Sie hatte die Lüge durchschaut und Paulinus nickte. „Vielleicht habe ich nicht ganz die Wahrheit gesagt...“ sagte er mit unschuldiger Miene. „Aber wenn es welche geben würde, könnten sie Dir nichts tun. Die Germanen sagen, sie kommen nicht in Häuser. Man muss nur die Götter ehren.“ Er lächelte und bahnte sich mit dem Finger einen Weg zur ihrer Hand. Ganz vorsichtig, fast unabsichtlich, berührte er sie kurz. Er konnte nicht an sich halten, er wollte ihre Haut spüren. Ein Feuerwerk von Emotionen ging durch sein Körper und sein Atem wurde schwerer. Es schien als würde etwas seinen Hals zudrücken. Er bekam kaum noch richtig Luft, die ja so lebensnotwendig war.
„Hätte ich gewusst das ich so eine kleine Nervensäge als Cousine habe, wäre ich natürlich länger in Germanien geblieben. Dann müsste ich mir nicht auch noch den heißen Sommer antun.“ Ein leises kichern erfüllte den Raum. Paulinus fixierte mit seinem Blick das zarte Gesicht seiner Cousine. „Also eigentlich...“ meinte nun etwas ernsthafter... „hätte ich schon viel früher nach Rom kommen sollen...“ Was er damit letztlich meinte, sprach er nicht aus. Er biss sich auf die Zunge und senkte seinen Blick.
„Ein weibliches Ungeheuer? Ach Unsinn...“ meinte er höhnisch und fuhr sich über den Bauch. „Du willst mich ja nur ablenken damit es mich schnappen kann, gibt es zu.“ Paulinus versuchte sich zu erinnern, aber es gab nichts, worauf sein Gedächtnis zurück greifen konnte. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so lebendig gefühlt. Oder auch nur so herzlich und offen gelacht. Immer war er der zurückhaltende gewesen, der Eigenbrötler. Der Stubenhocker, wie sein Bruder ihn immer nannte. Aber endlich Verstand er, wie es sich anfühlte ein Mensch zu sein. Nicht ständig alleine in einem Raum zu sitzen und zu lesen. Sondern sein Leben und seine Gedanken mit jemanden zu teilen. Jemand der für einen da war und einen so mochte, wie man war. Ohne sich ständig verstellen zu müssen, wie Paulus es oft tat in der Öffentlichkeit. Und wer gab ihn dieses Gefühl? Es war dieses wunderschöne Mädchen. Sie hatte es geschafft, sie hatte eine Breche in Paulinus seine Verteidigung geschlagen und belagerte nun die letzten Reste seines alten Lebens. Aber schneller als gewollt holte ihn die Realität wieder ein. Er durfte sich nicht ergeben, sie war nicht irgend jemand. Sie war seine Cousine. Auch nur der Gedanke daran, Calena einfach zu küssen, müsste von den Göttern bestraft werden. Egal was er auch tun würde, er könnte diese Tatsache nicht aus dem Weg räumen. Und wenn er etwas nicht wollte, dann war es seine Cousine ins Unglück zu stürzen. Ihm wurde bewusst das am Ende des Weges nicht das Glück, sondern nur der absolute Untergang wartete. Paulinus musste diesen Pfad verlassen, egal wie süß und lieblich er roch.
Ihr forscher Blick verriet nichts gutes. Und ehe Paulinus die Situation deuten konnte, war es zu spät. Seine Cousine lag auf einmal neben ihn im Bett und versuchte ihn zu kitzeln. Anfangs setzte er sich noch zu Wehr und versuchte einen Stelle an ihren Körper zu finden, an der sie empfindlich war. Sie lachten, waren unbekümmert. Doch schon im nächsten Augenblick spürte Paulinus einen kalten Windzug. Dieser glitt über eine Stelle, die ihn äußerst peinlich berührte. Die Decke, die ihn so lange geschützt hatte, war nicht mehr in seiner Hand. Er lief erneut rot an und hoffte, dass seine Cousine noch nichts mitbekommen hatte. Während sie sich noch kabelten, ließ er sich geschickt vom Bett fallen. Es tat einen lauten Knall. Eventuell könnte dieser Ablenkung erfolgreich sein. Noch ehe seine Cousine zu ihn hinunter sehen konnte, ließ er seinen Unterkörper unter dem Bett verschwinden und schaute sie schreckhaft an. Er wusste ihren Blick nicht genau zu deuten und überspielte seine Scham mit einem ernsthaften Blick. „Ich glaube ich habe jemanden gehört!“ Er flüsterte und hoffte noch immer, dass sie nichts mitbekommen hatte. „Versteck dich unter der Decke, schnell!“ Seine letzte Hoffnung war es, dass sie es tun würde. So könnte er die Gunst der Stunde nutzten und schnell zum Stuhl eilen, um zu mindestens seine Männlichkeit zu verbergen.