Beiträge von Iunia Axilla

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    Araros öffnete nur kurz die Luke, um zu sehen, wer um diese Zeit denn noch störte. Sein Blick fiel auf einen verwahrlost aussehenden, grobschlächtigen Kerl. Ein Blick an ihm herunter genügte, um zu sagen, dass das kein Römer war – oder keiner,d er zur Klientel dieses Hauses passte. Ein weiterer, dass er auch kein Sklave war. Und da die Iunii keine Ämter hatten, die sich im näheren oder weiteren Sinne mit verwahrlosten Peregrini befassten, blieb auch nur ein Grund, warum der Mann hier vor der Tür stehen konnte.
    “Wir kaufen nichts!“ war die Antwort auf diese Erkenntnis, und schon war die Tür auch wieder verschlossen.

    Bitte folgende Verwandtschaft eintragen:


    Vater: Iullius Iunius Piso
    Mutter: Iunia Pinna


    (Ja, ich weiß, böse Manus-Ehe. Aber die ist schon so im Stammbaum drin, ich bin unschuldig!)

    Kurz hing Axilla noch ärgerlich dem Gedanken an verschwindende Kommandanten nach, bevor sie kurz den Kopf schüttelte. Imperiosus hatte recht, sie sollte sich darüber nicht so viele Gedanken machen. “Oh, ganz sicher wirst du. Der kann ja nicht einfach verschluckt worden sein. Ich hoffe nur, er erhält dann auch seine Strafe.“ Unerlaubtes Fernbleiben von der Truppe... Deserteure wurden hart bestraft, und Axilla fand es da eher wichtiger, dass diese teils drakonischen Strafen dann gerade auch bei den Offizieren ausgeführt wurden, um eben zu zeigen, dass diese Regeln für alle galten.
    Nun, so ganz kam Axilla wohl doch nicht darüber hinweg.


    Aber zum Glück lenkte Imperiosus sie recht effektiv ab und übernahm damit eigentlich den Part, den sie als Hausherrin übernehmen sollte: Er führte das Gespräch in seichtere Gewässer. Sie blinzelte kurz, weil sie noch in Gedanken war, und sah dann instinktiv zum Eingangsbereich des Triclinums.
    “Oh, er sollte eigentlich auch gleich kommen. Ich hab es ihm zumindest gesagt, und er hatte auch zugesagt.“ Sie meinte sogar, kurz etwas von der Porta zu hören, aber das mochte Einbildung gewesen sein. Man hörte ja gern Dinge, wenn man sie gern hören wollte.
    Und so legte sich Axilla einfach bequem auf die breite Kline neben Imperiosus und fing an, ein wenig zu spielen. Ein Spiel, das sie gut beherrschte, wenn sie wollte. Sie legte sich auf den Rücken, den Kopf auf eines der bequemen Kissen gebettet, und sah zu Imperiosus hoch. “Was soll es mit dem Kennenlernen auf sich haben?“ fragte sie unschuldig und legte den Kopf ganz leicht schief. “Darf ich meinem Vetter nicht einen guten, alten Freund der Familie vorstellen?“ Ein Hauch von Schalk und Rafinesse blitzte in ihren Augen auf. Doch bevor sie Imperiosus zu sehr verwirrte, lachte sie und legte sich doch sittsam auf die Seite. Als Frau sollte sie ohnehin eigentlich eher in einem Korbsessel Platz nehmen und nicht auf einer Kline liegen. Aber das wäre angesichts des kleinen Beisammenseins dann doch arg albern. “Noch mehr Wein?“

    Was wollten die Beduinen denn mit Gewürzen zum Kochen? Axilla stockte kurz über der Frage, bis ihr doch irgendwo einleuchtete, dass Gewürze ja teuer waren und die Beduinen sie ja tauschen konnten. Dennoch glaubte sie nicht, dass das der Grund war, dass man in Rom die Gewürze aus Ägypten nicht bekam.
    “Ich glaub eher, dass es einfach nicht genug Abnehmer hier in Rom gibt und sie die ersten Schiffe aus Ägypten lieber mit Weizen und weniger mit dem ganzen Luxuskram bepackt haben. Den Winter über konnten sie ja nicht fahren.“ Das Mare Internum war schließlich kein Balneum, in dem man fröhlich planschen konnte.


    So oder so war es eigentlich nicht so wichtig, und Axilla versuchte sich lieber darauf zu konzentrieren, was ihr Gast denn noch so sagte. Sie selbst schenkte ihm einen Becher Wein aus einem Krug ein – und hoffte, dass der schon mit Wasser gemischt war. Sie wusste es nicht, aber sie glaubte, schon. Sie reichte ihn gerade mit einem leichten Lächeln an Imperiosus, als er meinte, der Flottenkommandant sei verschwunden. Mitten in der Bewegung erstarrte sie mit einem heftigen Stirnrunzeln und man konnte ihr sichtlich ansehen, wie sie nachdachte.
    “Aber der kann doch nicht einfach weggehen? Der hat doch auch seine Befehle, und wie soll denn die Classis ohne ihn ihre Befehlskette einhalten?“ Dass ein Kommandant einer Einheit einfach so verschwinden konnte, wollte nicht in Axillas Kopf. Der musste sich doch bei seinen Offizieren dann abmelden, damit die den Dienst übernahmen und nicht alles aus dem Ruder lief? Eine militärische Einheit, egal ob zu Land oder zu Wasser, war doch kein Verein, in dem jeder machen konnte, was ihm beliebte! Dass da jemand einfach so verschwand, das war für Axilla schon so, als hätte Imperiosus gesagt, der Kommandant wäre desertiert: Schlicht undenkbar.
    “Oh, dein Wein“, schreckte sie aus ihrem Gedanken hoch und gab den Kelch an Imperiosus, setzte sich neben ihn. Die Sache war sehr sonderbar.
    “Aber seine Offiziere müssen doch wissen, wo er steckt? Der kann doch nicht einfach so weggehen, ohne irgend jemandem Bescheid zu sagen? Das ist doch... Fahnenflucht! Ein Kommandant darf doch auch nicht einfach so desertieren?“ Dieser Umstand ging einfach nicht in Axillas Kopf. Das widersprach jeglichem Gefühl für Militär, das sie hatte. Und sie hatte da ziemlich viele Vorstellungen davon.


    Iullus Quintilius Sermo
    Casa Quintilia
    Mogontiacum



    Salve Quintilius,


    ich war doch sehr überrascht, dass du mir nach dieser langen Zeit schreibst, noch dazu mit diesem Angebot. Ich traue mich fast gar nicht zu fragen, wieso du das Land verkaufen möchtest, und wieso du dabei an mich denkst, es zu kaufen. Vielmehr freue ich mich lieber der Tatsache, dass es so ist, und würde dein Angebot gerne annehmen.


    Da ich annehme, dass du länger in Mogontiacum bleiben wirst, und daher nicht nach Rom zurückkehrst, und ich nicht so viel Geld unbewacht durch das Imperium schicken möchte, habe ich diesem Schreiben einen Wechsel beigefügt. Ich habe ebenfalls den langjährigen Geschäftspartnern meiner Farbmischerei geschrieben, der Freya Mercurioque, einen Brief geschrieben, damit sie dir den Wechsel einlösen. So erhältst du das Geld an dem Ort, wo du es brauchst, ohne dass dafür 65 Aurei durchs Land reisen müssen, in der Gefahr, gestohlen zu werden.


    Ich werde ebenfalls die Ducii, die dem Handelshaus vorstehen, bitte, dass sie die Besitzurkunde dann von dir annehmen und mir dann zu übermitteln, so dass der Kaufvertrag Zug um Zug zustande kommt.
    Sofern das dein Einverständnis trifft, bitte ich dich, mit dem Wechsel zur Casa Duccia zu gehen und den Verkauf so vorzunehmen. Dann wäre die Angelegenheit auch schnell geregelt, ohne lange Wartezeiten deinerseits.


    Vale


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    WECHSEL


    Der Begünstigte Iullus Quintilius Sermo soll gegen diesen Wechsel von der Freya Mercurioque die Summe von fünfundsechzig Aurei erhalten.
    Die Freya Mercurioque soll diese Summe von der Ausstellerin Iunia Axilla binnen eines Jahres wieder zurückerhalten.



    Ausgestellt Roma, ANTE DIEM VII KAL MAI DCCCLXI A.U.C. (25.4.2011/108 n.Chr.)
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    Ad
    Numerius Duccius Marsus
    Curator Consortii Freya Mercurioque
    Casa Duccia
    Mogontiacum


    Iunia Axilla N. Duccio Marso s.d.


    In Anbetracht unserer langjährigen Handelsbeziehungen habe ich eine große Bitte an die Freya Mercurioque. Im Rahmen eines Grundstückserwerbs mit einem Vertragspartner in Mogontiacum habe ich diesem einen Wechsel ausgestellt, in der die Freya den Part des Bezogenen einnimmt. Ich möchte dich bissen, diesen Wechsel zu akzeptieren und die Summe von 65 Aurei an Quintilius Sermo auszuzahlen, im Tausch gegen eine auf mich ausgestellte Grundstücksurkunde zu einem Grundstück in Italia.


    Sofern du einverstanden bist, wird mein Händler dann bei seiner nächsten Lieferung nach Germania die Auslösesumme mit sich führen, je nach deiner Vorliebe in Waren oder Geld, oder auch beides. Ich vertraue meinem Händler da mehr als dem Cursus Publicus, über den ich diese Menge an Geld nicht versenden möchte, ebenso wie ich dir da mehr vertraue, was das Übermitteln der korrekten Grundstücksurkunde angeht.
    Natürlich verlange ich nicht von dir, dies nur aufgrund unserer langjährigen und prosperierenden Geschäftsbeziehung zu tun. Ich wäre bereit, der Freya Mercurioque dafür im Wert von 5% der Ausstellungssumme des Wechsels Waren zu schenken.


    Mit bestem Dank im Voraus und den redlichsten Wünschen für weiterhin ertragreiche Geschäfte verbleibe ich


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    Sim-Off:

    Wertkarte

    Auch vom hiesigen Theatrum drehte ein Mann seine Runde. Ein Thraker mit den hohen Beinschienen, die ihn als solchen auswiesen, und dickem Helm mit hohem Busch. Er präsentierte dem Volk stolz seine Waffe und ließ nur seinen Schild, der zwar durchaus prunkvoll, doch auch schon leicht verbeult war, von einem Jungen hinter sich hertragen. Und die Leute jubelten ihm sogar ein bisschen zu.
    Während die Kämpfer sich also mit letzten Handgriffen ihre Rüstungen festmachen ließen, beugte sich der Nubier zu Shayan herunter. Er half dem Parther gerade dabei, seine manica an den Armen auch fest genug zu zurren, als er sich im Plauderton einfach meldete. “Flamma ist ein schwerer Brocken mit guter Ausdauer. Versuch nicht, ihn müde zu kriegen, du fällst eher um.“
    Der doctor grunzte etwas unwillig, während er den Sitz des Helmes prüfte und daran ein wenig ruckte, so dass Shayan perfekte Sicht hatte. Zumindest, soweit sein Visier das zuließ.
    “Immer, wenn er mit dem Schild einen hohen Angriff abblockt, folgt danach von ihm eine tiefe Attacke mit seinem Schwert auf deine Beine. Das ist so sicher wie der Morgen, er macht es jedes Mal. Nutze es für dich aus.“


    Noch ein paar letzte Griffe, und Shayan war fertig. Zwei Sicae in den Händen, einen leichten Helm auf dem Kopf, blanke Brust, zwei manicae, je eine pro Arm. Sein Gegner hingegen war gerüstet mit einem schweren Schild, einem auffälligen und schweren Helm, den hohen Beinschienen und ebenfalls einer manica an seinem Waffenarm. Und zum Zeichen, dass er bereits auf Shayan wartete, ließ er einmal sein Schwert Metallisch auf den Rand seines Schildes schlagen.
    Der Schiedsrichter in seiner annähernd weißen Toga sah noch einmal zu jedem der Kämpfer und einmal zur Tribüne. Auch wenn es hier jedes Mal derselbe Gastgeber war, der Spiele ausrichtete, Tradition war Tradition. Und mit einem Nicken des Decrius und einem gebellten “Los!“ des Schiedsrichters war der Kampf auch schon unter dem noch mäßigen Beifall des Publikums eröffnet.

    Der Flavier neben ihr schloss die Augen, während Axilla rezitierte, und einen Moment mochte sie schon meinen, er sei eingeschlafen. Er sah so friedlich aus, wie er da saß, sich von der Sonne bescheinen ließ, und als sie ihn nach den Rhapsoden fragte, richtete er einen Blick auf sie, als ob sie gerade von Dingen jenseits dieser Welt redete. Er wiederholte das Wort mit traumschwerer Zunge und Axilla nickte einfach nur eifrig dazu, mit einem verlegenen Ausdruck auf dem Gesicht. Sie wusste nicht, was gerade in dem Flavier vorging, doch wirkte er, als würde er gerade in einem Traum wandeln und nur mühsam daraus aufwachen. Und Axilla kam sich ein wenig schuldig vor, dass sie ihn überhaupt aus jenem gerissen hatte. Träumen hatte etwas unschuldiges an sich, etwas befreites und freies, und Axilla sehnte sich sehr danach. So sehr, dass sie nicht einmal wusste, wie sie mit dem Flavier neben ihr umgehen sollte, der einen Moment lang diese vollkommene Geborgenheit von Morpheus Umarmung zu fühlen schien.
    Und dann wachte er auf. Mit einem Ausruf, der Axilla kurz zusammenzucken ließ, und einem Kompliment. Sie besaß genug Scheu in diesem Moment, um damenhaft zu erröten. Man hatte ihre Worte schon vieles geheißen. Verwaschen, durcheinander, zu schnell, unzusammenhängend, unlogisch, verwirrend, unvollständig und unwichtig. Manchmal auch witzig und spritzig und bissig und flatterhaft. Aber adorabel war ganz sicher noch nie darunter. Selbst wenn irgendjemand in Axillas Umgebung so ein Wort benutzt hätte im täglichen Sprachgebrauch. Und dieses kleine Wort wurde auch gleich durch ein tiefsinnig und ein zeitlos verstärkt, so dass Axilla noch verlegener lächeln musste.
    Sie hatte ja angeben wollen, das war ja Sinn und Zweck der Sache gewesen. Aber dass sie gleich so erfolgreich damit sein würde, das hatte sie jetzt wirklich nicht geglaubt. Und sie versuchte auch gleich, das ganze irgendwie vernünftig zu erklären. Sicher war es nur das schöne Frühlingswetter, und die Worte galten bei näherer Betrachtungsweise auch gar nicht ihr, sondern den Worten an sich. Homer, wenn man eine Person für das Kompliment benennen wollte. Nicht Axilla, die hier saß mit geröteten Wangen und einem schüchternen Lächeln, das sich nach dieser Erkenntnis aber nur allzu schnell wieder verflüchtigte. Warum auch sollte der Senator sie loben?


    Seine Frage lenkte sie dann auch zum Glück wieder ab. Vor allem, da Axilla sich nicht sicher war, ob sie sie denn richtig verstand. Unterschiede kultureller Natur zwischen hier und Alexandria? Es war ja nicht so, als wäre sie ein Fundus an kulturellem Wissen, der nur darauf wartete, eben jenes preis zu geben. Im Grunde hatte sie von Theatern und Musik nur dann eine Ahnung, wenn es dasselbe auch in Buchform gab und sie die Möglichkeit gehabt hatte, eben jenes zu lesen. In einem Theaterstück war sie, soweit sie sich erinnern konnte, noch nie. Oder bei großen Aufführungen anderer, lyrischer Werke. Oder musischer.
    “Naja, wie ich bereits gesagt habe, ich war in Alexandria eigentlich nicht im Theatrum, und auch hier in Rom eigentlich nicht.“ Einen Moment später fiel ihr ihre kleine Notlüge wieder ein, die sie natürlich bekräftigen musste. “Oh, außer das mit Flavia Nigrina, natürlich.“
    Sie kaute auf ihrer Unterlippe auf der Suche nach einer adäquaten Antwort. Über das Theater konnte sie vielleicht nicht so viel erzählen, aber dafür über die vielen anderen Unterschiede umso mehr.
    “Weißt du... das Leben in Alexandria ist anders. Also, alles, mein ich. Es ist so... ich....“ Sie suchte nach passenden Worten, kramte in ihrer Erinnerung nach einer Beschreibung. Dass sie ins Koine dabei wechselte, fiel ihr selbst gar nicht auf. “Ich wandelte im Traum und träumte doch nicht, trank mich satt an tausend Sonnenuntergängen und atmete die süße Schwere des Augenblicks an der Grenze der Schatten im Reich des zerrissenen Gottes.“ Sie wusste nicht mehr, aus welchem Buch sie das hatte, aber dass es nicht ihr selbst entsprang, war sie sich relativ sicher. Sie hatte im Museion hunderte von Schriften gelesen – oder zumindest damit angefangen und die meisten wieder aus Langeweile darüber wegbringen lassen – und auch von Nikolaos immer wieder das ein oder andere gehört im Vorbeigehen, wenn sie ihm irgendwas gebracht hatte oder geholt hatte, während er sich in seiner Funktion als Epistates mit jemandem unterhalten hatte... Vielleicht war es auch eine Mischung aus allem gehörten, das sie heillos durcheinander brachte, und dennoch beschrieben die Worte ihr Gefühl von Alexandria, das mit Logik nicht zu erklären war.
    Sie sammelte sich wieder und sah Gracchus an, noch immer nach passenden Erklärungen suchen, die jemandem helfen mochten, zu verstehen, der nie dort gewesen war. “Weißt du, dort ist das Leben anders. Nicht besser oder schlechter, nur... anders. Ich glaube, das ist wegen Dionysos so.“ Normalerweise nannte man den Gott nicht so direkt beim Namen, nannte ihn eher Bacchus, den Lärmer, oder in Ehrfurcht Liber Pater. Aber Axilla hatte keine Angst vor ihm, nicht im Moment. Vermutlich wäre es klüger, immerhin war sie schnell betrunken und machte dann allerlei dumme Dinge – wie beispielsweise ihre Nebensitzerin auf einer Feier zu küssen – aber im Moment war Axilla ohnehin zu sehr damit beschäftigt, passende Worte zu finden, als dass sie auf solche Dinge wirklich hätte achten können. “Die Ägypter haben ihm den Namen Osiris gegeben, und dort herrscht er in der Unterwelt, weil er nach der Zerstückelung nicht wieder geboren wurde, sondern von Isis nur zusammengenäht. Und auch Alexander hat ihm ja ein Heiligtum in Alexandria errichten lassen.“ Sas Paneion war schließlich nicht nur dem Pan, sondern ebenfalls dem Dionysos gewidmet. “Man sagt ja, seine Mutter sei eine Mänade gewesen... naja, ich weiß es nicht, warum er es gemacht hat. Aber... Ägypten ist wirklich sein Reich. Es ist alles dort so viel... bunter, und freier, und gleichzeitig langsamer. Oder... nein, nicht langsamer, zeitloser. Ja, genau, das ist es! Zeitlos. Die Zeit fließt dort wie der Nil, steigt und fällt, vergeht und steht doch. Dort hat alles seine eigene Zeit irgendwie.“
    Axilla war sich sicher, dass ihre jetzige Erzählung wieder mehr in Richtung 'verwirrend' denn in Richtung 'adorabel' ging, aber sie konnte es nicht vernünftiger beschreiben.
    “Weißt du, als ich nach Alexandria kam, da hatte ich unheimlich viel Angst. Vor allem. Ich war allein und... ich wusste nicht, wohin, und ich konnte nur ionisch, und sonst eigentlich nichts. Aber als ich nach einem Jahr dann ging, um nach Rom zu kommen, da war ich Scriba eines der einflussreichsten Männer Alexandrias, ich kannte sämtliche Honorationen der Stadt, ich habe mehr Bücher gelesen, als ich dachte, dass es gibt, habe Sachen gelernt... Ich hab in einem Jahr sämtliche der großen griechischen Dialekte gelernt, Koine, Attisch, Dorisch... Gut, mein Dorisch ist miserabel, aber... und ich konnte sogar ein wenig demotisch, ein paar Brocken... keine Ahnung, was die in Syria sprechen, aber von da kam der Händler, von dem ich es aufgeschnappt habe. Und das war nicht merkwürdig, oder herausragend. Also, ich sage nicht, dass jeder das so kann, aber... es war einfach... einfach.“ Axilla hatte keine Ahnung, ob der Flavier ihr auch nur halbwegs folgen konnte. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob sie sich selber folgen konnte. “Die Zeit dort ist einfach anders. Es war nur ein Jahr, eigentlich, und doch war es ein ganzes Leben. Ich weiß nicht, ob das verständlich ist, aber...“
    Naja, vielleicht kam sie besser auf hier zu sprechen, auf Rom. Das war mit harten Worten besser zu beschreiben. “Hier ist alles viel... klarer, und gerader. Hier träum ich nicht. Also, nicht so. Es ist viel geordneter, direkter. Aber auch gezwungener. Ich hab mir in Alexandria nie etwas dabei gedacht, wenn ich irgendwo hingegangen bin. Also jetzt nicht die gefährlichen Gegenden, das mein ich nicht. Aber... hier zählt es weit mehr, was man sagt und was man tut. Hier ist es einfach viel... geregelter.“
    Axilla hatte nun keine Ahnung, ob sie seine Frage beantwortet hatte. Um ehrlich zu sein wusste sie nicht einmal mehr so genau, was er gefragt hatte. Trotzdem schaute sie ihn mit offenem und vielleicht ein wenig melancholischem Blick an und suchte in seinen Augen, ob er verstanden hatte, was sie versucht hatte, zu beschreiben. Wenn sie doch einfach all das, was in ihrem Herzen zu Ägypten war, einfach nehmen könnte und ihm geben, dann wäre das um so vieles einfacher!

    Die Rüstung wurde angepasst, hier ein wenig gestrafft, dort ein paar Riemen eingestellt, da ein Maß mit einer Schnur genommen und mit schnellen Worten weitergegeben. Alexion wurde aufgefordert, sich zu Bewegen, um zu sehen, wie alles passte, ob auch nichts drückte. Ein paar Dinge wurden wieder neu eingestellt, aber irgendwann schienen alle zufrieden. Die schweren Beinschienen wurden ihm dennoch erst einmal wieder abgenommen, nur die Leinenwickel an Armen und Beinen sowie das Subligaculum behielt er. Auf den Rest machte einer der Sklaven mit einem Stück Kohle ein Zeichen, und es wurde wieder weggeräumt. Für den Anfang brauchte er das noch nicht, aber später würde es leicht sein, ihm die passende Rüstung zukommen zu lassen, wenn er es brauchte.


    Als nächstes winkte der Scriba ihn weiter, und es ging wieder eine Treppe hoch, diesmal genau auf die andere Seite der Officia des Ludus. Hier waren die Zellen der Gladiatoren und die Wohnräume für deren Familien. So manch ein Gladiator hatte eine Frau, eine sogenannte luda, die in der Küche mithalf und die kleineren Arbeiten erledigte, dafür hier im Ludus bei ihrem Mann leben konnte und sich so ihren Lebensunterhalt auch sicherte.
    Der Scriba sah auf seine Tafel, und blieb dann vor einer Tür mit der Aufschrift „XXIV“ stehen. “Das hier ist dein Raum.“ Er öffnete die Tür und ließ Alexion hineinsehen. Darin war nicht viel, nur ein Bett, ein Nachttopf und ein niedriger Tisch mit einer Waschschüssel darauf. Durch ein kleines Fenster in der oberen Ecke kam etwas Licht und frische Luft. Kaum mehr Platz, als um darin zu schlafen, aber für alles weitere brauchte man den Raum ja auch nicht. “Merk dir seine Nummer und den Weg hierher. Ich bring dich jetzt noch runter in die Arena und zu deinen doctores.“
    Und genau das tat der Scriba dann auch sogleich. Wieder ging es die Treppe hinunter und durch einen kurzen, dunklen Gang, hinaus in die sandige Arena in der Mitte des Ludus. Es war schon später Nachmittag, das Training war noch in vollem Gange. Aber keiner der Gladiatoren zuckte auch nur, als der kleine Scriba mit seinem größeren Schatten das Trainingsareal betrat und zu einem der Befehle bellenden Männer ging, der eine Gruppe Thraex anwies, wie sie mit ihren Holzschwertern den jeweils vor Ihnen eingegrabenen Pfahl zu treffen hatten.
    Der beugte sich kurz zu dem kleinen Scriba hinunter, hörte sich kurz die geflüsterte Zusammenfassung von ihm an und ließ seinen immer kritischer werdenden Blick auf Alexion ruhen. Schließlich meinte er nur “Jaja, is gut“ und machte eine verscheuchende Handbewegung gegenüber dem Scriba. Der lächelte nur und wandte sich im Gehen noch einmal an Alexion. “Willkommen im Ludus Dacicus.“ Und damit ging er auch schon wieder in Richtung der Officii.


    Der doctor hingegen musterte den Mann vor ihm sehr, sehr skeptisch. Alexion war fast so alt wie er selbst, und definitiv der Älteste der Übenden hier. Die Stirn des Mannes legte sich in nachdenkliche Falten.
    “Gut. Der kleine Papyruskrieger meinte, du verstehst meine Sprache. Und dass du schon was kannst.“ Er warf ihm eines der Übungsschwerter aus Holz zu. Das innere der Schwerter war mit Blei gefüllt, so dass sie weit schwerer waren als jedes Schwert aus Metall. Gut für den Muskelaufbau. Der doctor deutete auf einen freien Pfahl, der von nun an Alexions sein würde. “Dann zeig mal her.“

    Kurz wurde das Lächeln ein wenig breiter, ehe es in seine Ursprungsform zurückkehrte. Der Nubier war schwer zu durchschauen, wenn er so lächelte, weil das alles aber auch nichts heißen mochte und seinem Gesicht weder einen besonders freundlichen noch irgendeinen anderen Ausdruck verlieh. Es war wirklich das Lächeln eines Krokodils, und zwischen Freude und Berechnung war kein Unterschied festzustellen.
    “Dann bedaure ich dich. Anspannung strafft deine Muskeln, lässt sie verhärten und verknoten, zieht deinen Magen zusammen und verursacht einen schlechten Geschmack. Sie macht dich langsam und abgelenkt. Lass sie einfach los.“
    Beim letzten Satz wurde die Stimme des Nubiers geradezu melodiös, als hätte er es gesungen. Allerdings war es kaum mehr als ein leichtes Anheben der Stimme. Da keine Frage in seinen Worten war und Shayan diese Regel für einen Neuling gut gelernt hatte – andernfalls würde er kaum hier stehen – erwartete er auch keine Antwort auf seine Worte.
    “Sieh dir den Kampf da vorne an, wie der Junge ihm zu entgehen versucht. Die Angst stinkt ihm aus jeder Pore bis hier her. Wie unbeholfen er versucht, seinen Gegner auf Abstand zu halten. Und sie dir den anderen Mann an. Er ist ruhig, entschlossen. Er spielt mit ihm, um der Menge zu gefallen. Das Schwert in der Hand des Jungen ist keine Waffe. Er könnte ebenso nackt hier herumrennen, es würde keinen Unterschied machen. Und doch rennt er herum wie ein Huhn und versucht, sein Leben zu verlängern.“
    Alles samt Wahrheiten, die jeder Blinde sehen konnte, und die der Nubier eigentlich nicht referieren musste. Aber er redete gern, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Im Moment war so eine. “Und dabei vergisst er, dass jeder Mensch sterben muss. Jeder einzelne hier auf dem Platz, jeder in der Stadt, jeder auf der Welt, wird in hundert Jahren nur noch Staub sein. Der Tod ist nichts, wovor man sich fürchten muss. Du und ich wissen das. Oder zumindest solltest du es inzwischen wissen.“ Es hatte mehr Übungen dazu gegeben, wie man starb, als man zählen konnte. Immer und immer wieder wurde es trainiert, wurde die Furcht genommen, der Tod mehr akzeptiert. Irgendwann war diese Übung für jeden so mechanisch wie das einprügeln auf den Palus. Die einen brauchten länger, die anderen kürzer, aber irgendwann akzeptierte jeder das, was ohnehin nicht zu ändern war.


    Inzwischen hatte der Gladiator wohl genug gespielt. Die Menge wurde unleidlich und lauter, hatte genug von dem Gehetze durch die Arena. Der Belustigungsfaktor der Sache war aufgebraucht, jetzt wollten sie endlich Blut sehen und befriedigt mit dem Wissen sein, dass eine gerechte Strafe erteilt worden war.
    Und von da ging alles recht rasch. Der Gladiator wartete auf den nächsten Angriff des Jungen, fing ihn mit dem Schwert ab, drehte seine eigene Klinge geschickt an der des Jungen vorbei. Der Bursche stach hoch in die Luft, hoch ins nichts, während die Klinge des Gladiators sich so tief in seinen weichen Bauch grub, dass sie auf der anderen Seite wieder austrat. Der Gladiator hielt den Jungen einen Moment im Arm, wartete, bis der Bursche das Schwert hatte fallen lassen, und zog sich dann mit einem schnellen Schritt zurück. Der Cincier fiel zu Boden wie ein nasser Sack und blieb bäuchlings liegen, während sich unter ihm eine kleine Blutlache bildete.


    “Aber ich verrate dir ein Geheimnis. In dem Moment, wenn der Kampf vorüber ist, und du noch lebst, du nicht tot bist, da fühlst du das Leben wie in keinem anderen Augenblick. Du fühlst den Schmerz in deinen Gliedern, jede einzelne Wunde, die dir geschlagen worden ist, mit solcher Deutlichkeit, dass es ein wahrer Rausch ist. Es tut nicht einmal weh, das kommt später. In jedem Moment, wenn du da draußen kämpfst, bist du lebendiger als jeder von denen, die dir zuschauen, und wenn du gewinnst, bist du lebendiger, als jeder von ihnen je sein wird. Und das ist ein Grund, warum man ruhig aufgeregt sein darf, warum einem das Blut in Arme und Beine schießen darf und einen schnell machen kann.“
    Das Tor öffnete sich wieder, und ein kahlköpfiger Hüne trat hervor, bewaffnet mit einem garstig aussehendem Hammer und einem großen Fleischerhaken, an dem ein Seil befestigt war. Er trat zu dem blutenden Jungen, schlug mit dem Hammer noch einmal auf dessen Kopf ein. Blut spritzte und eine scheußlich anzusehende Delle war da, wo einmal die Rückseite des Schädels des Jungen gewesen war. Wenn er nicht schon durch den Gladiator gestorben war, jetzt war er definitiv tot. Mit Schwung rammte der Charon den Haken in eine der Fersen des Toten, prüfte mit kurzem Zug, ob es auch hielt, und zog ihn dann wie das leblose Stück Fleisch, dass er war, hinter sich her und durch das Tor.
    “Sieh dir den Tod ruhig gut an. Er ist einfach, schnell, blutig, endgültig. Aber nichts, was wirklich erschreckt. Kein Grund, um angespannt zu sein. Du hast trainiert, du hast die letzten Monate besser gegessen als jeder hier, warst öfter bei einem Medicus. Akzeptiere es, und vergiss die Anspannung.“ Mit einem Lächeln fügte er an: “Wenn du willst, kannst du etwas sagen.“


    Aber viel Zeit zum Reden blieb nicht, denn der doctor kam schon wieder zurück. In der Arena gingen gerade ein paar Helfer mit Binsen über den Boden, verteilten den Sand besser, verwischten das Blut. Für die Kämpfe wollte man einen vernünftigen Boden bereitstellen.
    “Gut, gleich ist es so weit. Du gehst eine Runde, grüßt die Menge, grüßt Decrius Pandus da drüben, und kommst dann wieder hier her. Und wink der Menge zu! Ein Bursche kommt gleich und trägt deinen Helm und deine Schwerter. Dann rüsten wir dich ein und sehen, wer dein Gegner ist. Alles klar soweit?“ Der Käfig wurde schon geöffnet, und eigentlich gab es nur eine Antwort darauf. Sie konnten ohnehin nicht warten.

    Der Mittag war noch nicht ganz vorüber, und doch stand schon der transportable Käfig aus hartem Schilfrohr als Gitterstäben an seinem Platz in stummer Erwartung der Dinge, die da kommen mochten.


    Heute würde es Gladiatorenkämpfe geben. Auch in den kleinen Arenen mit den namenlosen Gladiatoren gab es das nicht alle Tage, aber heute war mal wieder so ein Festtag. Überall in der Nachbarschaft hatte man Schmierereien an den Wänden gefunden, die es angekündigt hatten.


    Nicht schön, nicht künstlerisch, aber alles wichtige stand drauf.


    Und zur Feier des Tages gab es sogar zwei Hinrichtungen, die Decrius Pandus extra für sein kleines Theatrum organisiert hatte. Ein paar Gelder an die Stadtwache hier, ein kleiner Besuch im Carcer dort, und schon waren zwei Delinquenten gefunden, die hier in der Subura vor nicht allzu langer Zeit jemanden abgestochen hatten. Und von da an war es nur noch ein Schmeicheln und werben, ein Verweisen auf die Gerechtigkeit Roms, dass Strafen dort vollstreckt werden sollten, wo die Straftat begangen... und ein wenig mehr Geld, um die nötigen Unterlagen zu erhalten.
    Die erste Hinrichtung war schon vorbei, nur noch eine blutige Schleifspur zum hinteren Teil der Arena und dem einzigen Tor deutete davon, dass sie stattgefunden hatte. Da wurde auch schon der zweite hereingeführt, ein hageres Bürschlein von vielleicht 16 Jahren, dünn wie ein Gerippe und zitternd. Seine Hände lagen in schweren Ketten, als er hereingezerrt wurde. Er versuchte, sich dagegen zu stemmen, und seine nackten Füße schliffen über den sandigen Boden. Gezogen von zwei großen Helfern, zwischen denen er fast unterging, half auch sein leises Jammern nichts.


    Mit grabesschwerer Stimme polterte der Ausrufer des Theatrums auch schon lautstark für die durch den ersten Tod noch angeheizte Menge: “Das ist Cnaeus Cincius Lecanianus, ein Mörder und ein Dieb. Er hat den ehrbaren Servius Hirtius Dexter rücklings erstochen und ausgeraubt und wurde zum Tod ad gladium verurteilt.“
    Noch während der Mann sprach und die Wachen die Fesseln des zitternden Jungen lösten, erschallte schon lauthals der Spott und die Buh-Rufe. Auch flogen einige Dinge in die Arena; verdorbenes Gemüse, das nicht mehr essbar war, aber das meiste waren Dreck und steine, die auf den Rüstungen der Wachen prasselnde Geräusche verursachten. Der Cincier hatte keine Rüstung und konnte nur schützend die Hände vors Gesicht heben. Man ließ der Menge kurz ihren Unmut, dann schritten die Helfer ein und forderten Ruhe. Die Wachen traten aus der Arena, kickten den ein oder anderen Unrat beiseite beim gehen, während der Junge allein und zitternd zurückblieb.
    Erst, als die Wachen weg waren, flog das Schwert, mit dem er kämpfen sollte, auf den Boden der Arena, keine zwei Schritte von dem Jungen entfernt. Er sah es an, als wäre es eine Giftschlange, und zitterte noch heftiger. Ein feiner, gelber Faden lief sein Bein entlang und dort, wo sein Fuß bebend auf dem Sandboden stand, bildete sich rasch ein dunkler Fleck. Das brachte noch mehr Spott und Gelächter mit sich, und die immer lauter werdende Forderung, er solle wie ein Mann sterben und endlich das Schwert aufheben. Der Bursche sah sich hilfesuchend in der Arena um, fand aber nur die Gesichter der nach Blut geifernden Menge. Vielleicht dachte er an Flucht, sich mit dem Schwert einen Weg freizuschlagen, aber wie hätte er durch die Zuschauer hindurch sollen? Wie durch die Wachen? Zögerlich hob er das Schwert auf, und gab somit auch das Zeichen zum Öffnen des Tores. Das Erscheinen des Gladiators auf der anderen Seite machte jeden aufkeimenden Fluchtplan zunichte.


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    Doch auf der anderen Seite der Arena gab es ein paar Personen, die das Spektakel nicht interessierte. Einer der doctores dimachaerii stand neben dem Käfig und redete auf Shayan ein, schon während der Ausrufer noch die Straftat des Verurteilten vorlas.
    “Die da erwarten alle, dass du verlierst. Keiner erwartet von dir, dass du gleich den ersten Kampf gewinnst. ABER ICH SCHON! Hast du verstanden, du parthischer Barbar? Du wirst denen da draußen gefälligst zeigen, dass wir im Ludus Dacicus Gladiatoren ausbilden und keine Hampelmänner! Also NIMM deine Deckung vernünftig hoch, achte auf die Randbereiche, dreh den Kopf mit dem Helm nicht wie ein Huhn auf der Suche nach Körnern, und denk an das Training! Attacke, Attacke, Attacke! Und Beinarbeit. Ich will vernünftige Beinarbeit von dir sehen, hast du mich verstanden?“
    In der Arena versuchte gerade das Bürschlein etwas Abstand zu dem schwer gepanzerten Gladiator zu bekommen. Er schlug mit dem Schwert, als versuchte er, Fliegen zu verscheuchen. Der Gladiator ging ihm nur ruhig nach und wischte die Metallklinge nur immer wieder lässig beiseite.
    “Ich geh jetzt auf die Tribüne zu Decrius und regele das restliche. Sobald der Affentanz da vorbei ist, bist du dran. Und denk nicht mal daran, mich zu blamieren!“


    Und damit ging er und ließ Shayan in seinem Käfig mit der einzigen sonstigen Begleitung allein: dem Nubier.
    Als dieser hier aufgetaucht war, hatte es kurz einen größeren Tumult gegeben. Nubius, der Primus Palus der Dimachaeri Roms, mit seiner phänomenalen Kampfstatistik von 17 Siegen und keiner einzigen Niederlage, hier in der Subura! Ein Mädchen war spontan in Ohnmacht gekippt, die meisten anderen beschränkten sich auf hysterisches Kreischen und drängten mit verweinten Augen nach vorne, um ihn einmal zu berühren. Und er war ja auch beeindrucken: Groß, schlank, trainiert, nicht ein Gramm an ihm schwächlich oder kränklich. Er hatte zwar ein paar Narben, aber keine von ihnen war wirklich häßlich zu nennen. Einige sahen sogar so aus, als wären sie künstlich erschaffen worden, weil sie so perfekt seine raubtierhafte Gestalt unterstrichen. Und so dunkel wie er war, so spielerisch wie er sich bewegte, erinnerte er an eine große Raubkatze. Es gab Geschichten aus dem Süden, von Panthern, die sich in Menschen verwandeln konnten. Und so es solche Wesen gab, der Nubier war einer davon.
    Die Mädchen und Frauen hatten sich vorgedrängt, noch an den Männern, die ihm auf die Schulter klopfen wollten, vorbei, fielen ihm um den Hals, hauchten ihm Liebesschwüre ins Ohr. Nicht nur ein Mann reagierte mit kaum verhohlener Eifersucht und zerrte sein Mädchen wieder zurück. Dem ein oder anderem Mädchen flüsterte der Nubier etwas zurück. Einer jungen Grazie, vielleicht dreizehn oder vierzehn, legte er kurz die Hand auf den Po und kniff leicht zu, während er sich zu ihr herunterbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte, was sie zutiefst erröten und danach hysterisch kichern ließ.
    Es hatte fast eine viertel Stunde gebraucht, bis sie den Käfig durch die Menschentraube durchführen konnten und wieder Normalität eingekehrt war.
    Jetzt stand der Nubier mit leichtem Raubtierlächeln neben dem Käfig, und seine Zähne blitzten geradezu grotesk weiß auf dem schwarzen Gesicht.
    “Aufgeregt?“ Es war das erste Wort, das der Nubier überhaupt an Shayan richtete in der ganzen Zeit, in der der Parther im Ludus Dacicus trainierte. Die spöttische Angstmache hatte er den anderen überlassen, er selbst hatte sich vornehm zurückgehalten.

    “Nicht ganz. Es gibt gefüllte Täubchen und gegrillte Lerchen. Dazu Pastinaken und Winterlauch, Asparagus, und als Nachspeise in Wein und Honig geschwenktes Trockenobst. Oder so. Die Köchin hat ein wenig ein Geheimnis daraus gemacht, meinte etwas von Spezialrezept.“ Axilla lachte ganz leicht und rückte ganz kurz charmant ein Stückchen im Laufen näher.
    Eigentlich hätte sie opulenter auftischen wollen. Aber es war gerade beginnender Frühling, so viele Sachen gab es nicht auf dem Markt. Das meiste war altes Wintergemüse, die Sorten des Frühjahrs waren noch nicht ganz reif. Einzig der Spargel, den die Köchin nach eigenen Worten für eine 'Unsumme, die mit Wucher noch schön beschrieben ist' aufgetrieben hatte, war ein echter Beweis des hereinbrechenden Frühjahrs. Das, und die Lerchen, die im Moment wieder in Schwärmen weiter Richtung Norden in ihr Sommerlager zogen und in Italia nur Zwischenhalt machten.
    “Eigentlich wollte ich ja dasselbe machen wie damals in Alexandria, aber die Gewürze sind hier einfach nicht zu bekommen. Und glaub mir, ich hab's wirklich versucht! Ich muss wohl doch meinen Verwalter in Ägypten noch bestechen, er soll mir ein paar kleine Amphoren voll mit Pfeffer und diesen ganzen scharfen Pulvern schicken.“


    Axilla war aufgeregt. Und wie immer, wenn sie aufgeregt war, plapperte sie einfach, völlig ohne Punkt und Komma, und versuchte so ihre Unsicherheit zu überspielen. Mittlerweile waren sie auch im Triclinum angekommen, das für den Gast fein hergerichtet worden war. Alles war blitzeblank, die Kissen auf den Klinen sogar extra neu gestopft worden und der Tisch mit feinem Öl solange poliert worden, bis das alte Holz dunkel und edel glänzte. Und viele fleißige Hände hatten sich mühe gegeben, das bisschen Frühling von draußen in Form von Blumen hereinzubringen, ohne dass es überladen wirkte.
    “Setz dich bitte. Willst du etwas Wein?“
    Platz hatte Imperiosus eigentlich genug. Für gerademal 3 Leute war das Triclinum eigentlich zu groß. Und dennoch wies Axilla natürlich auf den Ehrenplatz. Sie war sich nur n och nicht sicher, ob sie sich auf den Platz des Gastgebers setzen sollte oder da Seneca hinwollte. Also blieb sie erstmal stehen und behalf sich mit der Frage nach dem Wein, um die Zeit zu überbrücken.
    “Und was meinst du damit, dass die Classis ihren Kommandanten vermisst? Der wird doch nicht untergegangen sein?“ Bei Seeleuten wusste man nie. Axilla hatte nur ihre eigenen Erfahrungen an die Seefahrt, und die waren nicht unbedingt erbaulich.

    “Vielleicht solltest du für uns beide kochen. Bestimmt würde sich Cato freuen.“ Axilla rieb sich leicht die Seite. Nein, es tat nicht weh, und nein, sie war nicht wehleidig, aber er hatte die gemeine Stelle erwischt, die einen immer zusammenzucken ließ, wenn man sie richtig traf. Und das doof kribbelnde Gefühl breitete sich von da gern über die ganze Seite aus. Außerdem piekste er bestimmt gleich nochmal!


    Tat er aber nicht, stattdessen verabschiedete er sich. “Wenn dir was einfällt, sag mir bescheid. Du könntest mir zum Beispiel deine Kameraden mal vorstellen. Diesen Cato würd ich nur zu gern mal treffen. Ich brauch doch einen Verbündeten, der dich zurückpiekt, wenn du es am wenigsten erwartest!“ Sie lächelte ihren Cousin an, aber so wirklich fröhlich mochte sie sich nach wie vor nicht fühlen. Und dass Seneca jetzt wieder ging und sie allein ließ, machte die Sache nicht einfacher. Aber er hatte recht, er musste ja zurück. Und er sollte sich keine Sorgen machen. Also blieb Axilla einfach tapfer und lächelte noch tapferer, auch wenn sie sich ganz und gar nicht tapfer fühlte.

    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Araros öffnete wie immer die Tür. Er wusste, dass heute abend ein Gast erwartet wurde, und er hatte auch eine Beschreibung erhalten, wer der Gast sein würde. Zwar kannte er dem Pompeier nicht, doch war die Vermutung nicht abwegig, dass der Mann, der etwas später als der erwartete Gast an die Tür klopfte und sich so fein gemacht hatte, eben jener war. Außerdem passte die wenngleich recht vage Beschreibung seiner Herrin durchaus. Etwas älter als Axilla, aber noch keine 30, schwarze Haare, scharfe Züge, grüne Augen. Und wer sollte es sonst auch sein um diese Zeit, wo jeder Römer sein Abendessen einzunehmen pflegte?


    "Salve und willkommen in der Casa Iunia, Pompeius. Komm doch herein, ich führe dich zu meiner Herrin."

    Axilla war aufgeregt. Nicht, dass sie Angst hatte vor dem, was passieren würde. Das ganz sicher nicht. Sie kannte Imperiosus ja schon ziemlich lange, und sie für sich würde sogar sagen, sie kannte ihn ziemlich gut. Er war immer nett zu ihr gewesen, und Axilla hatte nicht den kleinsten Grund, anzunehmen, er würde sie nicht mögen. Und genausowenig hatte sie einen Grund, anzunehmen, Seneca könne Imperiosus nicht mögen.
    Aber: Es blieb trotzdem das Kennenlernen ihres nächsten männlichen Verwandten mit dem Mann, den sie wohl heiraten sollte. Auch wenn der davon nichts wusste (was das nächste Bauchschmerzthema war). Und wenn die beiden sich jetzt doch nicht leiden konnten? Oder wenn sie was blödes anstellte, und Imperiosus dann nicht wollte? Oder, wenn Salinator es ihm schon gesagt hatte, und sie sich dann gerade zum Affen machte? Oder wenn Salinator es ihm nicht gesagt hatte, und sie sich dadurch zum Affen machte? Irgendwie hatte Axilla das stetig wachsende Gefühl, dass sie es eigentlich gar nicht richtig machen konnte. Und darüber, warum Salinator durchaus von der Idee, Axilla würde Imperiosus heiraten, so angetan war, wollte sie auch lieber gar nicht nachdenken. Oder darüber, was die Decimi darüber denken würden, ganz zu schweigen von der restlichen römischen Gesellschaft. Warum war Politik nur so verflixt schwierig?
    Axilla konnte ihren Vater nun noch mehr verstehen, warum dieser bei der Legio gedient hatte und nicht den Weg der Politik gegangen war. Soldatendasein war einfach. Es gab die Bösen und die Guten, klare Linien, und man wusste genau, wieso der andere der Feind war. Einfache Aufgabe, einfache Lösung. In der Politik war jeder Freund und Feind gleichermaßen, mal mehr und mal weniger, und Axilla hatte keine Ahnung, was jetzt wieso zu welchem Ergebnis führen würde.


    Aber zunächst einmal galt es einen Gast zu empfangen, und dafür hatte sie sich heute fein gemacht. Sie trug ein grünes Kleid aus dünnem Stoff, eines von jenen aus Ägypten und wenn sie sich richtig erinnerte, dasselbe das sie damals bei dem Essen mit Imperiosus getragen hatte. Nur diesmal trug sie anderen Schmuck, und hatte sich weit mehr Mühe für ihre Frisur gegeben. Mit wenigen Nadeln war ihr Haar filigran hochgesteckt, um in feinen Korkenzieherlöckchen wieder in den Nacken zu fallen Dazwischen war ganz feiner Goldschmuck in Form von Halbmonden gesteckt, und wenn sie den Kopf bewegte, klingelte es manchmal ganz leicht, wenn diese aufeinandertrafen. Sie hatte sich sogar ein ganz klein wenig geschminkt, aber nicht sehr. Sie fand immer, das sah dann angemalt aus, aber angeblich gefiel das den Männern ja. Und sie wollte gefallen.


    Als ihr mitgeteilt wurde, dass ihr Gast eingetroffen war, nahm die Aufregung dann noch einmal zu. Mit klopfendem Herzen betrat Axilla das Atrium, wo sie auch gleich Imperiosus entdeckte. So fein, wie er sich gemacht hatte, war er auch kaum zu übersehen.
    “Imperiosus! Es ist schön, dass du kommen konntest.“ Sie war sich etwas unsicher, ob es wohl angebracht war, ihn zur Begrüßung zu umarmen oder ihm ein Küsschen wie unter Freunden auf die Wange zu geben oder vielleicht doch nicht, und etwas unschlüssig blieb sie so direkt vor ihm mit schüchternem Grinsen stehen.
    “Ich hab im Triclinum alles schon vorbereiten lassen für das Essen heute. Ich hoffe, du magst es. Mein Vetter Aulus Seneca wird auch noch dazukommen. Ich hab ihm schon erzählt, wie du mich damals von Ägypten mit nach Rom genommen hast. Aber auf dem Weg dahin, erzähl einmal, was ich so alles bei dir verpasst habe. Seit Archias Beerdigung hab ich dich glaub ich nicht mehr gesehen.“ Jetzt aber hakte sich Axilla doch recht zielstrebig ein und wies auch in die Richtung, wo das Triclinum lag, damit Imperiosus wusste, wo er lang musste.


    Keine Fragen und ein höfliches 'Herr' am Schluss, daran könnte der Scriba sich gewöhnen. Die meisten nutzten die Zeit, um ihn nach einigen Dingen zu fragen, wie Essen, Trainingsablauf, Tagesablauf (das waren meist die, die sich hier freiwillig eingefunden hatten), und die anderen nutzten die Zeit für Schmähungen und den wildesten Versprechungen, wem sie alles den Hals umdrehen wollten (das waren meist die Gefangenen, die noch in den Sprachen der Länder herumschimpften, in denen sie im Krieg gefangen worden waren). Aber dieses „Ja Herr“ kam selten. Eigentlich kannte er dieses demütige Ja sonst nur von dem letzten Neuankömmling, ebenfalls einem Parther. Lag vielleicht am Volk?
    “Gut, da vorne ist die Rüstkammer. Wenn etwas kaputt geht, meldest du es deinem doctor und dann wirst du hierhin geschickt, damit es repariert oder ausgetauscht wird. Der Ludus hat drei Schmiede, die für ihn arbeiten, es sollte also alles in Schuss zu halten sein. Aber geh pfleglich damit um, sonst wirst du bestraft.“


    Die Rüstkammer war ein größerer Raum, in dem ein paar Sklaven herumwuselten und den Neuling erst einmal fragend ansahen. “Thraker“, meinte der Scriba nur, und die Sklaven nickten und fingen an, Ausrüstung herauszusuchen. Ocreae aus Metall, Manicae aus Stoff und Leder, ein Cingulum aus Leder, ein Subligaculum aus festem, gutem Stoff. Einer der Sklaven, ein schlacksiger Junge von vielleicht zwölf Jahren, sprach mit deutlich östlich klingendem Akzent “Du ausziehen“ und deutete auf Alexions Sachen.


    Unterdessen redete der Scriba schon weiter. “Der Tag beginnt jeden Tag mit Sonnenaufgang. In der ersten Stunde gibt es Frühstück und du musst dich waschen. Die Therme ist direkt auf der anderen Seite der Arena. Du folgst am besten der Herde.
    Danach beginnt das Training. Dein doctor wird dich in deine Aufgaben einweisen. Ihm ist bei jedem Befehl folge zu leisten.
    Danach folgt Mittagessen, danach wieder Training, dann Abendessen. Es gibt jeden Tag 3 Mahlzeiten, mindestens drei Mal in der Woche Fleisch oder Fisch.“
    Was allein schon Grund genug für viele war, sich doch einmal als Gladiator zu versuchen, trotz der harten Ausbildung und des Risikos des sehr frühzeitigen Ablebens.

    Naja, SimOn wäre es etwas widersprüchlich, wenn Personen, die ja sich tagtäglich auf Latein und/oder Griechisch unterhalten, dann einen Kurs über die Sprache belegen, dafür vielleicht noch ein Diplom erhalten und sich das im Sinne eines CC's für die politische Karriere für höhere Ämter anrechnen lassen können, nicht?
    Ich mein, nichtmal der Cursus Iuris ist ein CC. Die Religionskurse sind auch keine CC's. Was also würde ein reiner Sprachkurs bieten, in dem es wirklich nur darum geht, den Leuten SimOff ein bisschen Latein oder Griechisch beizubringen, so dass man das SimOn als CC rechtfertigen könnte? Ich würde das ähnlich wie die Religionskurse ansetzen, also nicht als CC, aber als Vermerk im Tabularium.

    Sim-Off:

    Kein Thema. Keine Hektik, wir sind hier ja nicht auf der Flucht. Schreib einfach, wenn du Zeit und Lust hast, das passt dann schon.


    Der Iuventier beschränkte sich einen Moment darauf, ruhig zu atmen. Welche Vorstellung manche Sklavenbesitzer nur hatten? Bis er mit der Ausbildung dieses Mannes fertig war, so dass er wirklich in die Arena gehen konnte, würde mindestens ein Jahr* vergehen, und dann würde sich der Parther hier mit 20jährigen messen müssen, die schneller und kräftiger waren als er. Und der Praefectus Aegypti erwartete wohl nichts weniger als einen Champion. Iuventius Murcus konnte zwar vieles, aber zaubern war nicht darunter. Doch hatte er wohl wenig Auswahlmöglichkeiten.


    “Vergiss den Bogen, wir sind nicht im Matutinis. Auf Tiere schießt man mit Pfeil und Bogen, oder bei besonderen Inszenierungen auf Verurteilte. Ein Gladiator bezwingt seinen Gegner aufrecht von Angesicht zu Angesicht.“
    Er tippte mit seinem Stylus ein paar Mal überlegend auf eine Wachstafel und winkte dann einen der Sklaven im Hintergrund herbei. “Ich werde dich zum Thraker ausbilden lassen. Du, weiß ihm einen Raum zu und erklär ihm, was er wissen muss.““


    Der Sklave verneigte sich von dem Director und wartete bei der Tür auf Alexion.
    Es ging wieder durch das schattige Innenleben des Ludus auf die andere Seite der Arena, aber außen herum, währenddessen der Sklave anfing, zu erzählen.
    “Ich bringe dich jetzt zur Rüstkammer, wo man dir deine Ausrüstung anpassen wird. Als Waffen dienen die lusoria arma, die dir die doctores beim Training geben werden, aber deine Rüstung wird dir speziell angepasst. Danach bringe ich dich in deine Zelle, wo du wohnen wirst.“
    Der Weg führte nach unten, wo man die Geräusche vom Training der Arena gut hören konnte. “Wenn du Fragen hast, dann stell sie jetzt. Sobald du Novicus bist, gilt für dich Sprechverbot, es sei denn, du wirst etwas gefragt. Hast du das verstanden?“