Beiträge von Decima Serrana

    Von dem, was sich im cubiculum ihres Vaters gerade zutrug und auch von der fremden Frau, die sich darin befand, ahnte Serrana nichts.
    Unbekümmert und frohen Mutes wollte sie ihn besuchen. Schon stand sie vor seiner Tür und klopfte, bevor sie eintrat.

    Serrana machte es überhaupt nichts aus, nicht mehr direkt im Vordergrund zu stehen und Objekt der Begierde zu sein. Sie lauschte und schwieg, eine Kombination, die gelegentlich von unschätzbarem Wert sein konnte. So erfuhr sie auch einiges über den Flavier, der schon ganz schön in der Welt herumgekommen war. Da konnte sie, die sie außer Griechenland noch nicht viel vom Rest der Welt kennen gelernt hatte, nur neidisch werden. Serrana hatte in ihrer Kindheit oft davon geträumt, in die große Welt hinaus zu ziehen und fremde Länder kennen zu lernen und dabei auch ihren Vater zu finden. Wenigsten einer von ihren Wunschträumen war in Erfüllung gegangen. Ansonsten hatte es sie bis zu ihrer Reise nach Rom, zwanghaft zu Hause in Griechenland festgehalten. Nichts war mit großer Welt und Entdeckungsreisen und wenn es nun nach ihrem Vater ging, so sollte auch in naher Zukunft so bleiben, denn er hatte ganz andere Vorstellungen von der Zukunft seiner Tochter.
    Es war ein Irrtum, wenn sie sich in Sicherheit wähnte, denn es blieb nicht aus, dass auch der Flavier sein Interesse bekundete und sie erneut ansprach. Diesem Ansturm war Serrana im ersten Moment nicht gewachsen. In ihrem Kopf geisterte noch die zurechtgelegte Antwort zu seiner vorigen Bemerkung herum, was zwangsläufig zu einer verbalen Kollision führen musste. "Oh ja, sehr äh, nein gar nicht. Ich, ich meine nein, nur ein einziges Mal, als ich vor einigen Monaten Griechenland verließ, um nach Rom zu reisen." Das war ihr ja so peinlich. Wahrscheinlich wirkte sie wie eine Idiotin auf ihn, die nichts vorzuweisen hatte.

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    Original von Aulus Flavius Piso


    Serrana versuchte zu lächeln. Sie versuchte so zu tun, als wäre sie entzückt, was sie ja vielleicht auch gewesen wäre, hätte ihr Vater sie nicht einem solchen Druck ausgesetzt. Woher hätte sie denn auch ahnen können, wozu ihr Vater die Einladung zu der Patrizierhochzeit ausnutzen wollte. Serrana hatte auf einen schönen, erlebnisreichen Tag gehofft. Dass er eine solche Wendung nehmen würde, hatte sie nicht erwartet. Der Flavier war der erste fremden Mann, mit dem sie sich unterhielt, einmal von den Sklaven in Griechenland und denen in der Casa Decima abgesehen. Niemand hatte ihr erklärt, wie man sich bei einer derartigen Begegnung verhielt oder worauf man achten sollte.
    Serrana war von ihrer Mutter gut erzogen worden. Sie war ein tugendhaftes Mädchen und sie wusste, was sich gehörte. Deshalb entschied sie sich, lieber auf Nummer sicher zu gehen und sich dem Flavier nicht aufzudrängen. Das war ganz und gar nicht ihre Art. Ihre Schüchternheit bot ihr hierfür einen Schutzwall, hinter dem sie sich vorerst verstecken konnte.
    Zu ihrer Erleichterung versuchte Flavius Piso sie nicht zu bedrängen. Er begann ein Gespräch aufzubauen und sprach das aus, was Serranas Gedanken waren, als sie den Hafen erreicht hatten uns die zum ersten Mal das Schiff erblickt hatte. Sie fasste Mut, um ihre Schüchternheit abstreifen zu können. Sie war bereit, ihm ihre Gedanken mitzuteilen, sich an dem Gespräch teilzunehmen, mit ihm warm zu werden. Doch ihr Vater kam ihr aber zu vor. Seltsam, während er sprach hatte er etwas eigenartiges, kaum zu beschreibendes in seinen Augen, von dem Serrana nicht im Geringsten ahnen konnte, was es war. Dafür kannte sie ihren Vater einfach noch nicht zu lange.
    Ihre zu recht gelegten Worte behielt sie vorerst für sich und schwieg. Das war wahrscheinlich auch besser so, denn sie hatte keine Ahnung, welche Strategie ihr Vater verfolgte, um sie an den Mann zu bringen. Er mochte wohl zuerst die Lage sondieren und den zukünftigen Schwiegersohn auf Herz und Nieren prüfen, bevor er ihm sein Allerwertvollstes anvertraute. Genau so musste es sein, glaubte Serrana zu wissen.

    Wie recht Serrana doch hatte! Jetzt kannte sie ihren Vater erst wenige Stunden und schon konnte sie ihn so gut einschätzen. Ihr Vater ließ wirklich keine Möglichkeit aus, sie mit dem erstbesten Patrizier zu verkuppeln, der ihnen über den Weg lief. Dass sie ihn unbedingt kennenlernen wollte, davon konnte nun wirklich keine Rede sein! Fürsorglich legte er seine Hand auf ihre Schulter, um ein für allemal die Besitzverhältnisse zu klären. Tja, Väter konnten zuweilen ganz schön peinlich sein, wenn sie ihre Töchter an den Meistbietenden verhökern wollten.
    Serrana machte das nur noch verlegener, wobei sie sich schon unauffällig nach einer geeigneten Fluchtmöglichkeit umsah. Noch waren sie nicht auf dem Schiff, was ihr eigentlich ein Vorteil hätte sein können. Allerdings machte es keinen guten Eindruck, während der Opferhandlung für Tumult zu sorgen. Sie musste sich einfach damit abfinden, dass es keinen Ausweg gab. Eines musste sie sich aber schon eingestehen, rein optisch gesehen, war der Flavier nicht zu verachten. Wie sie aus der Unterhaltung der beiden Männer heraushören konnte, waren sie sich bereits einmal auf dem Markt begegnet.
    Der Flavier stellte sich ihnen vor und wieder holte dabei ihren Namen. Serrana fühlte sich dadurch sehr geschmeichelt. Wie dumm, dass sie noch immer unter ihrer Schüchternheit litt, die sie selbst nicht auf Ansage ihres Vater über Bord werfen konnte.
    "Ich bin erfreut, dich kennenzulernen, Flavius Piso!", brachte sie mit einiger Anstrengung heraus.

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    Original von Titus Decimus Verus


    Serrana wäre beinahe vor Scham gestorben, als der Flavier, der sich gerade noch mit einer Dame unterhalten hatte, einen Blick auf sie warf und dabei grinste.
    Ihr Unwohlsein verstärkte sich noch, als ihr Vater sie noch dazu ermunterte, zu ihm hinzugehen und ein Gespräch zu beginnen. Alles,nur das nicht! Das war nun wirklich nicht ihre Art. Alles begann sich in ihr dagegen zu sperren. Was aber tun, wenn sie es auch ihrem Vater recht machen wollte? Sie fand sich in einer vertrackten Zwickmühle wieder, aus der es keinen einfachen Ausweg gab. Es sei denn..
    Der Flavier kam auf sie zu und begrüßte sie. Ein Haufen Steine fielen von Serranas Herzen, die aus einer für sie peinlichen Situation gerettet worden war. Der Flavier behauptete, ihren Vater zu kennen und ein weiteres Mal war sie über ihren Vater überrascht. Sie selbst hielt sich zurück. Sie hatte ihm nur scheu zugenickt, als er bei ihnen stehen geblieben war. Erfreulicherweise galt das Interesse des Flaviers eher ihrem Vater, als ihr selbst. Doch wie sie ihren Vater bereits kennengelernt hatte, würde der keine Sekunde zögern, die Aufmerksamkeit des Flaviers auf seine Tochter zu lenken.

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    Original von Titus Decimus Verus


    Eigentlich hatte sie damit gerechnet, ich Vater würde ihren Wunsch mit Freuden befürworten und sie darin bestärken, diesen Weg zu gehen. Mit der Aussicht, sich bald zu verheiraten, hatte sie sich noch nicht beschäftig, obschon sie im richtigen Alter dafür war. Für sie hatte sich einfach noch nicht die Frage gestellt, ob sie heiraten sollte oder nicht. Doch wenn es aber der Wunsch ihres Vaters war, dann wollte sie sich nicht dagegen sträuben. Schließlich hatte sie ihn erst kennengelernt und wollte ihn nicht schon wieder verlieren.
    Ihre Verwunderung war ihr durchaus anzusehen. Erst recht, als ihr Vater auf den jungen Flavier und den Tiberer deutete, der doch schon etwas älter wirkte.
    "Wenn das dein Wunsch ist, Vater, werde ich mich danach richten.", meinte sie. Zumindest wollte er ihr die Wahl lassen, was durchaus großzügig war.
    Serrana warf einen verstohlenen Blick auf den Flavier. Ihr Vater hatte nicht gescherzt, als sie von zu Hause aufgebrochen waren und er gemeint hatte, sie könne dort einige Patrizier kennenlernen.
    Zu ihrer Überraschung war auch der Flavier auf sie aufmerksam geworden, was sie sehr verlegen werden ließ. Er schaute zu ihr herüber. Nicht dass es ihr unangenehm gewesen wäre, ein solches Aufsehen zu erregen. Vielmehr war es Serrana nicht gewohnt, was sie erröten lies.
    "Meinst du wirklich, ich sollte nach einem Patrizier Ausschau halten?" Sie als Plebejerin hatte doch in diesen Kreisen kaum eine Chance, wobei ihr der Flavier vom rein optischen her gut gefiel. Keinesfalls würde sie jedoch den ersten Schritt wagen und den Flavier ansprechen. Wenn sie tatsächlich sein Interesse geweckt haben sollte, dann hatte er sie anzusprechen. Nicht umgekehrt.

    Ihrem Vater schien es im ersten Moment unangenehm zu sein, auf Serranas Frage zu antworten. Schon fragte sie sich, was an ihrer Frage denn falsch gewesen war, schließlich wurde man nicht grundlos zu einer Hochzeit eingeladen. Doch dann folgte, wenn auch sehr knapp gehalten, die Antwort ihres Vaters.
    "Ah!", war Serranas erste Reaktion. Ihrer Augen weiteten sich vor Überraschung. Damit hatte sie am wenigsten gerechnet! Den Heldentaten ihres Vaters hatte sie es also zu verdanken, dass sie hier sein durfte! Serrana wollte bereits zu ihrer nächsten Frage ansetzten. Dies scheiterte jedoch daran, weil ihr Vater sie weiter mitzog und sie schließlich auf die beginnende Zeremonie aufmerksam machte und dafür sorgte, dass sieauch eine gute Sicht auf das Geschehen hatte. Gerne hätte sie ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht, wie spannend sie sie seine Arbeit fand und wie gerne sie mehr darüber erfahren wollte. Dafür war aber nun nicht der richtige Augenblick. Danach konnte sie auch noch später fragen. Jetzt galt erst einmal ihre ganze Aufmerksamkeit dem Priester und dem beginnenden Opfer. Musik ertönte, die das beginnende Opfer ankündigte. Bald schon konnte sie den Duft des aufsteigenden Rauch des Weihrauchs wahrnehmen. Bei den Worten des Priesters drängte sich ihr nun eine ganz andere Frage auf. Sollte sie ihrem Vater von ihren Plänen erzählen?
    "Vater, was meinst du? Ich hatte mir überlegt, Dienst an den Göttern zu tun." Schließlich hatte sie ja sein Einverständnis in dieser Sache einzuholen. Daran würde es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht scheitern, es sei denn, er hatte etwas anderes mit ihr vor.

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    Original von Titus Decimus Verus


    Das war alles so aufregend gewesen! Serrana hatte die Stunde herbei gesehnt, bis sie endlich den Hafen von Ostia erreicht hatten. Auch wenn ihr Vater die Sänftenträger innerlich verflucht hatte, so taten sie ihr doch schon etwas Leid. Schließlich waren sie es gewesen, die die ganze Strecke von Rom bis Ostia zu Fuß zurücklegen mussten und dabei noch die Last von zwei erwachsenen Menschen zu tragen hatten. Doch nun waren sie erst einmal hier.
    Serrana entstieg der Sänfte und folgte ihrem Vater, der sich auf das Schiff zubewegte. Sein Ärger war in gewisser Weise begründet gewesen, denn sie waren tatsächlich etwas spät. Die Zeremonie selbst aber hatte noch nicht begonnen.
    Serranas Augen konnten sich kaum von dem schöngeschmückten Schiff losreißen. Es entsprach zwar nicht ganz der Tradition, auf einem Schiff zu heiraten, doch fand sie, es sei eine gelungene Idee. Mit den ausreichenden Mitteln konnte man sich fast jeden Wunsch erfüllen. Sie selbst machte sich über ihre eigene Hochzeit noch gar keine Gedanken. Für sie lag das noch in unglaublich weiter Ferne.
    Serranas Vater hatte auf sie gewartet. Sie kam ihm entgegen und hakte sich bei ihm ein. Eines interessierte sie ja ganz brennend. Wie kam man denn zu einer Einladung auf eine patrizische Hochzeit? "Vater, in welcher Beziehung stehst du zu dem Hochzeitspaar, wenn ich fragen darf?"

    Serrana hatte ihre schönste Tunika angelegt. Sie war aus einem feinen lindgrünen Stoff gefertigt. Ihre Mutter selbst hatte sie noch genäht, bevor sie gestorben war. Viele Erinnerungen waren darin verwoben.
    Ein wenig Schmuck rundete ihre Erscheinung noch ab. Bevor sie zurück zu ihrem Vater ging, betrachtete sie sich noch einmal kritisch im Spiegel. So konnte sie sich sehen lassen! Vielleicht noch ein wenig Parfum.
    Vom Korridor horte sie die Stimme ihres Vaters. Er rief nach ihr. "Ich komme, Vater!" Sie zog noch ihre palla über und trat hinaus zu ihrem Vater.
    "So, hier bin ich! Na, wie sehe ich aus?" Sie drehte sich einmal um sich selbst, um sich ihrem Vater zu präsentieren. Ihre Freude war unbeschreiblich groß. Was sie noch alles erwarten würde?

    Es war schon ein befremdliches Gefühl für Serrana, innerhalb weniger Minuten einen Vater zu bekommen. Einen Vater sogar, der sie, nach seinen eigenen Worten liebte. Sie fühlte sich sehr gut dabei. Es hatte etwas von Geborgenheit, die sie nach dem Tod der Mutter nie wieder richtig gefunden hatte.
    Ihr Vater löste sich von ihr und jetzt erst wurde für sie ersichtlich, dass er sich auf ein besonderes Ereignis vorbereitete. Hätte er sonst eine Toga aus seiner Truhe hervorgeholt?
    Serrana konnte nur raten, was er vorhatte. Doch die Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten.
    Es war eine Hochzeit, eine wichtige Hochzeit, wie er sagte und er hatte sie gefragt, ob sie ihn dorthin begleiten sollte. Spätestens bei dem Wort Patrizier hielt sie den Atem an.
    Serrana war erst wenige Tage in Rom und hatte noch nicht sonderlich viel von der ewigen Stadt gesehen, geschweige denn Leute getroffen.
    "Du würdest mich wirklich mitnehmen wollen?" fragte sie erst ungläubig. Doch dann erstrahlte sie vor Freude. Wie jede junge Frau freute sie sich, an einem solchen Ereignis teilnehmen zu dürfen. Sie machte sich zwar keine großen Hoffnungen, dort tatsächlich einen Patrizier näher kennezulernen, aber vielleicht war es ihr Vater, dem sie dadurch etas näher kommen konnte.
    "Oh ja, das würde ich sehr gerne!" Fragte sich nur, ob sie auch ein passendes Kleid dafür hatte. Sie wollte sofort nachsehen!
    Da trat ein Sklave ein, der ihrem Vatermit der Toga behilflich sein sollte.
    Serrana sprang derweil zu ihrem cubiculum, um sich umzuziehen.

    Serrana konnte ihm nichts entgegen. Sie war zu gerührt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr Vater hielt sie fest in einen Armen, eine Erfahrung, nach der sie sich so oft gesehnt hatte. Nun hatte sich ihr größter Wunsch erfüllt. Er stieß sie nicht von sich, wie sie es manchmal befürchtet hatte, wenn sie darüber nachgedacht hatte, wie ihr erstes Zusammentreffen ausfallen würde.
    "Ja, ich bin es!" schluchzte sie schließlich. Die Tränen rannen ihr an den Wangen herunter. Sie betrachtet ihn. Es fiel ihm nicht leicht, das konnte man ihm deutlich ansehen. Doch auch seine Gefühle rissen ihn mit und er musste sich ihnen ergeben.
    "Mutter hat uns mit all ihrer Liebe großgezogen und sie hat immer sehr warmherzig von dir gesprochen. Sie hat dich nie vergessen!" Serrana wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ja, ich kann dir verzeihen." Noch einmal umarmte sie ihn. Sie hielt ihn fest und wollte ihn nie wieder los lassen. Das musste sie sofort ihrem Bruder mitteilen, dass sie nun auch endlich ihren Vater kennengelernt hatte. Heute noch!
    "Das muss ich sofort Tiberius schreiben! Er sagte, er habe dich bereits getroffen. Wusstest du schon, er ist jetzt Duumvir in Manuta!" Sie war so stolz auf ihren Bruder und so glücklich, den Vater gefunden zu haben.

    Die Sekunden die vergingen, bis sich die Tür öffnete, waren wie Blei. Zeit genug, in der Serrana darüber nachdenken konnte, ob es wirklich richtig war, was sie gerade tat. Er musste damals einen triftigen Grund gehabt haben, warum er seine Frau und seine Kinder verlassen hatte. Das Risiko, einfach von ihm fortgeschickt zu werden, musste sie einfach eingehen.


    Ruckartig wurde die Tür aufgerissen. Serrana war der Schreck anzusehen, als plötzlich dieser Fremde vor ihr stand, der ihr Vater war. Ihr kam kein einziges Wort über die Lippen, so groß war die Anspannung. Auf diesen einern Moment hatte sie so lange gewartet. Nun war er gekommen. Ganz unspektakulär und leise. Er sah noch etwas verschlafen aus. Sie hatte ihn doch nicht geweckt?
    Mit seinen müde wirkenden Augen musterte er sie. Es schien, als würde er jemanden in ihr erkennen. Warum sagte er nichts?
    Plötzlich streckte er seine Arme nach ihr aus, und wenige Sekunden später fand sie sich in denselben wieder, fest umarmt, an seine Brust gedrückt, wie etwas Wertvolles, was vor langer Zeit verloren gegangen war.
    "Papa?" fragte sie zögerlich, obschon sie wusste, dass es so war. "Papa!" Serrana quollen dicke Tränen aus den Augen. Sie war so überglücklich. Die Suche hatte endlich ein Ende gefunden.

    Einer der Sklaven hatte Serrana erzählt, wer der fremde Mann gewesen sei, den sie im atrium flüchtig gesehen hatte und bei dessen Anblick dieses seltsame Gefühl gehabt hatte. Sie glaubte, erstarren zu müssen, als sie den Namen erfuhr- Titus Decimus Verus
    Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, dass eine Verwechslung ausgeschlossen war, formte sich langsam in ihr ein Entschluss. Wenn das tatsächlich Titus Decimus Verus war, dann war dieser Mann kein geringerer als ihr eigener Vater, den sie bis jetzt noch nie zu Gesicht bekommen hatte.


    Mit gemischten Gefühlen machte sie sich sofort auf den Weg zu seinem cubiculum. Eine vorbeikommende Sklavin hatte ihr die Tür gezeigt, hinter der sich hoffentlich ihr Vater verbarg.
    Die wildesten Gedanken schossen ihr durch den Kopf, was würde er sagen, wenn seine Tochter völlig unerwartet vor der Tür stand? Würde er sie freundlich aufnehmen oder sie von sich stoßen? An das Letztere wollte sie gar nicht denken! Ihr waren seine Beweggründe, weshalb er damals ihre Mutter verlassen hatte, nicht bekannt. Sie wusste nur eins, wenn sie endlich ihren Vater kennenlernen würde, dann wäre ihr Freude darüber unermesslich groß.
    Bevor sie anklopfte, atmete sie noch einmal tief durch. Dann klopfte sie sachte an, so als könne sie durch ihr Tun die Tür beschädigen.
    Sie wartete, was passierte. Jetzt gab es kein Zurück mehr!

    "Ach wirklich? Wie das denn?" Serrana fürchtete, etwas zu neugierig zu sein, allerdings erst, nachdem sie die Frage gestellt hatte. Sie musste an sich selbst und an ihren Bruder denken und an die Zeit ihrer Kindheit, die sie nur mit ihrer Mutter verbracht hatten. Ihren Vater hatte sie niemals gesehen. Jedenfalls konnte sie sich nicht daran erinnern. Doch das sollte sich, wenn es nach ihrem Bruder ging, bald ändern. Bis es aber so weit war, wollte sie etwas Kurzweil finden.
    "Das ist ja einfach wunderbar! Dann werde ich dort bestimmt auch etwas finden, womit ich mich beschäftigen kann." Serrana schenkte ihm ein Lächeln. "Meinst du, du könntest mich ein wenig herumführen? Ich kenne mich hier noch überhaut nicht aus!" Ein solches Lächeln konnte man doch sicher nichts abschlagen.

    Serrana hatte ihr Zimmer verlassen, um sich ein Getränk zu holen. Sie wollte dafür nicht unbedingt einen der Sklaven rufen. Daran war sie einfach noch nicht gewöhnt, dass es eine Vielzahl von Sklaven gab, die ihr zu Diensten sein sollten.
    Es beschlich sie ein eigenartiges Gefühl, als sie das atrium durchquerte. Sie hatte dort Stimmen gehört. Es waren die eines Sklaven und eines fremden Mannes, der ihr seltsam vertraut vorkam, obgleich sie ihn vorher niemals gesehen hatte.
    Serrana schaute sich noch einmal um und sah dem Fremden, der dem Sklaven folgte, nach. Sie fühlte sich ganz verstört und wusste gar nicht, weshalb.
    Ein derartiges Gefühl hatte sie noch nie beschlichen. Später, so nahm sie sich vor, wollte sie den Sklaven nach dem Fremden befragen.

    Das war aber auch ein Pech! Jeden den Serrana traf, wer erst kurze Zeit hier und konnte ihr nicht viel über ihre Familie Auskuft geben. Wenigstens kam Fluvus ihrer Einladung nach und nahm Platz. Eine Gelegenheit, um doch noch etwasan informationen zu kommen, oder zumindest ein nettes Gespräch führen zu können.
    "Ehrlich gesagt habe ich mich mit den genauen Familienverhältnissen noch gar nicht so vertraut gemacht. Aber vielleicht hilft es dir,wenn ich dir sage, mein Vater ist Decimus Verus." An meinen Vater konnteich mich gar nicht mehr erinnern. Tiberius hatte ihn kürzlich erst ausfindig gemacht. Sie hoffte, ihn bald kennenzulernen.
    "Gibt es denn in diesem Haus eine Bibliothek?" Falls dem sowar, gab es dort bestimmt Gelegenheit, in den Stammbaum oder in die Familienchronik einen Blick zu werfen. Vielleicht konnte Flavus sie ja auch herumführen und ihr dabei helfen, die Casa zu erkunden. ;)


    "Ach so!", antwortete Serrana. Ein wenig Enttäuschung klang in ihrer Stimme mit. Natürlich konnte Mithridates nichts dafür. Sogleich begann er über sich zu sprechen, als wolle er von dieser Tatsache ablenken. Sein Bestreben war es, Serrana zufrieden zu stellen, nicht um sie unzufrieden zu machen. Serranas Enttäuschung aber war so schnell verschwunden, wie sie gekommen war.
    Er war also schon länger unfrei undwar nicht erst durch den Kriegszug in Gefangenschaft geraten. "Aha, dann lebst du schon länger in Rom, als ich."
    Serrana hatte schon früh gelernt, dass Sklaven auch Menschen waren, Menschen, die weitaus weniger Glück hatten, wie sie selbst. Deshalb war esfür sie selbstverständlich, diese Menschen auch gut zu behandeln.
    "Dann werde ich die Casa auf eigene Faust entdecken müssen. Das ist aber nicht schlimm! Umso mehr Zeit haben wir für einen Spaziergang. Wollen wir?" Die Decima sprang auf. Ihre Freude, die Stadt zu erkunden,war schier grenzenlos. Mithridathes konnte ihr da mit Sicherheit behilflich sein.

    Serranas Gesicht erstrahlte, als sich der junge Mann vorstellte. Er war neben ihrem Bruder der erste ihrer Verwandten, den sie zu Gesicht bekam. "Oh, das ist aber schön! Bitte komm doch herein, Flavus! Ich bin Serrana, Crassus´ Schwester. Ich bin gestern erst hier angekommen."
    Sie bot ihrem Besucher einen Platz an. Sicher gab es einiges von ihm noch zu erfahren. Ihm musste es ja genauso gehen. Er wollte bestimmt auch alles über die neu angekommene Verwandte in Erfahrung bringen. "Bitte setz dich doch! Darf ich dir etwas zu Trinken kommen lassen?"