Er hatte seine Familie verlassen um seine Familie zu suchen. Irgendwie klang das komisch, aber für ihn war es richtig, denn ein Teil seiner Familie wohnte in einem riesigen Palast am anderen Ende Midgards. Er hatte einen Rucksack geschultert und marschierte durch lichte Wälder und folgte dem einen oder anderen Trampelpfad. Das Sax seines Vaters hatte er an seiner Seite, aber ansonsten war er alleine. Hatte er nicht noch jemanden mitnehmen wollen? Niemand außer ihm war hier, aber er hatte keine Angst und so verflogen die Gedanken auch gleich wieder. Er wanderte Stunde um Stunde und Tag um Tag ohne dass er Müde oder verdrießlich wurde.
Doch eines Tages kam er dann an einen riesigen Fluss dessen Ende er nicht einmal sehen konnte. Der Fluss war dunkel und schnell und der Wanderer sah keine Chance auf die andere Seite zu kommen. Er war zwar ein ganz guter Schwimmer, aber seine Kleidung, sein Gepäck und die Strömung würden ihn auf gar keinen Fall auf die andere Seite kommen lassen. Er schaute sich um, ob hier ein Palast war, denn für ihn war hier das Ende Midgards gekommen. Doch nirgends konnte er ein Bauwerk erblicken. Da blieb ihm nur übrig dem Flussverlauf zu folgen und auf eine Furt zu hoffen.
Doch wieder lief er mehrere Tage, aber eine Furt wollte und wollte nicht kommen. Da wurde auch er verdrießlich und ließ sich resigniert auf seinen Hintern fallen und legte sich dann hin. Da lag er nun ihm Gras und starrte in den Himmel. Plötzlich hörte er direkt neben seinem Ohr einen Fruska (Frosch) quaken. Da setzte er sich wieder auf und nahm den grünen Hüpfer auf seine Hand. Und schaute ihn an. Seine Haut war grün und glatt, nicht so wie die einer Kröte oder einer Unke, und er funkelte fast wie ein Edelstein.
"Du bist ein wunderschöner Frosch. Wenn ich nur so sein könnte wie du, dann wäre es mir möglich auf die andere Seite zu schwimmen. Oder kannst du mir sagen wie ich auf die andere Seite komme?"
Und zum großen Erstaunen des Jungen antwortete der Fruska: "Wie ich sehe, hast du weder Werkzeug dabei um dir ein Floß zu bauen, noch besitzt du Flügel. Somit wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben, als den Sund zu durchschwimmen, denn er geht ewig weiter in beide Richtungen."
Von der Antwort war der Jünglin fast noch mehr erstaunt, als darüber, dass der Frosch überhaupt sprach. "Das kann nicht dein Ernst sein, lieber Fruska. Ich werde sofort ertrinken, wenn ich das wage. Wahrscheinlich wird mich der Fluss sofort ins Reich der Hel tragen und ich werde meine Familie niemals finden. Ich werde schneller auf den Grund sinken, als ein Haufen Dung benötigt, um aus dem Hintern einer Kuh auf die Erde zu fallen!"
Der Frosch schien ihn wohl auf den Arm nehmen zu wollen oder er wollte ihm gar etwas Böses.
"Halte dich nicht so fest an deiner Vergangenheit mein Junge. Habe vertrauen. Bring dem Geist des Sundes ein Opfer dar, und er wird dich sicher auf die andere Seite geleiten, wenn du das denn noch willst. Aber nun muss ich weiter!"
Mit einem Sprung war er von der Hand verschwunden und war auch im Gras nicht mehr zu sehen. Natürlich dachte er gar nicht daran einfach ins Wasser zu springen, das war ja verrückt! Er konnte doch nicht einfach ins Wasser springen. Also wanderte er weiter und weiter und stellte dann doch irgendwann fest, dass der Frosch wohl recht gehabt hatte. Also kramte er in seinem Rucksack nach einem Opfer für die Flussgeister, aber er fand nur einen Apfel. Den hatte er sich extra aufgehoben, denn er war rot und voll und das auch noch nach einer so langen Wanderschaft. Also stellte er sich an den Rand. "Bitte nimm dieses Opfer an, und bringe mich zu meiner Familie, ehrenwerter Geist des Flusses." Mit diesen Worten warf er den Apfel in die Fluten. Er schwamm kurz an der Oberfläche, doch dann schien ihn etwas nach unten zu ziehen. Der Jüngling nahm das als ein gutes Zeichen und sprang mit seinem ganzen Gepäck ins Wasser. Wie erwartet zog es ihn gleich nach unten und das Wasser schlug über ihm zusammen. Er strampelte und ruderte, aber er sank immer und immer weiter.
Doch dann packte ihn eine Hand am Arm und er öffnete die Augen. Er sah, dass ihn eine Nixe, eine Wasserfrau gepackt hatte. Sie schien in seinem Alter zu sein, hatte langes dunkelbraunes Haar und grüne Augen. In ihrem Haar waren Algen und Muscheln und ihr Körper endete in einem großen grüngeschuppten Fischschwanz. In ihrer anderen Hand hatte sie einen halb gegessenen roten Apfel.
"Ich danke dir für diese Köstlichkeit du Beinträger, aber ich hätte dir auch so geholfen. Seit Tagen begleite ich dich und schaue dir zu, wie du am Ufer langgelaufen bist und habe gehofft, dass du mich endlich besuchst und keine Angst mehr hast. Bis ich dir meinen Freund den Fruska geschickt habe."
Er hörte aufmerksam zu, denn seine Panik war wie verflogen und er verstand sie ganz normal. Doch lief er langsam blau an, und aus seinem Mund kam nur ein Blubbern.
"Hab keine Angst, wenn ich bei dir bin, können dir die Fluten nichts anhaben. Du wirst bei mir auch nicht ertrinken."
Beinahe liebevoll strich sie ihm durch sein blondes Haar und lächelte ihn an. So konnte er ihr nicht misstrauen und so ließ er das Wasser in seine Lungen fließen. Sie hatte wirklich nicht gelogen, denn er bekam so gut Luft, also würde er noch am Ufer stehen.
"Ich danke dir, dass du mir hilfst. Ich suche einen Palast in dem meine Familie wohnt. Aber ich finde den Weg nicht und ich hatte Angst, dass mich die Fluten hinweg reißen. Kannst du mir helfen?"
Sie lächelte ihn abermals an und so folgte er ihr einfach ohne noch einmal zu fragen. So schwammen sie in den Sund, und es war ihm nicht kalt. Wenn sie Hunger hatten, dann aßen sie etwas, denn die Nixe wusste wie man unter Wasser verpflegte. Einmal waren sie sogar bei einem Lurch zum Essen, der ihnen merkwürdige aber wohlschmeckende Dinge auftischte. Sie alberten und spielten Fangen im Wasser, und es war eine wunderschöne Zeit, während der sie immer weiter dem Fluss folgten. Beinahe hatte er schon vergessen, warum er ins Wasser gegangen war, als sie dann auf einmal da waren. Auf dem Grunde des Flusses stand ein großer Palast. Aber er wirkte düster, verlassen und wenig einladend.
"Endlich bin ich da. Aber werden wir uns wiedersehen?" fragte er die Nixe schüchtern, denn er hatte sie lieb gewonnen. Sie war ihm eine Freundin geworden. "Sicher, ich warte auf dich, bis du wieder herauskommst und dann werde ich dir noch mehr von meiner Welt zeigen."
Da war er beruhigt, freute sich schon darauf und schwamm so zum Tor des Palastes. Es war offen und bewegte sich sanft in der Strömung. Im Palast war es düster und kalt, ganz anders als draußen. Er schwamm durch die dunklen Gänge, aber er sah niemanden und er hörte auch nichts. Dann sah er eine Bewegung vor sich. Etwas düsteres großes bewegte sich und schwamm auf ihn zu. Er drehte sich herum und versuchte wegzuschwimmen, er wollte wieder nach draußen und schwamm so schnell er nur konnte. Das Hippodingsda blieb ihm auf den Fersen und als er kurz vor dem Tor war, hatte es ihn eingeholt. Aus der Dunkelheit formte sich ein riesiges Maul mit armlangen Zähnen und schnappte nach ihm. Der Jüngling schrie noch um Hilfe, aber es war zu spät…
Ragin erwachte schweißgebadet. Seit er hier in Alexandria wohnte schlief er schlecht, denn die Temperaturen machten ihm zu schaffen. Aber an Schlaf war nun nicht mehr zu denken, denn er war hellwach. Nur die gute Amala spürte seine Angst und kam zu ihm und schleckte seine Hand ab. Sie war wirklich seine Beschützerin. So lag er die restliche Nacht in seinem Bett, starrte an die Decke und dachte nach...