Beiträge von Marcus Decimus Flavus

    Es war ein wahres Vergnügen die junge Frau zu beobachten. Es kam Marcus sogar so vor, als wäre es für sie ein großes Abenteuer hier durch die engen Marktgassen zu schlendern und die Angebote aus aller Welt zu begutachten. Einen solch sorglosen und glücklichen Eindruck sah der junge Decimer meist nur im Gesicht seiner Schwester Flava, doch dieses Mädchen hier vor ihm hatte noch irgendetwas anderes an sich, dass er im Moment noch nicht richtig einzuordnen wusste. Als sie schließlich wie ein neugieriges Kind vor dem Geschäft des Barbiers zum stehen kam und völlig fasziniert die Vorgänge in dem Laden beobachtete musste Marcus leicht schmunzeln. Der Barbier setzte sofort sein Messer ab und machte einen weniger erfreuten Eindruck über die ständigen Gesichtsbewegungen seines Kunden. Marcus versuchte sofort wieder einen ernsten Ausdruck aufzusetzen und sich nichts anmerken zu lassen, beobachtete jedoch weiter die großen Augen der junge Frau, die allem Anschein gerade dabei waren, ihn selbst zu mustern.


    Es war wohl unbewusst passiert, denn als sich ihre Blicke trafen, war ein leichter Anflug von Röte auf dem sonst makellosen und wunderschönen Gesicht der jungen Frau zu erkennen. Dann wandte sie ihren Blick vermutlich leicht beschämt ab. Hatte sie bemerkt, dass er sie die ganze Zeit über beobachtet hatte? Nun wechselte auch sein Gesicht leicht die Farbe. Es war ihm ausgesprochen peinlich, dass er dadurch eine solche Situation ausgelöst und das Mädchen damit vielleicht sogar beschämt hatte. Nervös ließ Marcus seinen Blick hinunter auf sein Gesicht wandern. War den dieser verdammte Barbier immer noch nicht fertig? Derart an dem Stuhl gefesselt blieb ihm nichts anderes über, als darauf zu hoffen, dass sie nicht einfach weiterging und in den Menschenmassen verschwand, sondern zumindest noch eine Weile in der Nähe blieb, oder sogar noch einmal zu ihm herüber sah. Der Barbier musste mit seiner Behandlung jeden Moment fertig werden und dann hätte Marcus die Gelegenheit, die junge Frau anzusprechen und sich für seine unangebrachten Blicke zu entschuldigen.

    "Das ist gut so. Obwohl ich glaube der Alte hat genug davon und wir uns bei Bedarf wesentlich mehr rausholen können. Dieser Verwalter war recht schnell zu überzeugen."


    Er lächelte seine Schwester verschmitzt an und zwinkerte ihr zu. Es war eine wunderbare Vorstellung dem Alten das Geld aus den Taschen zu ziehen – vor allem wenn dieser es nicht einmal mitbekam. Dann wurde sein Grinsen noch breiter. Er ging vor seiner Schwester in die Hocke und nahm ihre Hand in die seine.


    "Und stell dir vor Schwesterherz. Ich habe einen Brief vom Consul erhalten. Nächste Woche soll ich vor dem Senat sprechen und dort meine Kandidatur für das Vigintivirat bekannt geben. Ist das nicht phantastisch?"

    Als Serapio plötzlich damit begann den Alten in den höchsten Tönen zu loben seufzte Marcus leise und verdrehte unmerklich die Augen. Das konnte doch jetzt nicht wirklich sein ernst sein. Ein großartiger Mensch? Freundlich? Großzügig? Umso länger Serapio schwärmte, umso mehr hatte Marcus sichtliche Mühe damit sich zurück zu halten. Bei jedem Wort das sein Verwandter über den Senator verlor stieg die Wut des jungen Decimers in seinem Inneren. Als Serapio schließlich noch meinte, dass man den Alten keinen Vorwurf machen dürfte und ein Legat dort sein müsse, wo der Kaiser war, platzte Marcus schließlich der Kragen. Die Adern an seiner Stirn traten leicht hervor und sein sonst eher blasses Gesicht überzog sich mit einem leichten Rotschimmer.


    "Er lässt niemand im Stich? Und was ist mit seiner Familie? Welchen Stellenwert hat diese denn dabei gehabt? Wo war er als seine Kinder auf die Welt kamen? Wo war er als seine ach so geliebte Frau starb? Wo?"


    Es platzte so aus ihm heraus, dass sich seine Stimme dabei fast überschlug und seine Worte wie eine große Welle über Serapio hereinbrachen. Doch das war nicht alles was Marcus dazu zu sagen hatte. Ohne lange Luft zu holen sprach oder schrie er vielmehr vollkommen aufgewühlt und wutentbrannt weiter, während sein Blick kurz Serapios Rüstung fixierte.


    "Ihr Soldaten strebt immer nur nach Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld. Für etwas anderes interessiert ihr euch nicht. Nicht einen Gedanken hat er an seine Familie verschwendet. Sogar zur Beerdigung unserer Mutter ist er nicht erschienen. Wenn du das für gut heißt und fadenscheinige Entschuldigungen erfindest, dann bist du um keinen deut besser wie er..... Soldat."


    Das letzte Wort brachte Marcus mit einer derartigen Verachtung hervor, dass man glauben könnte er sprach von einem monströsen Dämon aus der Unterwelt. Seine Augen zogen sich zusammen und er sah Serapio voller Verachtung an.

    Ihre Haare? Ach ja! Erst jetzt bemerkte Marcus, dass Flava ihre Haare heut anders trug als sonst. Männer hatten eben keinen Blick für solche Details – hatte er zumindest schon öfters aufgeschnappt. Er legte den Lederbeutel, den er bisher in der Hand gehalten hatte auf den Tisch und grinste seine Zwillingsschwester dann triumphierend an.


    "Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit dem Verwalter des Alten. Dabei konnte ich ihm ein paar Sesterzen entlocken, damit wir hier nicht ständig auf andere angewiesen sind sondern auch selbst ein wenig Kapital haben, dass wir ausgeben können. Hier hast du einmal 400 Sesterzen. Gib aber nicht alles auf einmal aus Schwesterherz und wenn du wieder etwas brauchst, dann sag mir einfach bescheid."


    Sim-Off:

    in der WISIM überwiesen

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Mattiacus
    "Du kannst ja mal zum Prätor gehen. Sag ihm, dass du von mir kommst und er dich mal ein wenig reinschnuppern lassen soll. Da kannst du bestimmt einiges lernen."


    "Das werde ich machen Onkel! Ich danke dir für deine Unterstützung. Aber nun möchte ich dich nicht weiter stören. Vor deinem Officium warten bestimmt bereits die nächsten Besucher, die deinen Rat oder deine Unterstützung brauchen."


    Marcus konnte mit diesem Besuch durchaus zufrieden sein. Nicht nur, dass er den Cursus bestanden hatte, bot ihm sein Onkel auch Hilfe beim erlangen der ersten praktischen Erfahrung in Prozessführung an. Durch die Kontakte seines Onkels zu den Prätoren und anderen Anwälten, hatte der junge Decimer eine Möglichkeit, die nicht jedem zuteil wurde. Er danke Mattiacus und verabschiedete sich.

    "Warum? Nun sagen wir um einen ehrgeizigen jungen Mann eine Chance zu geben, sich im Einstiegsamt des Cursus Honorum zu beweisen. Ich denke meinen weiteren Weg nach dem Vigintivirat kann ich dann bereits mit meiner geleisteten Arbeit und meinen dadurch gewonnen Bekanntheitsgrad beeinflussen. Doch für den Einstieg in den Cursus Honorum benötige ich Fürsprecher wie dich. Natürlich sind meine Beweggründe zum Teil aus dem Wunsch heraus gewachsen, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten – zumindest Teilweise, denn anders wir er strebe ich keine Karriere beim Militär an – und zum anderen habe ich seit jeher ein besonderes Interesse für die große Bühne der Politik und die Geschehnisse im Senat. Es wäre mir daher nichts lieber, als dem Senat, dem Kaiser und dem Volk von Rom zukünftig als Senator zu dienen."


    Das der Annaeer den Consul kannte war nicht überraschend, dass er jedoch auch den Alten kannte, war eine Information, die Marcus bisher noch nicht geläufig war. Doch bevor er nachfragen konnte, widmete sich der Senator bereits seiner nächsten Frage, die Marcus ein schmunzeln entlockte. Natürlich war es für den Mann, der selbst erst vor kurzem in den Senat berufen wurde, ebenfalls von besonderen Interesse, wen der Consul zu den einflussreichen Männern im Senat zählte. Vielleicht konnte er dadurch selbst den einen oder anderen seine Aufwartung machen und sich damit weiteren Einfluss bei den richtigen Leuten sichern. Der junge Decimer machte ein nachdenkliches Gesicht und tat anfangs so, als würde er sich zieren und davor scheuen diese Information Preis zu geben, doch schließlich sprach er weiter.


    "Neben dir habe ich bisher auch die Senatoren Tiberius Durus, Purgitius Macer und Germanicus Sedulus aufgesucht. Senator Germanicus Avarus weilt derzeit nicht in Rom. Und eben auch du warst in der Aufzählung des Consuls."

    Man konnte zwar nicht behaupten, dass Marcus bereits einen starken Bartwuchs aufweisen konnte, aber dennoch hatte er es sich bereits in Britannia angewöhnt, ab und zu einem Barbier zu besuchen. Dabei ging es ihm weniger um die Rasur an sich, als mehr um die angenehme und wohltuende Behandlung und natürlich auch die Möglichkeit, von seinem meist direkt beim Eingang ausgewählten Platz, das Treiben auf der Straße zu beobachten. Der junge Decimer liebte es, andere Leute bei ihren geschäftigen Treiben zu beobachten. Auch hier in Rom hatte er bereits einen passenden Barbier gefunden, der ihm während seiner oft längeren Fußmärsche zu den Häusern der verschiedensten Senatoren in den letzten Tagen aufgefallen war. Und dieser Barbier war perfekt für seine Zwecke – er lag mitten auf den Trajansmärkten und hatte eine große Auslage.


    An diesem Tag war Recht viel los, sodass Marcus einige Mühe hatte, sich durch die Menschenansammlung auf den Märkten zu drängen. Nach einigen Wartezeiten und Umwegen kam er schließlich bei seinem Ziel an – dem Barbier, den er bereits vor einigen Tagen entdeckt hatte. Als er das geräumige Geschäft betrat, in dem unter anderen Gästen bereits zwei Eques und sogar ein Senator zu sehen waren, die bereits ihre wohltuende Behandlungen genossen, kam ihm sofort der Ladenbesitzer entgegen und begrüßte ihn auf das Herzlichste. Marcus erwiderte seinen Gruß und ließ sich auf einen vorher ausgewählten Platz geleitet, der direkt am Rand zur Straße gelegen war. Kaum im Sitz, kam bereits ein Sklave herbei und legte dem Decimer ein weites Tuch um den Oberkörper, das seine Kleidung vor Schmutz schützen sollte.


    "Heute nur eine Rasur!"


    merkte Marcus an und ließ sich zurück in den Stuhl gleiten. Der Sklave nickte und kam kurze Zeit später mit einer Schüssel zurück, aus der er eine Art Schaum herausholte und die untere Hälfte des Gesichts des jungen Mannes einschäumte. Marcus schloss kurz seine Augen und öffnete sie erst wieder, als der Sklave fertig war und der Maestro selbst an den Stuhl herantrat und sein Messer ansetzte. Marcus widmete seine Aufmerksamkeit unterdessen dem regen Treiben vor dem Geschäft. Besonders stach ihm dabei eine junge Frau ins Auge, die gemeinsam mit einem Sklaven von einem Stand zum nächsten schlenderte und jeden Moment an der Auslage des Barbiers vorbeikommen musste.

    Als ihm eine junge hübsche Sklavin aus dem Zimmer seiner Schwester entgegen kam, die Marcus bisher noch nie im Haus wahrgenommen hatte, sah er zuerst der Sklavin hinterher bis sie hinter eine Ecke verschwand, ehe er sich seine Schwester zuwandte. Sie wurde sofort mit einem breiten Lächeln begrüßt und mit einem Kuss auf die Stirn, als er schließlich vor ihr stand.


    "Ich hoffe ich habe dich nicht gestört Schwesterherz."

    Mit einem kleinen Lederbeutel in der Hand klopfte Marcus an die Zimmertüre seiner Schwester. Er hatte dem Verwalter des Alten ein wenig Kapital abgepresst, von dem nun natürlich auch seine Schwester profitieren sollte. Auch wenn die beiden Geschwister hier im Haus alles bekamen was sie brauchten, so war ein wenig eigenes Geld für kleine Anschaffungen nie schlecht. Um welchen Betrag es sich tatsächlich gehandelt hatte, wollte Marcus seiner Schwester selbstverständlich nicht mitteilen.


    "Flava? Bist du da?"

    Nun merkte auch Marcus nach und nach, dass die Müdigkeit über ihn hereinbrach. Die ganze Anspannung und Aufregung waren aus seinen Körper gewichen und ließen seine Glieder nun schwer und träge erscheinen. Die zusätzliche Wärme, die von den beiden Körpern unter der Decke ausgestrahlt wurde, tat das restliche, um auch die Augenlieder des jungen Mannes schwer werden zu lassen. Dennoch versuchte er sich noch auf die Aussagen seiner Zwillingsschwester zu konzentrieren. Er verstand die Aussage gänzlich anders, als sie vermutlich gemeint war und meinte nur schlaftrunken


    "Natürlich brauche ich dich Flava. Du bist meine Schwester. Und nun lass und schlafen. Ich bin schon sehr müde."


    Er rückte einmal mehr dicht an sie heran, so dass es auf der Deckenoberfläche wirklich den Anschein hatte, als wären sie eine kräftig gebaute Person, und gab ihr einen sanften Kuss auf den Hinterkopf. Dann schloss er endgültig die Augen und war nach wenigen Atemzügen eingeschlafen.

    Marcus drückte seine Schwester ganz eng an seinen Körper. Sie behielt ihre Tunika heute an, was nur bedingt den Hautkontakt ermöglichte, den er sonst so gerne spürte und der ihm das Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermittelte. Noch dazu hatte Flava wunderbar helle und zarte Haut, was vermutlich aus ihrer überdurchschnittlichen Körper- und Hautpflege herrührte. Er hatte seine Augen bereits geschlossen, als sie ihn plötzlich wieder leise ansprach. Er schmunzelte leicht in seiner ersten Reaktion und flüsterte ebenso leise zurück


    "Flava! Auf was für Gedanken du mitten in der Nacht kommst. Du bist ja schon eine halbe griechische Philosophin."


    Dann machte er eine kurze Gedankenpause und dachte über Flavas Frage nach. Zwei Menschen die sich eine Seele teilten. Das kam ihm doch etwas verrückt vor. Natürlich merkte auch er, dass er sich mit seiner Zwillingsschwester auf irgendeinen Art und weise besonders Verbunden fühlte, aber zu sehen oder zu fühlen was der andere fühlt, dass hatte er bisher noch nicht erlebt. Und Marcus war in solchen Dingen außerordentlich Realitätsbewusst – konnte man etwas nicht sehen, schmecken oder fühlen, dann gab es da auch nichts. Er konnte auch die Hingabe seiner Schwester zur Religion nicht Teilen. Ja eigentlich glaubte er nicht einmal an die Götter – schließlich hatte er bisher keinen Beweis ihrer Existenz erhalten. Flava war da anders, feinfühliger und vor allem wesentlich gläubiger als ihr Bruder. Schließlich sagte er leise


    "Nein. Ich glaube nicht das es so etwas gibt."


    und nahm ihre kleine zarte Hand.

    Mit einem freundlichen Lächeln nahm der junge Decimer die Einladung sich zu setzen an, wartete bis sein Gastgeber platz genommen hatte und setzte sich dann ebenfalls. Sofort darauf entdeckte er eine weitere Eigenschaft an Modestus, die er sehr an einem Gesprächspartner schätzte – er kam sofort zur Sache, ohne lange um den heißen Brei zu reden. Er nickte dem Senator daher noch einmal dankend zu, als dieser ihm aufforderte seine Anliegen vorzubringen und begann ebenso ohne weitere Freundlichkeitsfloskeln.


    "Ich habe vor bei den kommenden Wahlen für das Vigintivirat zu kandidieren. In diesem Zusammenhang hat mir mein Patron, Consul Aelius Quarto vorgeschlagen, einige Senatoren zu besuchen, sie kennen zu lernen und dabei um ihre Unterstützung und Fürsprache zu bitten. Sowohl mir, als auch dem Consul wäre sehr gelegen, wenn auch du meine Kandidatur unterstützen würdest. Als Mitglied der - nennen wir es – neuen Generation an Senatoren, könntest du gewiss ein Zeichen unter den erst kurz in den Senat berufenen Senatoren setzen und mir die eine oder andere Stimme damit sichern."


    Gespannt wartete der junge Decimer auf die Reaktion des Senator. Er hoffte, dass er die passenden Worte gefunden hatte und auch der Hinweiß darauf, dass der Consul seine Kandidatur ebenso unterstützte, aussagekräftig genug war, um den Senator zu überzeugen.

    "Ja, es gab einen Aufstand in Britannia. Wir hatten das Glück das mein Großvater als ritterlicher Händler sehr viele Beziehungen in der Provinz hatte und ein früherer Geschäftspartner dabei half, die ganze Familie rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Nicht jede Ecke der Provinz war so stark betroffen, wie etwas die Provinzhauptstadt. Im Südwesten der Insel herrschte in weiten Teilen eine gewisse Ruhe. Dorthin haben wir uns zurückgezogen und den Aufstand ausgesessen."


    Marcus erinnerte sich nicht gerne an diese Zeit. Es war weder für seine Großeltern, noch für Flava und ihn leicht gewesen, Haus und Hof, sowie die meisten ihrer Habseligkeiten zurück zu lassen und in einen anderen Teil der Provinz zu fliehen. Auch wenn sie dort freundlich Aufgenommen wurden und man sich gut um sie gekümmert hatte, so war es dennoch nicht ihr zu Hause gewesen. Er war daher froh darüber, dass der Senator sofort wieder das Thema wechselte und nahm einen Schluck aus seinen Becher, ehe er weiter sprach.


    "Nun, ich habe bei ihm vorgesprochen und ihn offen um seine Fürsprache und seine Hilfe gebeten und ihm als Gegenleistung meine Loyalität und meine beschiedene Unterstützung angeboten. Anscheinend hat er etwas in mir gesehen, dass er für Förderungswürdig erachtet hat und mich bei diesem Gespräch sogar als seinen Klienten angenommen. Auch ich sehe die dadurch eingegangene Verbindung als durchaus Vorteilhaft für beide Seiten."


    Mehr musste der Senator, Schwager hin oder her, nicht über das Gespräch mit dem Consul wissen. Sollte Quarto das anders sehen, dann würde er es ihm selbst mitteilen. Für Marcus war es aber Ehrensache, dass er dieses Gespräch und die Vereinbarungen der beiden für sich behielt.

    "Du verkaufst dich unter deinem Wert Senator. Ich selbst bin gewiss zu jung und zu unerfahren um dies zu beurteilen, aber wenn dich ein Mann wie Aelius Quarto zu den einflussreichen Senatoren zählt, dann wird da gewiss auch etwas dran sein. Eine Unterstützung meiner Kandidatur von deiner Seite wäre daher eine ebenso große Freude und würde meinen Aussicht auf Erfolg bestimmt wesentlich verbessern."


    Senator Macer lag mit seiner Einschätzung gewiss nicht falsch, aber dennoch wollte der junge Decimer alle Möglichkeiten ausnutzen um sich seiner Wahl sicher zu sein. Vielleicht war sich der Senator bisher auch gar nicht bewusst gewesen, dass sich so manch anderer, vor allem vielleicht jüngerer Senator, ein Beispiel an dem früheren Feldherren und Klienten des verstorbenen Kaisers nahm. Und die Gespräche mit den diversen Senatoren hatten ja auch einen weiteren, nicht unwesentlichen Vorteil für Marcus- er hatte einen guten Vorwand die Senatoren kennen zu lernen und so bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad unter ihnen zu erreichen.


    "Mit Meridius konnte ich leider nicht mehr vor seiner Abreise über meine Ambitionen sprechen. Aber ich bin mir sicher, dass die gesamte Gens hinter meinem Vorhaben steht und es unterstützen würde, wäre es möglich. Unter uns gesagt ist die Gens Decima derzeit nicht unbedingt am Zenit ihrer Macht und ihres Einflusses. Ich hoffe mit der Zeit meinen Beitrag leisten zu können, diese Tatsache wieder zu ändern."

    "Eigentlich denke ich, dass du ja bereits zu alt dafür bist………"


    Er machte mitten im Satz eine kurze Pause, lächelte seine Schwester an, ging dann zur Türe und schob den Riegel vor. Dann sah er wieder zu ihr und zwinkerte ihr fröhlich zu. Es war wirklich so, als wäre nichts passiert. Er verhielt sich vollkommen Normal und verschwendete auch selbst keinen Gedanken mehr an die letzten Momente.


    "…….aber ich denke heute können wir eine Ausnahme machen."


    Dann kam Marcus wieder zurück an sein Bett und schob die Decke auf, die immer noch vollkommen unberührt darauf lag. Einladend hielt er sie auf und sah in Flavas Richtung. Sie brauchte dieser Einladung nur noch folgen und sich in sein Bett legen. So wie immer würde er sich dann zu ihr legen und sie in die Arme nehmen bis sie eingeschlafen war. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie alt die beiden waren, als Flava zum ersten Mal zu ihm gekommen war. Damals hatte sie ebenfalls einen Albtraum gehabt und gab ihren Bruder so lange keine Ruhe, bis er einwilligte und sie unter seine Decke ließ. Irgendwann war es dann normal gewesen. Immer wenn Flava von Sorgen oder Albträumen geplagt wurde, kam sie zu Marcus und kuschelte sich an ihn. Selbst jetzt noch, aus dem Kindesalter bereits herausgewachsen, konnte er es ihr nicht ausreden, obwohl er es bereits ein paar Mal versucht hatte.

    Es dauerte einige Zeit bis sich Marcus Puls wieder beruhigt hatte und er einen klaren Gedanken fassen konnte. Langsam hob er seinen Kopf, versuchte jedoch jeglichen Blickkontakt mit seiner Schwester zu vermeiden. Die Wut war gewichen und nun blieb nur noch die Scham, die er vor Flava in diesem Moment verspürte. Er wollte weder das sie diese Situation sah noch, dass sie ihm in einer solchen Verfassung jemals zu Gesicht bekam. Diese dumme kleine Sklavin hatte alles versaut und einfach nicht auf ihn gehört, hatte nicht das Gemacht, was er wollte und wonach ihm gierte. Als Flava schließlich an der Türe geklopft hatte, nutzte dieses Miststück die Gelegenheit zu verschwinden. Das würde sie noch bereuen. Bei der nächsten Gelegenheit würde er nicht mehr so Rücksichtsvoll mit ihr umgehen. Er bildete sich zumindest ein, dieses mal Rücksichtsvoller gewesen zu sein. Schließlich war es für sie Neu gewesen und musste noch lernen, wie man ihrem Herrn zu Diensten war. Sein Mund war nun direkt neben Flavas Ohr und seine Stimme flüsterte ihr leise zu.


    "Es tut mir leid Flava…. Ich wollte nicht…… Ich wollte nicht das du das siehst."


    Sein Arme, die immer noch um Flavas Hüften geschwungen waren, drückten sie bei diesen Worten etwas fester an ihn heran. Die letzten Worte klangen irgendwie bedrohlich und doch sanft. Einen kurzen Moment verharrte er mit seiner Schwester in den Armen, dann ließ er plötzlich von ihr ab und ging zu seinem Bett, vor dem eine Tunika auf dem Boden lag. Er hob sie auf und warf sie auf sein Bett. Dann wandte er sich wieder an seine Schwester und sah sie mit dem gewohnten freundlichen und liebevollen Gesichtsausdruck an, den sie an ihm kannte. Die Erektion war aus seinen Lenden gewichen und es war fast so, als wäre nichts gewesen und nichts passiert. Als wäre sie gerade erst ins Zimmer gekommen und alles wäre wie immer gewesen.


    "Was machst du denn so spät noch auf?"

    Wie im Traum sah er Flava näher kommen, spürte wie sie ihre Arme um seinen nackten Oberkörper legte. Es war ihm in diesem Moment weder unangenehm, dass sie diese Situation mit der Sklavin miterlebt hatte, noch war es ihm peinlich, dass er nur mit Schurz bekleidet und immer noch sichtlich erregten Lenden vor seiner Schwester stand. Er verspürte nur Wut und Gier – unstillbare Gier. Sonst war da nichts. Die Türe zu seinem Cubiculum wurde geschlossen. Seine Augen verfolgten jede Bewegung seiner Zwillingsschwester, bis sie schließlich dicht bei ihm stand und er sie spüren konnte.


    Ohne ein Wort zu sagen, ohne jegliche Gegenwehr oder Reaktion, ließ sich Marcus langsam in die Arme seiner Schwester gleiten. Er spürte ihrer Körperwärme, ihre zarte Haut, die sich zaghaft an die seine schmiegte und roch den wohlbekannten Geruch ihrer Haare. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe sich sein ganzer Körper langsam Muskel für Muskel entspannte und er seine Arme ebenso um seine Schwester legte und sie an sich drückte. Sein Kopf senkte sich langsam auf ihre Schultern und sein Gesicht vergrub sich sachte in ihrem Hals. Marcus Stimme klang leise und auch etwas verwirrt, fast wie die eines verstörten Kindes, als er Flava ansprach, ohne sie dabei anzusehen oder nach Blickkontakt zu suchen. Seine Augen waren geschlossen, seine Arme umklammerten Flavas Hüfte.


    "Flava?"

    Es dauerte einige Zeit, doch dann ließ sich der Senator endlich blicken. Mit einem Kopfnicken deutete Marcus eine Verbeugung an, als der Annaeer das Atrium betrat. Sein Blick musterte gleichzeitig den Mann, der wie Quarto berichtet hatte, erst vor kurzem in den Senat berufen wurde. Der junge Decimer stellte fest, dass dieser Mann zwar die markanten Insignien eines Senators trug, sein Gesicht allerdings nicht denselben verschlagenen Eindruck machte, den er in den letzten Tagen bei anderen Senatoren gesehen hatte. Der Sklave hatte den Senator bereits bestens Informiert, wodurch ein vorstellen unnötig war.


    "Ich grüße dich Senator und danke dir, dass du mich so kurzfristig empfangen hast. Ich hatte gehofft, du könntest dir kurz die Zeit nehmen, um dich mit mir über die kommenden Wahlen im Cursus Honorum zu unterhalten."

    Dann ging alles recht schnell. Aus dem Inneren des Raumes war wutentbrannt


    "Verdammte Lupa!"


    und fast zeitgleich ein klatschendes Geräusch zu hören, als wäre jemand geschlagen worden. Danach ein weiterer leiser aber von fürchterlicher Angst erfüllter Aufschrei. Im nächsten Moment wurde der ínnere Riegel beiseite geschoben und die Türe schwungvoll aufgerissen. Eine junge Sklavin, nur etwas jünger als Marcus und Flava, stürmte mit verweinten Augen und einem völlig verstörten Gesichtsausdruck aus dem Zimmer, rannte dabei fast gegen Flava und verschwand im dunklen des Hausflurs in Richtung Sklavenunterkünfte. Sie war nackt, hielt lediglich ihre Tunika notdürftig vor ihren Körper und nahm Flava, die vor dem Cubiculum gestanden hatte, auf ihrer Flucht überhaupt nicht war.


    In der Mitte des Zimmers stand Marcus, der mit einem wütenden Gesichtsausdruck der flüchtenden Sklavin hinterher sah. Er war lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet und der flackernde Schein der Kerzen ließen sein Aussehen und seinen Gesichtsausdruck in diesem Moment fast dämonisch erscheinen. Die Muskeln seines Körpers waren angespannt und seine zu einem schmalen Spalt zusammengezogenen Augen spiegelten eher den Ausdruck eines wilden Raubtiers wieder, als den eines menschlichen Wesens. Als die Sklavin um die Ecke gebogen und sich in Sicherheit gebracht hatte, nahm der junge Mann die Anwesenheit seiner Schwester war, die vor seiner Zimmertüre stand und die ganze Szene mitverfolgt hatte. Er sagte kein Wort zu ihr, als sein alles durchdringender Blick auf seine Zwillingsschwester traf und sie ebenso anfunkelte.