Beiträge von Penelope Bantotakis

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    Inhapy hatte in ihren Jahren als Hebamme ja schon einiges mitgemacht. In ihren Jahren als Ehefrau von Amosis hatte sie noch viel mehr erlebt. Und als Mutter von Hay, Bay, Hatnofer, Nebtawi und Nebet hatte sie noch einmal mehr erlebt. Aber sowas wie heute hatte sie in ihren 26 Lebensjahren sicher noch nicht erlebt.
    Erst war Penelope völlig aufgelöst gekommen und hatte sich ihre Wunden versorgen lassen müssen, und dann war sie auch noch losgegangen, um sich mit dem Grund für diese Prügel zu treffen. Gegen blinde Liebe war offenbar kein Kraut gewachsen.
    Aber das war nicht das eigentlich seltsame, nein. Keine zwei Stunden später klopfte Penelope schon wieder an ihrer Tür, mit einem riesigen Griechen an ihrer Seite!


    Penelope hatte Ánthimos nur ungern nach Rhakotis geführt. Sie hatte ein bisschen Angst, dass er trotz seiner Worte doch noch losstürmen würde und etwas unglaublich blödes anstellen könnte. Hier unten konnte sich eine unüberlegte Handlung verdammt schnell rächen.
    Aber schließlich waren sie ohne Zwischenfall am Haus der Hebamme Inhapy angekommen. Hay und Bay waren mit dem Vater unterwegs beim Arbeiten, Hatnofer saß vor dem Haus und passte auf ihre beiden kleinen Geschwister auf, während sie an irgendetwas herumstickte, was wohl einmal eine Puppe werden sollte. Penelope begrüßte die Kinder lächelnd und wurde auch mit einem fröhlichen „Pelo, Pelo!“ in Empfang genommen. Allerdings trauten sich die Kinder nicht so ganz zu Ánthimos, immerhin war er ein Fremder. Auch zum Glück, bei einer heftigen, kindlichen Umarmung hätte Penelope wahrscheinlich laut aufgeschrien.
    Hier wohnt sie. Klopfst du? meinte Penelope leise, als sie vor der Tür der Hebamme schließlich angekommen waren. Ihr Rücken tat schon wieder ziemlich weh und auf dem Weg hatten sie mehrmals eine kleine Pause einlegen müssen.

    Ánthimos war süß! Wenn alle verprügelten Frauen nicht mehr ihren Pflichten nachkämen, weil sie dann ein wenig Schmerzen hatten, wie sollte das denn gehen? Sie konnte doch noch laufen, nur eben langsamer.
    So etwas ähnliches hat Inhapy auch gesagt. Sie wollte ihre Zwillinge vorbeischicken, um dir bescheid zu geben. Vielleicht sollte ich anfangen, auf euch beide zu hören.
    Ein Lächeln schlich sich auf Penelopes Gesicht, wenn auch ein trauriges.


    Vorsichtig fing Penelope an, aufzustehen. Ihr Rücken tat wirklich sehr weh bei der Bewegung, aber sie wollte nicht, dass Anthi sich noch mehr Vorwürfe machte, und biss daher tapfer die Zähne zusammen. Schließlich stand sie, und dann war es besser.
    Dann können wir zu Inhapy gehen. Aber sei lieb zu ihr, ja? Sie ist wirklich eine hervorragende Hebamme, aber sehr direkt.
    Eigentlich war sie wie Ánthimos, nur als Frau und nicht ganz so aufbrausend.

    "Andere Heiler kosten Geld."
    Und andere Heiler konnte sie nicht mit einem eindringlich flehenden Blick dazu kriegen, das zu sagen, was Penelope wollte. Sie war sich zwar sicher, dass ihre Wunden schlimmer aussahen, als sie waren, aber wenn die Götter nur ein bisschen Mitleid kannten, würde Inhapy das auch genau so und sehr resolut Ánthimos sagen.
    "Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gleich gesagt habe. Aber Anthi? Versprich mir, dass du Großvater nicht weh tust. Bitte.“"
    Das war ihr das letzte, was ihr noch wichtig war, bevor sie losgehen würden.

    Was wollte er jetzt von ihrer armen Nachbarin? Die würde sich bedanken, wenn Penelope einen zornigen Griechen in ihr Haus schleppte. Und außerdem war dann die Nähe zu ihrem Großvater zu gefährlich. Dann hatte sie keine Gelegenheit, Ánthimos zur Not noch einzuholen und aufzuhalten.
    "Das muss doch nicht sein, und Inhapy ist vielleicht auch unterwegs, ich weiß gar nicht, ob sie zu…"
    Während dem Reden hatte sie zu Ánthimos aufgeblickt und den harten Blick in seinen Augen gesehen, der offenbar keinen Widerspruch duldete. Sie verstummte, schaute flehentlich zu ihm hoch.
    "Sie ist meine Nachbarin, Anthi. Können wir hier nicht einkaufen, wie wir es geplant hatten?

    Er sprang nicht auf und lief nicht los, um irgendjemanden in den Boden zu stampfen. Ein ganz klein wenig war Penelope erleichtert, auch wenn sie den Zorn in seiner Stimme hören konnte. Sie schluckte und ihre Stimme wurde noch einmal leiser, damit niemand den Inhalt ihres Gespräches mitbekam.
    "Am Rücken zweimal und einmal an meinen Waden. Aber Inhapy hat schon alles versorgt und mir Kräuter gegeben. Das ist in ein paar Tagen sicher ganz verheilt.

    "Es war nicht seine Schuld, Anthi, es war meine. Er hätte mich mit dem Gürtel gar nicht getroffen, aber ich hab nur an Harmonia gedacht. Wenn diese dumme Kithara kaputt gegangen wäre, wäre es ja eigentlich egal gewesen. Aber ich hab mich dazwischen geworfen. Es war wirklich meine Schuld, Anthimos. Du darfst ihm deshalb nicht böse sein."
    Ihre Stimme war verzweifelt.

    Das alles wäre viel einfacher, wenn sie nicht an dem Tisch einer verdammten Garküche sitzen würden! Penelope musste sich sehr zusammenreißen, nicht loszuheulen. Ihr Rücken tat höllisch weh und sie hatte so ein schlechtes Gewissen und sie hatte Angst, irgendwer könnte zuhören. Und dann war da auch immer noch die Gefahr, das Ánthimos einfach aufsprang und irgendwas unglaublich blödes anstellte.
    Sie holte ein paar Mal tief Luft und konnte selbst an ihrem Atem hören, wie kurz sie vor dem Weinen stand. Zum Glück hatte Inhapy schon den verzweifelten Redeschwall abbekommen, so dass sie sich nun beim zweiten Mal etwas besser unter Kontrolle hatte.
    "Ashur war zuhause und hatte Großvater erzählt, dass er uns zusammen gesehen hat. Dass ich mich an dich verkauft hätte. Und beim rausgehen hat er… an meinen Hals gegriffen und mich in den Raum geschleudert.
    Großvater war natürlich wütend. Er kann ja nicht zulassen, dass seine Enkelin zur Hure wird. Und… er hatte getrunken. Und ich musste
    Harmonia retten. Und… ich bin dann in mein Zimmer und habe mich eingeschlossen. Großvater hat sich auch gleich entschuldigen wollen. Und heute Morgen bin ich dann zu Inhapy geschlichen…"
    Ein paar Details hatte Penelope ausgelassen, aber sie glaubte, dass das Erzählte auch schon genug war. Während dem Sprechen hatte sie nach Ánthimos’ rechter Hand gegriffen, um ihn notfalls festhalten zu können. Nicht, dass sie ihn ernsthaft aufhalten könnte, dazu fehlte ihr ganz entschieden die Kraft, aber sie musste es zumindest versuchen.

    Was? Nein, er hat mich nicht verkauft.
    Penelope wurde irgendwie immer kleiner. Ánthimos war wütend, furchtbar wütend. Aber es war nicht die heiße Wut, die sich in kurzem Schreien Bahn brach, sondern die gefährlichere, kalte Wut, die als tiefer Groll darauf wartete, Furchtbares zu vollbringen. Penelope kannte diese Wut und hatte unendliche Angst davor.
    Anthimos, bitte, mach nichts Unüberlegtes. Ashur hat mich ja auch gleich wieder losgelassen und ist gegangen. Bitte, Anthi.

    Er würde böse werden. Er würde furchtbar böse werden. Aber sie war zu weit gegangen, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Penelope konnte ihm nicht in die Augen schauen. Sie hoffte nur, dass die Menschen hier auf dem Markt den schlimmsten Teil des Wutausbruchs verhindern würden oder sie ihn aufhalten konnte. Aber so, wie er schon dasaß! Penelope hatte so unglaubliche Angst, ihn zu verlieren, als sie ganz zittrig und leise anfing zu sprechen.
    "Ashur war gestern Abend bei meinem Großvater, als ich heimgekommen bin.
    Sie beließ es erstmal bei dieser einen Information. Sie wollte erst seine Reaktion sehen, ehe sie fortfuhr. Sie hatte so unendliche Angst, ihn zu verlieren, oder dass er eine Dummheit beging.

    Wie er sich zu ihr beugte und sie besorgt anschaute! Penelope zersprang fast das Herz! Sie konnte ihn doch nicht anlügen, nicht, wenn er so vertrauensselig ihr in die Augen schaute und sich so sorgte. Das ging nicht, sie war doch kein Ungeheuer!
    "Nein, ich hab nichts Schlechtes gegessen. Meine Nachbarin hat sich auch schon um mich gekümmert und mich versorgt. Anthi, ich muss dir was sagen. Aber, versprich mir zuerst, dass du nicht böse sein wirst. Bitte, versprich es mir.
    Ganz eindringlich sah Pelo ihrem Mann in die Augen. Sie wollte nicht, dass er noch wütend wurde und in seiner Wut noch losstapfte und eine Dummheit beging.

    Ihr schlechtes Gewissen steigerte sich beinahe bis zur Unendlichkeit. Penelope war sich sicher, dass man ihre Schuld ihr an der Nasenspitze ablesen können musste. Sie war ein schlechter Mensch, wenn sie Anthi so anlog.
    "Nein, die ist nicht schlecht. Es ist nur…ich habe mir glaube ich den Magen ein bisschen verdorben, mir ist nur ein wenig übel."
    So knapp davor, ihm die Wahrheit zu sagen, und es doch nicht geschafft. Penelope fühlte sich jetzt wirklich schlecht und ihr war übel, aber das hatte nichts, aber auch rein gar nichts mit ihrem Magen zu tun.
    "Aber wie ich dich kenne, opferst du dich doch gerne, meine Suppe zu nehmen, bevor sie verkommt."
    Sie versuchte, ihn anzulächeln, schaffte es aber nicht so ganz fröhlich.

    Penelope lächelte ihm leicht zu und versuchte, noch ein paar Löffel Suppe runterzukriegen. Wenn sie sich nach vorne beugte, um nicht zu kleckern, spannte es in ihrem Rücken, also musste sie fast steif dasitzen, um überhaupt etwas Essen zu können. Und ihr schlechtes Gewissen nagte mehr und mehr an ihr, meinte, sie müsse es ihm sagen. Sie konnte ihn ja nicht nachher in die Falle laufen lassen. Ihr Großvater wusste, dass er kommen wollte – sofern er es in einem Rausch nicht schon wieder vergessen hatte. Und sie konnte ja nicht Ánthimos in dem Wissen zu ihm gehen lassen, dass alles in Ordnung sei. Sie musste ihn zumindest warnen.
    Sie aß ein paar Krümelchen Brot, um hinter den dicken Scheiben ihr nachdenkliches Gesicht zu verbergen. Sie fühlte sich so sehr im Zwiespalt, was sie machen sollte.

    "Doch, doch. Ich wollte nur ein bisschen warten, bis sie nicht mehr so heiß ist."
    Penelope kam ganz langsam und vorsichtig mit dem Oberkörper etwas nach vorne und griff nach ihrem Löffel. Sie rührte erst etwas unsicher in der Suppe herum und nahm schließlich einen kleinen Löffel voll zu sich. Es schmeckte eigentlich richtig gut, aber ihr schlechtes Gewissen verdarb ihr immer noch den Appetit an der ganzen Sache. Aber Anthi zuliebe aß sie ein paar Löffelchen.
    "Das wäre wirklich nett von dir, wenn du mitkommen würdest. Damit sie wissen, dass mein Mann dann auch damit einverstanden ist, wenn ich unterrichte. Und ein bisschen Angst hab ich schon. Weißt du, Kinder sind etwas anderes als erwachsene Menschen."
    Wenn sie sich nicht grade die Finger verbrühen und sich nicht helfen lassen wollen, fügte sie in Gedanken dazu.

    Hätte sie sich richtig bewegen können und hätte sie keine Schmerzen gehabt, hätte sie Ánthimos nach seinen ersten Worten kurzerhand zum Brunnen geschleppt. Aber sie wollte lieber ganz ruhig sitzen bleiben und sich bloß nicht zu schnell bewegen. Solange sie sich ruhig hielt, tat ihr nichts weh.
    "Nun, ich erinnere mich da an ein paar Sachen, wo deine linke Hand ganz gut war…" Dieser kleine Seitenhieb musste noch sein.


    Das, was er dann über das Museion zu berichten wusste, lenkte Penelope aber ohnehin ab. Aufmerksam lauschte sie seinen Worten. Wenn nun auch schon ein zweiter Grieche meinte, sie hätte bestimmt gute Chancen, war es vielleicht gar keine so schlecht Idee.
    "Ich denke, ich werde mit dann morgen mal Harmonia ausborgen und versuchen, vorzusprechen. Es wäre wirklich herrlich, wenn sie jemanden suchen würden. Auch wenn ich eigentlich kein richtiger Lehrer bin."
    Ihre Suppe hatte Penelope die ganze Zeit noch nicht angerührt.

    "Später werden sich Blasen bilden. Die werden sich dann mit Wasser sammeln, und du wirst bestimmt drei Tage lang nichts mit der Hand anfassen können."
    Das war vielleicht ein bisschen übertrieben von Penelope, aber immerhin lag es im Bereich des Möglichen. Und wenn man mit Kindern sprach, die etwas partout nicht wollten, half es manchmal, ihnen in allen Einzelheiten die Folgen ihrer Handlung aufzuzeigen. Und Männer waren in Bezug auf solche Dinge wie verbrannte Finger nicht besser als kleine Kinder. Warum also nicht die Erfahrung ausnutzen?
    "Aber du hältst das schon aus. Wenn du meinst, dass das Essen jetzt wichtiger ist, wirst du schon recht haben. "
    Vielleicht war das jetzt gemein, aber wenn es half, war Pelo dieses Mittel recht und billig.

    "Da drüben ist ein Brunnen, halt da die Finger ein wenig ins Wasser, damit es kühlt. Und wenn wir zu mir gehen, soll Inhapy mal auf deine Finger schauen, vielleicht tut sie dir etwas Kräuterpaste darauf."
    Penelope hatte oft genug mit den Kleinen von Inhapy rumgespielt und wusste, dass bei Verbrennungen und aufgeschürften Handballen ein bisschen kühles Wasser am besten half. An ihrem Ton war klar zu hören, dass sie in diesem Punkt keine Widerrede dulden würde.

    Eigentlich hatte Penelope gerade gar keinen Hunger mehr. Ihr schlechtes Gewissen nagte an ihr und verdarb ihr jedes bisschen Apetit. Während Ánthimos dann Essen holen ging, setzte Penelope sich hin. Oder besser gesagt, sie versuchte es, das war nämlich alles andere als einfach. Wenn sie den Oberkörper leicht nach vorne beugte, spannte das Kleid bei ihr im Rücken und drückte leicht auf die Bandagen, was sich sehr schmerzhaft anfühlte. Und ihre Waden brannten auch, wenn sie zuviel Gewicht darauf legte.
    Sie schaute kurz zu Anthi, ob er sie auch gerade nicht sehen konnte. Sie nahm daraufhin kurz entschlossen den Handballen am Daumen zwischen die Zähne und setzte sich schnell hin. Einen Schmerzschrei unterdrückend biss sie sich in die Hand, aber sie saß. Anlehnen konnte sie sich nicht, aber sie saß. Sie rieb sich mit der nicht-lädierten Hand über die Stelle, wo sie sich gebissen hatte, und wartete.
    Ánthimos kam mit zwei übervollen Suppenschüsseln und einer gewaltigen Menge Brot und setzte beides vor ihr ab. Offenbar hatte er sich die Finger verbrannt, und besorgt streckte Penelope die Hand nach ihm aus.
    Lass mal sehen.
    Sie streckte sich ein bisschen zu weit und kurz hatte sie ihr Gesicht nicht ganz unter Kontrolle, als ihr Rücken brannte. Aber sie hoffte, Anthi hatte nichts bemerkt.

    "Nein, nein, zuhause fehlt nichts. Ich musste heute Morgen nur schnell los, zu meiner Nachbarin. Ich hatte keine Zeit, etwas zu essen. Heute morgen hatte ich auch gar keinen Hunger."
    Seine Sorge machte ihr ein richtig schlechtes Gewissen. Sie kam sich wie eine Heuchlerin vor. Er war ihr Mann, sie sollte ehrlich zu ihm sein. Aber ihr Großvater war ihr Großvater. Wie konnte sie beiden Männern treu ergeben sein? Das ging gar nicht, zumindest nicht in diesem speziellen Fall.

    Penelope war wahrscheinlich die schlechteste Lügnerin auf der ganzen Welt, und sie wusste das. Aber trotzdem versuchte sie, sich zumindest in eine Halbwahrheit zu retten.
    "Ich mach mir nur ein bisschen Sorgen, ob wir das richtige finden. Mach dir keine Gedanken. Und Essen klingt wirklich gut, ich habe heute noch gar nichts gegessen.