Beiträge von Iunia Axilla

    Oh, Axilla, schön dich zu sehen. Es tut mir ja so leid, dass ich dich angelogen habe.... Ach, macht doch nichts, Silanus, kann ja mal vorkommen.... Nein, nein, es war nicht in Ordnung von mir! Ich schäme mich!
    Ja, so hätte das Gespräch vielleicht laufen sollen, nur ohne den sarkastischen Unterton in Axillas Gedanken. Aber stattdessen erkundigte sich Silanus nur nach der Sklavin und ließ seine Cousine damit – schon wieder – vollkommen ignorant stehen. “Zerstückelt im Garten, wo denn sonst?“ sagte Axilla nur vollkommen trocken. Bevor Silanus ihre Ironie noch ernst nahm, fügte sie hinzu. “Natürlich noch im Bad und hoffentlich schafft das Veilchenöl, den Gestank von ihr wegzubekommen.“
    Axilla schwankte sehr mit ihren Gefühlen, und ihr Cousin tat gerade reichlich wenig dazu, dass sie sich auf eine Richtung festlegen konnte. “Würdest du mir jetzt bitte einmal ehrlich sagen, warum du sie hier hergebracht hast. Und vor allen Dingen, warum du meinst, mich deswegen anlügen zu müssen. Ich würde es wirklich gerne verstehen.“

    Noch immer wusste Axilla nicht so recht, was sie eigentlich sagen wollte. Aber sie musste etwas sagen, sonst würde sie die ganze Nacht wach liegen und nur wieder verdammt wütend werden. Sie hatte es allerdings so sehr satt, immer diejenige zu sein, die hier alles wieder ins Lot brachte. Sie wollte nicht andauernd streiten müssen.


    Mit tausend Fragen im Kopf und sehr wenig Antworten dazu klopfte Axilla also bei ihrem Cousin ans Cubiculum. “Silanus?“ fragte sie. Wahrscheinlich war ihr ihre Verwirrung selbst durch die Tür hindurch an der Stimme anzuhören.

    Und da kam sie, die Wahrheit. Axilla nahm an, dass es die Wahrheit war, denn mal ehrlich, wer würde sich sowas schon ausdenken? Und Axilla hörte zu, während die Worte erst langsam, dann immer mehr aus Hiera herauskamen wie aus einer Weintraube in der Presse. Nur einmal zuckte es kurz in Axillas Gesicht, als die junge Frau meinte, Silanus hätte sie in einem ehrlichen Zweikampf besiegt. Ja, Silanus war ein Mann und ein Soldat Roms und Axilla würde keine Kränkung ihm oder seinen Fähigkeiten gegenüber dulden. Aber sie war auch nicht so dumm, zu denken, dass er nach seinem langjährigen Lungenleiden nun auf einmal zu einem wahren Gladiator mutiert wäre. Entweder also war Hiera weniger kräftig, als sie aussah, oder sie hatte absichtlich verloren. Oder sie hatte irgendeinen ziemlich blöden Fehler beim Kämpfen gemacht. Aber Axilla hatte ihrem Sohn bei seinen Übungen mit Malachi lange genug zugesehen, um zu wissen, dass ein Zweikampf etwas gänzlich anderes war als der Kampf in einer Legion, und nur beständiges Training einen da wirklich weiter brachte.


    Axilla hörte also zu und schwieg. Sie musste das ganze erst einmal verdauen. Nicht so sehr, dass ihr Cousin ihr eine Amazone ins Haus geschleppt hatte. Das war zwar irgendwo Wahnsinn, aber da konnte man ja noch vernünftig drüber diskutieren. Aber dass er sie angelogen hatte, das lag schwer in Axillas Magen. Und vor allen Dingen verstand sie nicht, warum er sie angelogen hatte. Hiera schob es auf sein Mitleid, ja. Aber das hätte er Axilla doch auch einfach sagen können. Sie hätte ein wenig getobt und ihn gefragt, ob er noch alle Amphoren im Regal hatte, aber dann wäre es auch wieder gut gewesen und sie hätten sich eine Lösung überlegt. Aber dass er sie anlog, noch dazu bei etwas wichtigem – und Axilla war es sehr wichtig, zu wissen, wer unter ihrem Dach lebte – das verstand sie nicht.
    “Gut...“, sagte sie schließlich, als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte. “Gut... Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast.“ Ja, soviel musste Axilla letzten Endes doch honorieren. “Dann geh jetzt ins Bad, dir muss ja schon ganz kalt sein. Corinna... ich denke, das Veilchenöl wäre gut. Und sieh mal, ob wir noch ein wenig Arnika-Salbe haben für die Kratzer. Und eine blaue Wolltunika. Ja....“ Axilla sprach halb zu sich selbst, halb zu den Sklaven. Ja, sie musste das alles erst noch ein wenig verdauen. Und sie musste mit Silanus reden. Dringend.


    Corinna half also Hiera weiter mit dem Bad, dem Kämmen ihrer Haare und schließlich mit dem Ankleiden, während eine reichlich verwirrte Axilla das Balneum verließ. Silanus hatte gesagt, er erwarte Hiera in seinem Cubiculum. Also nahm Axilla an, dass er dort sein würde, und machte sich auf den Weg.

    Oh, für Axilla war die Sache ganz und gar nicht kompliziert. Silanus hatte sie angelogen, ganz einfach. Und Axilla war dahinter gekommen. Auch ganz einfach. Da war absolut nichts kompliziertes dran. Nur etwas, das Axilla verdammt wütend machte.
    “Oh, ich werd ihn fragen, da kannst du dir absolut sicher sein“, schnaufte sie einmal ärgerlich und ihre Augen blitzten.
    “Er hat also gelogen, und du willst ihn nur nicht verraten, richtig?“ Die Geschichte, die er... Ja, Axilla hatte für so etwas schon ein feines Gehör. Die Geschichte, die er ihr gerade eben aufgetischt hatte, die war also Mumpitz. Und die Kleine wusste nun nur nicht, wie sie das retten sollte, was er vermasselt hatte. Na, wenigstens war sie treu, das war ja schonmal etwas. Trotzdem war Axilla in ihrer Wut jetzt gerade nicht darauf aus, sowas zu honorieren.
    “Ich will jetzt die Wahrheit wissen, und zwar die ganze Wahrheit. Wenn er es nicht verboten hat, dann sag sie besser jetzt, dann bin ich nur noch auf ihn sauer. Aber rausfinden werd ich die Wahrheit, und wenn ich den Kerl wie einen fünfjährigen übers Knie legen muss!“

    “Aber wie war sein NAME?“ fragte Axilla noch einmal und betonte das Wort dabei extra deutlich. So dumm konnte doch wirklich kein Mensch sein, der andererseits noch hier und da gerade Sätze herausbrachte?


    Doch dann war es, als würde die Fassade der jungen Frau bröckeln. Als Axilla sich die blauen Flecken und die Narben besah, schien es das erste Mal, als würde sie die junge Frau vor ihr irgendwie erreichen. Auch wenn die sich da gleich zurückzog und es abwinken wollte – jetzt wieder scheinbar klar.
    “Gekämpft?“ fragte Axilla einmal verwirrt nach, als ihr zu dämmern anfing, woher ihr die Kratzer und Schwielen an den Händen so bekannt vorkamen. Ihr Vater hatte ähnliche Hände gehabt. Malachi hatte fast dieselben Hände, nur sehr viel größer. Auch bei Silanus, Avianus und Seneca würde man ähnliche Spuren finden, mal ausgeprägter, mal weniger ausgeprägt. Das war eine Hand, die ein Schwert gehalten hatte.
    Und gerade, als Axilla dies endlich verstanden hatte und verstand, dass die Sklavin jetzt gerade nichts vorspielte, just da zog sie ihre Hand weg und stammelte ziemlich verlegen, dass Silanus es ihr nicht erlaubt habe. “Heißt das, mein Cousin Silanus hat dich angewiesen, mich anzulügen?“ formulierte Axilla die Sachlage mal etwas weniger nett, und dafür sehr genau auf den Punkt. Und wie Axilla jetzt die ganze Wahrheit wissen wollte. Jetzt erst recht!

    Als Axilla mit Corinna von ihrem Marktbesuch zurückkam, vermeldete Araros schon an der Prota, dass ein junger Besucher eingetroffen war: Der Sohn ihres Verlobten. “Oh“, machte Axilla etwas überrascht. Zum Glück war der junge nicht im Atrium, sondern einen Raum weiter im Tablinum, so dass er nicht sehen konnte, wie eiskalt sie diese Nachricht erwischte. An und für sich war es ja nichts schlimmes, und sie freute sich ja schon seit Wochen darauf, den Sohn von Torquatus kennen zu lernen. Er war ungefähr im Alter von Atticus, also hoffte sie, mit dem jungen Mann auch klar zu kommen.


    Sie lud Corinna also den Teil des Einkaufes auf, den sie selbst bis eben getragen hatte und strich noch einmal ihr Kleid glatt. Da sie auf dem Markt war, war es eine recht einfache, grüne Wolltunika aus feiner Wolle ohne großen Schnickschnack. Nur ein paar Zierleisten um den Ausschnitt und alle Säume, aber nun nichts beeindruckendes oder gar verführerisches. Axilla hätte lieber etwas für das erste Treffen angezogen, das ein wenig mehr hermachte, aber gut, so war es nunmal.


    Ein letztes Glattstreichen, und Axilla betrat das Tablinum. Darin stand ein junger Mann, ein knapper Kopf größer als sie, und wirkte reichlich verloren. “Salve. Mein Name ist Iunia Axilla“, stellte sie sich erst einmal einfach vor. Da die Jugend immer ungeduldig war, würde er ohnehin mit allen fragen, die er hatte, auf sie zukommen, davon war Axilla überzeugt.

    Als Axilla die Antworten des Mädchens hörte, wunderte sich Axilla eher noch mehr, warum Silanus sie mitgenommen hatte. Hiera schien schwachsinnig zu sein. Anders war das dümmliche Grinsen und die seltsamen Antworten ja gar nicht zu erklären. “Und wie hieß dein letzter Herr?“ fragte Axilla trotzdem nochmal, während Corinna kräftig schrubbte. Wie viel Dreck von einem einzelnen Körper runterkommen konnte, war kaum zu glauben. Und dabei hatte Axilla zwei Jungs, die als Kinder gerne im Dreck rumgematscht hatten! Vor allen Dingen aus den Haaren kam eine dicke, braune Brühe heraus... Glücklicherweise war das Haus an die Kanalisation angeschlossen, so dass alles einfach den Ablauf hinauslaufen konnte und niemand die eklige Brühe noch wegtragen musste.


    Aber je mehr Dreck herunterkam, umso deutlicher wurde etwas anderes: Was Axilla vorhin als Striemen wahrgenommen hatte, waren eigentlich Narben. Fast alle waren älter und schon gut abgeheilt, aber dennoch deutlich auf der sauberen Haut zu sehen. Und das Mädchen musste verprügelt worden sein, so viele blaue Flecke wie sie hatte. Corinna schnappte auch nach Luft, als sie das sah, und Axilla stand mit besorgter Miene auf und begutachtete das junge, nasse Mädchen vor ihr. “Isis, Mutter der Gnade... Wer hat dir das angetan, Kind? Wer hat dich so verprügelt?“ Sogar an den Händen hatte Hiera ein paar Narben, die Axilla seltsam vertraut vorkamen. Sie nahm Hieras Rechte in einem Reflex in ihre Hand und fuhr mit dem Daumen über die Narben. Dabei fühlte sie auch die Schwielen, die Hiera an den Händen hatte. “Welche Arbeiten hast du zuletzt verrichtet?“ fragte sie noch einmal nach. Da war etwas mit dieser Hand, das so fürchterlich vertraut war, dass Axilla einfach nicht darauf kam, was genau nun daran ihre Aufmerksamkeit so auf sich zog.

    Mit Hiera im Schlepptau erreichte Axilla auch eilig das Bad. Unterwegs rief sie noch nach Corinna, denn hierbei würde sie ganz sicher Hilfe brauchen. Trotzdem führte Axilla vom Gestank der neuen Sklavin unbeirrt das Gespräch fort. “Von wo aus dem Osten kommst du denn? Asia? Iudaea? Aegyptus? Wir können uns auch auch Koine unterhalten, falls das hilft“, bot Axilla großzügig an. Das Mädchen schien zwar gut Latein zu sprechen, aber Axilla sprach auch hervorragend das Griechische, sogar mehrere Dialekte.
    “Was hast du denn bei deinem letzten Herrn gemacht? Überhaupt, wer war denn dein letzter Besitzer? Von wem hat dich Silanus überhaupt gekauft?“ Silanus hatte ja nur etwas von einem Podest gesagt, aber mit keinem Wort, wem das Podest gehörte.


    Im Bad war es wie immer etwas wärmer. Axilla blieb mit Hiera im Vorraum stehen und wies sie an, stehen zu bleiben. “So, Decke weg. Ich fürchte, wir müssen dich erstmal Abspülen und kräftig einseifen, bevor wir dich ins Wasser lassen können. Vielleicht auch mehrfach. Und was haben die nur mit deinen Haaren angestellt?“

    Sim-Off:

    Nur dass ihr's wisst: Ich kugel mich wegen euch hier vor lachen!


    Von irgendwelchen Grenzübertritten ihrerseits merkte Axilla rein gar nichts. Silanus hatte ja gesagt, dass seine Sklavin im Haushalt helfen sollte, und nunja, die Einteilung des Haushaltes war ihre Aufgabe. Da war es ja ganz natürlich, dass sie wissen musste, was diese Hiera nun konnte oder auch nicht konnte. Dass sie das nicht einmal sagen konnte, sprach jetzt nicht unbedingt für die Auswahl von Silanus. Aber erst einmal ging es in Richtung Balneum! Sie würden Hiera ordentlich abschrubben müssen, bevor die ins Wasser gehen konnte. Wenn Axilla das richtig sah, hatte das Mädchen sogar Dreck im Gesicht!

    Axilla hatte sie ja beide schön im Blick und bekam daher die Reaktionen sowohl von Silanus wie auch der Sklavin mit. Er war ja noch ganz überzeugend mit seiner Geschichte, aber das Mädchen schien eigentlich erst so, als wollte sie widersprechen. Irgendwas war hier also im Busch.
    Axilla bedachte Silanus mit einem Blick, den jede Mutter früher oder später regelmäßig gebrauchte: Noch hatte sie keine Beweise für eine Lüge, aber wenn sie diese hatte, dann sollte Silanus zu allen Göttern um Gnade beten. “Dein Augenlid zuckt, wenn du was verheimlichst“, sagte Axilla an ihren Cousin gewandt. Es stimmte zwar nicht, aber er sollte sich ruhig erwischt fühlen. Irgendwas war da im Busch.


    “Ich zeig dir, wo das Bad ist. Nimm die Decke mit, die tauschen wir dann auch gleich noch einmal aus. Und auf dem Weg dahin erzählst du mir, was du kannst, wo du herkommst und was du bislang gemacht hast.“ Vielleicht bekam Axilla ja aus dem Mädel so die Wahrheit heraus, wenn Silanus sich schon so nebulös gab.

    Jaja, es war nicht so, wie es aussah. War es ja nie. Aber wie war es denn bitte dann? Nein, Axilla war an dieser Stelle noch nicht bereit, locker zu lassen, zumindest nicht ganz. “Jetzt fahr sie nicht an, nur weil dir die Worte ausgehen“, wies Axilla erst einmal Silanus zurecht und stellte sich mit verschränkten Armen erst einmal hin um klar zu machen, dass das hier definitiv noch nicht zuende besprochen war. “Warum hast du sie überhaupt gekauft? Tut mir leid, Liebes, aber du riechst, als wärst du aus einer Gerberei.“ Der letzte Teil war an die Sklavin gerichtet. Diese hatte wirklich ein Odeur an sich, das irgendwo zwischen Leder, Rost, Schimmel und Schweiß lag.

    Bett zugeteilt, persönliche Sklavin. Jaja. Axilla verstand, konnte es aber nicht wirklich glauben. Hatte sich Silanus in Hispania so sehr verändert, dass er sich jetzt schon eine Sklavin für seine Bedürfnisse kaufte? Und was für eine noch dazu! Abgesehen davon, dass sie noch ein halbes Kind war, roch sie fürchterlich und sah aus, als hätte sie sich geprügelt. Und schmutzig war sie auch.


    Und was hieß hier, solange er unverheiratet war, war sie Hausherrin? “Sozusagen? Sozusagen?! Ich habe hier 'sozusagen' zehn Jahre lang in Rom die Stellung gehalten, mich um alles gekümmert und in Schuss gehalten, die Sklaven versorgt, mich um die elenden Weibergeschichten von Seneca und Avianus gekümmert und dafür gesorgt, dass der Ruf unserer Familie bewahrt wird. Sozusagen, also wirklich!“


    Axilla schüttelte den Kopf und war ein wenig verwirrt von dem leisen 'Salve' durch die Sklavin. “Ja, auch salve“, erwiderte sie etwas verwirrt und stürzte sich dann wieder verbal auf Silanus, den sie nicht so einfach nun mit dieser knappen Begründung davonkommen lassen wollte.
    “Kannst du mir jetzt bitte erklären, was das ganze hier ist? Ich meine...“ Axilla deutete auf Hiera auf und ab, dann auf Silanus und den Gürtel. “Was machst du da? Sie ist ja noch halb ein Kind! Und überhaupt... ich meine...“ Nein, Axilla wollte wirklich nicht glauben, dass ich Cousin auf irgendwelche komischen Sexspielchen abfuhr, und darüber hinaus, dass er dafür extra eine Sklavin kaufte und diese in der Domus Iunia einquartierte, während er ja die meiste Zeit in der Castra Praetoria hockte.

    Dass die Tür ging und Silanus zurückkehrte, hörte Axilla von ihrem Officium aus. Den Schritt seiner Füße konnte sie inzwischen wieder gut auseinanderhalten von dem Tippeln von Corinna, dem Stampfen ihres Sohnes Cossus Largus, dem herumflitzen von Begoas und Pontikos oder dem Schlurfen von Araros. Das waren alles Geräusche, die man kannte.
    Was Axilla aber erst einmal stutzig werden ließ, war die Tatsache, dass sie Silanus weder wirklich reden hörte, noch die Treppe hinaufkommen. Als sie die Tür zu einem der Servitricia sich öffnen hörte, wurde sie dann aber doch neugierig. Sie stand auf, um einmal nachzusehen, was denn los war. Sie war noch kaum an der Treppe, als plötzlich ein sehr lautes Frauenlachen ertönte. Noch dazu eines, welches sie nicht kannte. Axilla zog die Stirn kraus und ging hinunter, um jetzt doch einmal nachzusehen, was da denn vor sich ging.


    Allerdings hätte sie nicht erwartet, Silanus zu sehen mit einem Gürtel in der Hand, und vor ihm eine fast nackte Frau mit Striemen auf dem Rücken, die sich augenscheinlich gerade halb totgelacht hatte und noch immer außer Puste war. “Äh... stör ich bei was bestimmten?“ machte sie sich mit einer Frage bemerkbar. Ihr Blick sprach Bände. Aber was sollte sie auch anderes denken? Hier stand ihr Cousin, das Corpus Delicti noch in den Händen, zusammen mit einer halbnackten, sehr jungen Frau, die irgendwie schon wieder fast wie ein Junge aussah – und auch so roch. Was bei Iuno machte er da?

    [Blockierte Grafik: http://oi63.tinypic.com/11r6j36.jpgAraros


    Wie immer war es Araros, der die Tür öffnete. Vor ihm stand ein Sklave und ein junger Mann, etwa im Alter des Ältesten der Hausherrin. Und offensichtlich der Sohn des Hausgastes und Verlobten eben jener Hausherrin.


    “Fabius, tritt bitte ein. Dein Vater ist momentan im Palatium Augusti, wird aber zurückkommen. Dominus Iunius Silanus wiederum ist in der Castra Praetoria. Domina Iunia Axilla aber müsste demnächst von ihren Erledigungen in der Stadt zurückkommen. Wenn du so lange im Tablinum warten möchtest, steht dir die Gastfreundschaft des Hauses Iunia natürlich offen.“ Natürlich ließ man den jungen Mann nicht hier draußen auf der Straße stehen. Sollte er sich im Tablinum etwas ausruhen, ein wenig Essen und Trinken und sich schon einmal umsehen, bis die Hausherrin oder sein Vater kam. Je nach dem, was schneller eintrat.

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    Kephalos nahm die Unterlagen entgegen und blickte einmal kurz darüber. Kurz grübelte er, wie er die Wünsche von Fabius Torquatus umsetzen sollte, ohne den Mann darauf aufmerksam machen zu müssen, dass das alles nicht so einfach war, wie er sich das dachte. So ein Umbau dauerte Monate. Wenn der Boden in Mitleidenschaft gezogen wurde, konnte es auch Jahre dauern, bis alles fertig war.
    “Sesterzen können sicherlich vieles beschleunigen, außer den Lauf der Elemente. Manche Dinge dauern, so lange sie dauern“, antwortete Kephalos also nur philosophisch und vermied es dabei, den Fabier über Trocknungseigenschaften von cementium oder von Harz zu belehren. Vermutlich würde der Mann es sowieso nicht verstehen.
    Kephalos übergab die Unterlagen seinem Lehrling, der diese hastig in seiner Tasche verstauen wollte und damit ordentlich zu kämpfen hatte. Ohne sich weiter um den Lehrling zu kümmern, folgte Kephalos auch weiter in Richtung des Peristyls.

    Vettiena Capita hörte den beiden jungen Frauen zu und lachte schließlich, während sie Axilla in die Seite mit ihrem Ellbogen stupste. “Ach, die Jugend von heute, so leicht zufrieden zu stellen.“
    Eigentlich wollte Axilla ja durchaus ernst bleiben, aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Ein wenig musste sie schon schmunzeln. Ja, sie und Vettiena Capita waren beide auch mal jung und naiv gewesen. Ein paar Ehen und ein paar Orgien und mehr Jahre, als man zugeben mochte, später, hatte man einfach mehr Erfahrung.
    “Was würdest du denn noch ergänzen?“ fragte Axilla also. Es bestand ohnehin keine Chance, dass ihre Freundin mit diesem Spiel aufhören würde. Und ein bisschen Humor konnte man schon einmal zeigen.
    “Na, die Form an und für sich. Auch ein muskulöser Breitarsch ist ein Breitarsch. Oh, und natürlich die Farbe! Es gibt doch nichts schrecklicheres, als einen gut gebauten, sonnengebräunten, eingeölten Adonis, der dann einen schafskäseweißen Hintern hat, wenn er die Hüllen fallen lässt. Also entweder muss alles gebräunt sein, oder gar nichts. Aber diese Lendenschurz-Streifen sind unästhetisch.“
    Jetzt musste Axilla doch noch wirklich grinsen. “Vergiss die Haare nicht“, meinte sie schließlich jucksend.
    “Oh, Götter, ja! Ich hoffe doch, die Jungs waren in der Therme beim Haarausreißer und haben sich nicht nur Brust und Arme enthaaren lassen.“

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    Auf die Frage nach seinem Namen hin verneigte sich Kephalos ganz leicht. Den genervten Ton des Fabiers versuchte er, zu ignorieren. Es war ja nicht seine Schuld, dass dieser hier vor Ungeduld bald platzte. Der würde sich noch wundern, wie lange so ein Umbau dauern konnte.


    Kephalos folgte also dem Mann ins Innere, und sein Blick wanderte zuerst einmal nach Oben zu den Decken, Giebeln und Trägern. Dies war immer der erste Blick eines guten Architekten. Gerade Mauern konnte jeder Trottel aufbauen. Wichtig waren die Abschlüsse, das Gebälk, die Simse. Dort entschied sich, ob etwas Bau-kunst war oder eher bau-fällig.


    “Besitzt du einen Plan des Hauses, auf welchem ersichtlich ist, welche Wände tragend sind und welche nicht?“ fragte Kephalos sogleich zurück. Irgendwelche Rückbauten konnten schließlich nur vorgenommen werden, wenn das Haus dadurch nicht gleich einstürzte. “Um den Lichteinfall zu vergrößern, wäre das einfachste, die Säulen durch andere zu ersetzen. Das geht aber nur, wenn diese nicht essentiell für die darüberliegenden Strukturen sind. Ein Impluvium hingegen ist kein Problem. Als aufgesetzte Wanne bleibt der Fußboden erhalten, allerdings ist es dann erhöht. Man könnte es durch Stufen optisch abmildern. Durch eine aufgesetzte Wanne böte sich der Vorteil, dass man am Rand des Impluviums sitzen könnte.
    Allerdings wäre klassisch ein niedrigeres Impluvium. Hierdurch müsste der Boden aufgebrochen werden, um die Wanne zu gießen, und anschließend der Boden wieder neu hergestellt werden. Das dauert allerdings.“

    Axilla atmete einmal tief durch. Hach, egal, wie erwachsen er auch tun mochte, Atticus würde immer ihr kleines Baby bleiben. Daher konnte sie die Rüge auch nur zur Hälfte ernst nehmen. Dennoch bremste sie sich mit weiteren Vorschlägen. “Gut, dann nur die Rüstung. Möchtest du sie gleich anprobieren, oder sollen die Sklaven sie zur Casa Pompeia tragen?“ Die Riemen würden angepasst werden müssen, vielleicht auch erneuert. Ihr Sohn war ja doch ziemlich groß und sicherlich größer, als Axillas Vater es gewesen war. In diesem Merkmal und dem ein oder anderen weiteren kam eben doch das Erbe seines wahren Vaters durch. Doch solange Imperiosus fern von Rom bleiben würde und damit sämtliche Ansprüche auf seine Söhne aufgab, würde auch niemand die beiden nebeneinander sehen und diese Unterschiede bemerken. Und solange Duccius Vala in Germania blieb, würde auch nie jemand irgendwelche Gemeinsamkeiten entdecken.

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    Als hätte man nicht schon mehr als genug zu tun! Erst zwang Iunia Axilla ihn, eine Vorlesung über Tempelbaukunst zu halten, um ihrem Sohn und ein paar anderen wenigstens rudimentäre Kenntnisse zu vermitteln, und nun verlieh sie ihn auch noch einfach so, ohne ihn zu fragen. Abkommandiert! Wie ein grobschlächtiger Legionär!
    Nein, nein, das wirklich nicht hinnehmbar!


    Wie eine in Seide gekleidete Gewitterwolke als brummelte der Grieche seinen Weg entlang. Hin und wieder musste er sich auch noch erkundigen, wo er denn nun entlang musste. Diese Stadt war einfach zu unübersichtlich. Und warum musste es gefühlt immer bergauf gehen?
    Seine beiden Lehrlinge waren zwar nur halb so alt, wie er, schnauften aber doppelt so sehr, als sie endlich an der genannten Adresse ankamen. Ein Mann stand auch schon da und schaute erwartend. “Fabius?“ fragte also Kephalos mit seinem recht griechisch angehauchtem Bass, um sicherzugehen, wirklich hier richtig zu sein.