des Aedes Martis Ultoris auf dem Forum Augustum beauftragt ist. Er benötigt dazu die Erlaubnis zur Errichtung eines Baugerüsts bzw. zum Betreten und Untersuchen des Tempels. Ich bitte dich daher, ihm eine diesbezügliche Erlaubnis auszustellen.


    Pro Collegio


    M' Tiberius Durus
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    “Ich wurde mit einem Gutachten für den Tempel des Ares betraut und benötige eine kurze Bestätigung der Ädilen, um meine Tätigkeit im Tempel ungehindert ausüben zu können. Wenn du das Schriftstück kurz aufsetzen und dem Ädil zur Unterschrift vorlegen könntest, würde ich solange warten. Ansonsten kann er es gerne auch postalisch übersenden, wenn seine Zeit momentan zu knapp ist. Da es dem Collegium Pontificium aber mit der Sanierung genannten Tempels eilig ist, würde ich um zügige Bearbeitung bitten. Ist ja nur eine kleine Formsache.“
    Kephalos war auch ruhig und freundlich, und es war ja auch so, wie er sagte. So ein Schreiben und eine Unterschrift sollten nicht mehr als fünf Minuten Zeit brauchen, und die konnte er auch grade noch warten. Sofern der Schreiber hier etwas auf Zack war und es auch gleich erledigte.

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    Bewaffnet mit dem Schreiben des Tiberiers hatte sich Kephalos gleich auf zum frisch gewählten Ädil gemacht. Da sein Besuch und die ganze Angelegenheit nur eine reine Formsache war, die nicht länger als fünf Minuten Zeit in Anspruch nehmen durfte, war er ob dessen nicht besonders nervös. Im Grunde genommen ging es nur um ein in Wachs gedrücktes Siegel, das er irgendwelchen Bürokraten unter die Nase halten konnte, sollte irgendjemand eine Frage haben, warum er mit Architektenwerkzeug durch einen Tempel lief. Das würde ohnehin zwar niemand fragen – was sollte ein Architekt am helllichten Tag in einem Tempel denn sonst schon tun, wenn nicht seine Arbeit? - aber es wollte ja alles seine Ordnung haben.
    Und so klopfte er an die Tür, die ihm von einem freundlichen Menschen in der Basilica gewiesen worden war, und wartete auf Einlass, um die Sache schnell hinter sich zu bringen.

    In Momenten wie diesen vermisste Axilla Alexandria mehr als sonst. Da war das so schön einfach gewesen. Um die Tempel kümmerte sich der Exegetes, und zwar mit Genehmigungen und Aufträgen und allem. Da gab es nicht noch irgendwelche Collegia, die irgendwie dazwischengeschaltet waren, so dass man gezwungen war, von Pontius zu Pilatus bzw. von Tiberius zu Iulius zu laufen, nur um ein Gutachten zu erstellen. Aber so war Rom eben: kompliziert.
    Aber immerhin bekam sie gleich einen netten Brief überreicht, der ihr sicherlich weiterhelfen würde. Neugierig, wie Axilla nunmal war, flogen ihre Augen beim Entgegennehmen des Schriftstücks kurz über die Zeilen. Ja, das würde damit wohl hoffentlich keine Probleme geben.


    “Ich danke dir, Tiberius. Wenn es von deiner Seite aus dann keine Fragen mehr gibt oder weitere Wünsche, würden wir uns dann auch gleich auf den Weg machen, damit das Gutachten dir so schnell wie möglich vorliegt.“

    Ein letzter Hauch von Wärme haftete der Kleidung an, dort wo der Flavier sie gehalten hatte. Fast wie ein vages Echo seines Armes verlief eine kleine, warme Spur an ihrem Rücken, wo er ihr seine Hand zwischen die Schulterblätter gelegt und sie gehalten hatte. Die ihm zugewandte Seite ihres Körpers brannte ganz leicht von der vertrauten Glut der innigen Umarmung, wo sie sich an ihn geschmiegt hatte, und nun, da die kalte Frühjahrsluft wieder die wenigen freien Stellen ihrer Haut kitzelte, fühlte es sich dort an, als wäre ihr etwas entrissen worden, als entweiche die Wärme dort wie Blut aus einer klaffenden Wunde. Und ein wenig fühlte es sich auch so an, als hätte sie dort etwas verloren, das ihr lieb und teuer gewesen war. Fast ein Teil ihrer selbst. Auch wenn es sehr töricht war und kindisch obendrein.
    Ein wenig fröstelte es sie, und instinktiv rieb Axilla einmal über ihren Oberarm, als könne das die Wärme des Flaviers dort noch einen Moment halten. Aber es war ein anderes Gefühl, auch warm, aber weniger vertraut – auch wenn dies ein Widerspruch in sich war, war es doch ihr eigener Arm, der diese Berührung vollführte. Es fühlte sich ein wenig an, als würde der ganze Moment mit all seiner Vertrautheit ihr entgleiten, gleich einem Traum, aus dem man erwachte. Man erinnerte sich noch an das, was vorgefallen war, aber allzubald fragte man sich, ob man wirklich gesehen hatte, was man gesehen hatte. Ob man wirklich gefühlt hatte, was man gespürt hatte. Ob man wirklich getan hatte, an was man sich erinnerte. Oder ob man sich daran nur erinnerte, weil man sich wünschte, dass es so wäre. Oder sich fragte, wie es wäre, wenn man nur gewagt hätte, es zu versuchen. Hatte sie sich wirklich dem Flavier an den Hals geworfen und geweint? Ihr Körper sagte, ja, die nasse Stelle an der Toga des Pontifex sagte ja, ihr Gefühl sagte ja. Nur die wiederkehrende Vernunft, die kalte berechnende Logik, die wollten so ein Verhalten nur zu gerne als Traum bezeichnen und von sich weisen. Eine Dame verhielt sich so nicht, warum also sollte Axilla sich so verhalten?


    Und doch wusste sie, dass es so war, selbst bevor der Flavier ihre Entschuldigung angenommen und ihr Verhalten als weniger schlimm als befürchtet abgetan hatte. Ja, im Grunde meinte er ja sogar, dass so etwas jedem mal passierte. Unsicher schaute Axilla zu ihm auf und fragte sich, ob dem Flavier solch eine Katastrophe auch schon einmal passiert war. Sie vermochte sich den Mann irgendwie beim besten Willen nicht weinend vorzustellen, und sie konnte sich ebensowenig vorstellen, dass er dies an einem öffentlichen Platz wie diesem tun könnte. War es also nur eine Phrase, um ihr ihre Schuldgefühle zu nehmen? Er schien redlich und aufrecht, wie er es sagte, und Axilla wollte ihm nur zu gern glauben.
    Gern hätte sie sich noch ein wenig an ihn gelehnt, einfach nur die Nähe eines anderen Menschen gefühlt. Eines Mannes insbesondere, und die Gewissheit, beschützt und sicher zu sein, dass alles gut werden würde. So aber blieben ihr nur die Worte der Erkenntnis, gesprochen von ihrem Gesprächspartner, und sie ließ sich noch etwas mehr fröstelnd auf der Bank leicht zurücksinken, verschränkte etwas schützend die Arme vor der Brust gegen die frische und kühle Luft.
    “Und wie ein Traum wird es verblassen, fast, als wäre es nie passiert...“ Sie atmete einmal tief und ruhig durch, besah sich den Ort noch einmal neu, als wäre sie eben aufgewacht. Mit einem Mal kam ihr der Garten gar nicht mehr so traumhaft vor, gar nicht mehr so verheißungsvoll und auch nicht mehr so frühlingshaft. Irgendwie war er kälter geworden. Grauer. Realer.
    “Irgendwie traurig“, meinte Axilla, und meinte damit nicht einmal die Tatsache, dass das hier vergessen sein würde. Im Grunde war das ja eigentlich sogar gut, ersparte es ihr doch einiges an Peinlichkeit in Zukunft. Nein, ihre Bemerkung galt irgendwie der ganzen Situation, der Vergänglichkeit als solches. Und dem Surrealismus von Träumen, den man nicht einfach in die Wirklichkeit der Welt mit herüberretten konnte.


    Sie atmete noch einmal durch, und ihr Blick fiel wieder auf die Tafel neben sich, die mit den wenigen Notizen bekritzelt war. Noch mehr Realität, der sie nicht entfliehen konnte. Der Artikel wollte schließlich geschrieben sein. Ein leises Seufzen. Wie sie sich doch wünschte, sie könnte einfach im Traum leben. Wie sehr sie sich doch nach Alexandria sehnte. Und nach Umarmungen. Vor allem nach Umarmungen.

    Na, immerhin was. Besser den Spatz in der Hand, wie es so schön hieß, und vielleicht würde die Taube ja noch kommen, wenn sie ihre Arbeit richtig machten. Und dass Kephalos seine Arbeit richtig machte, daran hatte Axilla keinen Zweifel.


    Der Pintifex hatte nun nichts dazu gesagt, ob sie den Kran kaufen wollten oder nicht, aber Axilla würde ihm dann einfach später den Mehraufwand in Rechnung stellen, wenn er den Auftrag anderweitig vergeben sollte. Sie hatte es ihm immerhin gesagt, sogar recht deutlich. Jetzt und hier musste sie aber auf diesem Punkt nicht mehr als nötig herumreiten. Vielleicht kauften sie ihr das olle Ding ja sogar am Ende ab, je nachdem, wie das Gutachten ausfallen würde.


    “Wir danken dir, Pontifex. Ich denke, das Gutachten wird bis...““Eine Woche“ “...bis in acht Tagen soweit zusammengestellt sein, sofern uns gleich morgen Zutritt zu den Räumlichkeiten und die Erlaubnis zum Aufstellen benötigter Hilfsmittel erteilt wird.“
    Axilla hatte keine Ahnung, ob der Pontifex das erlauben konnte, aber um sich alles anzusehen, musste Kephalos sich ja auch alles ansehen können. Wenn die Urbaner ihn abführten, wenn er eine Leiter an den Tempel legte, um sich das Mauerwerk näher anzusehen, wäre das nicht besonders hilfreich.

    Oder wahlweise auch eine andere Kombination von Waren.


    Guckst du hier: Stand der WiSim



    Man muss ja nicht immer ein riesigen Opfer einer Kuh mit allem Tamtam ausschreiben, aber so ein kleines Opfer abends vorm schlafenlegen vor den Laren oder sowas ist in 10 Minuten geschrieben und reicht auch für ein kleines unblutiges Opfer aus. ;) Müssten nur mal mehr Leute in Anspruch nehmen, dann gäbs auch keine Knappheit mehr

    Sie hatte verloren, und diesmal endgültig. Axilla stand noch immer im Schutz hinter dem Stand des Sklavenhändlers, als Vala schon längst mitsamt seines neuen Sklaven gegangen war, und rührte sich nicht von der Stelle. Sie stand einfach nur da und starrte vor sich hin in die Leere, die sich um sie herum auszubreiten schien.
    Sie sollte gehen. Das hatte er gesagt. Und er hatte recht, sie sollte gehen. Weg von hier, weg nach hause. Weg von ihm. Endgültig. Er wollte sie nicht, und er wollte sie nicht sehen. Er war gegangen. Ohne sie. Und dennoch konnte sie sich nicht bewegen, nicht einmal ein kleines bisschen. Sie sollte nach Hause gehen und ihn für immer vergessen, sollte sich auf das vorbereiten, was vor ihr lag: Eine neue Ehe, mit dem Segen der Götter ein paar Kinder, die das Erwachsenenalter erreichen würden. Dazu noch ihre Arbeit, ihre Aufgaben als neue Hausherrin bei den Pompeiern, sofern alles glatt ging. Sie hatte nach wie vor die Sorge um den Hausstand der Iunier mit all den Sklaven zu tragen. Dazu musste sie sich noch einen sicheren Weg überlegen, Salinator aus dem Weg zu gehen und dafür zu sorgen, dass Imperiosus nichts von dem erfuhr, was vorgefallen war. Das alles sollte sie tun. Aber sie konnte sich nicht bewegen.


    Sie stand nur da, atmete langsam und tief, und starrte vor sich hin. Sie wollte weinen, aber es kamen keine Tränen. Sie wusste nicht einmal, warum sie hätte weinen sollen. Es war ja alles so gekommen, wie sie es beabsichtigt hatte. Vala wusste, dass sie ihn gesehen hatte, dass er sie verletzt hatte, und dass sie das nun nicht mehr wollte. Dass sie ihn nun nicht mehr wollte. Das hatte sie doch so gewollt, oder? Auch wenn ihr nach seinen Worten nun kindisch erschien, jemals wütend auf ihn gewesen zu sein. Denn er hatte recht, er hatte der Vinicia wohl schwerlich etwas anderes erzählen können. Und sie war nicht dazu bestimmt gewesen, zu hören, was er gesagt hatte. Im Grunde genommen war es ihre eigene Schuld, dass sie es mitbekommen hatte. Hätte sie sich wie eine Dame verhalten, wäre all das nicht geschehen.


    Es war alles ihre Schuld. Ihre ganz alleine. Sie sollte es also ertragen und nun endlich gehen.
    Irgendwann wurde sie ganz leicht am Arm berührt. Es war der Sklavenhändler, der irgendwas zu ihr sagte. Sie hörte ihn gar nicht. Sie nickte ihm nur zu und schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. Vor ihr stand Malachi und wartete, stumm und ruhig wie immer. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dagestanden hatte, oder was der Mann gesagt hatte, aber endlich bewegte sie sich, langsam und aufrecht, und ging zu Malachi. “Wir gehen nach Hause“ verkündete sie nur leise und ohne Ton. Die Ornatrix, wegen der sie überhaupt auf den Markt gekommen war, war vergessen. Sie würde Levi schicken, eine zu kaufen, oder vielleicht auch nicht. Es kümmerte sie nicht mehr.