Beiträge von Penelope Bantotakis

    "Nein, mir ist leider noch nichts eingefallen."
    Gestern waren ihre Gedanken auch mit etwas anderem beschäftigt gewesen. Oder, wenn sie es genau bedachte, hatte sie eigentlich überhaupt nichts gedacht, als sie auf ihrem Bett gelegen hatte. Sie hatte einfach nur vor sich hingeschaut und geatmet, ohne dabei irgend etwas zu denken.
    "Vielleicht haben sie hier ja Instrumente aus fremden Ländern, die wir uns mal anschauen können?"

    Gut, dass er nicht weiter darauf einging, denn so entging ihm auch der plötzliche Schrecken in Pelos Augen. Ausziehen durfte er ihr das Kleid auf gar keinen Fall. Am besten, er streichelte noch nicht einmal über die Stellen. Und vor allem sollten sie sich am besten sehr langsam bewegen.
    "Ich glaube, das Geschenk zuerst. Das ist vermutlich schwieriger."
    Und Penelope war sich nicht sicher, ob sie ein Kleid sich so richtig anhalten lassen konnte, um zu sehen, wie es denn sitzen würde. Lieber noch ein wenig Zeit schinden.

    Fünf Kinder? Da hast du aber noch einiges vor.
    Pelo lächelte Anthi schelmisch an. Wenn sie so weiter machten wie bisher, hatten sie in fünf Jahren fünf Kinder, mindestens.
    Ja, die ägyptischen Kleider sind irgendwie… enger. Ich fühl mich da fast schon eingeschnürt, ich kenn das von meinem Chiton gar nicht. Aber es ist nicht so warm, wie ich mir das vorgestellt habe. Die haben wohl doch eine Ahnung von dem, was sie machen. Und ich finde die Farbe sehr hübsch.

    Penelope mischte sich nur ungerne ein, Geldangelegenheiten waren schließlich Männerangelegenheiten. Und sie hatte keine Ahnung, ob ihre Meinung hierzu überhaupt erwünscht war. Aber ein kleiner Satz konnte wohl nicht schaden.
    Ich werde mich auch um eine Stelle beim Museion bemühen, und das Geld selbstverständlich Ánthimos geben. Und wir können mit der Hochzeit selbstverständlich noch solange warten, bis genug Geld angespart ist.
    Auch wenn’s schwer fiel.

    Ja, genau, fünf. Hay und Bay, das sind die Zwillingsjungs, die sind jetzt elf, und dann Hatnofer, die ist 9, dann noch Nebtawi mit 5. Dem bring ich grade das Spielen auf der Syrinx bei, er ist da ganz begeistert. Und das Nesthäkchen, Nebet, die ist jetzt drei.
    Pelo lächelte, während sie von den Kindern erzählte. Das waren allesamt wirklich liebe Kinder, zwar laut wie alle und natürlich gab es unter den Geschwistern auch mal Streit, aber Penelope liebte Kinder. Und da sie die kleineren fast von Geburt an kannte, fühlte sie sich da fast wie eine Tante.
    Wieso fragst du?“ fragte sie halb neckisch.

    Puh, das hätte knapp sein können. Penelope nahm den angebotenen Arm und hakte sich bei Anthi ein. Sie hoffte nur, dass sie in dem Gedränge nicht noch angerempelt werden würde.
    Das Kleid ist eigentlich nicht neu. Ich hab es mir von meiner Nachbarin geliehen. Inhapy, die Hebamme, ich hab dir von ihr erzählt? Ich muss es heute Abend wieder zurückbringen. Aber ich wollte mal etwas anderes tragen als meinen grauen Chiton. Der ist ohnehin schon so durchgetragen, den muss ich unbedingt ersetzen. Ich will doch für dich hübsch sein.
    Da war zwar eine ganz kleine Notlüge dabei, aber das war besser als die Wahrheit. Ánthimos war grade so glücklich, und er brauste so leicht auf. Auch wenn Pelo ihm gerne ihre Angst und ihren Schmerz mitgeteilt hätte, so war es wohl besser.

    Mir gehöriger Verspätung kam Penelope am Kaisareion an. Sie musste auf dem Weg zweimal anhalten und verschnaufen, weil die Schmerzen in ihrem Rücken sonst zu groß geworden wären. Noch dazu fühlte sich das ägyptische Kleid furchtbar ungewohnt an, es lag so eng an im Vergleich zu ihren weiten Chitons, die sie sonst trug.
    Die letzten paar hundert Schritte ging Penelope besonders gemächlich, um sich nicht durch eine Bewegung zu verraten, wenn sie in Ánthimos’ Blickfeld lief. Er sollte möglichst nichts mitbekommen von dem, was passiert war. Er würde wütend werden, bestimmt sogar, und Penelope wollte doch, dass er sich mit ihrem Großvater vertrug. Es war ja auch nicht Philolaos schuld. Zumindest gab Penelope ihm keine.


    Als sie Anthi sah, zauberte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, sogar trotz des leichten Brennens in den Waden und im Rücken. Fröhlich winkte sie ihm vorsichtig zu. Sie hoffte, er kam zu ihr herüber, so musste sie weniger laufen.

    Am nächsten Morgen erwachte Penelope wie immer vom Bellen des Hundes. Ihr Chiton klebte an ihrem Rücken, wo die wunden von den Schlägen leicht genässt hatten und nun getrocknet waren. Ihr gesamter Rücken fühlte sich schmerzhaft hat, ebenso wie ihre Waden. Langsam kam sie aus dem Bett hoch. So leise wie möglich schob sie die Truhe von ihrer Türe. Sie öffnete den Riegel und spähte durch einen schmalen Spalt hinaus. Ihr Großvater war nirgends zu sehen. Vor ihrer Tür lagen ein paar Blumen herum.
    Tränen wollten sich ihren Weg bahnen, aber Penelope kämpfte sie herunter. Ganz leise schlich sie nach unten und aus dem Haus. Sie klopfte bei dem Menschen, dem sie neben Ánthimos am meisten vertraute: Inhapy.
    “Penelope? Was machst du denn so früh? Ist was passiert?“
    Ab da gab es kein halten mehr für die Tränen. Penelope flüchtete sich in Inhapys Arme und weinte und weinte, und als die Ägypterin sie umarmte, schrie sie kurz vor Schmerz auf. Die Hebamme nahm das griechische Mädchen erstmal mit sich ins Haus und scheuchte sowohl ihren Mann als auch die Kinder ziemlich unwirsch aus dem Haus. Unter Tränen erzählte Penelope ihrer Nachbarin, was passiert war, auch die Sache mit Ánthimos und ihren Heiratsplänen, einfach alles. Inhapy hörte sich alles ruhig an und stand zwischendrin nur einmal auf, um zu ihren Kräutern hinüber zu gehen. Als Hebamme hatte sie allerlei schmerzstillende Pflanzen immer dabei, und sie bereitete für die geschundenen Stellen auf Penelopes Rücken einen Umschlag vor.
    Während Penelope erzählte, entkleideten sie sie vorsichtig und Inhapy machte sich an die Arbeit. Vorsichtig wusch sie die blutigen stellen mit Essig ab, was höllisch brannte. Danach legte sie die Leinenstreifen mit der Kräuterpaste darauf, was erst brannte, dann kribbelte, und schließlich wohltuend kühlte.
    "Und heute Mittag habe ich mich mit Anthi verabredet am Fremdenmarkt" schloss Penelope schließlich irgendwann ihre ganze Geschichte, als ihre Tränen schon versiegt waren und sie verbunden und versorgt in Inhapys Wohnraum saß.
    “Du kannst so nicht gehen. Ich schick Bay und Hay, sie sollen ihm sagen, dass du nicht kommen kannst.“
    "Nein, Inhapy. Bitte, meinetwegen zaubere oder ruf die ägyptischen Götter zur Hilfe, aber ich muss unbedingt zu ihm. Er soll davon nichts mitbekommen."
    Inhapy sah Penelope eine ganze Weile lang schweigend an, dann kam ein ganzer Schwall von ägyptischen Verwünschungen, und schließlich ging Inhapy los und suchte Penelope eines ihrer Kleider heraus. “Deinen Chiton muss man zu Kinderkleidung zerschneiden. Du kannst von mir ein Kleid heute haben. Ich hoffe, er ist es wert, Pelo. Du wirst Schmerzen haben bei dem weiten Weg. Da helfen auch die Kräuter nichts.
    Penelope umarmte Inhapy einmal vorsichtig und dankbar und ließ sich dann in das ägyptische Kleidungsstück helfen. Sie wollte sich nicht noch mehr verspäten, als sie es ohnehin schon würde.

    Als Penelope am Abend nach Hause kam, wurde sie bereits erwartet. Sie öffnete die Türe, und ihr stand Ashur der Syrer direkt gegenüber. Schnell wie eine Schlange griff er Penelope an den Hals und drückte sie gegen den Türrahmen. Sie keuchte und rang nach Luft, ihre Hände krallten nach der Hand an ihrem Hals, die ihr die Kehle zudrückte, so dass sie nicht einmal schreien konnte.
    “Du hättest auf mich hören sollen. So ein schönes Gesicht.“ Er kam ganz nahe, und Penelope riss in Panik die Augen weit auf. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien und erstarrte, als er mit seinem Gesicht ihrer Wange so nahe war, dass sie seinen Atem riechen konnte. Er roch an ihr, und dann löste er sich mit einem solchen Ruck von ihr und schleuderte sie in das Innere ihres Hauses, dass sie auf die Knie fiel. Ihre Hände hielten ihren Hals und sie hustete, als langsam wieder Luft in ihre Lungen strömte.
    Sie hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss, und Schritte, die sich vom Haus entfernten. Ashur war offenbar gegangen. Aber eine andere, eisige Aura ließ sie bleiben, wo sie war. Sie musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, dass Philolaos wütend war.
    “Hast du mir etwas zu sagen?“
    Penelope versuchte, sich aufzurappeln, was ihr aber nicht gleich auf Anhieb gelang. Aber sie wollte genügend Abstand zwischen sich und dem Großvater lassen. Dass er gut getrunken hatte, war deutlich an der Schwerfälligkeit seiner Zunge zu hören, und ein Geruch von Alkohol ging von ihm aus, der kaum zu ignorieren war.
    Was hat er dir erzählt?
    Ihre Stimme war leise und heiser, und sie musste nach dem sprechen noch einmal husten.
    “Was er mir Erzählt hat? Was er mit erzählt hat?! Dass meine Enkelin eine verdammte Hure ist! Du undankbares Miststück! Dich einem Fremden an den Hals zu werfen! Ich hätt dich ersäufen sollen!
    Er war aufgestanden und ging in die Richtung, in der Penelope stand. Sie sah, dass er seinen Ledergürtel in der Hand hielt, und rückwärts wich sie ihm aus. Er konnte sie nicht sehen, und so schlug er wild nach vorne, traf sie aber nicht.
    Das ist nicht so! Nein, das ist nicht so! Ich habe jemanden kennen gelernt, ja, aber er ist ein ehrbarer Mann! Er will sich dir morgen vorstellen, wie es sich gehört!
    “Ehrbarer Mann, das ich nicht lache! Na, war er schon zwischen deinen Schenkeln, der ehrbare Mann?“
    Nein, nein, natürlich nicht. Großvater, bitte, hör doch zu.“ Seine Schläge wurden genauer, wenn Penelope sprach, und sie musste aufpassen.
    “Ach, hören tu ich auch schon schlecht? Du Hure, bleib stehen, ich schlag dich tot!“
    Penelope wich seinen Schlägen aus. Er schlug immer wilder um sich, und schließlich kamen seine Schläge gefährlich nahe an Harmonia, die auf ihrem Schränkchen stand. „Großvater, vorsicht!
    Die Gefahr und den Schmerz vergessend hechtete sich Penelope genau zwischen den Schlag und die Kithara. Sie schrie auf, als das Leder ihren Rücken traf, aber hielt die Kithara dabei ganz vorsichtig. Sie ging in die Knie, und ein weiterer Schlag traf ihren Rücken, der sie laut aufheulen ließ. Penelope barg Harmonia sicher an ihrer Brust, während sie vor dem Großvater davonkrabbelte. Schließlich hatte sie die Treppe nach oben erreicht und flüchtete sich dort hinauf, in ihr Zimmer. Philolaos traf ihre Unterschenkel noch einmal mit dem Gürtel und schrie ihr wüste Beschimpfungen und Todesdrohungen hinterher.
    Oben angekommen verriegelte Penelope ihre Schlafzimmertür und schob zur Sicherheit noch ihre Kleidertruhe vor die Tür. Ihr Rücken brannte wie Feuer und sie heulte vor Schmerzen, als sie sich aufs Bett sinken ließ, die Kithara immer noch wie ein Kind haltend. Sie legte sich seitlich hin und heulte und weinte und hatte Angst.


    Aber ihr Großvater kam nicht. Mehrere Stunden lang war nichts zu hören, erst spät in der Nacht kam er zu ihrer Türe.
    ”Penelope? Penelope, bist du da?” Seine Stimme war ganz sanft, ganz leise.
    Penelope lag nur apatisch auf dem Bett und rührte sich nicht. Sie wollte nicht mit ihm reden.
    “Penelope, es tut mir leid. Penelope, bist du da? Penelope…”
    Irgendwann war sie dann trotz allem eingeschlafen.

    Sie verstand Anthis wortlose Aufforderung natürlich und schaute zu Timos hinüber. Ein bisschen Angst hatte sie immer noch vor ihm, aber wenn sie ein gutes Verhältnis zu ihm als Schwager haben wollte, musste sie das jetzt überwinden. Sie wechselte noch einmal einen Blick mit Ánthimos, ehe sie sich an den Bruder wandte.
    "Mein Großvater schätzt die alten Traditionen noch sehr hoch. Daher würde er es sicher schätzen, wenn ich ihm ordentlich abgekauft würde, wie es sich gehört. Fremden gegenüber ist er aber sehr misstrauisch."
    Sie wusste nicht, ob sie die anderen Probleme ihres Großvaters Thimótheos gleich so direkt sagen sollte. Aber herausfinden würde er es ohnehin, und vielleicht war nach dem schlechten Start ein bisschen aufrichtige Ehrlichkeit angebracht.
    "Und er hat ein paar Laster, die ihn aufbrausend machen. Wenn er getrunken hat, oder geraucht, ist er… schwierig."

    Als Ánthi so unvermittelt seinen großen Bruder rief, setzte sich Penelope schnell wieder richtig im Bett hin. Sie konnte ja nicht mit Ánthimos im Bett liegen und kuscheln, wenn Thimótheos hereinkam.
    Also saß sie sittsam auf der Bettkante, als wäre nichts gewesen, während Timos das Zimmer betrat. Ein klein wenig unsicher war sie noch immer, aber sie hoffte, dass die Situation vorhin wirklich alles geklärt hatte.

    Penelope überlegte kurz.
    "Am erfreutesten wäre er sicher über einen guten Wein. Das Zeug, das man in Rhakotis kriegt, ist besserer Essig. Aber den würde er dann wahrscheinlich gleich trinken.
    Eine Lyra wäre auch eine Idee, aber manchmal ist er komisch, wenn er ein Instrument in Händen hält. Er spielt immer noch einfach herrlich, aber manchmal ist es, als würde es ihm das Herz brechen, auch nur eine Saite anzuschlagen.
    "
    Wein wäre wahrscheinlich das einfachste, wenn auch vollkommen einfallslos. Penelope kuschelte sich ein wenig enger an Ánthimos.
    "Und wenn ihr soweit kommt, solltest du dir schon mal Gedanken über den Brautpreis machen. Da Großvater ohnehin nicht allein bleiben kann, ist er zwar eher symbolisch, aber… er ist da halt sehr altmodisch. Oder handelt dann dein Bruder das eher aus?"

    Penelope drehte sich und beugte sich über Ánthimos, mit ihren Armen links und rechts von ihm abgestützt. Verliebt lächelte sie ihn an.
    "Wieso lügen? Mir ist es, als kenne ich dich mein ganzes Leben. Als wäre ich gestern erst wirklich geboren worden und wäre nur ein Schatten gewesen, ehe ich dich kennen gelernt habe."
    Sie beugte sich zu ihm herab und küsste ihn ganz sanft. Ihr Körper hätte durchaus auch mehr gewollt, aber mit Anthis Bruder im Nebenzimmer wollte sie lieber erstmal etwas ruhiger bleiben. Also legte sie sich danach neben ihn, ihren Kopf auf seine Schulter.
    "Du solltest ihm dann aber ein Geschenk mitbringen. Großvater ist da sehr altmodisch und meint, eine Braut müsse vernünftig gekauft werden. Ein Geschenk vorab wäre denke ich gut."

    "Natürlich geht er auch mal raus. Aber meistens holt ihn dann einer seiner Freunde ab. Er sieht ja nicht so viel und kann es nicht leiden, wenn man es ihm ansieht, weil er durch die Straßen irrt. In Rhakotis ändern sich einige Ecken ja auch ab und an mal.
    Wenn du ihn erstmal so kennenlernen würdest, wäre er bestimmt erstmal misstrauisch. Wenn er dich mag, wäre es vermutlich dann leichter, um meine Hand anzuhalten, aber er mag keine Fremden. Und er ist sehr verschlagen, nicht so ehrlich und aufrichtig wie du.
    "
    Penelope überlegte, was wohl besser wäre. Es barg natürlich beides ein Risiko. Und Penelope liebte Ánthimos über alles, aber sie bezweifelte, dass er ihrem Großvater glaubhaft weismachen könnte, ihn aus irgendeinem Vorwand kennen lernen zu wollen. Das würde er sicher nach fünf Minuten durchschauen.
    "ich weiß nicht, wie er reagiert, wenn du ihm gleich sagst, dass du um mich anhalten willst, aber ihn sonst kennen zu lernen geht wohl nur bei Wein und Opium."

    Seine Worte und seine Nähe beruhigten Penelope und ließen ihre Sorgen langsam kleiner werden. Vielleicht hatte er ja recht, und sie machte sich nur immer zu viele Gedanken. Nein, bestimmt hatte er sogar recht.
    Penelope lächelte zu ihm hoch und streichelte einmal sanft über sein Gesicht mit ihrem Handrücken.
    "Bestimmt hast du recht. Dann würde ich es ihm aber bald sagen. Also, das heißt, du. Ich glaube, das wäre doch besser, wenn du richtig um mich anhältst.
    Nicht, dass er es noch auf eine ähnliche Weise wie dein Bruder erfährt. Und so hat er vielleicht auch etwas mehr Zeit, sich daran zu gewöhnen, bevor wir wirklich heiraten werden.
    "

    Penelope war in diesem Moment noch erleichterter als vorhin, dass sie aus dem Zimmer war und den Streit der beiden Brüder so zum Schweigen gebracht hatte. Anthi liebte seinen Bruder wirklich sehr, das konnte man sehen. Einen Moment fragte sich Penelope, ob sie wohl noch Halbgeschwister hatte und ob sie wohl auch so für sie fühlen würde, wenn sie sie kannte. Aber vermutlich nicht, bei dem Gedanken an mögliche Kinder ihrer Mutter fühlte sie weder Freude noch Schmerz in sich.
    "Meinst du wirklich, er könnte Großvater dann überzeugen? Er kann wirklich schon sehr stur sein."

    "Es ist nicht Geld, auf das er fixiert ist."
    Eigentlich war Philolaos auf gar nichts fixiert, höchstens darauf, seinen Zorn an allen anderen auszulassen.
    "Er mag Fremde nur nicht besonders, und Überraschungen mag er noch viel weniger. Und ich kann es einfach schlecht einschätzen. Wenn er vernünftig darüber nachdenkt, dann kann er gar nichts gegen unsere Ehe haben. Du kannst für mich sorgen und mich beschützen, du bist Grieche und hast eine gute Bildung. Höchstens die Ephebia könnte er bemängeln. Aber… er ist nicht immer logisch."
    Pelo kuschelte sich noch ein wenig mehr in Anthis Arme.
    "Und nicht, dass er dich noch mit seiner gemeinen Art vergrault. Oder deinen Bruder."

    Grunsätzlich lief Penelope eher vor Problemen weg oder verdrängte sie, als sich ihnen zu stellen. Von daher kannte sie sich selbst gut genug, dass sie das mit ihrem Großvater wohl so lange wie möglich vor sich herschieben würde, wenn sie niemand anstupste und sie in diese Richtung führte. Aber sie dachte auch an Timos, der bestimmt nicht ewig warten würde, während sie beide sich in seiner Wohnung vergnügten, und an Ashur, der bestimmt noch wütend war, und die Menschen bei Kenamons Garküche, die sie und ihren Großvater ja auch großenteils kannten. Irgendeiner von diesen konnte sie bei ihrem Großvater verraten, und dann hätte sie erstmal richtige Probleme.
    "Ich weiß nicht, was meinst du? Wenn wir ihn früher um Erlaubnis fragen, können wir auch früher heiraten. Aber er… weißt du, er ist sehr… schwierig. Aber wenn er es von jemand anderem hört, dann wird er sicher furchtbar böse sein und bestimmt nicht mehr ja sagen."
    Penelope kam etwas näher zu Ánthimos und kuschelte sich in seine Arme. "Weißt du, er kann schon sehr gemein werden. Und wenn ihr euch trefft und er getrunken hat…“"
    Sie ließ den Satz unvollendet. Wenn er ihren Großvater kennen würde, wüsste er, wovon sie sprach.

    Ein bisschen steckte Penelope noch der Schreck und die Angst von eben in den Knochen, aber nach ein paar von Ànthimos’ Küssen konnte auch sie wieder lächeln und sogar lachen. Sie küsste Anthi, der sich immer noch mit ihr drehte und legte danach ihre Stirn sanft auf seine.
    "Ich bin so froh, dass er ja gesagt hat. Ich hatte solche Angst, er könnte es ablehnen.“"
    Aber sie wurde wieder ein bisschen ernster, weil ihr immer noch ihr Großvater im Kopf rumspukte.
    "Aber Anthi? Großvater weiß ja noch gar nichts von uns. Und mit deinem Bruder, was meinst du, wann will er ihn kennen lernen?"
    Pelo hatte schon ein richtig schlechtes Gewissen, Anthis Freude so zu trüben, aber das lag ihr gerade schwer auf der Seele, und das wollte sie mit ihm teilen. Sie brauchte seine Meinung dazu.

    Penelope war erleichtert und auf der anderen Seite auch ängstlich. Wenn Thimótheos erst ihren Großvater kennen gelernt hätte, überlegte er sich das ganze vielleicht noch. Philolaos war wirklich ein griesgrämiger, alter Mann und nicht gerade umgänglich, vor allem Fremden gegenüber. Und vor allem: er wusste auch noch gar nichts von ihr und Anthi.
    Als Ánthimos sie hochhob und küsste waren ihre Sorgen aber erstmal für einen Augenblick vergessen. Es war ihr zwar ein wenig peinlich, sich vor Thimótheos so zu küssen, aber Ánthimos war gerade so glücklich, also erwiderte sie seinen Kuss ganz zärtlich.