In seiner strahlend weißen und eigens für diesen Anlass gekauften Toga Candida trat Marcus vor das Plenum des römischen Senats. Er war nervös. Sehr sogar. Vor einer solchen Ansammlung an Leuten hatte er noch nie gesprochen – schon gar nicht so hochkarätiger und wichtiger Leute – und der Senatssaal war heute zum bersten gefüllt. Doch außer an einem ernsten Blick und seinen leicht verschwitzten Handflächen konnte man dem jungen Decimer nichts anmerken. Er gab sich Mühe jegliche Nervosität abzustreifen, als er seinen Namen hörte und vor trat. Zuerst wandte er sich an die beiden Consuln und nickte ihnen für Ihre Aufforderung dankend zu. Für Aelius Quarto rang er sich trotz der Anspannung ein kurzes zuversichtliches Lächeln ab. Dann trat er in die Mitte des Senatssaals und räusperte sich. Zufällig traf sein erster Blick nach vorne auf Tiberius Durus, der ihm vor wenigen Tagen zugesagt hatte, die patrizische Wählerschaft zu mobilisieren und ihm somit weitere wichtige Stimmen für diese Wahl zu sichern. Heute würde sich zeigen, ob dies auch so war. Der junge Decimer atmete tief durch und begann seine Rede.
"Ehrenwerte Consuln, ehrenwerte Mitglieder des Senats,
ich danke euch in aller Bescheidenheit, dass ihr mir euer Gehör schenkt und trete heute Demutsvoll vor euch, um für ein Amt bei den Vigintiviri zu kandidieren. Wie viele andere junge Männer vor mir, trete ich vor diese ehrenwerte Versammlung, um meinen ersten Schritt auf den wohl erstrebenswertesten und ehrenhaftesten aller Wege in der langen und glorreichen Geschichte Roms zu wagen.
Ich möchte damit in meiner Familie mit einer altehrwürdigen Tradition unserer Gesellschaft fortfahren. Einer Tradition, die sich bereits über jahrhunderte quer durch alle Ordines und alle Berufsstände unseres Reiches zieht und bis heute den Weg vieler junger Männer vorbestimmt. Ob es sich dabei nun um den Sohn des einfachen Bauern im Umland von Rom handelt, für den irgendwann der Tag kommt, wo er den Hof seines Vaters übernimmt, oder um den Sohn eines geschäftstüchtigen Eques, der eines Tages den Laden seines Vaters übernimmt, den Sohn eines Centurios, der sich wie sein Vater dem Dienst im Exercitus Romanus verschreibt, oder eben auch den jungen Sohn eines Senators, der durch seine Herkunft das Recht und die Pflicht bereits in die Wiege gelegt bekommen hat, diesem Hohen Haus eines Tages als Senator zu dienen.
Auch ich möchte diese Traditionen ehren und in die Fußstapfen meines Vaters, Marcus Decimus Livianus treten, der dieser Versammlung seit vielen Jahren als Senator dient und sein Leben dem Wohle und vor allem der Verteidigung Roms gewidmet hat."
Der Blick des jungen Decimers, der bisher stets aufmerksam durch die Reihen der Senatoren gewandert war, hielt bei diesem letzten Satz für einen kurzen Moment auf Purgitius Macer fest, der ebenso wie sein Vater sowohl in den Reihen der Senatoren diente, als auch mehr als sein halbes Leben das römische Reich als Soldat verteidigt und Flavus seine Unterstützung bei dieser Wahl zugesagt hatte. Dann wanderten seine Augen wieder weiter und er setzte seine Rede fort.
"Wie vielen anderen jungen Männern, vielen anderen Söhnen, ist auch mir bewusst, dass diese Fußstapfen oftmals sehr groß sind und mir auf den Weg dorthin viel Disziplin, Entbehrungen und auch Mut abverlangen werden. Doch ich bin nicht nur der Überzeugung, sondern auch entschlossen genug, diesen Weg zielstrebig zu verfolgen. Denn das ist wie vorhin erwähnt nicht nur das Recht, sondern auch eine heilige Pflicht, der ich als Angehöriger des Ordo Senatorius mit großer Freude nachkommen möchte.
Auch wenn es sich beim Vigintivirat erst um das Einstiegsamt in den Cursus Honorum handelt, werde ich nicht minder die herausragende Möglichkeit dieser Aufgabe erkennen und das Amt mit Ernsthaftigkeit und vor allem auch mit Pflichtbewusstsein und Ergeiz antreten. Alles um letzten Endes dem Kaiser, dem Volk von Rom und auch dieser ehrenwerten Versammlung, die Richtigkeit ihrer Wahl und des in mich gesetzten Vertrauens zu beweisen. Wie in den langen Traditionen des Senats vorgesehen, möchte auch ich die Gelegenheit und das Recht des Kandidaten nutzen, einen Wunschposten zu benennen. Aufgrund meiner juristischen Kenntnisse möchte ich den Senat bitten, mich im Falle einer erfolgreichen Wahl, in den Dienst der Tresviri capitales zu stellen. Ich denke dem Volk und dem Senat in diesem Amt am besten Dienen zu können."
Nach diesen Worten unterbrach er erneut für einen kurzen Moment seine Rede und sah kurz zu Germanicus Sedulus, von dem er in ihrem gemeinsamen Gespräch vor einigen Tagen erfahren hatte, dass er während seines Vigintivirat ebenso bei den Tresviri capitales gedient hatte. Auch dieser Senator hatte ihm bei der Gelegenheit seine Unterstützung zugesichert.
"Ich hoffe mit großer Zuversicht, von euch ehrenwerte Senatoren, als Würdig für dieses Amt erachtet zu werden und die damit verbundene Möglichkeit zu erhalten, meinen Teil zum Wohle Roms und zum Wohle des Senats beitragen zu können. Ich danke euch."
Der junge Mann deutete mit seinem Kopf eine demutsvolle Verbeugung an, ließ seinen Blick noch einmal durch die Runde der anwesenden Senatoren schweifen und wandte sich dann an seinen Patronus Aelius Quarto. Vielleicht wollte dieser noch die Kandidatur seines Klienten mit einigen Worten unterstützen oder aber würde den Senatoren nun die Möglichkeit geben, Marcus etwaige Fragen zu stellen.