Beiträge von Aedituus

    | Pedarius Globulus


    Der Aedituus lächelte wissend. Viele Frauen kamen natürlich zu Iuno, um die Göttin um ihren Segen für eine Gravidität zu bitten, und aus Erfahrung wusste Pedarius, dass dies überaus erfolgversprechend war - zumindest kamen die wenigsten Frauen mehr als ein paar mal, viele sogar nur zweimalig und beim zweiten Male schon, um für eine Empfängnis zu danken. "Dann werde ich das bei der Weihung berücksichtigen. So müsst ihr mir nur noch eure Namen nennen, dass die Göttin auch weiß, wem sie ihre Gunst zuteil werden lassen soll."
    In manchen Kulturen war es gängig, dass der oder die allwissenden Götter wussten, wer sie bat, wiewohl manche gar in der Bittenden Köpfe blicken konnten, doch die römische Sichtweise war diesbezüglich eine überaus pragmatische - auch ein einflussreicher Patron konnte sich nicht die Namen all seiner Klienten merken, so dass man kaum wohl von den Göttern konnte erwarten, alle Menschen zu kennen, weshalb die Nennung des eigenen Namens in einem Opfer nahezu obligat war - obgleich es selbstredend auch hiervon stets Ausnahmen gab, die der Götter Gunst dennoch erwirkt hatten.



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    | Pedarius Globulus


    "Ganz wie ihr wünscht. Gibt es denn ein besonderes Anliegen, dass diesem Opfer zu Grunde liegt? Welches Erwähnung finden soll?" fragte der Aedituus, denn die Erwähnung der Gnade der Göttin, lies ihn dies annehmen. Es war auch nicht ungewöhnlich, aber letztlich spielte es keine Rolle. Nicht immer wollten die besser gestellten Damen darüber reden, was er in manchen Fall auch durchaus verstehen konnte.
    Als sich ihm dann ein Popa näherte, wandte sich der Aedituus einen Moment von den beiden Patrizierinnen ab, um dem Opferdiener gleich Anweisungen für Opfer zu erteilen. "Bereitet am Opferstein alles für das Opfer vor und entzündet auch das Feuer." sagte der Aedituus und schickte den Popa gleich weiter. Dann wandte er sich wieder den beiden Damen zu.



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    | Lucius Verginius Esquilinus


    Der ianitor betrachtete die Wachstafel, die man ihm gegeben hatte. Iulius Centho, doch, der Name war tatsächlich dort vermerkt. Sein Gesicht erschien wieder im Türspalt, der sich augenblicklich etwas vergrößerte. "Das stimmt, dann soll er eintreten. Ich werde den Hausherrn gleich informieren. Wartet solange im atrium."


    Es dauerte nicht lang, da erschien Verginius Esquilinus, um Iuliua Centho zu empfangen. Senator Aelius hatte ihm nicht mitgeteilt, worum es ging, also war der Verginier durchaus neugierig. "Salve, Iulius. Sei willkommen in meinem bescheidenen Heim. Ich muss schon sagen, ich bin überaus gespannt, was dich hierher führt." Esquilinus deutete einladend auf die Liegengruppe und nahm Platz.




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    Ein Sklave des Lucius Verginius Esquilinus


    Ein junger Mann mit grimmigem Gesicht öffnete bereits beim zweiten Klopfen und spähte hinaus. "Ja? Was gibt es?" verlangte er zu erfahren. Nicht einen Deut würde er die Tür sonst weiter öffnen. Misstrauisch spähte er dem Besucher entgegen.



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    | Pedarius Globulus


    "Gut, gut", winkte der Aedituus sogleich ab, als der Sklave Anstalten machte, mit der Ziege den Tempel zu betreten, und scheuchte ihn zurück zur Treppe. "Links um die Ecke sind zwei Türen im Tempelpodest eingelassen. Klopfe an die erste, man wird dir helfen, die Ziege für das Opfer herzurichten. Danach warte am Opferstein auf deine Herrinnen!" Um seine Worte zu verdeutlichen - schlussendlich konnte man nie wissen, ob ein Sklave links und rechts verstand, wiewohl Links und Rechts von vorne oder hinten betrachtet sich vice versa darboten - zeigte er durch die Tür einmal nach links und sodann gerade die Treppe hinab zu dem Altarstein, an welchem die blutigen Opfer vollzogen wurden.


    Hernach wandte Pedarius Globulus seine Aufmerksamkeit gänzlich zurück zu Flavia und Tiberia. "Wer von euch wird als Opferherrin fungieren? Oder wäre euch lieber, wenn ich die symbolische Weihung in eurem Namen durchführe?" Der Aedituus hatte des öfteren bereits erlebt, dass gerade die Damen aus bessergestellten Häusern bei blutigen Opfern oftmals ein wenig unsicher waren, denn obgleich die Pietas in ihren Kreisen überaus ernst genommen wurde, fielen solcherlei Aufgaben zumeist ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern zu, während Bürgerinnen aus einfacheren Kreisen öfter gezwungen waren, das Opfermesser selbst in die Hand zu nehmen.



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    | Pedarius Globulus


    Hätte der Aedituus bereits nach der Frage der ersten Dame deren Begehr nicht ablehnen können, so war es endgültig um jeglichen Widerwillen geschehen, als auch die zweite noch ihre Bitte anfügte. Beiden war anzusehen, dass sie aus gutem Hause stammten - ihr Antlitz war makellos, ihr Haar glänzte samtigweich und ihre Hände zeigten keinerlei Spur von Arbeit -, und während manche seiner Kollegen die vornehmen Damen ob ihrer bisweilen exzessiv zur Schau gestellten Arroganz nicht mochten leiden, so blieb Pedarius stets unbeeindruckt von jeglichen Marotten, weidete sich hingegen mit größtem Vergnügen an den entzückenden Aussichten.
    "Salvete, die Damen!" grüßte er mit einem erfreuten, allfällig ein wenig zu unterwürfigen Lächeln und fügte noch eine schmale Verbeugung mit an. Pedarius Globulus war nicht unbedingt ein unansehnlicher Mann, gleichsam indes auch nicht allzu attraktiv, ein eher kantiger Mensch mit blassen braunen Augen, einer etwas schiefen Nase, schmalen Lippen und einem fliehenden Kinn, das blasse Gesicht gesäumt von fransigen, schwarzen Haaren, welche an einigen Stellen schon weit ins Grau hin übergingen.
    "Selbstverständlich werde ich euch unterstützten, dies ist meine Aufgabe." Zumindest war es eine seiner Aufgaben.
    "Möchtet ihr der göttlichen Iuno ein blutiges Opfer darbringen?" Er versuchte zwischen den beiden Patrizierinnen hindurch zu blicken und ein potentielles Opfertier vor dem Tempel zu erblicken, stand jedoch in einem Winkel, welcher dies gänzlich unmöglich machte.



    M.F.G.

    | Pedarius Globulus


    Obgleich es zahllose Sklaven im Dienste des Cultus Deorum gab, welche des Nächtens, wenn die Tempel geschlossen waren, dafür Sorge trugen, dass die göttlichen Heimstätten stets sauber und gepflegt waren, so kümmerte sich der Aedituus Pedarius Globulus um die Statue der Iuno Sospita doch stets selbst, denn auch wenn manche Sklaven die römischen Götter verehrten, so behagte Pedarius der Gedanke nicht, dass sie Hand an die Göttin legten - schlussendlich war dies beinahe so würdelos als würde ein findiger Geist eine Apparatur erfinden, welche die Reinigung auf mechanische Weise vollzog oder gar, als würde ein Tier dies ausführen. So rieb er mit einem samtigweichen, mit Olivenöl getränkten Tuch über die marmornen Zehen der lieblichen Iuno, als von der Türe her sich Tempelbesucher ankündigten. Eilig verbarg er das Tuch in einer Falte seines Gewandes, trat leise durch die Cella hindurch und postierte sich unauffällig, aber doch sichtbar neben dem Wasserbecken an der Türe - fast in Manier eines Sklaven, welcher zwar verfügbar war, so man seines Dienstes bedurfte, indes nicht störte, so dies nicht der Fall war.



    M.F.G.

    Servius Egilius Damio


    Anscheinend hatte er den jüngeren der beiden Männer für den Moment Mundtot gemacht. Umso besser. Es war ja nicht das erste Mal, dass er sich gegenüber niederen beamten rechtfertigen musste. Außerdem war er das jüngste Kind eines niederen Beamten, seine Brüder hatten immer auf ihm herum gehackt und er hatte lernen müssen sich durchzusetzen. Auch gegenüber aufstrebenden Politikern. Germanicus Aculeo, wie er dann vorgestellt wurde, sollte sich lieber um seine eigenen Belange kümmern, als die Nase in den Cultus Deorum zu stecken, von dem er anscheinend keine Ahnung hatte.
    Von Germanicus Sedulus hatte er schon gehört, ein Senator und einflussreicher Mann. Der Tempel war ja von einem Germanicer mit gestiftet worden. „Es ist mir eine Ehre dich kennen zu lernen, Senator!“ erklärte er und überging Aculeo völlig. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn der jüngere Germanicus sich für seine Worte selbst entschuldigt hätte. Doch damit nicht hier an Ort und Stelle weiterer Ärger aufkam, nahm er die Entschuldigung mit einem leichten Kopfnicken an. „Ich kann durchaus verstehen, dass man sich Sorgen um eines der Wahrzeichen der Stadt macht!“ meinte er dann besänftigend. Auch wenn ihm ein Aber, auf der Zunge lag. Diplomatie war dann doch eben alles.


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    Servius Egilius Damio


    Verunsichert war er nicht, da musste schon mehr kommen wie so ein kleiner Emporkömmling, der glaubte auf seine Kosten die Karriereleiter aufzusteigen. Nachlässigkeit ließ er sich jedenfalls nicht vorwerfen, auch nicht dass er Merkur durch sein handeln verärgern würde. „Ich kenne diesen Tempel besser wie die Straßen von Ostia. Und was den Glanz angeht, so braucht dies nicht deine Sorge sein, alle drei Monate kümmert sich jemand um die kleinen Makel, die durch das Wetter verursacht werden. Einmal im Jahr überprüft ein Architekt die Statik und nicht nur von diesem Tempel, sondern von allen!“ erklärte er dann und machte eine ausholende Geste um ganz ostia einzuschließen. „Der Cultus Deorum weiß um seine Pflichten!“ Das Lächeln war verschwunden und durch eine ernste Miene ersetzt worden. Ganz nebenbei schob er die Hände in seine Ärmel, verschränkte die Arme und betrachtete die beiden Männer vor ihm. Vorgestellt hatten sie sich noch nicht. Er verkniff sich einen bissigen Kommentar über die Opfermoral der Bürger. Und auf den leise gemurmelten Kommentar ging er nicht ein. Wenn der junge Mann ein Opfer bringen wollte, dann sollte er sich angemessen an ihn wenden.


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    Zum zweitem Mal erschallte das “Litatio!“ über das Atrium. Verus wirkte sehr zufrieden, aber auch erschöpft. Der Durmier war halt auch kein junger Mann mehr, und dieses Opfer war schon eine erstaunliche Leistung gewesen! Er nickte den Popae zu, sie sollen das Fleisch einbehalten und nach ihrem Belieben austeilen. Was sie nun machten, ging dem Alten nichts mehr an. Teile der Tiere, die den Göttern zustanden, würden verbrannt werden, bei den restlichen Fleischstücken würde der Victimarius die Profanatio vollziehen. Nicht mehr sein Problem.
    Er wandte sich lieber an Calvena und Serrana. “Ach, Kinder, ich bin so glücklich für euch.“ Er lächelte. “Iuno ist euch hold. Eure Ehe wird glücklich, lang und zufrieden sein. Bei den Göttern... bin ich müde.“ Er lachte leise, selbstironisch, und ließ sich dann auf einer Bank nieder. Sicher würden die beiden wissen, dass er seinen Ruhestand nicht mehr verlassen hätte, wenn es nicht sie gewesen werden. Und dass er auch kein Trinkgeld verlangen würde, gleichsam aber auch nicht nein sagen würde.


    AFP

    Servius Egilius Damio


    „Schäden am Tempel?“ wiederholte Servius etwas verdutzt. Ihm waren keine großen Mängel aufgefallen, oder gar schwerwiegende Schäden. Er war zwar nun kein Architekt, aber er hätte es doch wohl mitbekommen, wenn irgendwo ein Ziegel fehlte oder der weiße Marmor einen Makel hatte.
    Ganz langsam schüttelte der Priester den Kopf.
    „Bis auf einige kleine Risse, hat der Tempel keinerlei Schäden. Das hätten man mir mitgeteilt“, meinte er ernst und warf dem Bauwerk hinter sich einen eindringlichen Blick zu. Nicht das ihm am Ende der Tempel über dem Kopf zusammen brach. Das wäre ein ziemlich schnelles Ende einer viel versprechenden Karriere. „Ich sollte mich wohl vorstellen. Ich bin Servius Egilius Damio, Aedituus des Merkurtempel,“ erklärte er gelassen. „Es wäre wohl auch fatal, wenn ein solches Bauwerk nach einem Jahr bereits ausgebessert werden müsste“, fügte er hinzu.


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    Servius Egilius Damio


    Am liebsten hätte er sich ja gegen eine Säule gelehnt und einmal herzhaft gegähnt, sein Nickerchen war doch etwas zu kurz gewesen. Er hatte von einer der jungen Mädchen geträumt die ab und an Merkur ein Opfer brachten. Hübsches Ding, dass so einige Männerträume anregte.
    Aber was wollte man schon machen, wenn die Pflicht rief und wie es schien, war es eine gute Entscheidung gewesen, denn die beiden Männer die sich dem Tempel näherten musterten das Bauwerk aufmerksam.


    „Salve“, grüßte er schließlich Beide mit einem leichten Kopfnicken. „Kann ich euch weiter helfen?“ fragte er direkt. Wer wusste schon, was der Tag bringen würde.


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    Verus atmete aus, als er sah, dass die Leber in Ordnung war und sonst auch alles gut schien. Nichts schien dafür zu sprechen, dass die Göttin das Opfer abgelehnt hatte.
    “Litatio!“
    Verus freute sich für Calvena und lächelte ihr zu. Er ließ sich von einem seiner Gehilfen wieder das mallum latum geben, mit dem er sich wieder abwischte, und tat dann einen Ausfallschritt nach links, so gut es eben mit seinen alten Beinen ging. Dann trat er auf das andere Lamm zu.
    “Iuno Pronuba! Wenn es recht ist, dir zu opfern, dann sei dir dieses Lamm geweiht, weiblich und weiß, wie es dir gebührt!“ Wieder die rituelle Reinigung, wieder der Griff zum Mallum latum, an dem er sich abwischte. Einer der Popae beugte sich wieder hinunter und salbte das Tier mit mola salsa ein. Der Victimarius gab Verus das Messer, sodass er es von hinten nach vorne ziehen konnte, und es wieder dem Manne zurückgab.
    Er begab sich in Betposition. “Iuno Pronuba! Du, die die Ehen segnest, und schon viele Ehen gesegnet hast! Ich, Durmius Verus, rufe dich an! Ich opfere dir zu Ehren dieses Lamm. Dafür bitte ich dich: halte deine Hände über die Ehe des Quintus Germanicus Sedulus und der Iunia Serrana! Lass die Ehe fruchtbar sein zu deinem größeren Ruhm und den Roms!“ Er drehte sich wieder einmal nach rechts, vollzog aus einem ihm hingehaltenen Weinbecher ein kleines obligates Trankopfer, und entfernte sich einen Schritt vom Lamm.
    “Agone?“, fragte der Victimarius wieder.
    ”Age!”
    Wieder rann das Blut, als der Victimarius pflichtschuldigst agierte. Das Blut rann, und wieder fing ein Popa es auf. Wieder kniete der Victimarius sich nieder und entnahm die Eingeweide, platzierte sie auf einem Silbertablett und übergab es Verus, der sich darüberbeugte.


    AFP

    Servius Egilius Damio


    Es war einer dieser ruhigen Tage, an denen nur die Priester des Tempels Merkur ein Opfer brachten und anschließend darum bemühten, dem Bauwerk seinen Glanz zu erhalten. Schließlich war dieser Tempel der Stolz der Stadt, vor einem Jahr war er erbaut worden und dann mit viel Pomp eingeweiht. Aber Servius war erst seit einigen Monaten der Tempelvorsteher. Ein wenig jung war, mit gerade dreiundzwanzig Jahren, aber dafür legte er eine Leidenschaft an den Tag, die manch älteren Mitgliedern des Cultus Deorum bereits abhanden gekommen war. Doch in wenig langweilig war es schon, denn immer weniger Menschen schienen sich an die Götter wenden zu wollen und sich stattdessen mit den alltäglichen Geschäften zu beschäftigen. So kam es häufig vor, dass sich der junge Mann irgendwo ein stilles Eckchen suchte und döste. Nur würde er selbst nie zugeben und nannte es Zwiesprache mit den Göttern.
    Einer der Ministri fegte gerade die Stufen des Tempels, als er die zwei Männer erblickte die sich gerade Wegs zu dem Tempel bewegten. Noch ehe diese sich ihm nähern konnten, war der Knabe schon davon geflitzt und weckte den Aedituus aus seiner Meditation. Etwas verlegen schreckte er hoch und trat dann, ein gähnen unterdrückend, auf den Tempelvorplatz und sah den Männern mit gelassener Miene entgegen.


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    Als Durmius Verus sah, wie sehr sich die vier über Longinus‘ Aussage freuten, musste er sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass er hie und da schon seine Arbeit vermisste. Natürlich genoss er seinen Ruhestand, soch er erinnerte sich mit großer Andacht an seine Arbeit zurück. Er hatte sie wirklich gerne gemacht, und sorgfältig. Ein wenig Wehmut verspürte er darüber, dass er es nie geschafft hatte, Pontifex Minor zu werden. Doch man konnte nicht alles haben, und er war noch nie sonderlich ambitioniert gewesen. Der Dienst an den Göttern war immer das gewesen, was ihm am meisten Freude bereitet hatte.
    Und aus diesem Grund war er nun hier, um die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen – nur wegen Calvena und Serrana, die ihm seine letzten beiden Schülerinnen, und in vielerlei Hinsicht die liebsten von allen gewesen waren.
    Er würde diese Opfer an Iuno gründlich machen. Natürlich würden es zwei sein, schließlich ging es hierbei ja um zwei Hochzeiten. Was natürlich außergewöhnlich war, aber gut, er wollte keine Fragen der Tradition aufwerfen, er war ja erstens kein Priester mehr, der über den Pax Deorum zu wachen hatte, und zweitens mochte er Serrana und Calvena zu gerne, als dass er etwas gesagt hätte. Sie selber hatten vermutlich schon genug deswegen an den Kopf geworfen bekommen. Er brummte, als er sich vergewissert hatte, dass alles bereit war, und warf sich einen Togazipfel übers bärtige Haupt.
    “Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es“, intonierte er leise, als er sich aus einem rituellen Waschbecken, welches die Bediensteten der Casa ihm zur Verfügung gestellt hatten, heraus rituell wusch.
    Anschließend wandte er sich der Statue der Iuno zu, welche knapp daneben stand. Es war eine schöne und doch kompakte Statue, die das Triclinium zierte. Noch an diesem Tag mussten ein paar Sklaven, wohl unter der Anweisung der ansässigen Familie, diese Statue hierher geschleppt haben. Woher, das entzog sich den Kenntnissen des alten Durmiers, doch er wusste, dass man Götterstatuen in dieser Stadt immer wieder sehr gut habhaft werden konnte. Er mochte das Gesicht, welches die Bildhauer der Iuno verliehen hatten – weise, mütterlich, hübsch. Der Größten aller Göttinnen durchaus würdig.
    Schon bevor Verus eingetroffen war, hatten die Sklaven der Casa Iunia Opfergaben bereit gelegt. Verus wusste zudem zwei Lämmer im Atrium stehen, eines für die quintilisch-germanicische Hochzeit, eines für die iunisch-germanicische.
    Die Opfergaben zu Füßen, sich von den Gästen umringt wissend, nahm er noch weiteres Weihrauch und warf es in die Glut, somit dampfenden und ichten Rauch verursachend.
    Verus streckte sich durch, sowie dies seinem alten Körper noch möglich war, und erhob seine Hände.
    “Ehrwürdige Mutter Iuno, nimm die Opfer an, die ich dir darbringe. Möge dir dieser Wein gefallen. Möge dir dieses Obst, diese Kekse, diese Blumen gefallen. Mögen dir die Statuetten gefallen. Sie seien die Deinen.“
    Er bückte sich und platzierte die Göttergaben vorne, vor der Statue der Iuno, in der Reihenfolge, wie er sie aufgezählt hatte. Dann wandte er sich nach rechts.
    Der alte Durmier nickte seinen Leuten zu. Es waren vier Popae, ein Victimarius, und zwei Flötenspieler, die gerne auf diese Hochzeit gekommen waren, mit der Auflage, dass sie etwas vom Festessen mitschnabulieren konnten, zumindest vom schmackhaften Fleisch der Lämmer, dessen man als schlecht verdienender Priestergehilfe ja nur selten habhaft wurde.
    Eine kleine symbolische Prozession begann vom Triclinium ins Atrium. Verus war sich sicher, die Leute hier wussten genug von der Religio Romana, dass sie sich anschließen würden. Die Flötenspieler begannen zu dudeln, die Popae reihten sich würdevoll um den alten Priester auf, der Victimarius schritt voraus.
    Im Atrium angekommen – es waren ja nur ein paar Schritte – rief einer der Popae “Favete linguis!“ Die Flötenspieler wurden lauter und energischer.
    Die Popae bildeten eine Art Spalier für den alten Durmier, der zwischen sie durchschritt und sich vorm aufgebauten Altar mit den zwei Lämmern hinstellte.
    Er hatte vorher eine Münze geworfen, um zu entscheiden, für wen er zuerst opfern würde. Kopf war Calvena, Zahl war Serrana. Es war Kopf geworden. Also würde Calvena zuerst drankommen.
    Er wischte sich zuerst noch die Hände mit dem mallum latum ab, bevor er es an den Popa, der es ihm ausgehändigt hatte, zurückgab. Dann erhob er die Hände. “Iuno Pronuba! Wenn es recht ist, dir zu opfern, dann sei dir dieses Lamm geweiht, weiblich und weiß, wie es dir gebührt!“ Dann wurde ihm wieder eine Schüssel voller Wasser gereicht, an der er seine Hände abwischte und sie hernach mit dem Mallum Latum abtrocknete. Einer der Popae beugte sich hinunter und salbte das Tier mit mola salsa ein. Der Victimarius gab Verus das Messer, sodass er es von hinten nach vorne ziehen konnte, und es wieder dem Manne zurückgab.
    Wieder erhob er die Hände. “Iuno Pronuba! Du, die die Ehen segnest, und schon viele Ehen gesegnet hast! Ich, Durmius Verus, rufe dich an! Ich opfere dir zu Ehren dieses Lamm. Dafür bitte ich dich: halte deine Hände über die Ehe des Lucius Quintilius Valerian und der Germanica Calvena! Lass die Ehe fruchtbar sein zu deinem größeren Ruhm und den Roms!“ Er schnaubte aus, drehte sich nach rechts, erbrachte noch schnell ein kleines Trankopfer aus einem kleinen verzierten Becher, den ihm ein Popa hinhielt, und trat dann einen Schritt zurück. Er wollte ja nicht mit Opferblut beplitschelt werden.
    “Agone?“, fragte der Victimarius.
    ”Age!”
    Der Victimarius fuhr mit seiner Klinge in den Hals des Lämmchens. Einer der Popae fing das Blut auf, und der Victimarius schnitt den Bauch des Opfertieres auf. Er trennte die Eingeweide fachmännisch heraus und legte sie auf ein silbernes Tablett. Er hob es hoch und übergab es Verus. Dieser überprüfte es kritisch. Was würde er sehen?


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    Verus strahlte noch ein bisschen mehr als vorher. “Dann bin ich ja beruhigt, Calvena, dann bin ich ja beruhigt! Und trotzdem ist das Haus schon voll... wie soll es da noch mehr Leute aufnehmen?“ Er war durchaus erstaunt, es war eine riesige Hochzeit. So etwas sah man selten – aber nun ja, es war eine Doppelhochzeit, wiewohl er dieses Wort vor ein paar Tagen zur Einladung das erste Mal gehört hatte. Longinus lächelte nur und nickte wieder, der Vestricier war schweigsam wie immer.
    Der Durmier wunderte sich ein wenig, dass Serrana ihn überhaupt nicht grüßte, sondern sich sofort daran machte, ihm ihren Zukünftigen vorzustellen. Nun, das war sicherlich die Aufgeregtheit. Wenn er daran zurückdachte, wie er damals geheiratet hatte... das war ja fürchterlich gewesen, wie er sich da angestellt hatte.
    “Es ist mir eine große Freude, Senator! Du bist daran, eine wundervolle Frau zu heiraten.“ Natürlich war sie noch ein Mädchen, keine Frau, aber jenes Wort ließ Verus geschickt weg. Er musste lachen, als Serrana meinte, sie hätte noch gerne länger bei ihm gelernt. “Ich hätte euch gerne noch länger unterrichtet! Aber, es ist leider so, es gab nichts mehr zum Unterrichten. Ich habe mein ganzes Wissen weitergegeben, und hoffe, ihr könnt nun darauf aufbauen.“ So wie Serrana Sedulus anschaute, schien sie tatsächlich enorm in ihn vernarrt zu sein. Was tuschelten die da? Na ja, nicht sein Gulasch.
    Calvena war nun kurz verschwunden, hatte offenbar ihren Verlobten geholt. Verus grinste wieder, als er ihn sah. “Salve, Centurio Quintilius!“ Longinus fühlte sich plötzlich wieder ins Geschehen hineingezogen. “Salve, Quintilius! Meinen Glückwunsch!“ Er lächelte schüchtern.
    “Hehe!“ Verus machte einen sehr glücklichen Eindruck. “So! Sind wir jetzt alle da? Alle bereit? Dann sollte jetzt die Leberschau kommen! Es soll unser junge Freund einmal zeigen, was er kann!“ Marcus Vestricius Longinus, der Angesprochene, nickte knapp, holte tief Luft, bedeutete den Umherstehenden, einen gewissen Abstand um ihn zu halten, und stellte sich dann in einen gewissen Winkel zur Hauswand hin.


    Dies war nun, hier im Triclinium, Longinus‘ große Stunde... nun ja, seine großen 5 Minuten heute. Das Lamm, noch immer bewusstlos, nahm er von einem der Popae an und wandte dann seine Hände nach oben, zum Gebet. Natürlich war dies kein Opfer, aber er hatte noch einige Opfer bei den Göttern gut.
    “Apollo, Herr von Delphi, Phoebus, Aplu! Viele Opfer habe ich dir gebracht. Schenke mir die Fähigkeit, in der Leber zu sehen, was das Schicksal der Ehen, die heute geschlossen werden, in sich birgt. Lass mich durch die Leber dieses Lammes hier das Schicksal von den Bünden des Quintus Germanicus Sedulus und der Iunia Serrana sowie des Lucius Quintilius Valerian wie auch der Germanica Calvena sehen! Do ut des.“ Er wandte sich nach rechts und hob dann das Lamm hoch, platzierte es sachte auf einem Schemel vor ihm.
    Dann griff er unverwandt nach dem Opfermesser und schlitzte dem Lamm behände die Kehle durch. Ein Popa schoss mit einem Becher hoch, um den Blutstrahl einzufangen. Der Vestricier hingegen zögerte nicht länger und schnitt den Bauch des Lammes auf. Mit geübten Handgriff holte er die Leber heraus, platzierte sie in seiner linken Hand und fing an, sie mit seiner Rechten zu inspizieren.
    Langsam wanderte der Zeigefinger seiner rechten Hand am Rand der Leber entlang. Hie und da murmelte er etwas auf etruskisch vor sich hin, dann und wann nickte er, dann und wann beäugte er kritisch. Sein Finger umrundete die Leber und fing dann an, sich gen Mitte hinzubewegen. Mal machte er Schlangenlinien, mal Kreise mit seinen Fingern, und landete zuletzt auf der Gallenblase, bei der er mit dem Finger vorsichtig hinunterfuhr.
    Dann blickte er auf, und verkündete mit sanfter Stimme, an die beiden Paare gewandt: “Die Stellen, die Fufluns auf der diesseitigen Seite der Leber gewidmet sind, haben einen goldenen Schimmer. Dies bezeugt, dass er euch hold ist, und eure Ehe von Wachstum, Glück und Gesundheit geprägt sein wird. Ebenso ist euch Lasa wohl gesonnen, die Göttin der Liebe. Das Tul euch gut gegenüber steht, wird wohl bedeuten, dass in eurem Landbesitz Frieden herrschen wird. Velchans zudem bezeugt, dass eure Ehe schaffensfroh wird. Doch nehmt euch vor den Thufltha, den Furien, in acht. Allerdings kann ich keine Gefahren ablesen.“ Er verzog seinen Mund zu einem schmalen, netten Lächeln. “Ich muss sagen, so gute Vorzeichen habe ich schon seit einiger Zeit auf keiner Hochzeit mehr gesehen. Keine Ablehnung ist zu sehen, die Götter sprechen beiden Ehen zu und segnen sie.“ Er nickte den Paaren zu. “Ihr entschuldigt mich aber bitte, ich muss nun meine Hände waschen.“ Er lächelte abermals und drehte sich um, um dies auch zu tun. Die Leberschau war vorbei – nun aber endlich konnte das schon von allen 4 zu Trauenden heiß ersehnte Opfer kommen!


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    Verus betrat die Casa Iunia, und er kam nicht alleine. Neben ihm kam auch ein junger Haruspex rein, ein Mann von noch nicht dreißig Jahren aus Volterrae in Etrurien. In seiner Familie hatte die Haruspizin Tradition, und so war auch er dazu auserkoren worden. Sein Name war Longinus, Marcus Vestricius Longinus. Hinter den beiden folgten 4 Popae, 2 Flötenspieler, und ein Victimarius, der eigentlich der lokale Fleischer von Verus war, aber dann und wann auch außertürliche Arbeiten übernahm. Einer der Popae trug in seinen Armen ein bewusstloses Lamm – wie ausgemacht, würde der Haruspex, den Verus aufgetan hatte, selber sein zu examinierendes Tier mitbringen.
    Verus blickte sich um und schritt, kaum dass er Calvena und Serrana ausfindig gemacht hatte, rasch auf sie zu, Longinus mit sich schleppend.
    “Salvete, Kinder! Es ist so schön, euch wieder zu sehen! Ich muss mich entschuldigen, dass ich nicht eher gekommen bin, das Lamm hat Umstände gemacht.“ Er lachte vor sich hin. “Darf ich vorstellen? Vestricius Longinus, euer Haruspex heute.“ Longinus neigte seinen Kopf leicht und lächelte freundlich. Er hatte ein ebenmäßiges, wirklich zartes Gesicht für einen Mann, man würde ihn für noch jünger einschätzen, als er es war. “Sehr erfreut.“ Der Vestricier hatte eine angenehme, melodiöse Stimme. Sicherlich war er der Schwarm einiger Frauen in seiner Nachbarschaft. Verus grinste. “Nun, Kinder, wann fangen wir an?“ Longinus würde natürlich mit der Leberschau beginnen, erst dann würde das Opfer kommen.


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    | Marcus Menenius Lanatus


    Das nun erfolgende Ritual war wohl das eiligste, das die Stadt Rom kannte: Kaum hatte der Haruspex die Litatio verkündet, zog Lanatus seine Toga etwas hoch und beschleunigte seine Schritte. Halb rennend, aber dennoch auf Würde bedacht, überquerte er das Comitium und trat zurück auf das Forum.


    Für einen alternden Mann war dies eine respektable sportliche Leistung, denn die Tradition wollte es, dass der Opferkönig nicht nur das Comitium, sondern sicherheitshalber auch das ganze Forum verließ. Also rannte er, umgeben und seinen Popae, vorbei an der Rostra, den Statuen und Monumenten direkt auf seine Heimstatt an der Via Sacra zu, wo er in Sicherheit war.


    Man würde ihm wohl einen Teil des Stierfleisches für sein Abendessen bringen - ihm selbst war es jedoch für heute untersagt, sein Haus zu verlassen, um die Römer zu versichern, dass er keinesfalls politische Absichten damit zu verbinden gedachte, dass er auf dem alten Versammlungsplatz ein Opfer darbrachte und es aus diesem Grund betrat.


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    | Marcus Menenius Lanatus


    Der Rex Sacrificulus verfolgte die Vorbereitungen der Helfer schweigend und mit würdevoller Miene. Dann endlich war es so weit:


    "Age!"


    befahl er, womit er seine letzte offizielle Amtshandlung vollführt hatte. Zwar musste er noch warten, was die Haruspices zu seiner Gabe sagten, doch danach war ein hurtiges Verlassen des Platzes angesagt!


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    | Marcus Menenius Lanatus


    Die Prozession kam zum Stehen und auch der Opferkönig nahm wieder seinen Platz ein. Die Weihe des Tieres stand bevor und so ergriff er die dargereichten Mittel, um das Tier zu weihen.


    "Genii Populi Romani: Euer Segen für uns, dieser Stier für Euch!"


    Damit war das Tier geweiht und der eigentliche Opferakt konnte erfolgen. Langsam gab er die Patera zurück in die Hand des Popa, schob die Toga Praetexta, die etwas verrutscht war, zurück und sprach noch einmal ein Opfergebet:


    "Genii Populi Romani, wir bitten Euch um Segen für Euer Volk in Frieden und Krieg!
    Genii Populi Romani, wir bitten Euch um Rat und Leitung für die Versammlungen an diesem Platz!
    Genii Populi Romani, wir bitten Euch um ewigen Sieg in diesem Jahr!"


    Erwartungsvoll blickte Lanatus nun zu den Opfermetzgern, die ihre Ausgangsposition einnahmen.


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