Penelope musste ein bisschen Lachen, aber es war warm und offen, und auch nur kurz, denn die Kleine sollte ja auch nicht denken, sie würde sie auslachen.
“Keine Sorge, ich verrate nichts.“
Sie wollte ihr nicht sagen, dass sie das Bild schon gesehen hatte. Nicht, dass die Kleine traurig war, dass sie die Überraschung verpasst hatte. Aber wie die meisten Kinder aus Rhakotis interessierte sie erst einmal das Brot. Hätte Penelope auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
Sie trat also in die Wohnung hinein und hielt dem Mädchen die Tür auch auf, bis diese richtig im Haus war, ehe sie sie nur leicht schloss. Das Mädchen sollte sich nicht eingesperrt fühlen sondern sehen, dass es abhauen konnte, wenn es ihr unheimlich wurde. Vielen Straßenkindern war eine Fluchtmöglichkeit ja noch sehr wichtig, und leider auch allzu oft sehr nötig. Sie ging hinüber zu der Kochzeile, wo noch ein Brot lag, das sie vor drei Tagen neben einigen anderen gebacken hatte. Morgen würde sie wieder neues machen müssen.
“Hilfst du mir beim Tischdecken?“ fragte sie freundlich und reichte dem Mädchen ein paar Holztabletts, die sie auf den Tisch legen konnte. Dann nahm sie das Messer und schnitt das Brot in gute daumendicke Scheiben. Einige rupften es einfach auseinander und tunkten es in verschiedene Soßen, aber Penelope hatte es dick genug gebacken, dass man es auch vernünftig schneiden konnte. Als sie damit fertig war, gab sie schließlich auch die Scheiben an das Mädchen, damit es die zum Tisch tragen konnte. Sie selbst nahm aus dem Vorratsschränkchen den Topf mit dem Honig und holte einen Holzlöffel, damit sie den Honig auch herausbekamen.
“Ich hoffe, du magst Honigbrot“, meinte sie lächelnd. Eigentlich war das mehr eine rhetorische Frage, sie kannte kein Kind, das davon nicht vollkommen begeistert gewesen wäre.
Beiträge von Penelope Bantotakis
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Der Farbenmann? Wie niedlich! Penelopes Lächeln wurde noch eine Spur wärmer.
“Doch, Ánthimos wohnt hier noch. Er hat mir auch gesagt, dass du kommen wolltest. Ich bin Penelope. Du kannst aber auch Pelo sagen.“
Penelope hatte kein Problem mit dem Akzent, den das Mädchen sprach. Sie selber hatte sehr lange in Rhakotis nun gewohnt und daher verstand sie das alles. Sie konnte sogar auch so sprechen, wenn sie wollte, aber das tat sie nie. Ihr Großvater war immer sehr streng gewesen, dass sie in tadellosem Koine sprach, um die Lieder auch angemessen vortragen zu können. Eine Künstler nuschelte nicht und verschliss auch keine Buchstaben, und da sie nur ein Mädchen war, musste sie da besonders darauf acht geben, wenn sie jemals etwas gelten wolle. So hatte es Philolaos zumindest gerne formuliert.
Pelo stand wieder auf und sah das Mädchen einladend an.
“Du kannst gerne mit reinkommen, dann mach ich uns beiden ein Brot, bis er kommt. Wie klingt das?“ -
Heute war Penelope schon früher aus dem Museion zurück als gewöhnlich. Aber sie hatte keinen Schüler heute, und Arbeit hatte sie auch keine wirkliche mehr zu erledigen gehabt. Außerdem war ihr den halben Morgen schlecht gewesen, was sich ein wenig auf ihre Kreativität auswirkte. Also hatte sie beschlossen, früher nach Hause zu gehen und ein wenig die Wohnung zu putzen. Mit drei Männern im Haus war das ab und zu auch mal bitter nötig. Auch wenn alle drei doch im Grunde schon Vorbilder in Sachen Sauberkeit waren, aber sauber war nun mal nicht gleich sauber.
Sie hatte gerade sämtliches Essgeschirr noch einmal ordentlich durchgeschrubbt, als sie etwas an der Türe hörte. Es war weniger ein klopfen als vielmehr ein Kratzen. Penelope nahm an, dass es der Kater war. Der kleine Mäusefänger war öfter unterwegs, und wie es die Eigenart so mancher Katze war, mühte er sich nicht, durch das Fenster unbedingt zu klettern, sondern stand auch mal maunzend und kratzend vor der Türe, damit man öffnete. Und Penelope wollte heute nicht so sein. Sie trocknete schnell ihre Hände noch vollends ab, und öffnete dann die Türe.
Sie blickte schon nach unten, in Erwartung des Stubentigers, aber was da wohl an der Türe war, war doch ein wenig größer. Es war ein kleines Mädchen mit großen Kulleraugen, das dastand, als hätte Penelope sie gerade bei irgendwas erwischt. Zum Glück kannte Pelo Kinder und hatte auch immer viel mit ihnen zu tun, so auch mit denen von Inhapy. Also lächelte sie offen und freundlich und ging leicht in die Hocke, um auf Augenhöhe mit der kleinen zu sein.
“Chaire. Hast du gerade geklopft?“
Ihre Stimme war leicht und freundlich, sie wollte die kleine ja nicht erschrecken oder verscheuchen. -
Männer! Penelope lauschte zwar nur mit halbem Ohr, was Anthi und Marcus so redeten, da sie sich auf Urgulania konzentrierte, aber dennoch konnte sie sich einen leicht vorwurfsvollen Seitenblick auf ihre bessere Hälfte nicht verkneifen. Sie mochte es ganz und gar nicht, wenn er so leichtfertig von Verletzungen sprach, als wäre es das normalste der Welt, welche zu haben und zu einem Abendessen mit einem blauen Auge zu kommen. Und auch Marcus war da nicht besser, er gab ihm auch noch recht.
Vielleicht stimmte ja wirklich, was Inhapy sagte, und Männer waren alle wie kleine trotzige Kinder, die einfach nicht nachdachten, sondern gedankenlos erstmal losliefen, während die Mütter sich sorgen machten. Und auch Marcus Worte waren da nicht wirklich beruhigend.
Ánthimos hatte Glück, dass sie doch nicht so nahe beieinander waren, wie er das wohl anfangs gerne gehabt hätte, sonst hätte er sich jetzt sicher sein können, dass er einmal in die Seite gezwickt worden wäre. Aber jetzt wäre das doch zu auffällig, wenn sie sich erst herüberbeugen müsste, um das zu tun. Aber sie würde es sich schon merken und es ihm bei passender Gelegenheit geben. So kurz vor dem Einschlafen oder so.
“Kithara spielen ist zumindest ungefährlicher als Sport. Das schlimmste, was dort passieren kann, sind blutende Fingerspitzen, wenn man das Plektron vergessen hat“, verband sie also die beiden Themen miteinander. Wobei sie selbst ja meistens das Plektron wegließ, um feiner die einzelnen Noten spielen zu können. Mit den Fingern gezupft klang es weicher. Auch wenn man so eine leichte Hornhaut und raue Finger bekam. -
Auch Penelope bemerkte den Blick, den Urgulania Axilla zuwarf, und bemerkte die Reaktion des Mädchens. Irgendwie schien sie ein bisschen durch den Wind zu sein. Ob es daran lag, dass sie neben Timos saß? Penelope versuchte, ihren Blick nicht zwischen den beiden schweifen zu lassen und wandte sich daher wieder Urgulania zu.
Schüchtern lächelte sie der älteren zu und wägte kurz wieder ihre Worte ab.
“Werte Eutheniarche, du musst bestimmt nicht neidisch sein. Vielmehr blicke ich immer bewundernd auf diejenigen, die sich so gut für unsere Polis einbringen können. Die Aufgaben der Pyrtanen sind sicher bedeutender als die einer Musikerin.“
Penelope konnte sich selbst noch nie besonders loben, Ánthimos bemängelte auch immer wieder, sie würde ihr Licht unter den Scheffel stellen. Aber so sah sie es nun mal wirklich. Da sie ihr Leben lang ncihts anderes getan hatte, als zu spielen, fiel ihr dies auch leicht, und sie konnte sich nicht vorstellen, wie schwer das für den ein oder anderen sein mochte.
“Und ich denke nicht, dass du zu alt bist, beileibe nicht. Wenn du möchtest, wäre es mir eine Freude, dir das ein oder andere beizubringen. Natürlich, wenn deine Zeit es erlaubt, denn die Anliegen der Stadt beanspruchen sicher viel deiner Zeit.“ -
Die Giraffen kamen, und Penelope hielt sich schüchtern ein wenig hinter Anthimos. Sie hatte sich im Gegensatz zu ihm nur ein wenig von dem Heu genommen, und auch, wenn sie begierig darauf war, die Tiere zu berühren, war sie dennoch vorsichtig. Auch wenn die Tiere lieb aussahen, wollte sie kein Risiko eingehen, und wer wusste schon, ob sie nicht doch traten? Einen Tritt in ihren Bauch mit diesen riesigen Hufen würde Penelope unter keinen Umständen riskieren.
Die große Giraffe beugte ihren immens langen Hals leicht herab, um die Blätter von dem Ast zu zupfen, den Anthi ihr hinhielt. Das Jungtier war etwas verspielter und kam neugierig auf die zwei Zweibeiner zu, die sich hierher zu ihm verirrt hatten. Die Mutter war nervös und trat ihm in den Weg, und lustig guckte das Kleine zwischen ihren Beinen hindurch und reckte seinen langen Hals nach dem Heu, das es riechen konnte.
Vorsichtig streckte Pelo weit die Hand nach vorne mit dem Heu, ebenso wie das Junge seinen Hals immer weiter reckte und schließlich eine lange, blaue Zunge herausfahren ließ, weil es nicht weiter voran kam dank Mutters Beinen. Ganz vorsichtig nahm es mit der Zunge ein paar grüne Halme auf und zog sie dann an sich, um sie ganz gemütlich zu kauen. Pelo strahlte bei dem Anblick vor Vergnügen. Die Zunge war ganz rau und trocken gewesen, anders als erwartet. Leicht zitternd vor Freude hakte sie sich bei ihrem Mann ein und schmiegte sich seitlich leicht an ihn. Die Tiere waren einfach überwältigend schön. -
Penelope war aufgeregt wie ein kleines Kind. Nein, schlimmer, als kleines Kind hatte sie nie soviel Aufregung gezeigt wie jetzt, als sie einfach nur vollkommen sprachlos nickte und vor sich hin strahlte. Nicht einmal das Kompliment des Händlers konnte sie richtig aufnehmen, und bestimmt hielt er sie schon für einfältig, weil sie so gar nichts sagte und nur lächelte.
Er ließ sie also in das Gatter, so dass sie ganz nahe bei den Giraffen war. Die Mutter schaute argwöhnisch, immerhin ging es um ihr Kind, aber zwischen ihr und Pelo war noch ein weiteres Gitter, so dass sie nicht nach ihr treten konnte, selbst wenn sie wollte. Ganz schüchtern und Vorsichtig trat Pelo also weiter auf die schönen Tiere zu und schaute erst einmal nur verzaubert.
“Was fressen die denn?“, fragte sie schließlich im Flüsterton den Händler. Sie hatte bisher noch nichts, was sie den beiden geben konnte, und war schon so gespannt darauf, sie einmal kurz berühren zu können. -
Die Zunge der Giraffenmama war ganz blau, bemerkte Penelope. Aber nur Kurz, denn Anthimos überraschte sie jetzt vollkommen mit seiner Frage. Ganz verdattert schaute sie zu ihm hoch – denn obwohl er hinter ihr stand, war er dafür ja groß genug, so dass sie sein Gesicht sehen konnte.
“Du meinst, ich darf die wirklich anfassen? So richtig mit meinen Händen?“
Die letzte Frage klang vielleicht ein wenig arg seltsam, aber Penelope konnte einfach nicht glauben, dass sie die Tiere wirklich würde anfassen können. Normalerweise machten die Händler darum ja doch einen ziemlichen Aufstand, und viele der Tiere waren ja auch gefährlich. Aber die hier sahen ganz lieb und friedlich aus, und das Junge war einfach nur niedlich. -
Bei dem Wörtchen „Stimmt“ wäre Penelope beinahe zusammengezuckt. Timos wollte Strategos werden? Eine verdutzte Frage lag Pelo auf der Zunge, aber sie ließ es. Schließlich war Timos Anthis Bruder, und sie wollte sich da jetzt nicht so anhören, als würde sie an ihm zweifeln. Es war nur… mit dem Opium und seiner Leichtlebigkeit hätte sie ihm das jetzt gar nicht zugetraut. Aber natürlich würde sie ihn wählen, wenn er aufgestellt würde.
Sie sagte also erst einmal nichts dazu, als sie dann auch schon ankamen. Anthi erzählte, wie er die Stelle entdeckt hatte, als Penelope die große Giraffe sah. Sie hatte noch nie ein so hohes Tier gesehen! Sie sah wunderschön aus! Das Jungtier sah sie da noch nicht einmal, weil so viele Leute davor standen, um zu gucken. Doch dann bildete sich eine Lücke zwischen den Leibern und sie sah das Kleine.
Ein herzliches “Aaawwwwwwwwwwww“ entrang sich ihr, als sie auch näher trat, um die Tiere genauer zu sehen. Das Baby war ja niedlich! Es hatte viel zu große Augen und Hufe für den kleinen Körper und sah einfach nur tapsig und süß aus.
“Oh, Anthi, das ist ja goldig! Das ist wirklich mal eine Überraschung. Hast du schon mal so etwas niedliches gesehen?“ -
Puh, kein Rhomäer, da war Pelo schon mal beruhigt. Aber ein Grieche, der bei einer Rhomäerin arbeitete? Und den Ánthimos kannte? Sie kannte da nur einen, ihren Schwager in spe, aber ob Timos unbedingt Strategos werden wollte?
“Der einzige Grieche, der bei einer Rhomäerin arbeitet, den ich kenne, wäre dein Bruder.“
Das konnte eigentlich nicht sein. Timos schien ihr immer so frei heraus und unbedacht, allein die Sache mit Axilla. Als Strategos konnte sich Penelope ihn sich nicht unbedingt vorstellen. Daher grübelte sie noch, wen er sonst meinen könnte. -
“Du willst doch wohl nicht sagen, dass Kämpfer nach dem Ringen dastehen und wie die Hunde hecheln?“ Pelo konnte sich das nun beim besten Willen nicht vorstellen. Allein die Vorstellung war ulkig.
“Aber wenn es nicht Marcus ist, wer denn dann? Doch hoffentlich keiner der Rhomäer?!“
Eine rhomäische Eutheniarche war eine Sache, aber beim Strategos sah die Sache doch gänzlich anders aus. Pelo wusste ja um Ánthimos’ rhomäische Freunde, und sie hatte damit auch kein Problem, aber bei der Stadtwache hatte das eine Grenze. Die musste in griechischer – oder im Falle von Cleonymus eben ägyptischer – Hand bleiben. Sonst würden die Legionäre wirklich machen, was sie wollten, und niemand konnte ihnen auch nur ein wenig Einhalt gebieten. Das wäre eine Katastrophe, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Rhomäer auf solch einen Posten wirklich gewählt werden würde. -
Er kannte den zukünftigen Strategos? Das konnte ja eigentlich fast nur Marcus Achilleos dann sein, der war ja auch schon jetzt im Gefängnis für Cleonymus angestellt. Ein wenig verwunderte Penelope, dass der Ägypter nicht noch eine dritte Pyrtanie an dieses Amt geben wollte, denn er hatte sich dafür doch sehr engagiert. Zumindest, wenn alles stimmte, was man so erzählte.
“Da wird sich Inhapy aber nicht freuen. Sie denkt ja, er ist verrückt, wegen der Sache mit den Kindern. Sie kann da manchmal schon ziemlich direkt sein, und stur wie ein Esel. Sie wollte unbedingt, dass ich übe, wie ein Hund zu hecheln, kannst du dir das vorstellen?“
Penelope schüttelte kurz lächelnd den Kopf, als ihr einfiel, dass sie das eigentlich nicht weitererzählen sollte.
“Oh, verrat ihr aber nicht, dass ich dir das gesagt habe, sonst wird sie noch böse deswegen.“ -
“Er schlägt dich als Nach….“ Der Rest der Erkenntnis ging in freudigem Quietschen unter, als Pelo Anthi um den Hals fiel und ihn umarmte. Das waren ja wirklich großartige Neuigkeiten! Oh, er würde bestimmt gewählt werden. Penelope glaubte an ihren Mann und hing einfach nur glücklich an seinem Hals, während sie ihm kurz einen dicken Schmatz auf die Wange drückte.
“Das ist ja wundervoll. Wenn er dich vorschlägt, wirst du bestimmt auch gewählt. Oh, das ist so wunderbar, da kann ich es ja kaum erwarten, dass diese Pyrtanie zuende geht.“
Dann bekam Anthi aber trotzdem noch einen kurzen Knuff in den Bauch.
“Aber wenn du Agoranomos bist, vertreibst du solche Gesellen dann nicht mehr ganz alleine, wenn die zu dritt ankommen. Ich brauch dich noch an einem Stück.“ -
Das war wieder typisch ihr Mann, erwähnte in einem halben Nebensatz mal so nebenbei, dass es eine gefährliche Situation gegeben hatte. Aber er machte sich um sie sorgen, obwohl sie im Museion saß?
“Wie meinst du das, sie wollten ihm an die Wäsche? Hat die Wache die drei schon festgenommen?“
Penelope hielt ja aufgrund ihrer Hintergrundgeschichte auch nicht viel von den Stadtwachen, aber ab und zu waren die doch ganz nützlich – und in jedem Fall besser als die Rhomäer. Und in diesem Fall war es ihr auch lieber, wenn sich Anthi mit niemandem anlegte. Und gleich drei auf einmal! -
“Anthi, ich bin noch nicht einmal so richtig im vierten Monat, man sieht noch nicht einmal was. Und ich sitze doch nur im Schatten und mache nichts anstrengendes.“
Irgendwie war es ja süß, dass er sich Sorgen machte, sie könne sich überanstrengen, aber dann war es wiederum auch ärgerlich, denn sie war ja nicht krank oder schwächlich. Im Museion eine körperlich anstrengende Arbeit beim Musizieren zu finden könnte sich als schwierig erweisen.
Aber Penelope lächelte ihn danach doch gleich an. Sie war erleichtert, dass er nichts gekauft hatte, war nun aber doch gespannt, was es war. Es musste ja schon etwas besonderes sein, wenn er es ihr so gerne zeigen wollte. Und nun, da sie sicher sein konnte, dass er keinen Blödsinn gemacht hatte, konnte sie sich einfach auf die Überraschung freuen, und das sah man auch in ihrem Gesicht.
“Aber mein Tag war nicht sehr aufregend. Ich habe versucht, das Gedicht fertig zu komponieren, aber es ist noch nicht ganz perfekt. Mir gefällt der Abschluss noch nicht, es ist zu hoch, um von Männern auch gesungen zu werden. Bei meiner Stimme hört es sich ganz gut an, aber es muss ja jeder singen können, nicht?“
Penelope wusste nicht, ob er ihr Problem so nachvollziehen konnte, immerhin hatte er im Allgemeinen eher weniger mit Tonhöhen und Rhythmen zu kämpfen. Aber er war an ihrer Musik immer sehr interessiert, also erzählte sie ihm auch immer alles, was sie so tat und versuchte. Und Anthi war ein hervorragender Zuhörer.
“Und bei dir auf der Agora? Merkt man schon etwas davon, dass die neue Pyrtanie bevorsteht?“ -
Jetzt war Penelope aber wirklich gespannt, was Ánthimos ihr zeigen wollte. Sie kannte ihn ja schon gut genug und konnte in seinen Augen die kindliche Vorfreude sehen, als er sie zu der „Überraschung“ einlud. Sie hoffte nur, er hatte ihr nichts teures gekauft. Nachdem sie ihm die Malerei geschenkt hatte, rechnete sie ja mit dem schlimmsten. Anthi war so ein gutmütiger Kerl, der dachte über solche Dinge wie Geld manchmal nicht nach, vor allem nicht, wenn er ihr eine Freude bereiten konnte. Sie fand das ja unendlich süß, aber sie rechnete in Gedanken doch schon die Hochzeit durch. Und an der wollte sie ja nicht sparen.
“So, wo müssen wir lang?“, fragte sie halb freudig aufgeregt, halb besorgt, als sie schließlich auf dem Markt angekommen waren. -
“Wenn du alles behältst, was ich dir heute gezeigt habe, haben wir denke ich für heute auch schon viel gelernt. Grüß Penelope von mir, und von den Mädchen.“
Inhapy vermisste die Kleine ein wenig. Jetzt, wo sie am Museion arbeitete, kam sie nicht mehr jeden Tag vorbei. Und auch, wenn Inhapy es ihr von Herzen gönnte, fehlte ihr die kleine, stille Griechin einfach ein wenig. Aber das würde sie so niemals sagen, sonst bekam Pelo noch Schuldgefühle. Aber ein klein wenig stimmte es sie traurig, dass sie wohl bald noch weniger Zeit finden würde, wenn das Kind erst einmal auf der Welt war. -
Auch wenn Urgulania meinte, dass sie ruhig weiterhin Koine sprechen könnten, antwortete Penelope in Latein. Sie sprach die Sprache, auch ziemlich gut, ihr Großvater hatte darauf großen Wert gelegt. Selbst ihr Akzent war vernachlässigbar gering, vor allem, da sie ihre Worte mit Bedacht wählte. Penelope war noch nie jemand, der vorschnell einfach redete.
“Es ist sehr schön dort, wenn auch anders, als erwartet. Bislang habe ich noch kaum Schüler, dafür aber habe ich selbst viel Zeit, zu musizieren. Und ich habe damit begonnen, alten Gedichten neue Melodien zu geben.“
Penelope musste kurz ganz leicht lächeln. Sie hatte das schon immer sehr gerne gemacht, ihre eigenen Melodien entwickelt und verfeinert. Sie hätte nur nie erwartet, das einmal wirklich als Beruf zu tun.
“Ich hoffe, dass sich vielleicht noch ein paar Schüler finden, die Kithara oder Lyra spielen lernen wollen. Oder vielleicht auch die Grundlagen der Musik. Aber das wird die Zeit noch zeigen.“
Und eigentlich hatte sie auch nicht zu viel Zeit mehr. Penelope wusste noch nicht, was sie tun sollte, wenn das Kind geboren war. Gerne würde sie auch weiterhin im Museion arbeiten, aber sie hatte bislang weder mit Ánthimos noch mit Sosimos von Korinth gesprochen. Mit letzterem würde sie ohnehin erst nach der Hochzeit das Gespräch darüber suchen, wenn überhaupt. Sie hatte ein wenig Angst, dass er sie dann wieder aus dem Museion werfen würde, und sie fühlte sich dort wirklich wohl. -
“Da geht es am besten, da hast du recht. Deshalb würde ich einfach vorschlagen, dass du einen Tag lang mit mir mitkommst. Wenn du einen Tag frei hast, um so etwas zu lernen.“
Sie könnte ihm zwar auch alles so sagen, aber wenn er es sich anschauen konnte und hören konnte, was sie meinte, war das sicher allemal besser, als wenn sie es ihm nur erzählte.
“Keine Sorge, zu Schwangeren nehm ich dich dann nicht mit, da haben Männer nichts verloren. Sag einen Tag oder zwei vorher einfach bescheid, dann wird ich das schon einrichten. Hier in Rhakotis gibt es immer genug, die krank sind.“ -
Er war wirklich vorsichtig, Inhapy hätte ihn mit seinen großen Pranken etwas grober eingeschätzt. Vielleicht würde ja doch ein ganz passabler Heiler aus ihm werden und nicht so ein Metzger wie das, was die Griechen so gemeinhin als Arzt bezeichneten. Inhapy war zwar auch herrisch und mal direkt, aber sie wusste, dass man zu den Patienten, wenn es ihnen wirklich schlecht ging, auch sanft sein musste und ihnen Trost spenden. Und ein Knocheneinrenker war in den seltensten Fällen besonders sensibel. Aber Ánthimos war fast schon schüchtern, und trotzdem direkt. Ja, der könnte vielleicht ein vernünftiger Heiler werden. Wenn er geduldiger würde.
“Nicht so schnell, die Rezepte kommen erst zum Schluss. Wie im wirklichen Beruf, erst wird geschaut, dann wird verarztet. Und das richtige Schauen musst du erst noch lernen. Denn es nützt nichts, wenn man weiß, wie man etwas behandelt, wenn man nicht weiß, wie man es erkennt, nicht?“
Inhapy ließ ihre Worte erstmal weiter unkommentiert. Sie fand es ja süß, dass Anthi so wissbegierig war, aber sie konnte ja nicht riskieren, dass er noch voller Eifer loszog und selbst versuchte, jemanden zu heilen, obwohl er eigentlich noch so gut wie gar nichts wusste.