Axilla lag noch immer auf dem Rücken und schaute hoch zur Decke, als Seneca erst einmal antwortete. Als sie aber hörte, was er über sich selbst sagte, wandte sie ihren Blick doch ihm zu, und eine Weile sagte sie einfach nichts, sondern schaute ihn einfach nur stumm und etwas fragend an. Sie war nicht so gut mit Worten, war sie noch nie gewesen, und auch jetzt wusste sie nicht so recht, wie sie das sagen sollte, was sie sagen wollte. Also blieb nur eines, was sie weit besser konnte als Worte: Gesten.
Sie setzte sich auf und mit einer flinken Bewegung saß sie auch schon auf Senecas Schoß, umarmte ihn stumm und innig mit geschlossenen Augen, ihre Stirn an seiner, als könnten damit die wirren Gedanken in ihrem Schädel direkt in seinen hinüberwandern und er würde sie verstehen. Sie blieb in dieser warmen Umarmung einen Moment stumm, ehe sie ihm einen sanften Kuss auf die Wange gab. Die Augen hatte sie noch immer geschlossen. “Ich kann mir niemanden vorstellen, den ich hier in Rom lieber an meiner Seite hätte und dem ich lieber unseren Namen anvertrauen würde“ sagte sie ganz leise und meinte es auch ehrlich. Wobei sie dasselbe auch Merula ebenso ehrlich gesagt hätte, wäre ihr Lieblingscousin hier und nicht in Alexandria gewesen. Dennoch war es die reine Wahrheit, und Axilla war stolz auf ihren Vetter Seneca, dass er zu den Cohortes Urbanae gegangen war. Wenngleich die Legiones ruhmreicher waren, war das doch ein Teil dessen, was Axilla generell mit Stolz erfüllte.
Nach einem kurzen Moment dieser innigen Zweisamkeit ließ Axilla ihren Vetter wieder los und stand auf. Nicht, weil ihr die Nähe peinlich gewesen wäre, das ganz sicher nicht. Aber sie dachte, es könnte Seneca peinlich sein, und das wollte sie natürlich nicht. Vermutlich hatte sie den armen Kerl mit dieser unrömischen Körperlichkeit gerade ohnehin vollkommen überfahren.
Aber jetzt wollte sie ihn erst einmal an ihren Überlegungen teilhaben lassen. Und dafür waren geordnete Gedanken besser. Axilla atmete also einmal durch, und fing dann an.
“Angesichts unseres alten Familiennamens und da ich den Ordo Equester noch von meiner Ehe mit Aelius Archias führen darf, muss der Mann natürlich einen gewissen Stand haben. Und ich meine, auch wenn Archias wohl verrückt war, er war doch Mitglied der Gens des Kaisers... das sind dann schon hohe Maßstäbe.
Ich denke insgesamt, dass ein Ritter wohl angemessen wäre. Bei einem Senator bestünde die Schwierigkeit, dass wir vielleicht ein bisschen wenig zu bieten haben. Ich kann als Mitgift zwar einen Saltus Ackerland bestellen, aber ich weiß nicht, ob das reichen würde. Außerdem müsste ich dann meine Farbmischerei aufgeben, wenn ich in den Ordo Senatorius komme.“
Das war erst einmal der Grundgedanke, der Axilla sehr lange beschäftigt hatte. Aber sie wollte ihre Farbmischerei wirklich ungern aufgeben, da steckte so viel Herzblut drin. Und es gab ja einige hochrangige Ritter, die frauen- und erbenlos waren.
“Ein unverheirateter ohne Erbe wäre wohl das beste. Ich hab mir auch schon ein bisschen was zu den einzelnen in Frage kommenden Männern überlegt.“ Ein bisschen war gut. Axilla hatte drei Tage zeit zum Denken gehabt. Das war verdammt viel Zeit, vor allem wenn man schlaflos im Bett lag und an die Decke starrte.
Eine Möglichkeit wäre der Magister Iuris Decimus Mattiacus. Silanus war ja der Klient von dessen Bruder, Decimus Livianus, aber da Silanus so krank und in Hispania ist, ist da nicht mehr viel Einfluss übrig. Aber ich weiß nicht, ob das gut wäre, angesichts der Tatsache, dass Aelius Archias mit Decima Seiana verlobt war, ehe er mich geheiratet hat.“ Man konnte es wohl so sehen, dass Axilla der Decima den Kerl ausgespannt hatte. Wenn auch nicht mit Absicht oder gar bösem Willen. “Und soweit ich weiß ist sein Posten pro bono, so dass ich nicht weiß, ob er irgendwoher ein Einkommen bezieht. Auch weiß ich nicht, ob er deiner Karriere so förderlich wäre.
Da wäre es eher besser, das ganze an Decimus Livianus heranzutragen, der ja auch unverheiratet ist. Allerdings ist der Senator, in Germania und hat schon zwei erwachsene Erben, so dass mein Einfluss auf ihn wohl sehr gering wäre. Und außerdem... Wenn wir uns so offensichtlich auf die Seite der Decimer stellen würden, würden wir uns damit politisch gegen Salinator bekennen. Und da du in Rom und in dessen Einflussbereich bist, halte ich das für gefährlich.“
Wie gesagt, Axilla hatte viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken.
“Eine andere Möglichkeit wäre Annaeus Varus, der auch schon eine Weile geschieden ist. Er ist Procurator ab Epistulis und damit ja schon ziemlich weit oben in der Rangleiter. Allerdings hat ihn die Scheidung von seiner Frau wohl etwas mitgenommen, und man hört sehr wenig von ihm allgemein. Ich weiß nicht, ob er da überhaupt Interesse hätte.
Außerdem wäre eine Verbindung mit den Annaern vorteilhafter, wenn man sie mit Annaeus Modestus schließen würde. Der ist auch unverheiratet und ohne bekannte Erben, und er ist LAPP in Germania. Allerdings ist der wiederum Senator, was bedeuten würde, ich müsste die Farbmischerei aufgeben. Und es bliebe abzuwarten, ob er überhaupt ein Interesse an einer Verbindung zu den Iuniern haben würde, haben die Annaer doch ebenso einen alten und ehrwürdigen Namen und wir nur wenig an Einfluss zu bieten. Ich meine, wenn er hier in Rom wäre, könnte ich versuchen, ihn zu verführen... aber er ist in Germania und hat mich noch nicht einmal gesehen oder so.“ Was das Ganze schwierig bis unmöglich machte. “Außerdem war er Prätor bei dem Verfahren gegen Decimus Livianus. Das würde uns zwar vermutlich einen Bonus bei Vescularius Salinator bringen, aber würde den Graben zu den Decimern vertiefen.“ Was die ohnehin schon schwierige Sache noch weiter Richtung unmöglich rückte.
Wen gab es da noch auf der Liste möglicher Kandidaten?
“Eine weitere Möglichkeit wäre Octavius Dragonum. Er ist Paefectus Legionis in Ägypten. Er ist schon ein wenig älter...“ Mehr als doppelt so alt wie Axilla, um genau zu sein. Aber dieses Opfer war sie durchaus bereit, einzugehen. “und hat noch keinen Erben. Auch wenn Octavius Macer die Anklage gegen Decimus Livianus geführt hat, glaube ich, dass diese Ehe uns nicht mit den Decimern entzweien würde. Octavius Dragonum ist Klient von Livianus, aber durch die Rolle von Octavius Macer bei dem Prozess würde uns das wohl auch nicht gegen den Praefectus Urbi stellen. Er soll wohl auch recht wohlhabend sein, was ebenfalls ein großer Vorteil wäre. Und da er beim Militär ist, kann er dir vielleicht auch bei deiner Karriere helfen.“ Soweit zu den Vorteilen, nun der Haken. “Allerdings kann ich nicht wieder nach Ägypten. Ich glaube, Terentius Cyprianus würde mich ebenso umbringen lassen wie Urgulania. Und ich weiß nicht, ob Octavius Dragonum damit einverstanden wäre, mich durch schriftliches Einverständnis hier in Rom zu heiraten, so dass ich hier bleiben könnte. Ich meine, ich würde ihn schon besuchen, um... einen Erben zu machen, aber... ich will in Rom leben.“ Und da war nun die Frage, ob der Octavier sich auf so ein Geschäft einlassen würde. Da er selber Geld hatte, brauchte er das Vermögen von Axilla nicht zwingend.
Also kam Axilla zu ihrem letzten Kandidaten.
“Und schließlich hab ich mir noch überlegt, dass Pompeius Imperiosus eine Möglichkeit wäre. Er ist noch jünger, und im Moment Tribun der Classis. Nach dem, was man sagt, versteht er sich gut mit Vescularius Salinator, und ich glaube, dass Archias ihn deshalb in seinem Testament mit ein paar... unfeinen Zeilen bedacht hat. Du musst wissen, die beiden waren eigentlich gute Freunde, bis das mit dem Wahn bei meinem Mann angefangen hat.“ Axilla schaute ein wenig beschämt zur Seite. Ihr war es immer noch etwas peinlich, wie sie sich so in Archias hatte irren und es so lange nicht hatte sehen können, was in ihm schlummerte. Wenn sie nur früher bemerkt hätte, wie er gewesen war, vielleicht wäre Leander dann heute am Leben...
“Er ist jetzt noch kein Ritter, aber ich denke, wir könnten ihn mit meinem Vermögen dazu ganz schnell machen. Was natürlich auch den Vorteil hätte, dass dann unser Einfluss bei ihm höher wäre und meine Stellung damit gesicherter. Und bestimmt würde er dich im Gegenzug bei deiner Karriere unterstützen.
Er ist ziemlich sympathisch. Und natürlich kennt er mich schon. Er hat mich ja damals aus Ägypten überhaupt nach Rom gebracht, ich bin ja bei seinem Schiff mitgefahren. Gut, er hat keine Anzeichen gezeigt, dass er mich gerne in seinem Bett hätte, aber ich war auch furchtbar seekrank und wohl nicht besonders anziehend dadurch.“ Der Punkt bereitete Axilla allerdings tatsächlich ein wenig Sorge. Vielleicht mochte Imperiosus sie einfach nicht? Oder aber vielleicht mochte er überhaupt keine Frauen, was es Axilla sehr schwer machen würde, ihm treu zu bleiben. Immerhin stand sie jetzt schon kurz davor, sich eine Maske zuzulegen und eine Orgie zu besuchen, nur um mal wieder einen Mann in ihrem Bett zu haben.
Sim-Off:Entschuldige den Monsterpost 