Am nächsten Morgen war dann auch schon wieder Unterricht und Macer erwartete seine Schüler und begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln.
Als alle eingetroffen waren, konnte er dann auch endlich loslegen.
Salve Discipuli. Nachdem wir uns gestern in die Stoa eingearbeitet haben können wir heute etwas genauer nachforschen.
Beginnen werden wir zunächst mit der Wertelehre, die sich wie gestern erwähnt in der Ethik in der Stoa wiederfindet.
Um die Werte überhaupt begreifen zu können, ist zunächst eine Sicht eines Stoiker von nöten. In der Stoa betrachtet den Begriff des Werts sowohl subjektiv als auch objektiv.
Die subjektive Wertung hängt mit dem impetus, also Trieb, jedes Lebewesens ab. Dieser setzt die Dinge in Beziehung zum eigenen Ich und untersucht, ob sie fördernd oder nicht fördernd sind. Wenn die Vernunft dabei richtig eingesetzt wird und der beherrschende Teil bleibt, nennt man dies den Willen. Im Gegensatz dazu steht der Wahn, der die triebgesteuerte Vernunft beschreibt und zu falschen Handlungen führt.
Die objektive Wertung hingegen wird auf die Natur bezogen. Demnach ist nur das Leben, gemäß der Natur, nützlich und somit ein positiver Wert. Beim Tier kann man sich das mit den Instinkten erklären, bei Neugeborenen ist es das, was sie von Geburt an haben oder allmählich erfassen
Die Stoiker verwenden nun allzu den Begriff des Guten. Das Gute ist nichts anderes als das Nützliche, es ist also im allgemeinen Sinn, das, was nutzen bringt.
Als nächsten Schritt beziehen wir dies nun in die stoische Philosophie und zwar auf den Menschen und definieren das Gute im wahren Sinn, als nur das, was dem Menschen zum Erreichen seines Lebensziels verhilft.
Dabei ist wichtig, dass sich das Gute in der Vernunft, im Logos, abspielt und ist somit nicht auf äußere Güter wie Reichtum oder Macht zu beziehen.
Um den Stellenwert des Guten euch zu verdeutlichen, habe ich ein Zitat von Kleanthes:
"Festgeordnet, gerecht, fromm und gottesfürchtig, voll Selbstbeherrschung, wertvoll, schön und gebührend, streng und eigengesetzlich, immer nützlich, frei von Furcht, Kummer und Schmerz, unerschüttlich, in sich geschlossen, ruhmvoll, ohne Dünkel, sanftmütig und tatkräftig, ein Besitz, der ewig bleibt."
Hier kann man sehr schön erkennen, welch große Beudeutung die Stoiker diesem Begriff zumessen.
Der größte Wert ist die Affektfreiheit durch Apathie, was nichts anderes als der Versuch ist Affekte, welche z.B. Lust, Unlust, Begierde oder Furcht sind, durch Leidenschaftslosigkeit zu beherrschen. Eine Parallele dazu bildet der Wahn, der zumeist aus den oben genannten Affekten besteht und als Gegenteil der gewünschten Affektkontrolle gilt.
Ebenso wichtig sind Selbstgenügsamkeit, auch Autarkie und Unerschütterlichkeit, genannt Ataraxie, die Fähigkeit der emotionalen Gelassenheit bei Schicksalsschlägen und äußere Einwirkungen.
Allerdings ist mit Apathi“ nicht das zurückgezogen Leben oder die politische Inaktivität gemeint, ganz im Gegenteil, viele Stoiker versuchen öffentlich Aufzutreten und politisch aktiv zu sein. Als bestes Beispiel dient hier Lucius Annaeus Seneca, der ja schließlich die gesamte Ämterlaufbahn bewältigen konnte.
In diesen Gedanken spielt natürlich die Gemeinschaft eine wichtige Rolle.
Der Grund für das gemeinschaftliche Denken ist die Ansicht, dass laut der Physik alle von demselben Logos berührt sind und somit alle Menschen, egal ob Griechen oder Barbaren, Bürger oder Sklaven, in einer gewissen Weise gleich sind. Die Abschaffung der Sklaverei spielt in der Stoa trotzdem zwar keine Rolle, sie sind aber in der Tat Kosmopoliten und hatten schon sehr früh die Idee eines Weltstaates.
In der Gemeinschaft war auch die Freundschaft mit guten Menschen mit einbezogen. Allerdings sind Freunde auf dem Weg zur Weisheit lediglich Begleiter und können nicht alleine zum Erreichen verhelfen.
Neben den Werten sind auch die sogenannten Kardinaltugenden Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung und Gerechtigkeit wichtig. Dieser Kanon ist allerdings nur von der älteren Philosophieschule des Platons übernommen.
Chrysipp unterteilte diese vier Tugenden auf peinlichste genau:
So zählte zur Weisheit z.B. die Wohlüberlegtheit und die Zielstrebigkeit, zur Selbstbeherrschung z.B. der Ordnungssinn und der Anstand, zur Tapferkeit z.B. die Enthaltsamkeit, die Zuversichtlichkeit und der Mut und zur Gerechtigkeit z.B. die Wohltätigkeit, der Gemeinsinn und die Frömmigkeit.
Dies ist das wichtigste über die Werte in der Stoa. Nach einer Pause kümmern wir uns dann um die Idealvorstellung dieser Philosophie.