Zitat
Original von Faustus Decimus Serapio
"Sag mal?" fragte ich und schaute, mit einem spöttischem, aber auch grinsenden Zug um den Mund auf das, was Serapio da mit seinen Augen tat. "Versuchst du gerade, herauszufinden, ob du noch größer bist, als ich?"
Ich musst fast lachen. Nie war mir aufgefallen, dass ihn das irgendwie interessiert hätte, aber jetzt war soviel neu an ihm, dass vielleicht auch das irgendwann dazu gekommen war.
Nach einigen Sekunden schien er festzustellen, dass wir ungefähr gleich groß waren und damit war die Sache erledigt.
Langsam aber sicher kehrte an dem Platz, an dem wir standen, Leben ein. Von hier und da kamen die Teilnehmer, mit denen ich eben noch um den ersten Platz gekämpft hatte. Sie kamen, um meinem Cousin zu gratulieren. Auch die, die nicht zu seiner Einheit gehörten. Während er die Glückwünsche entgegennahm, übte ich mich in Geduld und betrachtete die Zuschauerränge. Auch dort hatten die Unterhaltungen begonnen. "Klar." dachte ich mir. "Momentan gibt es ja nichts zu sehen." Bis zum Speerwurf dauerte es noch eine Weile und wie konnte man die Zeit besser überbrücken, als durch ein nettes Gespräch? Außerdem war ich ja nicht auf den Kopf gefallen und mir war klar, dass irgendwo da oben auch einige Leute saßen, die die Pausen nutzen, um neue Kontakte aller Art zu knüpfen.
Eine Frage von Seiten meines Cousins holte mich aus meiner Gedankenwelt zurück. "Ich habe mich noch für den Speerwurf angemeldet." antwortete ich ihm. "Das Ringen hätte mich auch interessiert, aber es ist mein erster Wettkampf dieser Art und ich wollte mir nicht gleich zuviel zumuten."
Zu dem gigantischen Classis-Soldaten sagte ich nichts weiter, denn ich kannte ihn nicht näher und wollte mir kein Urteil über jemanden erlauben, mit dem ich noch kein einziges Wort gewechselt hatte.
Lieber lauschte ich weiter Serapios Ausführungen, denn gerade jetzt wurden sie so richtig interessant.
Er erzählte viel und als er fertig war, war ich fröhlich. Ich sah ihn und irgendetwas brannte in ihm. So wie damals, als er mir erzählte, wie er gedachte, die Welt zu ändern. Doch diesmal war es anders. Es war ernster und mit Erlebnissen untersetzt. Es schien mir vollständig nachvollziehbar und das schönste an der ganzen Sache war, dass er heute, anders als damals, in seinen Vorstellungen und Ansichten lebte und nicht erst darauf warten musste, dass irgendwann, viel später, eintrat, wovon er träumte. Das freute mich wahnsinnig für ihn, denn ich hatte es ihm gegenüber zwar nie erwähnt, aber irgendwie hatte ich immer befürchtet, dass nicht nur seine Träume zerbrechen könnten, sondern er auf ewig mit ihnen.
Ich versuchte, meine Empfindungen in Worte zu fassen und erzählte ihm das alles, so gut ich konnte.
Wenig später gingen wir auf mein beginnendes Legionärsdasein ein. "Ich fühle mich wohl." antwortete ich wahrheitsgemäß. "Das frühe Aufstehen will mir manchmal nicht so gefallen." fügte ich grinsend hinzu. "Aber dafür hab ich den ganzen Tag Bewegung und das liebe ich."
Danach erzählte ich von meinem Ausbilder. "Kennst du Marcus Iulius Licinus?" fragte ich ihn. Er ist mein Centurio und bildet uns aus. "Wenn du auch in der Prima warst, dann bist du ihm vielleicht schon einmal begegnet."
Unwillkürlich schaute ich mich um. Ich sah ihn in der Nähe meines Optios Tallius Priscus und damit außer Hörweite. Egal, ob ich etwas Gutes oder Schlechtes zu sagen hatte, solange ich jemanden noch nicht wirklich persönlich kannte, mochte ich es nicht, wenn er mitbekam, was ich zu erzählen hatte. "Ich bin zufrieden mit ihm." sagte ich. "Natürlich schreit er auch mal, aber das tun sicher alle Centurios. Dafür macht er aber selbst mit, wenn er etwas von uns verlangt, beim Laufen zum Beispiel und ich sehe ihn immer in Sorge, dass sich niemand verletzt, das finde ich beachtenswert." Ich machte eine kurze Pause. "Um ehrlich zu sein, hatte ich mir alles etwas schlimmer vorgestellt. Aber in meiner Vorstellung waren alle Ausbilder bei den Legionen riesige, blutrünstige Monster, die es nur darauf anlegten, ihre Soldaten zu ärgern." Ich sagte das zwar halb lächelnd, wusste aber, dass es stimmte und ich wusste auch, dass Serapio wusste, dass ich das damals dachte. Ein paar Jungs in Tarraco hatten das immer erzählt und in meiner naiven Weltanschauung als Kind hatte ich das so aufgesogen und seitdem daran geglaubt.