Beiträge von Titus Decimus Vestinus

    Ich wusste wie meine Kameraden tickten. Wenn sie jemanden kannten, dann konnte sie so gut wie nichts vom Reden abhalten. Aus diesem Grund hatte ich mich so weit außen wie möglich platziert, denn nach einem Plausch stand mir der Sinn jetzt nicht. Eher widerwillig setzte ich ein ehrfürchtiges Gesicht auf und marschierte mit ihnen zum Altar.
    Ich hatte ihn noch nie gesehen und war schon ein wenig gespannt, vor allem, weil ich mir denken konnte, dass er an einem Tag wie diesem besonders hübsch aussehen musste.


    Als wir den Platz erreichten, wurde ich wenigstens hier nicht enttäuscht. Der Altar sah fantastisch aus und um ihn herum standen einige fremde Soldaten, mit Instrumenten in der Hand. "Hach ja." dache ich und wurde plötzlich wehmütig. "Könnte ich doch auch nur ein Instrument spielen." Aber ich hatte nie eines gelernt und konnte deshalb nur genießen, was andere damit anzustellen vermochten.

    Gut gelaunt marschierte ich auf den campus. Ich hatte letzte Nacht gut geschlafen und fühlte mich voller Energie. "Hoffentlich bleibt das auch so." dachte ich, machte mir aber keine großen Sorgen, denn bisher hatte ich noch jeden Trainingstag zumindest überlebt.


    Es war ein milder Wintertag, nicht zu kalt, nicht zu warm und auch der campus, auf dem wir nun Stellung bezogen, hatte sich wieder vom Schnee befreit.

    Als centurio Licinus laut und deutlich meinen Namen erklingen ließ, stockte mir der Atem. "Strafdienst? Straaaafdienst?" dachte ich empört. Woher, verdammt noch einmal, sollte ich wissen, dass sowohl optio, als auch centurio glänzend herausgeputzt vor der Baracke standen? Verärgert presste ich meinen Mund zusammen, um nicht irgendetwas Schädliches zu erwidern.


    "Danke Antoninus." sagte ich, als wir zurück in der Baracke waren. "Aber es muss dir nicht Leid tun. Ich wünschte nur, ich wäre eher darauf gekommen, dass solch einer Ankündigung auch etwas Spezielles folgt. Ich hab mich nur campus-fertig gemacht und meine übliche Übungstunika angezogen."
    Das hatte ich wirklich, denn nie hätte ich gewagt, bei einem Opfer wie ein Bettler auszusehen. "Strafdienst ...." murmelte ich noch einmal vor mich hin. Ich hatte noch nie einen Strafdienst bekommen und nun ärgerte ich mich, dass ich meinen ersten nicht für etwas Sinnvolles bekommen hatte, sondern "nur", weil ich falsch angezogen war. "Meine Mutter würde sich im Grabe umdrehen." dachte ich und schüttelte verlegen den Kopf.


    Beim Hinausgehen sah ich im Geiste schon die dreckigen Latrinen vor mir.

    Mit größter Zufriedenheit lauschte ich den Worten meines centurio. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals schon so einer Meinung mit ihm gewesen zu sein. Die Strafrunden für meine Kameraden fand ich gerecht. Auch wenn es meine Kameraden waren und man im Ernstfall kollektiv gegen den centurio wetterte.
    Nachdem die Überschnellen losgelaufen waren und nun in vollem Tempo um den Platz tobten, begab ich mich zu der Linie, um meine Wurfübungen wieder aufzunehmen. Ich reihte mich gleich unter den Ersten ein, denn ich brannte darauf, weiterzuüben und meinen Umgang mit dem pilum zu verbessern.

    "Dichter zusammenbleiben, jaja, blabla." murmelte ich im Geiste vor mich hin.
    Ich weiß nicht, wann genau, aber irgendwann im Verlaufe des Tages hatte ich schlechte Laune bekommen und nun sehnte ich mich auch noch nach einem heißen Bad. Es war anstrengend heute, vielleicht lag es daran, aber vielleicht verstimmte mich auch das Verhalten einiger Kameraden. Ich war nicht denen sauer, die vor Erschöpfung nach hinten abfielen. Ich grollte denen, die so weit vorausliefen, denn die wollten beweisen wie fit sie noch waren und das fasste ich als egozentrisches Gehabe auf. Kondition ließ sich leicht verbessern, der Charakter nicht.


    Ein, zwei Sekunden lang dachte ich daran, mich davon nicht verstimmen zu lassen, doch fast im selben Moment wurde mir klar, dass wir alle eine Einheit waren und solches Getue andere gefährden konnte. Nicht hier, wahrscheinlich, aber auf dem Schlachtfeld und wer konnte schon wissen, wie bald wir uns vielleicht erproben müssten.


    Ich lief nicht schneller. Ich hielt mein Tempo, denn ich war noch immer gut in der Mitte. Die rasenden Spinner befanden sich weit vor mir und Licinus mit seiner vitis weit genug hinten, um mich nicht ins Visier zu nehmen. Akribisch achtete ich darauf, mein pilum weder zu verlieren, noch damit an jemanden anzuecken.

    Als ich vor der Baracke ankam, musste ich erst einmal überprüfen, ob meine Augen auch wirklich richtig funktionierten. Vor uns stand unser centurio, soweit war alles normal, aber sein Aufzug war so nobel, dass ich meinen Sehorganen zuerst nicht trauen wollte. Natürlich dachte ich gleich wieder daran, dass erst vor wenigen Minuten allgemein bekannt geworden war, dass heute der Tag des Mars Pater war, aber dass wir einen solchen Empfang zu erwarten hatten, war mir nicht bewusst. Jetzt kam ich mir in meiner halb abgenutzten Tunika richtig schäbig vor. Nicht einmal die Haare hatte ich mir in der ganzen Aufregung und Eile richtig gekämmt.
    "Aber was solls." dachte ich. "Versuche ich wenigstens, eine gute Figur zu machen." und stellte mich aufrecht und gerade hin, mit würdevollem Blick wie ich meinte, wenigstens das musste sein.

    "Na, Vestinus. Hast du Lust auf ein kleines Wettrennen?
    Mit großen Augen glotze ich meinen Kameraden an und lachte etwas irre. "Ein Wettrennen? Hast du sie nicht mehr alle, Severus oder macht dir die Erschöpfung einfach nichts aus? Ich glaube nicht, dass ich gerade genug Energie habe, um mit dir um den campus zu sprinten. Außerdem hab ich dir doch schonmal gesagt, dass ich sowas nur in meiner Freizeit und nicht beim Training mache."
    "Jaja, ist schon gut. Dann holen wir das später nach." Er entfernte sich von mir und ließ mich verwundert stehen. Nein, auf Wettrennen hatte ich nun gar keine Lust.


    Ein paar Sekunden später trabte ich auf eigene Faust los, um die geforderte Strecke zu absolvieren. Ich befand mich etwa in der Mitte der langen Linie, die sich gebildete hatte und versuchte, mein Tempo zu halten. Ich wollte weder jemandem in die Hacken treten, noch zu sehr zurückfallen und damit jemandem den Weg versperren, der sich hinter mir befand. Ab und an blickte ich zurück, um festzustellen wie viele sich noch hinter mir befanden. Es waren einige und wie ich beobachten konnte, zog sich die Linie von Blick zu Blick etwas weiter auseinander, weil einige zurückfielen oder andere zu weit vorpreschten.

    Mit einem Lächeln auf den Lippen kam mein Kamerad zurück, der als einziger die richtige Antwort gegeben hatte.
    "Seht ihr, Jungs?" sagte er prahlerisch. "So macht man das!" Er lachte und begann, sich anzukleiden, während der Rest von uns sich aus den Betten schälte.


    "Mars Pater - natürlich." murmelte ich und schielte verstohlen zu meinem Bettnachbarn. "Sag mal, hast du das auf die Schnelle gewusst?"
    "Ne Vestinus." antwortete der. "Ich war ja noch nichtmal munter."

    Wie üblich donnerte auch heute Morgen der Stock gegen die Tür, der uns wie jeden Tag aus dem Schlaf riss.
    Müde öffnete ich die Augen und war noch ganz benommen, als ich eine Frage vernahm. Sie erwischte mich zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn ich war noch halb in meiner Traumwelt gefangen. So hörte ich nur die Antworten der anderen, die urplötzlich und vielfältigerweise auf den Flur geschrien wurden.
    "Mittwoch? März?Die Kalenden des März! Zu früh zum Aufstehen! Der Geburtstag des Legaten? Ausgang? Übungsmarsch?"

    Ich hab hier gerade ein Buch zur Hand, in dem sich ein Kapitel dem Thermenwesen widmet.
    Zu deiner Frage habe ich da folgenden Abschnitt gefunden:


    [...] die Kaiser Hadrian und Marc Aurel verfügten jedenfalls unmissverständlich ein Ende des gemeinsamen Badens. Die Weisung geriet nach ihrem Tode möglicherweise rasch wieder in Vergessenheit. Wie verbindlich die Verfügungen einzelner Herrscher waren und wie strikt sie umgesetzt und kontrolliert wurden, ist in der Forschung umstritten. [...]


    - aus: Weeber, Karl-Wilhelm: Luxus im Alten Rom, die öffentliche Pracht, S. 115.


    Vorher steht da, dass balnea mixta ansonsten durchaus üblich waren, es dennoch von Frauen nicht unbedingt gern wahrgenommen wurde.
    Aber auch vorher schien es schon extra Räume für Frauen zu geben, zumindest in den Thermen, in denen die zentralen Baderäum doppelt vorhanden waren.


    Mich würde noch interessieren, in welchem Internettext du das gelesen hast.

    Ich grinste in mich hinein. Das schien ja einer der aktiveren probati zu sein.


    "Jetzt musst du gar nix machen, außer dich erholen." sagte ich lächelnd. "Da es Abend ist, darfst du den gestalten wie du willst. Du könntest dich im Lager umschauen oder in die Thermen gehen. Die sind abends meistens voll, aber trotzdem gemütlich. Oder du isst etwas." Ich zeigte auf den Herd und hielt einen Moment inne.
    "Und morgen früh gehst du natürlich auf den campus. Verpassen kannst du die Zeit nicht, denn beim Aufstehen wird hier soviel Krach gemacht, dass du auf jeden Fall aufwachst."

    "Na dann Willkommen." sagte ich in freundlichem Ton. "Ich bin Titus Decimus Vestinus - auch noch in der Ausbildung."


    Da ich sah, dass er einen ganzen Packen an Eigentum mit sich trug, wollte ich ihm zeigen, wo er es ablegen konnte.
    "Wir haben hier einen Platz geschaffen, da kannst du dein Zeug ablegen." Mit einer Handbewegung zeigte ich auf die noch leere Stelle im Vorraum und ließ ihm ein wenig Zeit, um sein Zeug zu verstauen.

    Mit gemischten Gefühlen trat ich der Latrine entgegen. Schon als Kind hatte ich diesen Ort gehasst. Es stank, war ungemütlich und meist überfüllt. Zumindest war das bei den Latrinen der Fall, die ich so kannte. Es sollte andere geben, wie ich erfuhr, solche, die so prachtvoll geschmückt waren wie Tempel, aber die in meinem Heimatort und die im Lager hier hatten noch jenen alten, stickigen Charakter, der nicht unbedingt zum Verweilen einlud.


    Als ich den Verschlag betrat und mich niederließ konnte ich dem lautstarken Gespräch zweier Kameraden lauschen, die sich über ihren centurio ausließen.
    "Zwei Stunden hat der uns heute um den Platz laufen lassen! Der Alte würde zusammenklappen, wenn er nur eine Runde rennen müsste. - Hoffentlich erstickt der bald mal im Suff!"
    "Ach, vergiss es!" erwiderte der andere. "Das ist einer von denen, die ihr Leben lang halb tot sind, aber einfach nich' draufgehn!"
    Erschrocken blickten sie auf, als sie jedoch sahen, dass es sich nur um mich handelte, fuhren sie fort.
    "Irgendwann wird er abkratzen, soviel Wein wie der säuft!"


    Ich war überrascht darüber, in welch lautem Ton die beiden sprachen, denn ich an ihrer Stelle hätte Angst gehabt, von ebenjenem centurio gehört zu werden. Ich fragte mich, über wen sie wohl sprachen, wollte aber nicht nachfragen und damit riskieren, an der Unterhaltung teilnehmen zu müssen.
    Stattdessen studierte ich die Kritzeleien an der Wand. "Sehr interessant." dachte ich. "Da scheinen sich Generationen von Legionären verewigt zu haben." Fast hatte ich Lust, auch etwas hinzuzufügen, aber ich hatte nichts zum Schreiben dabei und vor Zeugen hätte ich das sowieso nicht getan.
    So verließ ich die Latrine wieder und nahm mir vor, beim nächsten Mal allein zu sein.

    Ich stand noch immer an der Seite und beobachtete missmutig die Würfe der anderen Teilnehmer.
    Als mein eigener centurio zum zweiten Mal an der Reihe war, wuchs jedoch das Interesse. Neugierig trat ich ein paar Schritte vor, um zu sehen und zu hören, wie weit er kam. "Sechsundachzig Fuß. Wow!" dachte ich, fühlte aber gleichzeitig Bedauern, denn nun lag er immernoch einen Fuß hinter dem classis-Soldaten. Ich fragte mich, ob die Kraft in dessen Arm vom Rudern kam, falls man bei der classis rudern musste. Ich kannte mich damit ja leider überhaupt nicht aus. Auch mein optio der unmittelbar nach Licinus an der Reihe war, schaffte leider erneut nur 81 Fuß.


    Ich starrte noch ein bisschen in der Gegend herum und entschied mich dann, nicht weiterhin Trübsal zu blaßen. Ich hatte ja sogar einen Grund, mich zu freuen, da ich mit meiner Leistung noch vor Priscus und nahe an der meines centurio lag. Jubel brach dennoch nicht in mir aus, denn ich stellte fest, dass ich uns alle als Einheit betrachtete und deshalb wünschte, dass wir als prima einen Sieg davontrugen. Dennoch besser gelaunt folgte ich weiterhin dem Geschehen.

    Ich goss mir gerade etwas Wein ein, als ein fremder Kamerad unsere Stube betrat. Neugierig schaute ich auf und beobachtete, was er tat. Er schien noch nie hier gewesen zu sein, denn er benahm sich noch nicht so wie meine anderen Kameraden, die jeden Abend ohne Zögern die Bude stürmten und ihr Zeug erst einmal dort hinwarfen, wo Platz war.


    "Hey, Kamerad!" sagte ich, denn ich wollte in Erfahrung bringen, wer er war. "Setz dich doch. Gehörst du ab jetzt auch zu unserem contubernium?"

    Ich hielt mein pilum in der Hand und war schon jetzt zufriedener, als zu Beginn. Nach einigen Würfen hatte ich den Dreh raus und schaffte es zumindest, keine anderen pila vom Himmel zu holen und den Wall immer zu durchstoßen, wenn auch noch schwach.


    Kurz bevor Licinus die nächsten Erklärungen folgen ließ, tippte mein Nebenmann an meinen Arm und meinte grinsend, aber in spöttischem Ton, dass ich noch etwas an der Kraft in meinen Armen tun sollte. Da ich wusste, dass er recht hatte und ich mich auch so mit ihm verstand, nahm ich es hin, ohne mich dabei schlecht zu fühlen. Zudem war ich sowieso gerade zufrieden, weil mir durch die Wurfübungen ordentlich warm geworden war.


    Es dauerte nicht lange, bis wir wieder in Bewegung waren. Diesmal jedoch anders, als vorher. Ich war zugegeben ehrlich überrascht davon, dass die pila einfach durchgereicht wurden, denn ich hatte nicht mit solch einem Manöver gerechnet. Jedoch gestand ich mir sofort ein, dass es sich sehr sinnvoll anhörte.
    Nur eines bereitete mir Unbehagen: Ich fürchtete, die Kälte wieder zu spüren, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das Weitergeben der pila ebenso warm machte wie das Werfen und Bewegen selbst.


    ~~


    "He! He! Komm, Junge, gib mir das pilum!" Hastig griff mein Vordermann nach der Waffe, nahm Anlauf und warf, war so schnell wieder da wie er entschwunden war, griff nach dem nächsten, nahm wieder Anlauf .... Es waren schon einige Runden vergangen und ich nahm wahr, dass wir uns ungefähr doppelt so schnell bewegten wie zu Beginn. Ich gestand mir selbst ein, dass meine Sorgen unnütz waren. Licinus heizte uns so ein, dass keine Zeit zum Verschnaufen oder Frieren blieb. Hin und wieder fügte er seinen Befehlen Worte wie "der Feind kommt!" hinzu, was die ganze Übung etwas realistischer werden ließ.
    Ich hatte kaum das letzte pilum durchgereicht, da musste meine Reihe wieder vortreten und selbst werfen. Schnell ergriff ich mein pilum und warf, rannte zurück, warf wieder. Ich beeilte mich sehr, denn ich wollte den anderen in nichts nachstehen und war mir sicher, dass auch die anderen ihr Bestes geben wollten, dennoch entstanden immer mal wieder Lücken, weil jemand zu spät geworfen oder die pila zu langsam durchgereicht wurden.
    Ich schwitze immer mehr, so wie der Rest meiner Kameraden, doch Licinus schienen die Befehle nicht auszugehen, immer wieder rief er die bekannten Worte und trieb uns an.

    Ich war als einer der letzten angekommen und war nun auch erst an der Reihe, als schon viele vor mir ihre Würfe getätigt hatten.
    Schon beim Ankommen sah ich, dass sowohl mein centurio, als auch mein optio an der Disziplin teilnahmen und befürchtete nun, dass meine Chancen damit sanken.
    Dennoch nahm ich mir vor, mein Bestes zu geben.


    Als ich antreten sollte, nahm ich meinen Speer in die Hand, konzentrierte mich und warf. Er flog und flog und kam schließlich auf der 80 Fuß-Marke an.
    "Gut." dachte ich. "Zum Einstieg nicht schlecht, aber ich will noch mehr."
    Ich hatte nicht viel Erfahrung im Speerwurf, aber der Ehrgeiz hatte mich gepackt und im Ehrgeiz schaffte ich manchmal Dinge, die mir sonst nicht möglich gewesen wären.
    Beim zweiten Versuch konzentrierte ich mich voll und ganz auf den Speer in meiner Hand, nahm Anlauf und warf. - Ich öffnete die Augen und beobachtete ihn im Flug. "Hm .... diesmal fliegt er weiter." dachte ich mir, doch wie weit, das wusste ich nicht zu sagen.
    Erst die Stimme des Vermessers brachte Gewissheit. Ich hatte die 85 Fuß-Markierung erreicht.


    Ein ordentlicher Wurf, dennoch war ich nicht zufrieden. Denn der classis-Soldat hatte noch zwei Fuß mehr erreicht und ich wollte nicht alle Siege an milites aus anderen Einheiten wandern sehen. Wütend auf mich selbst stapfte ich davon, stellte mich an die Seite und sprach mit niemandem.

    Mein Kamerad und ich platzierten uns in der zweiten Reihe, direkt nebeneinander, sodass wir noch einige Worte wechseln konnten, bevor es weiterging. Interessiert beobachteten wir die Männer, die in einiger Entfernung einen Wall erbauten. Noch bestand kein Kontakt zwischen uns und dieser anderen Gruppe, aber so ziemlich alle rechneten damit, dass der Wall für uns und unsere Übung erbaut wurde.
    Ich drehte mich noch einmal in die andere Richtung und konnte beobachteten, wie sich die Reihen hinter uns füllten. Selbst die Letzten kamen nun mit ihren pila angetrabt und bezogen Stellung.


    Kurz darauf wandte Licinus seine Aufmerksamkeit wieder uns zu. Seine Worte machten Eindruck auf uns, denn wir verstanden nur zu gut, was passieren könnte, wenn heute auch nur einer unaufmerksam oder töricht war. In den vergangenen Wochen hatte so ziemlich jeder eine kleine Verletzung davongetragen. Meist waren es nur Abschürfungen oder ein paar Kratzer und wenn tatsächlich mal ein anderer an der eigenen Verletzung Schuld war, konnte der sich entschuldigen. Doch wenn es ein pilum wäre, das den Körper eines Kameraden durchbohrte, bliebe diese Möglichkeit aus und das wollte keiner von uns.
    Ich nahm mir vor, besonders aufmerksam und vorsichtig zu sein und spürte, dass auch meine Kameraden dies taten.


    Wenig später zog die andere Gruppe ab und hinterließ einen gut gebauten Wall aus Schnee. Noch war er fest und gleichförmig, aber schon bald würden längliche Einwurflöcher seine Oberfläche uneben machen.
    Wir lauschten noch einmal den Worten des centurio, als er uns erklärte, wie der Ablauf des Werfens funktionierte und dann durfte auch schon die erste Gruppe ihr Talent beweisen.


    Von meiner Position aus gesehen, sah das alles gar nicht schlecht aus. Die vorgegebenen Schritte hatten alle im Gedächtnis behalten und auf den Befehl hin warfen sie ihre pila fast gleichzeitig. Einige kamen sehr weit und durchbohrten den Schnee wie es Licinus' pilum vorher getan hatte, andere jedoch hatten doch eher den Arm benutzt, als den gesamten Körper und konnten ihre pila nun auf halber Strecke einsammeln.
    Als sie zurückkamen, begaben wir uns in Position und versuchten unser Bestes, um das pilum in unserer Hand möglichst weit weg von uns aufkommen zu sehen. Ich setzte meinen ganzen Körper ein, merkte aber schon beim Wurf, dass ich nicht all meine Energie eingesetzt hatte. So streifte mein pilum den Wall, drang aber nicht ganz hindurch.


    So ging es dann weiter, bis wir einmal durch waren. Manche schienen mit dem Talent gesegnet zu sein, diese Waffe auf Anhieb zu beherrschen, einige andere hatten noch ihre Probleme. Ich persönlich befand mich irgendwo dazwischen und war darüber weder traurig, noch damit zufrieden. Beim nächsten Mal würde ich mehr Kraft aufwenden.

    Mensch, war ich beruhigt, als ich keine bösen Worte ob meines Unwissens zu hören bekam. Erleichtert lauschte ich den Ausführungen des centurio und nahm mir fest vor, mir die Informationen einzuprägen, um sie fortan sicher rezitieren zu können - und nicht nur aufgrund der Wissenserweiterung war ich immer gespannt darauf, etwas neues zu erfahren, auch aus der Ahnung, dass dieses mir bei einer möglichen Schlacht von Vorteil sein konnte.


    Wenig später marschierte ich mit schnellem Schritt auf die Übungspila zu. Überhaupt schienen sich alle etwas mehr zu beeilen. "Liegt das nun an der Kälte?" fragte ich mich. Oder hatten die Monate auf dem campus tatsächlich etwas in Richtung Disziplin getan? Ich konnte mich noch gut an meinen ersten Tag erinnern. Damals liefen wir alle etwas langsamer. Flanierenden gleich, die sich auf einem besonders seltsamen, neuen Marktplatz befanden und alles erst einmal begucken mussten - und genau davon war jetzt gerade nicht mehr so viel übrig. Natürlich gab es immer noch die ein oder anderen, die es mit der Schnelligkeit etwas gelassener nahmen, doch im Großen und Ganzen .... "Hier Vestinus, ich hab dir eines mitgebracht." Freundlich guckend überreichte mir ein Kamerad aus meinem contubernium eines der pila. Ich ergriff es und bedankte mich bei ihm.
    Wie üblich hatte sich wieder ein riesiger Haufen an der Stelle gebildet, an der die Übungsutensilien lagen. Schon allein deshalb war ich meinem Kameraden dankbar. So musste ich mich nicht auch noch dazwischenquetschen.


    Über den Schneefall der letzten Nacht redend, jedoch in zügigem Tempo, begaben wir uns zu der Linie, die Licinus gezeigt hatte und reihten uns dort in die schon vorhandene Schar der probati ein.