Beiträge von Titus Decimus Vestinus

    Ein Tuscheln raunte durch die Menge, als wir heute - hübscher gekleidet, als üblich - den Weg zum campus zurücklegten.
    "Endlich, endlich." freute sich Severus, der - wie auch in den letzten Monaten - einen Platz in meiner Nähe eingenommen hatte. Vermutlich waren wir so etwas wie Freunde geworden und natürlich hoffte ich nun, dass wir beide auch in Zukunft derselben Einheit zugeteilt sein würden - und wenn nicht, dann blieben uns wenigstens noch der Dienstschluss und die Lagerthermen.


    Ich grinste nur und sagte gar nichts. Das musste ich auch nicht, denn das Strahlen in meinen Augen verriet meine Stimmung schon ganz gut und manchmal bedurfte es eben keiner Worte, um auszudrücken, wie man sich fühlte. Momentan jedenfalls platzte ich vor Stolz und Neugierde in Erwartung der Dinge, die zukünftig auf uns zukommen sollten.


    Licinus war natürlich mal wieder vor uns allen da und ehe wir uns versahen, verteilte er auch schon eine Reihe Befehle. Gut nur, dass wir das inzwischen gewöhnt waren und nun in der Lage, so schnell zu reagieren wie er sprach. Alles andere wäre auch peinlich gewesen, da der Legat in diesem Moment den campus zu betreten schien und vor ihm wollten natürlich alle glänzen.

    Am nächsten Tag hatten wir uns schon beim Betreten des campus verabredet und schlenderten nun, da es Abend war, gemütlich zur Veranda.
    "Das war heute ein Tag." sagte Victorius. "Ihr werdet es nicht glauben, aber es sind zehn Leute umgekippt. Zehn meiner Kameraden! Könnt ihr das glauben?" Fassungslos schüttelte er den Kopf. "Und sowas wollen Soldaten werden. Manche sind wirklich weich."
    Pudens nickte. "Jaja, das passiert schonmal. Bei uns war es ruhig. Formationen, den ganzen Tag und viel aufgewirbelter Staub."


    "Ach Mist. Schaut mal." sagte Victorius nach einigen Minuten des Schweigens. "Die gehen jetzt alle zu den Thermen und vergnügen sich, während wir mit den blöden Holzlatten geschlagen sind."
    "Was wir uns selbst zuzuschreiben haben." erwiderte Pudens bestimmt. So ein Moralapostel, aber er ließ nicht davon ab, uns immer daran zu erinnern, dass es unsere eigenen Taten waren, mit denen wir uns die Strafarbeit eingehandelt hatten. Victorius grummelte und sagte dann nichts mehr, denn mit dem rhetorisch bessere bewanderten Pudens konnte er es noch nie aufnehmen.


    ~Stunden später~


    "Ich glaube, jetzt haben wir es bald, was?" fragte ich. "Das sieht doch schon ganz gut aus und bei euch?"
    Die Stunden waren mal wieder verflogen und langsam nahm die Veranda eine Gestalt an, die sich sehen lassen konnte. Die Hälfte ungefähr hatten wir geschafft.
    "Sieht gut aus." kam es von Victorius. "Wenn keiner weiter geht als bis hier." Er trat an die Stelle, die die guten von den schlechten Balken trennte. "Sollten die Unfälle deutlich abnehmen." Er grinste. "Was sagt ihr, Männer? Es ist schon dunkel. Wollen wir mal gehen?"
    Pudens nickte, ich ebenso. Gemeinsam verstauten wir die noch vorhandenen Balken und die Werkzeuge und begaben uns zu den Baracken.

    Noch ein Grund zur Freude, denn nun hatte auch Priscus gewonnen und wie ich es schon bei Serapio getan hatte, jubelte ich nun auch meinem optio zu.


    Sollte es wirklich noch einen Sieg für die prima geben, fragte ich mich und gestand mir einige Sekunden der Hoffnung zu. Abwarten hieß es da wohl, denn noch war der Wettkampf nicht vorüber .... glaubte ich. Ich hatte ein wenig die Orientierung verloren und wusste nicht mehr genau, wer nun noch alles kämpfen musste und welche Kämpfe wie ausgegangen waren, mal abgesehen von denen, bei denen ich als eifriger Zuschauer ganz bei der Sache war. Eifrig erhob ich mich von meiner Position und entschied, mir die Beine etwas zu vertreten, denn dieses lange Sitzen war ich seit meinem Eintritt in die Legio wahrlich nicht mehr gewohnt.

    Ach, das ist aber schön, dachte ich, der ich noch nicht damit gerechnet hatte, dass der Tag schon an seinem Ende angelangt war.


    Nach und nach löste sich die Formation auf und mit Severus im Schlepptau vollführte ich die zwei Runden um den campus, die wir, wie jeden Abend, noch absolvieren mussten, bevor wir uns in die Quartiere begeben durften.
    "Na, das war doch mal was, was Vestinus?" fragte Severus, unvermittelt.
    "Klar." sagte ich. "Mir hat es heute auch Spaß gemacht. Die Formationen heute waren mal eine gute Abwechslung."
    "Jaja, es ist doch gut, zu wissen wie man sich mit dem ganzen Krempel doch bewegen kann."


    Wenig später begaben wir uns zusammen zu unserer Baracke.

    Ein Stöhnen ging durch die ersten Reihen und irgendwo in meiner Nähe konnte ich einen Kameraden hören, der die probati in der ersten Reihe flüsternd als "Schwächlinge" bezeichnete.


    "Diesmal müssen wir nicht erst raten, was?" sagte ich zu Severus, der, wie ich, keinerlei Probleme hatte, seinen festen Stand zu halten.
    "Ne." sagte der. "Da sind eindeutig die von vorhin gegen uns geknallt - oder haben irgendwas gegen uns gedrückt." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Na, wenigstens haben wir hier keine Probleme. Hat halt seine Vorteile, etwas weiter hinten zu stehen."
    Mit einem Nicken stimmte ich ihm zu und lauschte dann wieder den Geschehnissen. Es war ruhiger geworden und außerdem schienen die ersten Reihen nicht mehr zu wackeln.

    In kleinen Grüppchen entfernten wir uns schrittweise zu der Stelle, an der wir die pila lagern sollten und legten sie dort ab.


    "Langsam fühle ich mich wie ein richtiger Soldat. Diese ganzen Formationen sprühen ja nur so vor Taktik." Behutsam legte der stämmige Soldat, dessen Worte ich vernehmen konnte, sein pilum ab und schaute fragend zu seinem Gesprächspartner, der ihm mit einem eifrigen Nicken zustimmte.


    Dann kehrten wir zurück und bezogen wieder Stellung.


    Einmal mehr stand ich in der Mitte und hatte so alles um mich herum relativ gut im Blick. Auch den Tollpatsch hinter mir, der mich schon ein paar Mal getreten hatte. Irgendwie war ich ja doch froh, dass wir das alles erstmal ohne pila übten.


    Wenige Minuten später standen wir gequetscht zwischen der Reihe vor und hinter uns, übten Druck auf die Vordermänner und wurden selbst bedrängt von denen hinter uns.
    "Puh, ganz schön kuschlig." sagte Severus. "Ob das immer so sein muss?"

    Wir dachten nicht, dass Licinus tatsächlich eine Antwort auf seine Frage wollte, deshalb hüllten wir uns in betretenes Schweigen und waren erst einmal froh, dass der Steinhagel vorläufig zu einem Ende gefunden hatte. Hier und da jedoch grinsten auch einige Soldaten, die das Ganze wohl spannend gefunden hatten.
    Naja, eigentlich keine schlechte Sache, das Adrenalin, dachte ich und stellte mir vor wie wir wohl später reagieren würden, wenn wir tatsächlich auf einem Schlachtfeld stünden. Sicher nicht mehr so nervös und auch aufmerksamer - ohne "Petersilie in den Ohren" fügte ich in Gedanken hinzu.

    "Ja, super Serapio!" jubelte ich ihm zu - und war mir sicher, dass er kein Wort davon verstehen konnte, aber das machte mir nichts aus, ich feuerte meinen Cousin trotzdem an und freute mich, als er in diesem Kampf endlich die Oberhand zu gewinnen schien.
    Schade nur, dass er nicht bei der prima ist, dachte ich, denn wäre es so gewesen, hätte ich doppelten Anlass zur Anfeuerung gehabt.


    "Super. Das schaffst du." schrie ich wieder und musste langsam aufpassen, dass meine Stimme nicht versagte, denn nach dem doch anstrengenden Wettrennen und Speerwurf war ich nicht mehr so fit wie zu Beginn des Tages und nun brüllte ich auch schon minutenlang, denn nicht nur beim Kampf meines Cousins, sondern auch bei dem meines optios hatte ich mich mit kraftvollen Ermutigungsrufen nicht zurück gehalten.


    Schön, dachte ich, nach diesem Tag endlich einmal Zuschauer zu sein.

    Aus weiter Ferne hörte ich wie der centurio etwas schrie und obwohl ich nicht ganz verstehen konnte, was genau er sagte, entnahm ich den bröckelhaften Wortfetzen doch, dass wir uns bewegen sollten - trotz Beschuss.


    "Ja, nun geht schon weiter." maulte ein grobschlächtiger Typ aus der Reihe vor mir. "Sind doch nur ein paar Steine." Gut, zu sagen, wenn man noch keinen abbekommen hat, dachte ich, war zugleich jedoch ziemlich sicher, dass es noch keinen ernsthaft getroffen hatte, denn die Formation bewegte sich nun immer weiter vorwärts und gewann, so erschien es mir, von Sekunde zu Sekunde an Selbstsicherheit.

    "Na mal schauen, ob wir unsere Feinde wegdrängen können." sagte Severus, grinsend, als für uns der Befehl kam, sich in Bewegung zu setzen und ringsum lachten einige Kameraden, in gedämpftem Ton. Nur ich konnte nicht so recht ins Lachen einstimmen, denn irgendwo, in meinem Hinterkopf warnte mich eine kleine Stimme, dass an der ganzen Sache ein Haken sein musste.


    Ich behielt auch recht. Schon nach einigen Metern schepperte etwas in der ersten Reihe und ein zweites Mal innerhalb einiger Minuten war Unruhe in den ersten Reihen zu verspüren. Zuerst dachte ich, dass jemand gefallen wäre und mitsamt seinem Schild krachend zu Boden gegangen war, doch die Informationen rasten schneller durch die Reihen, als die Mutmaßungen durch meinen Geist.
    "Diesmal sind es fliegende Steine." informierte Severus die Umstehenden, besonders aber die, die noch hinter uns standen und nun konnte ich mir auch erklären, was da so gekracht hatte.
    "Tja." sagte irgendeiner, dessen Stimme ich nicht kannte. "Da hat unser centurio wohl an alles gedacht, um uns zu zeigen, wozu die testudo gut ist." und obwohl er das alles ganz locker sagte, konnte ich seinem Tonfall doch ganz deutlich entnehmen, dass er froh war, nicht ganz vorn gestanden und den ersten Schrecken abbekommen zu haben.

    Als ich am ersten Abend meines Strafdienstes auf der Veranda mit den defekten Holzbalken ankam, warteten bereits zwei andere Kameraden auf mich, die, jeder einen Hammer in der Hand, schadenfreudig zu mir herüberwinkten.
    "Hey Vestinus." rief der eine schon von weitem und an der Stimme erkannte ich, dass es der schwarzhaarige, schlaksige Victorius war, der das contubernium neben meinem eigenen bewohnte. "Wir sind schon seit einer halben Stunde hier, aber fairerweise haben wir auf dich gewartet." Jetzt, da ich näher war, sah ich, dass er grinste und ich grinste zurück, denn was sollte ich auch sonst dazu sagen? Ich selbst hätte auch nicht mehr machen wollen, als notwendig.
    Der andere sah eher verbittert aus, trotz winkender Geste und noch ehe ich überhaupt eine Frage stellen konnte, machte Victorius uns schon miteinander bekannt. "Pudens - Vestinus" sagte er, gekonnt knapp und klopfte dem jungen, braunhaarigen Kameraden auf die Schulter, bevor er mir zuzwinkerte. "Pudens ist ein bisschen übellaunig." sagte er, gut gelaunt. "Er nimmt das alles ein wenig zu ernst. Sein Vater und Großvater haben schon in den Legionen gedient und nie einen Strafdienst bekommen und nun schämt er sich dafür, dass er der erste in der Familie ist, der einen ableisten muss. Aber er ist ein netter Kerl, also mach dir keine Sorgen, Vestinus."
    Ich nickte und versicherte dem grimmigen Kameraden, dass es schlimmere Blamagen gäbe. "Und außerdem." fügte ich hinzu. "Tust du am Ende eine gute Tat, wenn durch deine Arbeit niemand mehr Gefahr läuft, sich das Genick zu brechen."


    Ein paar Minuten später machten wir uns an die Arbeit und begannen damit, die Fläche abzulaufen und jede der Latten zu markieren, die ausgewechselt werden musste. Herausholen wollten wir sie noch nicht, denn wir würden heute nicht alle schaffen und eine löchrige Veranda war noch schlimmer, als eine unebene. "Hey, hier, ich hab noch eine." rief Pudens, der nun, da er zu tun hatte, sichtlich aufgelebt war. Eilig lief ich zu ihm und markierte sie.
    "War's das dann?" fragte der schwitzende Victorius, der von hinten an uns herangetreten war. "Oder haben wir noch eine übersehen?"
    "Ich glaube nicht." antwortete ich und war schon im Begriff zu gehen, als die Adleraugen des jungen Pudens einen weiteren defekten Balken entdeckten, den er noch eilig markierte, bevor wir uns ans Auswechseln machten.


    So vergingen dann auch die Stunden. Wir hämmerten und schleppten, maßen ab und zersägten an den Stellen, an denen es notwendig war. Inzwischen war es kalt geworden, doch da wir uns die ganze Zeit über bewegten und konzentrierten, spürten wir die Kälte nicht. Bald jedoch würde es dunkel werden und dann könnten wir, wenigstens für heute, in unsere Baracken zurückkehren.

    Jaja, die unrühmliche Geschichte, murmelte ich, in Gedanken und fragte mich zugleich wie wohl eine Welt wäre, in der es keine Gedanken gäbe. Welch schrecklicher .... Gedanke. Man könnte niemanden lautlos verfluchen, um sich besser zu fühlen.


    "Verstanden, centurio." antwortete ich und war zugleich froh, dass es kein Latrinendienst, sondern eine nützlichere Aufgabe war. Zumal ich selbst schon über einen der defekten Holzbalken gestolpert war.
    Dass ich das Hämmern dem Gestank vorzog, ließ ich mir jedoch nicht anmerken, sondern vergnügte mich still und leise damit, dass es so war. Frohlocken konnte ich dennoch nicht, denn die Aussicht auf arbeitsreiche Abende nach einem arbeitsreichen Tag mochte mir nicht so recht gefallen. Aber dafür war es ja auch eine Strafarbeit.


    Schweigend wartete ich auf die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen.

    "Nach rechts." zischte ich und brachte damit den Kameraden neben mir leicht ins Wanken. "Trottel." seufzte ich und entschuldigte mich sogleich. "Tut mir leid, ich habs nicht böse gemeint." Er hatte sich wieder gefangen und drehte nun langsam mit nach rechts. "Ich wollte nur nicht, dass hier die Hälfte umkippt." Wir führten unseren kurzen Zwist im Flüsterton, denn trotz des Getrappels der Sandalen konnte man nie sicher sein, wo der Centurio seine Ohren hatte.
    "Schon gut, Kamerad." flüsterte der Kleine neben mir zurück. "Ich weiß auch nicht, warum ich nach links wollte. Lass es uns vergessen, okay?"
    Ich nickte und wandte mich gedanklich nun voll und ganz meiner Drehung zu, die mir wie ein Ewigkeit erschien. Dauern Drehungen in dieser Formation wirklich so lange oder sind wir einfach so langsam, weil es das erste Mal ist, fragte ich mich. Vielleicht war es für die äußeren Reihen auch einfach schwerer, als für uns, die wir innen standen.


    Nach einigen Minuten war es dennoch vollbracht. Ich freut mich, kurz, dann hörte ich wie ein Raunen durch die Reihen ging. Was war denn da los? Nun war ich doch neugierig und schaute fragend zu Severus, der bereits versuchte, Informationen einzuholen.
    "Säcke." sagte er, unvermittelt.
    "Säcke?" fragte ich, verwirrt.
    "Ja, da vorn stehen ein paar Ledersäcke, mit Menschen dahinter. Ist wohl keinem aufgefallen."

    Nichts will ich, dachte ich, war mir aber bewusst, dass ich, sollte ich diese Worte tatsächlich aussprechen, vermutlich gleich doppelt dran wäre.


    "Ave, centurio." grüßte ich und stellte mich dann förmlich vor ihn. "Ich komme wegen der Strafarbeit, die ich mir zum Marsopfer eingehandelt habe." - und aus der ich gelernt hatte, denn heute trug ich eine saubere Tunika.


    Sim-Off:

    Ach Mist. Und ich dachte, du schweigst nur aus Höflichkeit. :D