Beiträge von Iunia Axilla

    Vielleicht sollte sie es so machen, wie es passiert war? Einfach schreiben, wie es zu dem Gespräch gekommen war, und was Purgitius auf ihre Fragen so geantwortet hatte, ohne großen Schnickschnack? Würden die Leute das wohl verstehen, und wichtiger, würden sie das so lesen wollen? Immerhin war die Acta ja die Staatszeitung, da wollte man lesen, was der Staat gerade wichtiges machte. War das, was der Consul so tat, wichtig? Naja, vermutlich war es das, sonst bräuchte man ja keinen Consul.


    Wie üblich, wenn sie sich ihrer Sache nicht sicher war, kaute Axilla auf ihrer Unterlippe herum. Auch vom auf die Tafel starren wurde es nicht wirklich erkennbarer, was sie tun sollte. Nicht einmal die Sonne mit ihren warmen Strahlen änderte irgendwas daran, dass Axilla keine Ahnung hatte, wie sie die ganze Sache beginnen sollte. Und das war ja eigentlich das einzig schwierige an der Sache, denn war der Anfang gemacht, folgte der Rest schon irgendwie nach. Nur diese ersten Zeilen, die musste man erst einmal finden.
    So langsam versank Axilla in Frust über ihre Ideenlosigkeit, als die Rettung herbeieilte. Vermutlich wusste der Retter nicht einmal etwas von seiner unglaublichen Heldentat. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn er auch nur erahnen könnte, wie sehr sich Axilla eine Ausrede gewünscht hatte, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Aber da stand er, im Licht der Sonne keine zwei Schritte neben ihr, und fragte, ob er sich zu ihr setzen durfte.
    Axilla blinzelte hoch, die Sonne blendete ein bisschen, und schenkte ihrem Retter ein strahlendes Lächeln. “Selbstverständlich gerne, setz dich.“ Erst einen Moment später erkannte sie den dicken, roten Streifen an der Toga, und ein nicht vollkommen unauffälliger Blick in Richtung Schuhe verriet Axilla, welche Stellung der Mann hatte. So kam ein hastig nachgeschobenes “Senator“ nichts desto trotz strahlend über ihre Lippen.
    Irgendwoher kam ihr der Mann vage bekannt vor, aber sie wusste nicht woher. Vermutlich hatte sie ihn irgendwo mal gesehen, als Senator würde er ja durchaus den einen oder anderen öffentlichen Auftritt haben. Und da sie für die Acta arbeitete, sah sie sich den einen oder anderen öffentlichen Auftritt eines Senators schon mal auch an. Aber Axillas Gedächtnis, was das Zusammenbringen von Namen zu den passenden Gesichtern anging, war ohnehin nicht übermäßig ausgeprägt. Vielmehr begnügte sie sich damit, von einer unangenehmen Aufgabe nun abgehalten zu sein und tat das, was all jene taten, die hier und da mal gerne prokrastinierten: Sie sagte sich, dass sie für die unangenehme Aufgabe gar keine Zeit nun hatte, da eine andere Aufgabe so direkt und unerfüllt vor ihren Augen lag. Die einen erkannten dann, wie unaufgeräumt ihre Wohnung war und fingen an, zu putzen, die anderen entdeckten, dass irgendwelche Bücher völlig unalphabetisch geordnet im Regal lagen, wieder andere beantworteten erst einmal liegen gebliebene Korrespondenz. Axilla wiederum sagte sich, dass es doch äußerst unhöflich wäre, einen Senator Roms mit Schweigen zu bestrafen und sich in ihre Arbeit zu verkriechen, wo sie sich doch viel eher mit ihm unterhalten sollte. Ihre Arbeit konnte sie ja immerhin auch später machen, aber der Senator war jetzt hier.


    So wartete Axilla nur gerade, bis der Mann sich gesetzt hatte, als sie auch schon – noch immer mit der Sonne um die Wette lächelnd – ein kleines Gespräch initiierte. “Es ist herrlich hier, nicht? Bei dem vielen Regen in den letzten Wochen weiß man die Sonne erst richtig zu schätzen. Ich kann es schon kaum erwarten, dass endlich Frühling wird und hier dann alles zu blühen anfängt.“
    Sie wandte kurz ihren Blick von den Gartenflächen direkt auf ihren Gesprächspartner. Sie hatte ganz vergessen, sich vorzustellen. “Ich bin übrigens Iunia Axilla.“ Vielleicht nicht die formvollendetste Begrüßung, aber dafür ehrlich.


    Die Lupercalien waren ein sehr beliebter Brauch, und so war es wenig verwunderlich, dass heute hier am Lupercal eine besonders große Menge versammelt war, um den Beginn des Festes zu feiern. Natürlich konnte man nicht ganz in die Grotte, in der nach der Sage die Wölfin Romulus und Remus gesäugt hatte und somit dem ganzen römischen Volk zur Mutter wurde. Und auch waren es vornehmlich junge Frauen, die hier gespannt auf die Luperci warteten und sich erhofften, selbst in absehbarer Zeit Mutter zu werden. Von den Riemen des frisch geopferten Bockes geschlagen zu werden verhieß immerhin Fruchtbarkeit, von den Göttern gesegnet.


    Axilla selbst wollte sicher nicht schwanger werden. Dazu fehlte ihr auch das passende Utensil (auch bekannt als Mann), aber sie wollte es sich ansehen. Sie wollte es einmal miterleben, was hier geschehen würde. Sie hatte schon viel davon gehört, und das Fest war wirklich ob seiner ausgelassenen Art sehr, sehr beliebt. Und wenn sie schon einmal in Rom war, dann wollte sie es sich auch ansehen. Zwar war es ursprünglich gar nicht ihre Idee gewesen, aber jetzt, wo sich diese einmal in ihrem Kopf festgesetzt hatte, war sie nur schwer wieder loszuwerden. Und es war ja auch fast schon eine Pflicht, einen Feiertag für einen Gott wahrzunehmen.


    Ovid hatte zwar behauptet, dieses Fest sei für Faunus, aber alle Welt wusste, dass das quatsch war. Vielleicht war Inuus Lupercus eine Manifestation des Faunus, darüber mochte man sich streiten, aber Faunus hatte sein Staatsopfer schon vor zwei Tagen gehabt. Warum sollte er zwei Opfer so kurz hintereinander haben? Und selbst wenn, so kannte die römische Religion so viele Ausprägungen verschiedener Gottheiten, dass es auf eine mehr oder weniger nicht wirklich ankam.
    Axilla versuchte, sich ein wenig größer zu machen, als sie war, um vernünftig etwas sehen zu können. Sie hatte gesehen, wie die Opfertiere zur Grotte gebracht worden waren. Ein sehr schöner Bock und ein roter Hund. Gleich würde es losgehen, und sie war schon sehr gespannt, was noch alles passieren würde. Und vor allem, ob stimmte, was sie so alles gehört hatte.


    Iunia Axilla M. Tiberio Duro s.d.


    Ich weiß, vielleicht ist noch nicht genügend Zeit vergangen, und ich kenne mich auch nicht aus, was rechtliche Dinge betrifft, dennoch wollte ich fragen, ob sich bereits etwas ergeben hat. Benötigst du noch Angaben von mir, die die Herausgabe des Erbes meines Mannes beschleunigen könnten? Kann ich noch etwas tun, um dir zu helfen?


    Ich weiß, das mag nun vermessen und drängelnd klingen, und ich weiß, dass du vermutlich nur wenig Zeit hast. Und ich bin dir auch sehr dankbar, dass du diese wenige Zeit, die dir bleibt, darauf verwendest, mir zu helfen, und will in keinem Fall undankbar erscheinen. Aber die Wartezeit macht mich doch etwas nervös.


    Mögen die Götter über dich wachen,


    Iunia Axilla

    Das. War. Ein. Großes. Bad. Irgendwie hatte Axilla die Therme gar nicht so riesig in Erinnerung, aber jetzt, wo sie hier im Eingang stand, da wirkte sie schon verdammt groß. Und doch auch verdammt voll.
    Etwas unschlüssig stand sie also im Eingangsbereich und fragte sich einen Moment lang, was sie doch gleich zu der Idee gebracht hatte, hier her zu kommen. Ihr erster Besuch in den Thermen vor etwas über einem Jahr war ja nicht ganz so glorreich verlaufen. Gut, sie hatte sich auch von Serrana überreden lassen müssen, was sie bei ihrem heutigen Wissensstand sicher nicht mehr tun würde. Und dann auch gleich ein paar von Serranas sogenannten Freundinnen kennengelernt, von denen sich zwei als absolut hohle Hühner nach nur fünf Minuten herausgestellt hatten. Mehr noch, die hatten doch tatsächlich die römischen Armeen beleidigt. Eigentlich hatte Axilla daraus eine Lehre gezogen: Frauen hatten im Allgemeinen einen an der Klatsche. Und die Freundinnen von serrana wohl im Besonderen. Männer waren weit einfacher. Die waren berechenbar. Meistens jedenfalls. Und die waren direkter. Auch ebenfalls meistens. Und die konnte man mit ein bisschen nackter Haut beeindrucken. Auch meistens. Frauen waren da weitaus schwieriger.
    Warum also war sie gleich nochmal hier? Natürlich wusste sie es. Sie wollte etwas Klatsch hören. Nicht, weil der sie interessierte, mehr als Recherche für die Acta. Und sie musste ein paar Frauen kennenlernen. Sie musste wissen, ob ihre Überlegungen, die sie gegenüber Seneca getätigt hatten, fundiert waren, oder ob es ungeahnte Konkurrenz gab, über die sie Bescheid wissen sollte. Und das erfuhr man am besten in ihr so verhassten Weiberrunden, wie sie sich hier zu sammeln pflegten.
    Augen zu und durch dachte sie sich und begab sich zum nächstbesten Becken, ohne genauer auf ihre Sitznachbarn nun zu achten. Überhaupt war es ihr durchaus ein wenig peinlich, hier nackt durch die Gegend zu laufen. Sie hatte zwar sicher kein Problem mit ihrem Körper und sie war auch ganz bestimmt nicht häßlich. Und es machte ihr auch nichts aus, von Männern auf eine bestimmte Art und Weise angesehen zu werden. Wenn Frauen sie aber abschätzten, wie Schlangen das mit Kaninchen zu tun pflegten, dann stieg etwas Unbehagen in ihr auf.
    Ein Mädchen etwa in ihrem Alter murmelte irgendwas neben ihr, aber Axilla verstand es nicht. War auch nicht so wichtig. Sie lächelte nur einmal etwas zögerlich in die Runde und ließ die Beine ins Wasser baumeln.

    Als auch Seneca meinte, sie sollte vielleicht nochmal nachfragen, setzte Axilla diesen Punkt auf ihre geistige Liste der Dinge, die sie noch unbedingt tun sollte. Eine Liste, die nicht unbedingt klein war und auf der erstaunlich viele unangenehme Dinge standen, bei denen Axilla sich jedes Mal sagte, dass es doch momentan viel wichtiger wäre, die Kleider in ihrer Truhe nach Farben zu ordnen. Oder irgendwas zu putzen. Aber diesen Punkt wollte sie dann doch recht rasch angehen.


    Unterdessen kam das Thema dann auf die Ehe. Auch ein Punkt der Liste, den Axilla am liebsten noch länger vor sich her geschoben hätte. Aber sie hatte sich nun vorgenommen, das zu erledigen, und da musste sie jetzt durch.
    “Ich denke, du hattest recht“, meinte sie etwas ausweichend auf seine erste Frage. Als sie dann aber zu ihm hochsah, und auch auf die Gefahr hin, dass er sie für übergeschnappt hielt, erzählte sie es ihm einfach. “Wir haben doch die Pan-Statue im Garten? Ich hab sie ins Peristyl schaffen lassen und gesäubert, und mich mit ihr... öhm... unterhalten.“ Was ja per se noch nicht verrückt war. Machte man beim opfern ja ständig so. “Und dabei ist mir klar geworden, dass ich entweder nach Arkadien abhauen kann, um mich weiter zu verstecken, oder... naja, dass ich das richtige tue.“ Sie zuckte mit den Schultern, wodurch sie die Decke unter sich leicht in Falten warf. Noch einmal tief durchgeatmet, dann kam der weitaus schwerere Teil.
    “Aber es gibt niemanden bestimmten. Ich hab mir ein paar Gedanken gemacht, wer denn in Frage käme, und würde gerne deine Meinung hören. Vielleicht fällt dir ja auch wer ein, der vorteilhaft für die Gens wäre?“

    So langsam ging der Winter zu Ende. Es war noch immer frisch, es regnete noch immer viel, aber zwischen drin waren immer wieder Tage, an denen die Sonne über einen azurfarbenen Himmel strahlte und die Luft soweit erwärmte, dass man schon an Frühling glauben mochte. Und just einer dieser Tage war es, an dem Axilla beschloss, dass er viel zu schön sei, um in den eigenen vier Wänden zu bleiben.


    Die Horti Luculliani waren noch so winterlich wie alle Gärten Roms, und doch hatten sie auch jetzt ohne Blumenpracht und ohne das satte Sommergrün eine subtile Schönheit. Die Bäume hier waren hoch und schön gewachsen, wenngleich die meisten noch völlig kahl dastanden. Hier und da standen feine, weiße Gebäude, die in der Spätwintersonne hell leuchteten und glänzten und sich kräftig gegen den dunkelblauen Himmel dahinter absetzten. Blumenbeete waren bereits angelegt, nur die Blüten mussten noch ihren Weg finden und aufblühen, und der Garten wäre an Pracht kaum zu überbieten. Höchstens vom Paneion, an das die ganze Anlage Axilla stark erinnerte.


    Sie schlenderte über einen feinen Weg, Malachi als unsichtbarer Schatten kurz hinter ihr. Die meiste Zeit hatte sie die Augen geschlossen und genoss einfach das warme Gefühl der Sonne auf ihrer Haut. Wenngleich es nicht mit der ägyptischen Sonne zu vergleichen war, es war so unbeschreiblich wundervoll warm, dass Axilla es mit allen Sinnen genießen wollte. Verträumt schlenderte sie den Weg entlang und summte hier und da sonnenverliebt vor sich hin. Es war ein wirklich wunderschöner Tag.
    Eine Bank war auch schnell gefunden, die schön mit Blickrichtung zur Sonne lag, und Axilla setzte sich gemütlich darauf, lehnte sich leicht zurück und genoss einfach die hellen strahlen. Ein wenig verschlafen blickte sie sich um. Kaum zu glauben, dass ein so schöner und friedlicher Ort so viel Grausamkeit gesehen hatte. Und doch war in ihm und für ihn gemordet worden. Messalina soll den einstigen Besitzer, den Consul Decimus Valerius Asiaticus, zum Selbstmord gezwungen haben, nur um die Gärten zu erben. Dabei war er mit ihr verwandt. Und auch ihren Stiefvater, Gaius Appius Iunius Silanus – der über so viele Ecken mit Axilla verwandt gewesen sein mochte, dass sie nicht sagen konnte, wie nun genau – hatte sie wegen angeblicher Verschwörung durch Kaiser Claudius hinrichten lassen. Da war es fast schon ausgleichende Gerechtigkeit des Schicksals, dass sie in just diesen Gärten von den Prätorianern bei einem Fest verhaftet wurde und hier starb.


    Aber auch die größte Schönheit konnte Axilla nicht davon ablenken, weswegen sie eigentlich nach draußen gegangen war. Sie musste noch immer den Artikel über Purgitius Macer schreiben, beziehungsweise über das Gespräch mit ihm. Und sie hatte absolut keine Ahnung, wie sie das vernünftig in Worte kleiden sollte, was alles vorgefallen und besprochen worden war. Was davon durfte sie schrieben, was durfte sie nicht schreiben, was sollte sie mutmaßen, was nicht... Das waren schwierige Fragen, wenn man den eigenen Namen daruntersetzen sollte und das alles mit der Staatszeitung verbreiten wollte. Noch dazu, da sie wohl der ungeeignetste Mensch im ganzen Imperium war, so etwas zu tun. Sie hatte keine Ahnung von Politik. Es interessierte sie auch nicht einmal großartig, mehr aus Tradition denn aus Interesse. Sie hatte keine Ahnung von Intrige, keine Ahnung von den kleinen Feinheiten eines solchen Gesprächs. Und keine Ahnung, wem sie es sonst aufs Auge hätte drücken können, ohne das derjenige durchschaut hätte, dass sie von der Materie keine Ahnung hatte.
    Ein letzter Blick auf die Sonne, dann klappte sie die mitgebrachte Wachstafel auf. Sie hatte sie immernoch, und noch immer stand nicht wirklich viel darauf. Sie hatte sich kaum Notizen bei Purgitius Macer gemacht. Aber was sollte sie sonst anstarren, um auf eine Idee zu kommen, was sie schreiben könnte?



    Sim-Off:

    Falls jemand sich dazugesellen und Axilla vor schlimmen Grübeleien retten will, ist er herzlich eingeladen.

    Sie bei den Urbanern? Das wär ja was. Axilla grinste ein wenig. “Ich könnte mir die Haare schneiden und mit einer Rüstung sieht man dann auch davon nichts mehr.“ Bei dem Wörtchen 'davon“ deutete sie mit ihren Händen auf den Bereich ihres Oberkörpers. Übermäßig ausladend war sie ja ohnehin nicht, mit ein bisschen Verband und einem Kettenhemd wär das sicher völlig zu verbergen. “Natürlich müsstest du erklären, warum dein Cousin so klein und schmächtig ist. Aber dafür wär ich sicher von der ganzen Truppe am saubersten rasiert!“
    Axilla lachte. Ja, das wär schon was, zumindest als Traum. Sie würde sich vermutlich gar nicht mal so schlecht schlagen. Da gab es sicher einige, die weniger Ahnung hatten als sie. Und sie hätte auch sicher keine Angst, wenn es zu Handgreiflichkeiten käme... Wäre sie ein Junge geworden, Axilla war sich sicher, wie wäre ein phantastischer Kerl geworden. Nur war sie keiner.


    Und Seneca fragte auch nach ihrem Erbe und stoppte so Axillas Träumerei erst einmal. Sie atmete einmal tief und geräuschvoll durch, ehe sie schon beinahe resignierend antwortete.
    “Naja, ich war bei Tiberius Durus, und er meinte, er kümmert sich drum. Seitdem habe ich da keine weitere Antwort, weder von ihm noch vom Praefectus Urbi noch von den Decemviri litibus iucandis noch von sonst wem. Von daher denke ich, dass noch nichts passiert ist. … Vielleicht sollte ich Tiberius noch einmal schrieben und nachfragen?“
    Sie wendete wieder leicht den Kopf, um zu Seneca aufschauen zu können. Sein Bett war ziemlich bequem, und Axilla wollte sich nicht wieder aufsetzen. Nicht jetzt.
    Stattdessen schaute sie hoch zur Decke und ihre Hände spielten etwas verlegen auf Höhe ihrer Brust, als sie noch etwas anderes ansprach, weshalb sie ihn ja eigentlich sprechen wollte. “Aber ich hab sowieso nachgedacht... also, wenn ich die Dos zurückbekomme. Ich denke, du hast nämlich recht, und ich sollte vielleicht wieder heiraten...“

    Erst kam nichts, und Axilla sank schon immer tiefer in die Matratze, um am besten darin zu versinken; und dann lachte Seneca los. So richtig laut und herzhaft. Ein kleiner Schockmoment verging, ehe Axilla mitgrinste und schließlich auch leicht kicherte. Im Grunde war es ja auch sehr ulkig, wenn sie, schmal und klein wie sie war, einem Patrizier eine reinsemmelte, der gut zwei Köpfe größer war als sie.
    “Naja, ich hab ihm noch ausführlich gesagt, was für ein Vollidiot er ist, und dass er meine Füße in Ruhe lassen soll. So ähnlich jedenfalls. Und dann bin ich gegangen. Als ich schon fast an der Tür war, hat er dann seine Sprache wiedergefunden und mir noch hinterhergemault, aber ich bin da lieber gegangen. So feste hätte ich nicht hauen können, wie er es verdient hätte. Und mir tut jetzt noch die Hand weh.“
    Sie reckte ihm ihre Rechte entgegen, so dass er die noch geröteten Knöchel sehen konnten. Da, wo der mittlere aufgesprungen war, war der Schorf zwar schon abgeheilt, aber die Haut war noch neu und dünn und gerötet. “Aber ich hab ihn wahrlich brav getroffen. Hättest du sehen sollen, wie der zurückgetaumelt ist. Diagoras von Rhodos hätte mir für den Treffer gratuliert, ehrlich! Er hat sogar am Kinn geblutet. Nur leider ist er nicht zu Boden gegangen.“ Eine kurze Pause, in der ihr Lächeln sich abschwächte. “Naja, oder zum Glück. Am Ende hätten die Flavier mich noch verhaften wollen.“


    Iunia Axilla Flavio Flacco s.d.


    Wenn du das gerne möchtest, können wir uns am Lupercal treffen. Ich wollte mir schon lange mal das Opfer zu den Lupercalien ansehen, hatte bislang aber noch nie wirklich Gelegenheit dazu.
    Der Grund, warum ich mich nicht mehr gemeldet habe, ist eigentlich recht einfach. Zum einen hatte ich wirklich viel zu tun in letzter Zeit, und zum anderen war ich mir nicht sicher, ob du mich wirklich sehen magst, nachdem ich deinen Vetter nähere Bekanntschaft mit meiner Faust habe schließen lassen. Hat er nichts davon erzählt, oder stört dich das nicht?
    Wie dem auch sei, nun da du es auf jeden Fall weißt, können wir uns dennoch an den Lupercalien gern treffen. Sofern du dies mit deinem unter Umständen neuen Wissenstand noch vereinbaren kannst, natürlich.
    Ich würde vorschlagen, eine halbe Stunde vor dem Opfer? Oder ist dies zu kurzfristig und zu viel gedränge auf dem Platz? Ich weiß, du warst ja bislang auch in Griechenland und kannst daher vermutlich ebensowenig wie ich auf Erfahrungswerte zurückgreifen, aber vielleicht weißt du es ja dennoch.


    Vale


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    Wenn Axilla gewusst hätte, welchen Schabernack Senecas Kameraden mit ihm trieben, vermutlich hätte sie sich mit ihnen abgesprochen und mitgemacht. Nur wusste sie es nicht, also brauchte ihr Vetter keine Sorge haben, im Stall wieder aufzuwachen. Auch wenn Axilla auf viele schräge Ideen kam, auf sowas kamen wohl nur Männer.


    Die Umarmung hingegen war etwas, auf was sie auch gekommen war. Wenn Seneca sie nicht aufgefordert hätte, hätte sie es wohl getan, so aber war es noch schöner. Natürlich kam sie zu ihm in seine Umarmung und ließ sich drücken. Mehr als das, einen Moment hielt sie sich einfach an ihm fest und genoss das schöne Gefühl von Geborgenheit. Er roch ganz leicht nach Eisen und Leder, nicht aufdringlich, aber Axilla unendlich vertraut und immer mit einem Gefühl von Sicherheit verbunden. Die Umarmung fiel etwas länger aus, deutlich länger als es nötig gewesen wäre, aber sie wollte ihn nicht gleich wieder loslassen. Sie vermisste dieses Gefühl so sehr.
    Als sie es aber dann doch notgedrungen tat, war es ihr doch ein klein wenig peinlich, und sie machte das, was sie am besten konnte: Es einfach überspielen, indem sie möglichst viel redete. Kurzerhand setzte sie sich aufs Bett und zog die Beine seitlich nach, stütze sich auf einen Arm lässig auf der Matratze auf und fing an, Senecas Frage zu beantworten.
    “Oh, mir geht es ganz gut. Auch wenn mich meine Geschäftspartner gerade furchtbar ärgern. Der Inder, von dem ich Drachenblut für die rote Farbe beziehe, hat mal einfach so mir nichts dir nichts den Preis verdoppelt. Dem muss ich noch schreiben, dass er sich nicht einbilden darf, mich so über den Tisch ziehen zu können. Nur hab ich grade keinen anderen Händler für Drachenblut, so dass mir ein bisschen das Druckmittel fehlt. Ich werd wohl bluffen müssen.“
    Soweit zum Ablenkungsmanöver, aber es war ja noch mehr passiert. Weit mehr. Axilla stütze sich wohlweißlich auf ihre Linke und nicht auf die Rechte, wo die Knöchel noch nicht ganz abgeheilt waren. “Und... ähm... ja, es sind noch so ein paar Dinge gewesen.“ Sie atmete tief durch und legte sich dann kurzerhand in Senecas Bett auf den Rücken, so dass sie ihm bei dem folgenden nicht in die Augen schauen musste. “Ich habe Flavius Piso einen Kinnhaken verpasst.“ Einundzwanzig, zweiundzwanzig...“Aber er hat es wirklich verdient! Du weißt ja nicht, wie der mich behandelt hat! Ich bin nur zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, dass ich wegen Archias Erbe nun zu Tiberius Durus gehen werde, weil der ist ja advocatus, und der hat mir ja auch gleich Hilfe zugesagt. Ein wirklich netter Mensch, der Consular. Aber Piso hat mich nur angeschrien und beleidigt und gemeint, er würde mir sicher nicht die Füße abschlecken. Als ob ich das wollen würde! Von DEM! Also, ich meine... wäääärg. Und da... naja... da hat er einen sauberen rechten Haken... kassiert...“ So, jetzt war es raus, und ein vorsichtiger Blick in Senecas Richtung wurde ganz zaghaft gewagt.

    Wann hatten die Dinge angefangen, so erwachsen zu werden? Axilla saß über einem ganzen Stapel von Schreiben und wusste gar nicht, wie sie zu der Ehre kam. Da waren Bittschriften. An SIE! Und Empfehlungsschreiben. An SIE! Und Freundschaftsbekundungen. Für SIE! Und Axilla hatte keine Ahnung, wie sie zu der Ehre kam. Oder wie die ganzen Leute darauf kamen, dass sie ihnen helfen könnte!
    Die meisten schrieben ihr scheinbar auf bloße Vermutung, appellierten an den Namen der großen Gens Iunia und erhofften sich damit wohl Pluspunkte. Und wenn Axilla welche zu gewähren gehabt hätte, hätte sie vielleicht sogar welche verteilt. Aber was sollte sie denn machen? Was dachten sich diese Leute, indem sie ihr schrieben? Sie kannte diese Menschen ncihtmal, warum also sollte sie zu irgendwelchen Leuten gehen und etwas tun? Oder, wie einige vorschlugen, etwas in der Acta Diurna schreiben lassen. Sie war Lectrix, nicht Auctrix! Manche Leute hatten komische Ideen.


    Ladas, ihr Maiordomus, sortierte die Schreiben schon vor und sortierte so auch den gröbsten Unsinn aus. Der kam zwar auf einen Stapel, so dass Axilla nachschauen konnte, wenn sie wollte, aber eigentlich wurden diese Schreiben eher als Anzünder für die Kohlepfannen benutzt. Axilla hatte einmal spaßeshalber hineingesehen. Als sie dann aber gelesen hatte, sie solle doch den Zeugen Kemoschs beitreten, weil der große Gott so wundervoll und seine Rache bei Nichtbeachtung schrecklich sein würde, hatte sie den Stapel doch weiter von sich geschoben.


    Und so saß sie gerade an einer Antwort für ihre Farbmischerei in Alexandria mit weiteren Anweisungen. Wegen des schlechten Wetters waren wohl in Kreta die Purpurschnecken zum Teil verendet, die sie eigentlich immer kaufte, um daraus ihre Farben zu gewinnen. Und der indische Zuhändler auf dem Xenai Agorai meinte, frech werden zu können, und hatte den Preis für Drachenblut mal eben verdoppelt. Dafür aber hatte eine Kupfermine im Süden von Ägypten Türkise gefunden, und sie konnten dort günstig Steinsplitter und Steinstaub abkaufen. Doch das alles brauchte natürlich jede Menge Papier und noch mehr Geduld. Ersteres hatte Axilla in ausreichenden Mengen.


    Und just da kam Ladas mit noch einem Schreiben herein. Mit einem Gesichtsausdruck, der um einen Coup de grâce (so man diese futuristische Bezeichnung verwenden wollte) bettelte, sah Axilla dabei zu, wie er es ihr hinlegte. “Ein Bote der Flavier brachte das vorbei“, meinte er freundlich.
    Bei diesen Worten aber änderte sich Axillas Gesichtsausdruck doch recht schnell. Flavier. Bestimmt Piso! Was wollte dieses Würstchen denn noch von ihr, hatte sie sich nicht klar genug ausgedrückt? Hatte sie zu fest zugeschlagen und dabei seine Gedanken nachhaltig geschädigt?
    Fast wütend öffnete sie das Siegel und überflog die Zeilen.Es brauchte eine Weile, bis die Information in ihrem Gehirn angekommen war, dass der Brief von Flaccus war. Und noch eine weitere Weile, bis die Wut sich gänzlich verwandelt hatte in ein großes, unsichtbares Fragezeichen über ihrem Kopf.
    “Häh?“ fragte sie einmal das Stück Papier, aber es war Ladas, der antwortete.
    “Gibt es etwas, Herrin? Schlechte Neuigkeiten.“
    Sie sah auf in das treu dreinblickende Gesicht ihres Maiordomus und schüttelte dann den Kopf. “Nein, nein, alles in Ordnung. Du kannst dich ruhig deinen anderen Pflichten widmen, ich komm hier zurecht.“
    Ladas verneigte sich ganz leicht und verließ dann ohne ein weiteres Wort das Officium. Er kannte seine Herrin ja nun mittlerweile gut genug, um zu wissen, wann sie allein sein wollte.
    Axilla unterdessen las noch einmal die Zeilen vor ihr. Und noch einmal. Und noch ein viertes mal. Teile davon ergaben irgendwie immernoch keinen Sinn. Oder, doch, sie ergaben schon einen Sinn, rein vom Wortlaut her, aber nicht inhaltlich. Oder doch, auch inhaltlich, nur nicht so richtig. Dass sie sich eine Weile nicht gesehen haben, das war klar. Es war so, sie hatten sich eine Weile nicht gesehen. Die Einladung zu den Lupercalien, auch klar. Aber der Einwand, sie solle ihm sagen, ob sie seiner Gesellschaft überdrüssig wäre... und das, was zwischen den Zeilen ein wenig herausklang... das war... merkwürdig. Axilla hatte nicht das Gefühl gehabt, dass Flaccus ein tiefergehendes Interesse an ihr hätte, und sie hatte ihm da ja auch keine Avancen gemacht. Zumindest nicht bewusst, was Männer sich manchmal dachten, was Frauen meinten, war mitunter erstaunlich. Aber das hier, das klang so, als ob... das klang fast wie der Brief eines Liebhabers an seine Geliebte, die ihn ein wenig auf Abstand gehalten hatte... ein klitzekleines bisschen zumindest. Und Axilla wusste eine ganze Weile nun nicht, was, und vor allem wie sie darauf nun Antworten sollte. Stattdessen malträtierte sie wie üblich ihre Unterlippe mit den Zähnen, und erst, als sie den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge hatte, nahm sie sich zusammen und nahm eine Feder in die Hand.

    War Axilla vorhin unsicher gewesen, so war sie jetzt vollkommen verwirrt. Wenn sie es nicht besser wüsste – und eigentlich wusste sie es nicht besser – würde sie sagen, dass der Consul nun mit ihr flirtete. Und pflichtschuldig errötete sie sogar ganz leicht und lächelte auf die Art und Weise dümmlich, wie nur jemand lächeln konnte, der eben gerade charmant genannt worden war und den das Kompliment just in dem Moment ein wenig überforderte. In Momenten wie diesen wünschte sich Axilla die Schlagfertigkeit, die sie hatte, wenn sie wütend war. Wütend sein war sehr viel einfacher als peinlich berührt zu sein. Nur war sie jetzt in diesem Moment nicht einmal so ein klitzekleines bisschen wütend, höchstens auf sich selber.
    “Mich würde es sehr freuen, wenn wir das würden“ antwortete sie mehrdeutig auf seine letzten Worte und versuchte, doch noch irgendwo ein Krümelchen dignitas aufzutreiben und so einen einigermaßen würdevollen Abgang zu machen. War aber gar nicht so einfach, wenn die Gedanken gerade um die Frage kreisten, ob das nun ein Flirt war oder nicht.
    Und so blieb das unsichere Lächeln und das “Vale“ fiel vielleicht eine Spur weicher aus, als es der römischen Geschäftsmäßigkeit und Gemütsruhe entsprochen hätte. Aber irgendwo erinnerte sich Axilla doch noch an die rudimentärsten Formen der Manieren und ohne weitere Patzer der menschlichen Kommunikation drehte sie sich um und folgte dem Weg nach draußen.

    Angeblich war Seneca im Haus. Die Sklaven hatten es zumindest so gesagt, als Axilla heimgekommen war. Sie hatte sich ein wenig die Füße vertreten müssen und hinaus an die frische Luft – wobei das in Rom reichlich relativ war, auch im Winter – und hatte seine Ankunft so wohl verpasst. Und jetzt war er wohl schon in seinem Zimmer, obwohl es so spät noch nicht war.
    Aber wofür war man die Cousine von jemanden, wenn nicht, um unangemeldet in dessen Cubiculum zu platzen? Solange da keine 'verdächtigen Geräusche' rauskamen, natürlich. Aber alles war still, offenbar war er wirklich nur in dem Raum ohne irgendwelche Gesellschaft, und Axilla klopfte schnell an, ehe die Tür auch schon auf ging.
    “Seneca, bist du da? Hast du Zeit, deine Lieblingscousine zu begrüßen?“ Für den unwahrscheinlichen Fall, ihn doch in einer prekären Situation zu begrüßen, schob Axilla ihren Kopf nur langsam am Holz der Tür vorbei, um ins Zimmer hineinzuschauen. Aber sie wollte Seneca begrüßen, jetzt gleich. So selten, wie der Kerl da war, musste sie das ausnutzen. Und darüber hinaus hatte sie beschlossen, doch noch einmal mit ihm zu reden. Ihr Gespräch mit Pan hatte ihr einige Dinge klarer erschienen lassen, und sie konnte nicht ewig davor weglaufen.

    Jetzt zeigte Macer, dass er wirklich geübter Politiker war, indem er einfach über Axillas Flirt hinweg ging, als hätte der nie statt gefunden. Naja, zumindest größtenteils, denn er führte den peinlichen Moment auch nicht weiter, sondern gab Axilla zu verstehen, dass er noch andere Dinge zu tun hatte. Wenngleich er dies so überaus freundlich tat, dass Axilla sich letzten Endes nicht sicher war, ob er sie nun rauskomplimentierte, oder ob er wirklich noch viel zu tun und schlicht keine Zeit mehr hatte. Wie hieß es so schön? Diplomatie war die Kunst, jemanden so charmant zur Hölle zu schicken, dass derjenige sich auf die Reise freute.
    Gut, ganz so schlimm war es hier sicher nicht. Axilla würde dem Consul sowas nie unterstellen, dafür war er schlicht viel zu... nett. Ja, wenn ein Wort es traf, dann, dass Purgitius Macer sehr nett zu ihr gewesen war. Aber dennoch hatte sie das Gefühl, dass er sie jetzt doch sicherheitshalber rauswarf, ehe sie doch nochmal so einen peinlichen Moment herbeiführte und ihn mehr in Versuchung zu führen versuchte. Vielleicht war es Einbildung, aber das Gefühl war so stark, dass Axilla keine große, verbale Gegenwehr leistete.
    “Natürlich.“ Sie erhob sich schnell und wusste einen Moment nicht, wohin mit der Wachstafel, ehe sie diese beinahe steif und stur nach unten einfach in ihrer linken Hand behielt. Den Stylus gab sie mit der rechten wieder zurück an den Consul. “Dann bedanke ich mich, dass du die Neugierde der Acta so kurzfristig befriedigt hast. Und für die Wachstafel und den Stylus.“ Sie wusste nicht, ob sie die Tafel behalten sollte oder ob sie sie in ein paar Tagen mit einem Boten wieder abgeben sollte, aber der Moment war ihr so schon peinlich genug, so dass sie sich nicht traute, danach zu fragen.
    Sie wollte jetzt auch nicht gleich mit einer Verabschiedung herausplatzen, und so beschloss sie, einfach den Mund zu halten und dem Consul Gelegenheit zu geben, sich richtig und offiziell zu verabschieden, ehe sie dann gehen würde. Das wäre in jedem Fall die am wenigsten peinliche Lösung mit dem geringsten Fehlerpotential.

    Axilla wusste nicht, wie lange es dauerte, den Schmutz von der Statue zu bekommen. Aber irgendwann war alles eingeseift und abgeschrubbt, und der blanke, graue Stein erstrahlte in alter Schlichtheit. Die Reste des mittlerweile kalten Wassers wurden kurzerhand über die Statue geschüttet, um die Seifenreste abzuwaschen.
    Axilla fror. Hier draußen war es kalt, und mittlerweile hatte es immer wieder geregnet. Feiner Sprühregen, der kalt überall hinwaberte und einem in Mark und Bein fuhr. Aber dennoch wollte sie noch nicht hinein gehen und sich aufwärmen. Irgend etwas ließ sie hier verharren, bei der tropfenden Statue, die sie noch immer so unbegreiflich anblickte und wartete.
    “So, Gottheit, du bist wieder sauber. Ein bisschen nass noch hier und da, aber sonst wieder wie neu. Ist es so besser?“
    Natürlich antwortete die Statue nicht. Sie war aus Stein, wie sollte sie? Axilla erwartete auch keine Antwort, sie wollte nur nicht hier in aller Stille dastehen und auf etwas warten, von dem sie selbst nicht wusste, was es war. Vielleicht Godotus.


    Ein paar Wassertropfen liefen an den steinernen Wangen entlang und sammelten an dem kurzen Bart zu dicken Tropfen. Axilla sah es eher unterbewusst, und ohne darüber nachzudenken, trat sie näher an die Statue und tupfte sie mit dem Ärmel ihres Kleides weg. Auch ihm Haar und an den Hörnern waren noch einzelne tropfen, und Axilla lehnte sich gegen die Statue, um auch diese wegzutupfen. So nah fühlte sie die Kälte, die der Stein in sich gespeichert hatte. Das war keine warme Haut, es war winterlicher Stein.
    “Du bist kalt, Liebster“, meinte sie halb verträumt und sah von den Haaren hinunter in das steinerne Gesicht, das nun direkt vor ihr war. Sie bewegte sich nicht zurück, stützte sich weiter mit einer Hand an seiner steinernen Schulter ab. Mit der anderen hatte sie die Tropfen weggewischt, und jetzt, wo sie nichts mehr zu tun hatte, fuhr sie einmal fast zärtlich über die raue und kalte Wange, als wäre das hier wirklich ihr Liebster. Ein lautloses Seufzen entfuhr Axillas Körper. “Es könnte wirklich schön sein, wenn du lebendig wärst. Wenn du mich ansehen würdest.“
    Sie bewegte sich einmal leicht seitlich, so dass der steinerne Blick sie traf, und dieses ewig hintergründige Lächeln nun auf ihr ruhte. Noch einmal streichelte sie über die Wange, aber die Statue blieb aus Stein.
    “Weißt du“, begann sie mit belegt leiser Stimme, “ich hab schon oft von dir geträumt. Als ich noch ganz klein war und den Geschichten von dir gelauscht habe. Von Arkadien, deiner Heimat. Ich hab mir dann vorgestellt, wie es wäre, wenn du mich dorthin entführst, in die dichten Wälder.“
    Ihr blick, auf seine Brust zwar gerichtet, hatte sich in weiter Ferne verloren. Es war lange her, dass Axilla an Arkadien gedacht hatte. Sehr lange. Es war so etwas wie ein Abenteuerplatz, und gleichzeitig eine Flucht. Wenn es ihr zuhause zuviel geworden war mit der Krankheit ihrer Mutter und die in sie gesetzten Erwartungen, wenn ihr Vater so unendlich weit weg gewesen war, dann war sie einfach gelaufen, durch Wiesen und Felder in den Wald, und hatte sich dort einen Baum gesucht, um darauf zu klettern. Dann war sie auch in ihrem ganz persönlichen Arkadien gewesen, der Heimat des Pan und der Nymphen, der Unsterblichen schlechthin. Im ewigen Zeitalter des Saturn, wo es sowas wie gesellschaftliche Zwänge nicht gab. Kein 'Du musst'. Auch wenn es dort gefährlich war und viele Monster gab wie die stymphalischen Vögel. Das Land der Abenteuer eben.
    “Ist es dort wirklich, wie man es sich erzählt? Mit den hohen Bergen und den tiefen Schluchten, und den Silberbächen? Sind dort wirklich noch die Nymphen?“ Wieder ein stilles Seufzen, und sie legte ihren Kopf an die Statue. Es war sehr kalt, und nichts wäre jetzt schöner gewesen, als wenn der Gott erwacht wäre und sie warm umarmt hätte. Im Moment fühlte sich Axilla so entsetzlich einsam. “Im Moment würde ich mich wirklich dorthin wünschen. Wenn die Satyrn dann ihre Zaubermusik spielen, würd ich nur zu gern alles vergessen. Kannst du mich nicht vielleicht doch dorthin führen?“ Sie drehte leicht den Kopf, um ins Gesicht ihres Pans zu sehen, aber der lächelte nur weiter still vor sich hin. Axilla legte sanft eine Hand auf seine Wange und streichelte den Stein, aber er sah nicht zu ihr herunter. Und doch half es ein wenig, nicht gänzlich einsam zu sein.
    Einem inneren Impuls folgend änderte sie dann ihre Position. So schief stehend war es unbequem, und so kletterte sie der sitzenden Statue auf den Schoß, lehnte ihren Rücken leicht gegen seine Brust und legte ihren Kopf an seine Schulter. Sein Arm ging an ihr vorbei, hielt er dort doch die Flöte, und Axillas Blick folgte den steinernen Konturen bis hin zu der Syrinx. Auch wenn der Stein nach wie vor schrecklich kalt und darüber hinaus nicht ganz trocken war, Axilla fühlte sich besser so. Oder zumindest nicht mehr ganz so entsetzlich.
    Sie schmiegte sich in die angedeutete Umarmung und streichelte mit ihrer Hand über den Arm, der die Flöte hielt. “Erinnerst du dich an das Gefühl? Ich meine, als du sie geliebt hast? Als sie sich dann verwandelt hat, um dir zu entkommen?“ Damit meinte Axilla die Nymphe Syrinx, die vor Pan geflüchtet und sich in Schilf verwandelt hatte, um ihm zu entkommen. Der Gott hatte aus ihr seine Flöte gemacht, um sie und ihre liebliche Stimme bei sich zu haben. “Ich glaube, ich kenne das Gefühl. Kein schönes Gefühl.“
    Sie ließ ihre Hand sinken und verschränkte ihre Arme vor ihrem Bauch, um so die Wärme etwas zu halten. Ihren Kopf ließ sie seitlich gegen Pans Brust sinken und starrte ins nichts vor sich. “Weißt du... ich weiß ja auch nicht, was ich gedacht habe. Es war nur... wenn er da war, dann war alles schön und gut und... Ich meine, er hat mich zwar die meiste Zeit nur angeschrien, oder wieder zurechtgestutzt. Eigentlich hatte er ja kaum ein liebes Wort für mich gehabt. Und doch... weißt du... dieser eine Kuss in der Bibliothek, dieser eine kurze Moment! Das war...“
    Axilla hatte nicht die richtigen Worte, um das zu beschrieben, was sie fühlte. Aber sie war sich sicher, dass Pan sie verstand, und sie ließ das Gefühl einfach einen Moment so weit anschwellen, bis ihre Brust davon zu platzen schien, ehe sie mit einem stillen Seufzen zurücksank.
    “Es war so schön. Aber für ihn... Und trotzdem wünschte ich mir, dass er sich doch auch in Schilf verwandelt hätte, damit ich ihn bei mir haben kann. Einfach nur bei ihm sein. Aber er....“
    Wieder ein Seufzen und ein Blick in den Garten, wo der Regen schon eine Weile wieder aufgehört hatte und langsam Tropfen von den Dächern hinunterfielen. “Aber für ihn... weißt du... er hat eine andere geküsst. Also, so richtig geküsst. Und ich glaub auch, dass das mehr ist. Ich meine, mich würde es ja nicht einmal stören, wenn er eine andere... eine Lupa oder so... Männer sind so, aber... sie ist eine Vinicia. Verstehst du? Eine Vinicia. Nicht irgendwer. Vinicius Hungaricus war LAPP von Germania. Und dieser andere, dieser... Lucanus, der ist ja auch Senator. Das ist jemand, der wichtig ist. Sie... sie ist jemand, den er heiraten könnte. Und wie er sie gehalten hat...Und geküsst... Und er hat ihr gesagt, dass ich ein niemand wäre. Verstehst du? Er... ich bedeute ihm nichts. Gar nichts. Der Kuss in der Bibliothek, das war... nichts. Als hätte es ihn gar nicht gegeben.“
    Axilla merkte, dass sie anfing, zu weinen. Schnell wischte sie die Tränen weg, und peinlich berührt lachte sie einmal kurz freudlos auf. “Und jetzt sitze ich hier wie Psyche und lasse mich von dir trösten Sie schüttelte den Kopf, wischte sich noch einmal über das Gesicht und atmete einmal tief durch.
    Das war albern. Sie wusste es. All das hier war albern. “Aber du nimmst mich nicht mit dir nach Arkadien, um dem zu entfliehen, nicht?“ Keine Antwort von dem Stein, nur dieses Lächeln, das Axilla ein trauriges Schmunzeln aufs Gesicht zauberte.
    “Nein, dass hier ist nicht Arkadien. Ich weiß. Und ich sollte mich nicht hinwünschen. Ich brauche wieder einen Mann, ich weiß. Seneca hat recht, er sollte... ich sollte nicht etwas anderem nachtrauen.“
    Sie ließ sich wieder zurücksinken gegen den Stein und blickte weiter hinaus in den trostlosen Wintergarten. “Es regnet wieder...“ stellte sie resignierend fest und blieb noch eine Weile sitzen, ihren Gedanken nachhängend. So langsam wurde es schon wieder dunkel, und es wurde noch ein wenig Kälter und ungemütlicher.
    Axilla rutschte etwas von Pan weg, schüttelte noch einmal den Kopf. Ein trauriger Gedanke huschte durch ihren Geist. Es war deprimierend, dass der einzige, mit dem sie über ihre Gefühle reden konnte, ein Gott war, der nicht antworten konnte. Sie drehte sich dem Steingesicht zu und gab ihm einen sanften Kuss auf die kalte Wange. “Danke fürs zuhören“ meinte sie leise, ehe sie aufstand und hinein ins Wärmere ging.

    Axilla fragte sich, wie Götter noch deutlicher in puncto Kinderlosigkeit werden konnten, wenn schon Kinderlosigkeit da war. Andererseits, auch wenn Axilla an der Zweckhaftigkeit von Opfern zweifelte, zweifelte sie nicht an der göttlichen Macht, und so genau wollte sie nicht wissen, wie die Götter einen Mann strafen konnten. Das Warum wäre schon eher interessant, doch implizierte die Antwort des Purgitiers, dass er ebenfalls einen Grund hierfür nicht kannte. Oder schlicht nicht darüber sprechen wollte, was zwar verständlich aber sehr neugierde-unbefriedigend war.
    Axilla veränderte ihre Sitzposition zu einer etwas bequemeren. Sie zog einfach ein Bein an und stellte die Ferse mit auf das Polster. So konnte sie besser auf der Tafel schreiben, wie wenn sie diese auf dem Schoß behielt. Ständig runterschauen gab Verspannungen im Nacken, so hatte sie die Wachstafel aber bequem auf Augenhöhe. Dass es vielleicht nicht so gut war, im Korbsessel eines Consuls sich so hinzulümmeln, noch dazu bei einem Interview im Anschluss an ein Geschäftsgespräch, daran dachte Axilla nicht. Vielmehr überlegte sie, was sie denn noch fragen könnte.
    “Hast du denn schon etwas vor, wenn deine Amtszeit vorüber ist? Möchtest du eine Provinz als Legatus, oder willst du erst einmal entspannen?“ Ein klein wenig verwegen und vielleicht sogar ein wenig flirtend setzte sie noch nach, ehe sie vernünftig darüber nachdenken konnte: “Dich um die Entstehung deines Nachwuchses kümmern?“
    Erst einen Moment später merkte sie, dass sie vielleicht besser nicht versuchen sollte, den Consul auf diese Art einzuwickeln. Und dass sie ihren Kopf nicht nur aus Dekorationszwecken dabei haben sollte. Pflichtschuldig lief sie schüchtern ein wenig rot an. “Tut mir leid, das letzte war... vergiss es bitte.“

    Ich glaub


    Erudictus in rebus vulgaribus


    sollt da passend sein. Bzw. für andere Kurse fortan dann auch "Erudictus in [Kursname ohne "Cursus" und der Rest in Ablativ]" (Falls es da Probleme gibt, die Kursbezeichnung in den Ablativ zu bringen, damit das von der Grammatik her passt, kann sicher der ein oder andere Lateiner hier weiterhelfen. :D )

    Da standen sie nun, sie und Pan. Eine ganze Weile lang tat Axilla gar nichts, stand nur da und nahm jede Einzelheit der Statue in sich auf. Das fein gearbeitete Fell an den Bocksfüßen, wo sich besonders viel Dreck abgelagert hatte. Die trainiert aber doch nicht muskulös wirkenden Arme des Pan, wie er locker die Flöte hielt, und die kleinen, schwarzen Füßchen der abgerissenen ranken, die dort herumgewachsen waren. Seine steinernen Haare, die trotz ihrer unbeweglichkeit so wirkten, als hätte der Wind sie zerzaust, und die Hörner, die sich fast wie nur zwei weitere Haarlocken nach Hinten in die wilde Frisur bogen. Das junge Gesicht, jugendlich und schelmisch gestaltet, fast als würde er leicht über seine Betrachtung des Menschleins vor ihm schmunzeln und etwas sagen wollen, sie reizen, necken wollen. Der leichte Bart am Kinn, kein wirklicher Ziegenbart, wie er sonst oft dargestellt wurde, mehr ein kurzer Flaum, spitz zulaufend. Die nackte Brust, ebenso trainiert wie die Oberarme, ohne an die Muskeln eines Hercules zu erinnern, und doch nicht wirklich schmächtig. Er war schön, fand Axilla. Trotz der grünen Schlieren, trotz des Drecks und den Pflanzenresten, trotz des nicht perfekten Steins. Oder vielleicht gerade, weil er nicht perfekt war, fand Axilla ihn schön.


    Irgendwann lächelte sie schüchtern zurück, schlug die Augen auf, als würde sie den stummen Flirt der Statue erwidern. Wäre er aus Fleisch und Blut, Axilla wusste, er hätte auf diesen Blick wohl reagiert. Sie hatte durchaus genug Wissen gesammelt, um zu begreifen, wie Männer auf tiefe Blicke unter schwarzen Wimpern hervor reagierten. Aber Pan reagierte nicht weiter, er lächelte nur weiterhin spitzbübisch und vielleicht ein wenig herausfordernd.
    “Und, Pan, darf ich dich putzen? Du hast doch nichts dagegen?“ Vielleicht war es albern, die Statue zu fragen, als wäre sie der Gott. In gewisser Weise war sie der Gott, aber nicht wirklich. Sie war nur ein Bildnis seiner Präsenz hier, schuf eine Brücke zwischen ihrer Welt und seiner Welt und machte ihn so für Axilla erfahrbar. Dennoch konnte Pan wohl nicht wirklich darauf antworten. Auch wenn Axilla es sich vielleicht gewünscht hätte.
    Von allen Göttern, ja vermutlich von allen Wesen, war Pan der einzige, bei dem Axilla glauben konnte, er könnte sie verstehen. Er war nicht der römisch strenge Faunus, als welchen Ovid ihn erkannt haben mochte. Er war auch kein mysteröser, bärtiger Sylvanus. Er war noch nicht einmal der lärmende Inuus der Lupercalien. Er war im Grunde mit keinem römischen Gott wirklich zu vergleichen, oder auch mit einem Gott irgendwo anders. Pan war einfach Pan. Pan war alles, Pan war Natur, Pan war Leben, Pan war geboren aus Chaos, ein Nymphenkind, frei wie Bacchus, alt wie Iuppiter, und doch jung wie ein Menschenkind. Und von allen wohl der einzige, der verstand, dass man begehren und lieben konnte, dass man leben und frei sein wollte, dass man Chaos im Vorbeigehen stiftete, ohne sich darum wirklich Gedanken zu machen, und dass man dennoch sich einsam fühlte. So zumindest sah Axilla den Pan hier vor ihr, und so fühlte sie sich auch selbst. Und daher war es für sie keine Frage, ob sie mit ihm sprechen durfte, ob sie kultische Regeln einzuhalten hatte oder ob die Sklaven diese Arbeit eigentlich verrichten sollten. Sie wollte ihm nah sein, diesem Wesen, ohne wirklich so verrückt zu sein, wirklich zu versuchen, sich einem Gott zu nähern.


    Sie nahm die kleine Bürste mit den festen Borsten und tauchte sie in das warme Wasser. Ihre Haut war von der Winterluft ganz kalt, und es entstand ein unangenehmes Kribbeln auf der Haut, als sie in das weitaus wärmere Wasser eintauchte. Aber Axilla jammerte nicht. Jammern war was für kleine Mädchen.
    Und dann fing sie an, die Statue zu putzen. Erst die Oberarme, die relativ problemlos zu säubern waren. Nur hier und da hatten sich Ranken festgesetzt und ihre Spuren hinterlassen. An den Unterseiten der Arme, wo das Wasser entlanggelaufen war, hatte sich eine Spur wie ein grüner Faden gebildet, und mit ein paar kräftigen Schrubbbewegungen war das beseitigt.
    Dann aber folgte der weitaus schwierigere Teil: die behaarten Beine. Hier gab es viele stellen, wo sich Moos und Algen festgesetzt hatten, viele kleine Kanten und Wellen, schlicht viel Fläche. Und dementsprechend sah das steinerne Fell des Pan ja auch aus. “Wenn ich so vom Spielen heimgekommen bin, konnte ich nur beten, dass Mutter mich nicht erwischt, ehe ich im Balneum war.“ Sie schenkte Pan einen halb zweifelnden, halb neckischen Blick und atmete einmal mit einem deutlichen “Puuuuh“ aus. Hier brauchte sie Seife. Definitiv.


    Und so wurde der Tigel geöffnet, in dem die Seife war. Erst vor zwei Wochen hatten sie die gekocht aus Fett, Asche und ein paar Kräutern, damit das Gemisch nicht gar so schlimm roch. Heute war Axilla recht froh, dass sie sie hatten, und so landete eine großzügige Menge des schmierigen Gemischs auf der Bürste und wurde nach und nach mit genügend Wasser auf dem Stein verteilt.
    Axilla fing dabei von dann Hufen her an und arbeitete sich mit kreisenden Bewegungen immer weiter nach oben. Immer wieder blickte sie auf zu dem Pan, ob der sich nicht doch bewegte. Man erzählte sich ja allerhand unglaubliches von verschiedenen Kultbildern. Vor allem die Statuen der Venus sollten ja ein reges Eigenleben führen und Anhänger zum Beischlaf verführen. Und auch, wenn Axilla so einen Schmarrn nicht glaubte, so ganz sicher war sie sich doch nicht.
    Aber Pan bewegte sich nicht, auch nicht, als sie immer höher kam und schließlich bei seinem Schoß angelangt war. Sie sah ihn noch einmal sehr prüfend und kritisch an, auch wenn das mehr Spiel als ernst war. “Komm ja nicht auf falsche Ideen!“ meinte sie lachend, ehe sie dort kräftig schrubbte und die Stelle von Algen und Moos befreite.

    Entweder verstand der Consul ihre Frage nicht, oder aber er wollte ihre Frage nicht verstehen. Er wiederholte nur nochmal das, was er schon gesagt hatte, aber sagte rein gar nichts zu der Gefahr, die er vorhin angedeutet hatte. Absolut nichts darüber, ob er denn dachte, dass die stabile Lage bald nicht merh ganz so stabil sein könnte, absolut nichts über Missmut oder ähnliches. Eigentlich gab er nur Phrasen wieder, die absolut nichts aussagten. Axilla holte schon Luft, um noch einmal nachzufragen, aber dann ließ sie es bleiben. Er antwortete ihr schon eine ganze Weile recht ausweichend, und bis auf den kleinen Versprecher mit dem noch hatte er eigentlich nur betont, wie ruhig und stabil die Lage war. Natürlich, was denn auch sonst hätte er sagen sollen? 'Alles ist eine Katastrophe, und ich hab rein gar nichts hingekriegt und bedauere schon jetzt meinen Nachfolger, weil es unter dem garantiert Bürgerkrieg geben wird'? Vermutlich doch eher nicht.


    Also machte Axilla das, was sie am besten konnte, und wechselte abrupt und ohne Vorwarnung einfach komplett das Thema. Und was könnte ferner vom Senat sein, als private Fragen?
    “Darf ich dich etwas Privates fragen? Du bist ja jetzt schon eine ganze Weile verheiratet, hast aber noch keine Kinder. Siehst du das als Zeichen der Götter?“ Hah, Familie und Religion in einer Frage! Und wenn er ihr in der Politik nichts erzählen wollte oder konnte, dann hatte sie vielleicht hier mehr Glück.

    Das war nun nicht das, auf was Axilla hinaus gewollt hatte, und sie war ein wenig erschrocken, dass Macer ihre Andeutungen so verstanden hatte. Sie versuchte, sich möglichst wenig davon anmerken zu lassen, aber ihre Gesichtszüge hatte sie nicht so gut unter Kontrolle, wie sie sie gerne hätte. Sie versuchte, sich mit einem auf die Tafel gehefteten Blick zu retten und machte sich ein paar Notizen. Nun, eigentlich waren es eher Wortfetzen ohne Zusammenhang, so stand am Ende Geschichte stärker Unmut PU Stimmung da, und sogar Axilla fragte sich einen Moment, was sie da nur aufgeschrieben hatte. Aber es war besser, als dem Consul gleich wieder etwas vorzutragen, was noch weniger Zusammenhang hatte als ihr Schriftwerk.
    “Du hast die Stimmung im Senat angesprochen. Wie beurteilst du diese denn momentan?“ Er hatte gesagt, er erachte die Lage als noch stabil. Axilla hatte gut zugehört, und dieses kleine Wörtchen hatte eine schicksalsschwere Bedeutung. Noch war alles ruhig. Aber bald auch noch? Das machte Axilla leicht nervös.