Beiträge von Prudentia Callista

    Als er sich entschuldigte lächelte sie ihm aufmunternd zu, wie hätte er das auch wissen können!? Ihn traf ja keine Schuld, dass sie an ihre Mutter hatte denken müssen, eher hatte sie selbst ihre Reise angesprochen. Wieso sie ihm dann gleich so viel und so detailsreich erklärt hatte wie es zu der Reise von Mantua nach Rom kam, war ihr selbst ein Rätsel. Es war wohl so, dass er als ihr baldiger Ehemann solche Dinge wissen sollte. Und er war nett genug, ehrliche Anteilnahme zu zeigen, was ihm Callista hoch anrechnete, er sah sogar richtig traurig aus. "Mach dir keine Gedanken, sie fehlt mir, das ist alles." beteuerte sie und lächelte schon wieder. Er sollte wegen ihr kein schlechtes Gewissen haben müssen.


    Ja, lukanische Würste. Wer hatte ihr die denn noch mal empfohlen? Callista war der festen Überzeugung, dass jemand bereits von ihnen geschwärmt hatte, aber sie kam einfach nicht drauf, wer es gewesen war. "Man hat mir gesagt, die germanische Küche ist eher fad. Stimmt das? Ich esse eigentlich gerne etwas schärfer." Callista setzte sich und schaute dann zu Marsus, der sofort bestellte. Es war angenehm leer hier und Callista konnte sich gut vorstellen wie voll es hier an einem Wochentag sein musste. Sie freute sich aber, heute um das dichte Gedränge und Geschubse herumzukommen, Menschenmassen lagen ihr einfach nicht.


    Als Marsus dann Vodafonis ansprach, schüttelte diese nur mit dem Kopf. Sie stand halb schräg hinter ihrer Herrin und machte auch keine Anstalten sich zu setzen. Sie hatte schließlich eine Aufgabe und die nahm sie sehr ernst, solche Dinge wie Essen, Schlafen oder Trinken tat man in seiner freien Zeit oder nachts. Ihr grimmiges Gesicht haftete sich einen Moment auf Marsus, dann musterte sie wieder wortlos den Raum. Callista lächelte etwas entschuldigend, ihr war Vodafonis abweisende Art etwas peinlich, da Marsus schon so nett nachgefragt hatte. Aber als Leibsklavin war die Ägypterin nun mal sehr gewissenhaft.

    "Stimmt genau, ich bin in Mantua geboren und aufgewachsen. Mein Vater, Marcus Prudentius Felix, ist mit der Legion nach Mantua gekommen und hat dort meine Mutter kennengelernt. Sie haben dann geheiratet und nach einer Weile kam ich zur Welt, mein Vater starb früh, da war ich gerade fünf. Er war ja schließlich bei der Legion, aber die genauen Umstände seines Todes habe ich nie erfahren. Seitdem lebte ich mit meiner Mutter auf einem Landgut außerhalb von Mantua, gut eine Tagesreise weit weg von der Stadt. Meine Mutter war lange krank und hat arrangiert, dass ich zu Balbus komme, wenn sie stirbt. Es war ... abzusehen ... irgendwann ... dass sie nicht mehr lange leben wird. Sie hatte schon immer eine sehr schwächliche Konstitution."


    Callista schluckte und versuchte ganz heimlich, eine Träne aus ihrem Augenwinkel zu wischen, ganz beiläufig, so dass Marsus es nicht sofort sah. Es fiel ihr sehr schwer von ihrer heiß geliebten Mutter Patuleia Pulchra zu erzählen, deren Tod sie schwer getroffen hatte. Sie hätte vieles aufgegeben um ihre Mutter noch länger um sich gehabt zu haben, aber sie wußte auch, dass es zum Ende hin nur noch eine Qual gewesen war. Sie war sich sicher, dass es ihrer Mutter jetzt besser ging und sie unter den anderen Ahnen ihren angestammten Platz eingenommen hatte. Still hörte Callista zu, was Marsus erzählte und nahm es ihm überhaupt nicht übel. Sie wußte natürlich was eine Markthalel war und wozu man diese nutzte, aber er klang gar nicht so belehrend und altklug wie manche andere in dieser Situation hätten sein können. Als er sie fragte, ob sie hinein gehen wollte, nickte sie.


    "Ja, trinken wir einen Met. Jetzt habe ich schon soviel davon gehört, jetzt will ich es auch testen. Was gibt es denn noch so für Spezialitäten? Germanischen Schinken kenne ich."

    Der Weg bis zum Forum war nicht weit und zwischen den anderen Menschen und einer Horde Kindern vorbeischlängelt, hatten die beiden dieses schnell erreicht. "Ich bin sogar schon zweimal gereist, wenn man es genau nimmt. Von Mantua nach Rom und dann hierhin." Callista folgte Marsus und blieb dann neben ihm stehen, um sich umzublicken. Es sah nicht viel anders aus als in Rom, nur bedeutend kleiner. Und ländlicher. Dennoch war es eindeutig römisch, die meisten sprachen Latein und auch die Kleidung war römisch. Obwohl man, wenn man genau hinsah, auch germanische Details erkannte, ungefähr so wie bei Marsus. Aber anscheinend lebten die meisten gut mit diesem Misch Masch. Ihr Blick streifte ein Gebäude, das recht mittig auf dem Forum zu finden war, es sah aus wie eine große Halle. Jedenfalls nicht wie ein Wohnhaus. "Was ist das da vorne für ein Gebäude? Die große Halle da? Sieht aus wie eine Markthalle." Callista zeigte mit dem Finger welches Gebäude sie meinte und sah dann fragend zu Marsus.

    Mit einem höflichen Lächeln setzte sich Callista in Bewegung und dankte so Marsus, der ihr so nett den Weg wies. Er konnte richtig charmant sein, fand Callista, vor allem, dass er so nervös war, damit punktete er richtig. Sie hatte schon fast nicht mehr das Gefühl, selber so ein stiller Mensch zu sein, weil er es immer wieder schaffte sie zum reden zu bewegen.


    "Wir waren ziemlich genau elf Tage unterwegs, aber es ging schnell um. Auf dem Weg hierhin haben wir einige Kleider genäht, das hat uns beschäftigt gehalten. Außerdem war die Via Mala sehr interessant, warst du einmal dort? Es ist beeindruckend! Die Schlucht ist nur sehr schmal, aber sehr tief und steil und es gibt einen kleinen Eselspfad hindurch, aber dort sind wir nicht lang. Balbus hatte mir einige Klientensöhne mitgegeben, die ebenfalls nach Mogontiacum reisen müssen und dazu noch bewaffnete Leibwächter. Sie meinte, es sei zu gefährlich für uns durch die Schlucht, deswegen sind wir mit dem Wagen außen rum."


    Die Reise hierhin hatte Callista wirklich sehr beeindruckt, viel mehr als die Reise von Mantua nach Rom. Aber damals war sie sowieso mit ihren gedanken bei ihrer kürzlich verstorbenen Mutter gewesen. Ob ihre Mutter Marsus gut geheißen hätte? Ob sie ihn gemocht hätte? Für einen Moment eher traurig und nachdenklich musterte Callista ihn, doch sie war sich nicht sicher. Sie kannte ihn ja nicht und konnte ihn noch kaum einschätzen, wie sollte sie da wissen, was ihre Mutter über ihn gedacht hätte.


    "Kennst du meinen Onkel überhaupt? Verus kennt ihn ja persönlich, das hat Balbus mir erzählt. Er war deswegen sehr froh, dass ich meine Ausbildung hier mache. Bei jemanden, den er kennt und gutheißt."

    Der Aufbruch war kurz und schmerzlos gewesen, denn beide konnten es nicht wirklich erwarten, die Enge der Casa gegen die Enge der Stadt zu tauschen. Denn dann würde man sich nicht einfach nur gegenüber sitzen, sondern konnte laufen, dabei reden und hatte generell etwas zu tun. Was wohl half die Nervösität zu überspielen, jedenfalls bei Callista. Marsus dagegen, wie Callista erst erstaunt, dann belustigt feststellte, war immer noch etwas aufgeregt und war anscheinend mit seinem Latein am Ende. Er stammelte ja sogar! Das war etwas, dass Callista eigentlich nur von sich kannte und ihren Verlobten so verlegen zu sehen, machte sie etwas sicherer. Irgendwie fand sie sowieso, dass sie schon viel selbstsicherer geworden war, aber man selber konnte das ja meistens schlecht erkennen. Vielleicht würden Thalna und Balbus etwas feststellen, wenn sie anreisen würden. Was sie hoffentlich auch tun würden. Da fiel ihr siedend heiß ein, dass sie ganz vergessen hatte, den beiden zu schreiben. Dabei hatte sie es versprochen! Oh nein, das ging doch nicht! Wie konnte sie das nur vergessen haben!? Verzweifelt blickte Callista erst zu Marsus, dann zu Vodafonis und dann wieder zurück.


    Schnell versuchte sie den Schrecken aus ihrem Gesicht zu streichen und atmete einmal durch, sie würde die Briefe direkt heute schreiben. Dann konnte sie ja auch direkt von ihrem Treffen mit Marsus berichten. Das würde auf jeden Fall Thalna sehr interessieren, darüber war sich Callista sicher. Also lächelte sie wieder und vergaß den Schrecken.


    "Ich ... ähm ... also..." Na toll! Jetzt war sie nicht nur nervös, aufgeregt und verlegen, nein sie war auch noch abgelenkt! Was hatte er sie denn gefragt? "Die Tempel kenne ich schon, da war ich einmal und habe mich mit deinem Verwandten Verus getroffen. Ich habe meinen Eid abgelegt und morgen wird er mir die erste Unterrichtsstunde geben." Das war jetzt zwar mehr geraten, aber eine bessere Antwort auf die ungehörte Frage fiel ihr nicht ein. Und sowieso, sie kannte bisher wirklich nur die Tempel und die noch nicht mal besonders gut. Und sie hatte ja keine wirkliche Ahnung, was sie sehen wollte, weil sie gar nicht so die Ahnung hatte, was es zu sehen gab. "Lauf einfach und ich komme mit." sagte sie daher und grinste etwas kindlich, das würde ja ein Spaß werden.

    Callista sah das amüsierte gesicht des braunhaarigen Mannes und dachte wieder einmal darüber nach, ob sie etwas dummes gesagt hatte. Oder war er tatsächlich so ein fröhlicher Mensch? Sie konnte ihn nicht wirklich einschätzen, lachte er nur so, lachte er über sie, amüsierte er sich bloß, fand er sie dümmlich? Woher sollte sie denn wissen, wann er sie aufziehen wollte und wann er etwas ernst meinte? Seine Ironie hatte sie ja vorhin auch nicht verstanden. Die junge Prudentia seufzte und wünschte sich, Verus hätte auch für seinen Vetter eine Schriftrolle fertig gemacht, damit sie ihn besser verstand. In ihrer Ausbildung waren diese Pergamente sehr hilfreich, nur leider schien es kein Handbuch für Menschen zu geben.


    Als sie sah wie enthusiastisch er sich zum Aufbruch bereit machte, schluckte auch Callista ihren restlichen Wein hinunter. Nur zur Sicherheit. Beschwipst war sie nicht, auch wenn sie schon eine gewisse Schwere spürte. Wein, unverdünnten, trank sie so selten, dass sie ihn immer sofort spüren konnte. Da man ihr das aber im Normalfall nciht anmerkte, machte sie sich dazu keine weiteren Gedanken. Auf jeden Fall hatte es geholfen, das erste Eis zu brechen und sie war Carcia dafür sehr dankbar. Vodafonis hatte bereits die Stola von Callista in der Hand, noch bevor diese aufgestanden war und reichte sie der Herrin. Woraufhin diese auch direkt aufstand.


    "Nein, lass uns ruhig gehen. Ich bin schon ziemlich gespannt, wenn ich ehrlich sein soll. Man hat mir gesagt, dass es hier eine Therme, ein Bühnentheater und einen Circus gibt. Wenn du mir einfach die Gebäude zeigst, dann finde ich den Weg beim nächsten Mal vielleicht sogar selber."

    Arbjon, wer war denn Arbjon? Sein Bruder? Aber der hieß doch Eburnus! Verwirrt blickte Callista ihren Verlobten an, der sich selbst korrigierte, aber nicht weiter darauf einging, warum er das getan hatte. Und dann tat er etwas, dass Callista zuerst nicht richtig verstand. Sie hörte seine Worte und begriff ihre Bedeutung, allerdings realisierte sie den ironischen Unterton nicht wirklich. War es wirklich so wichtig Met zu trinken? Sie hoffte sofort, nichts falsches gemacht zu haben und ärgerte sich, dass sie den Sklaven nicht aufgetragen hatte, auch Met zu besorgen. Sie servierte ihm schließlich Wein! Nun ja, Carcia tat dies, aber sie hätte doch daran denken müssen, dass er als Germane wohl viel lieber Met haben wollte! Innerlich sauer auf sich selbst, bekam Callista erst mit, dass er einen Scherz gemacht hatte, als er sie angrinste. Ihr Gesicht wechselte also innerhalb von wenigen Sekunden von erschrocken, zu besorgt, zu verschlossen und verwandelte sich dann in ein fröhliches Gesicht. Marsus grinste sie ja regelrecht an und Callista tat es ihm gleich, erleichtert, einen Bogen um ein Fettmäpfchen gemacht zu haben.


    "Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du mir die Stadt zeigst." Sagte sie sehr höflich und trank noch einen großen Schluck Wein. Das hier lief viel besser, als sie gedacht hatte. Das wissende Lächeln von Carcia im Hintergrund übersah Callista, die dann sowieso nur wieder rot angelaufen wäre.

    "Ich denke es geht ihm gut, ich habe ihn nur einmal getroffen und wir haben uns etwas über Germania und im besonderen über Mogontiacum unterhalten. Mein Onkel, Prudentius Balbus, wollte, dass ich mir selbst schon mal einen kleinen Eindruck verschaffen kann und hatte deswegen Valerian zu uns eingeladen." Erklärte Callista bereitwillig. "Er war sehr zufrieden mit sich und seinem Leben bei den Praetorianern."


    Auch sie trank noch etwas Wein und erzählte dann weiter.


    "Für meine Reise gibt es zwei Gründe, zum einen werde ich hier meine Ausbildung zur Priesterin erhalten und zum anderen soll ich in wenigen Wochen heiraten."


    Heiraten. Heiraten. Heiraten. Einerseits konnte sie es kaum abwarten, andererseits kam es ihr jetzt schon so vor, als gäbe es nur noch dieses eine Thema. Jedenfalls bei den anderen Frauen hier im Haus, deren täglichen Gespräche sich nur noch darum drehten.

    Wirklich nicht schlecht! Das waren seine Worte und Callista erlaubte sich ein kurzes, zufriedenes Lächeln. Hätte sie mehr Zeit gehabt, hätte sie sicherlich mehr Ordnung in ihre Gedanken bringen können, aber wenigstens hatte sie nicht völlig falsch gelegen. Es machte ihr Spaß, so mit Verus zu diskutieren und sie nahm die Schriften dankbar entgegen. Wenn man diskutierte, blieb keine Zeit sich Notizen zu machen und es war sehr weitsichtig von ihm, ihr direkt ein paar Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sie würde sie zu Hause abschreiben und ihm natürlich bei nächster Gelegenheit wiedergeben. Nicht, dass sie seine Manuskripte noch dreckig machte oder schlimmeres. Bei ihrem Talent wäre das nämlich durchaus möglich und sie wollte kein Risiko eingehen.


    "Danke." sagte sie knapp und schaute ihren blonden Lehrer dann an. Würde es heute noch mehr geben? Sie würde es ja irgendwie schade finden, wenn der Unterricht schon beendet war. Sie hatte einiges dazu gelernt, aber sie wollte gerne noch viel, viel mehr wissen.

    "Balbus hätte mich niemals im Winter reisen lassen! Und ich bin ihm dankbar, außerdem konnte man dadurch das eine mit dem anderen verbinden, denn ich soll ja schließlich von deinem Vetter zur Priesterin ausgebildet werden. In Rom hätte es keine Lehrer für mich gegeben, deswegen wurde meine Reise nach Germania geplant." Insgeheim hatte Callista den Verdacht, dass Balbus erst dadurch auf die Idee gekommen war, seine Bande mit den Ducciern zu verstärken und dazu seine Nichte zu verwenden. Aber wenn sie sich Marsus so anschaute, konnte sie ihrem Onkel kaum böse sein. Er sah gut aus und benahm sich höflich, das war ja schon mal was wert. Ihre Mutter hatte mal gesagt; "Was nützt einem das schönste Brot, wenn der Teig versalzen ist?" Und dabei das Thema Männer im Sinn gehabt, obwohl Callista nie verstanden hatte, ob sie damit ihren Vater gemeint hatte. Es galt also nun herauszufinden, welche Art Teig Marsus war. Callista musste über ihre Gedanken schmunzeln. Sie verglich ihren Verlobten doch nicht allen ernstes mit Teig!?


    "Dein Bruder hat..." Nein, das konnte sie eigentlich gar nicht erzählen, was er mit seiner Rüstung und der Toga angestellt hatte. Sie konnte Eburnus doch nicht vor Marsus anschwärzen! Nur, weil sie sich etwas erschrocken hatte, damals, konnte sie das doch nicht rumerzählen! Nachher dachte er noch sie wäre ein Klatschmaul. "... soviel erzähl, vor allem über die Germanen aus germanischer Sicht, dass ich wahrscheinlich schon die Hälfte wieder vergessen hab. Es waren sehr viele Informationen." Gab sie etwas kleinlaut zu. "Aber ein paar Sachen habe ich behalten, zum Beispiel, dass es unhöflich ist, wenn ich mir angebotenen Met nicht wenigstens probiere. Bis jetzt habe ich noch nie Met getrunken und dein Bruder meinte, er kann süß oder auch herb schmecken." Sie dachte noch etwas an das weit zurückliegende Gespräch zurück und versuchte sich die Kleinigkeiten ins Gedächtnis zu rufen, die sie damals als besonders wichtig empfunden hatte. "Er meinte auch, ich soll keinen Germanen beleidigen, aber ich könnte meine Meinung kundtun, wenn ich will. Ich soll Germanen nicht für barbarisch halten und ihnen mit respekt entgegentreten, ja, so hat er das ausgedrückt."


    Sie nippte an ihrem Wein und lächelte Marsus an, ob ihn das wirklich interessierte, was sie hier sagte? Wahrscheinlich wollte er eher nicht wissen, was Eburnus ihr alles erklärt hatte, sondern viel mehr, ob es ihr hier gefiel.


    "Ich selbst habe von Mogontiacum noch nicht viel gesehen, wir sind ja erst vorgestern angereist und waren gestern noch damit beschäftigt alles einzuräumen und die Casa zu erkunden. Ich wollte auch erstmal jeden Menschen, der hier zur Casa gehört, kennenlernen und mir dann erst die Stadt ansehen."

    Der Centurio vor ihr war etwas ungeduldig oder auch nur neugierig und Callista beantwortete gerne seine Fragen. Sie winkte Carcia, die den Beutel öffnete und ihm dann Drusus in die Hände legte, so dass er gleich sah, was in dem Beutel war. 200 Sesterzen, was er ja gerne noch nachzählen konnte, wenn er wollte. Aber erstmal musste Callista erklären warum und woher sie das Geld hatte.


    "Valerian bat mich, dir diese Münzen zu überreichen, da er wußte, ich reise nach Mogontiacum. Er vertraute mir das Geld in seinem Namen an und ich habe ihm zugesichert, es dir persönlich zu überbringen. Bitte entschuldige die Geheimniskrämerei in meiner Nachricht an dich, allerdings wollte ich riskieren, dass falsche Augen lesen, worum es geht."

    Auch Callista hielt sich aus der Politik raus und überlies das lieber den Männern, da Verus aber kein Interesse zu haben schien, verlor sich dieser Gesprächsfaden schnell. Stattdessen stellte er sie vor ein - theoretisches - Problem und sie fing sofort an nachzudenken. Natürlich biss sie sich dabei auf die Unterlippe, eigentlich ein sicheres Erkennungszeichen, dass sie nervös und unsicher war, aber hier eher als grüblerisches Element zu verstehen. Sie dachte über die Situation nach, die Verus mit seinen Worten zeichnete und begann dann mit dem Aspekt, den sie am ehestens begriff.


    "Im Grunde gibt es zwei Punkte, die du beschreibst, es ist Krieg und es geht übers Wasser. Da fallen mir spontan natürlich Mars, die Kriegsgöttin Bellona und Neptunus ein, wobei vor allem Neptunus als rachsüchtig und launisch bekannt ist und er des Öfteren erdbeben schickt um seinen Unwillen zu zeigen. Daher würde ich darauf tippen, dass man ihn erzürnt hat und ihm auch als erstes ein Sühneopfer anbieten. Wobei, wenn Rom im Krieg ist, sollte man auch Mars ein Sühneopfer präsentieren, wenn auch nur zur Sicherheit." Soviel dazu, jetzt musste sie noch einmal nachdenken. Denn Verus hatte drei Fragen gestellt, sie hatte aber mit der letzten angefangen. "Man könnte das Unglück so deuten, dass die Götter gegen den Krieg sind, vielleicht, weil er für Rom schlecht ausgehen könnte. Oder aber sie sind der Meinung, dass man eine andere Taktik anwenden soll." Von Krieg hatte sie keine bis gar keine Ahnung und daher riet sie eher, was die Götter denken könnten. Welcher Sterbliche konnte schon sagen, was die Götter wirklich dachten? Man konnte ihre Zeichen deuten, aber in solcher Klarheit gaben sich Götter nie zu erkennen.

    Wiederum nickte Callista, denn er erzählte ihr da nicht viel neues. Dieses Wissen hatte ihr damals ihre Mutter schon vermittelt, denn sie war eine streng gläubige Frau gewesen und Callista hatte früher sehr viel mit Priestern zu tun gehabt. Natürlich hätte sie nicht gewußt, wie man solche Zeichen deuten sollte, doch sie wußte, dass es diese Zeichen gab und dass er äußerst wichtig war, die Götter zu besänftigen.


    "Vor nicht langer Zeit sind drei Blitze in Rom eingeschlagen, das stand sogar in der Acta Diurna, du hast es bestimmt gelesen. Es gab ein großes, öffentliches Opfer, bei dem auch der Kaiser dabei war, um den Zorn des Summanus zu beschwichtigen. Summanus ist der Gott der nächtlichen Dunkelheit."


    Callista hatte die Geschichte verfolgt, weil es sie interessierte, allerdings nicht allzu genau und konnte Verus daher nicht mehr Informationen geben. Allerdings unterstrich es haargenau, was er ihr erklärt hatte.

    Brav setzte sie sich neben ihn und sah aus den Augenwinkeln, wie Vodafonis sich in den Hintergrund setzte. Als Verus direkt loslegte, wandte sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu und nickte, bevor sie seine Frage beantwortete.


    "Der Pax Deorum ist zu verstehen als Friedenszustand zwischen uns, dem römischen Volk, und den Göttern. Natürlich kann man "pax" auch als Gnade oder Hilfe bezeichnen, was bedeutet, dass man durch die richtige Huldigung und die richtigen Opfer Beistand bei einem Gott oder einer Göttin erfleht. Die meisten Menschen erwarten Hilfestellung von Seiten der Götter und da nicht jeder weiß, wie man den Ritus der entsprechenden Gottheit absolut richtig vollzieht, müssen wir das wissen. Wenn der Ritus fehlerhaft vollzogen wird oder aber man sogar eine Gottheit vernachlässigt, dann zieht das den Zorn und Unwillen auf sich."


    Sowas sollte eigentlich jeder römische Bürger wissen und es war die richtige Frage, um den Unterricht zu beginnen.

    Nachdem Callista also am Vortag ihren Eid geleistet hatte, konnte es endgültig losgehen. Sie hatten direkt für den nächsten Tag ein Treffen vereinbart und Callista hatte nicht gut geschlafen. Sie war viel zu aufgeregt und konnte lange Zeit nicht einschlafen, weil sie sich ausmalte was auf sie zukommen würde. Obwohl sie ja Verus nun schon etwas kannte und durch die Gespräche schon in etwa eine Ahnung hatte, wie sein Unterricht wohl ablaufen würde, war sie etwas ängstlich. Sie war nun mal ein eher schüchterner, stiller Mensch und in allererster Linie darauf bedacht, dass die Menschen in ihrem Umfeld gut von ihr dachten. Für sie ging jedesmal eine kleine Welt zugrunde, wenn sie etwas dummes tat oder sagte oder sich blamierte. Viel schlimmer war es da noch, dass sie ja ihrem Onkel keine Schande machen wollte, denn sie mochte ihn viel zu sehr und war ihm sehr dankbar. Er hatte ihr schließlich erlaubt die Ausbildung anzufangen und sie wollte nicht, dass er diesen Entschluß bereute. Nein, sie wollte die Schülerin werden, an der Verus hinterher alle anderen maß und dann sollte er zu dem Schluß kommen, dass keiner der anderen so gut und fleißig und lernwillig war wie sie. Das hatte sie sich fest vorgenommen!


    Der nächste Morgen begann früh für die rotbraunblonde Frau und nachdem sie sich mit der alltäglichen Körperpflege beschäftigt und gefrühstückt hatte, besprach sie mit Carcia den Tag, was es zu tun gab und was wer zu erledigen hatte. Carcia war nicht nur die Älteste, sondern auch die, die schon am längsten hier in dieser Casa eingesetzt war und somit stillschweigend von allen als Aufseherin auserkoren. Callista war damit einverstanden, denn Vodafonis brauchte sich so nicht einzuarbeiten und konnte sich ganz auf die junge Domina konzentrieren. Im Gegensatz zum vorigen Tag begleitete sie diesmal Callista, aber es war auch noch ein anderer Sklave dabei, der den Frauen den Weg wies. Zur Sicherheit. Callista wollte nicht riskieren sich zu verlaufen und zu spät zu kommen. Der kurze Spaziergang tat gut und so konnte sie ihre Gedanken etwas sortieren, außerdem sah sie etwas von der Stadt und den Leuten, die darin lebten. Eine richtige Städteführung hatte sie noch nicht erhalten, aber sie war ja auch noch keine Woche hier. Umso erfreuter war sie, dass ihr Unterricht gleich begann. Nur vom in der Casa rumsitzen würde sie sich auch nicht einleben, geschweige denn die Stadt kennenlernen!


    "Salve Verus und einen wunderschönen guten Morgen." begrüßte sie ihren Lehrer, der anscheinend auf sie wartend auf einer Steinbank saß. Wie jede fleißige Schülerin es tun sollte, hatte sie ihre eigenen Schreibutensilien dabei und sogar etwas Proviant, den Vodafonis trug. Der Sklave, der sie hergebracht hatte, verabschiedete sich mit einer Verbeugung und ging dann wieder. Es konnte los gehen.

    Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, aber jetzt wo er es sagte, stimmte es natürlich. Er war Germane und wie Duccius Eburnus ihr erklärt hatte, hatten diese ihren ganz eigenen Glauben. Es war daher eher selten, dass sich ein Germane den römischen Göttern zugehörig fühlte und sie fragte sich sogleich, ob Verus seinen eigenen Göttern abgeschworen hatte. Oder aber er lebte beide Religionen aus und das machte sie neugierig, eine interessante Mischung und sie fragte sich, ob sie später auch mehr über den germanischen Glauben wissen würde. Wahrscheinlich würde ihr Marsus etwas beibringen, es konnte ja gut sein, dass seine Familie noch germanische Feste begang, von denen sie absolut keine Ahnung hatte. Innerlich seufzte sie, denn das bedeutete für sie, dass es noch mehr Fettnäpfchen gab und noch mehr Möglichkeiten sich und ihren Onkel zu blamieren. Sie konnte nur hoffen, dass Verus oder ihr Verlobter sie genug aufklärten, dass sie sich keinen Schnitzer leisten würde.


    So in Gedanken folgte sie Verus, der zielstrebig auf dem Tempel des Augustus zuhielt. Einen Moment erlaubte es sich Callista das gebäude zu begutachten, dann widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem Mann vor sich. "Salve Pontifex!" sagte sie leise und lächelte ihn schüchtern an. Jetzt würde es gleich ernst werden...

    Auch ihr Verlobter setzte sich und nahm einen Becher mit Wein, wie Callista dankbar wahrnahm. So hatte er etwas zu tun und sie eine Möglichkeit ihre Aufregung zu überspielen. Als er sie allerdings so verblüfft ansah, musste sie lächeln. Sie hätte wahrscheinlich genauso geguckt, anscheinend hatte ihm Eburnus nichts davon erzählt und sie hatte ihm das schließlich auch nicht geschrieben.


    "Ja, ich habe ihn getroffen. Mein Onkel, der ja der Patron von Eburnus ist, hatte ihn eingeladen damit er mir von Germanien erzählt. Aber damals wußte ich noch nicht, dass ich direkt hierbleibe um ... ähm ... dich zu heiraten." Da war es raus, sie hatte es angesprochen. Obwohl sie ja selbst eingewilligt hatte, dass man ihre Verlobung bekanntgab und sie ins Eheregister eintrug, war es nun etwas anderes. Jetzt hatte sie ihren Bald-Ehemann vor sich und es laut ausgesprochen, irgendwie wurde es dadurch noch einmal viel realer. Aber sie wollte gar nicht, dass Marsus darüber jetzt allzu viel nachdachte sondern redete lieber noch ein wenig weiter. "Er hat etwas über die Sitten und Bräuche erzählt, die mich hier erwarten, er hat von der Stadt berichtet und was man hier alles erleben kann, welche Gebäude es gibt und auch etwas über den Winter. Daher bin ich froh, dass ich im Frühling hier angekommen bin." Sie schmunzelte und wunderte sich über sich selbst, denn es fiel ihr erstaunlich schnell die Aufregung zu verdrängen. Normalerweise brauchte sie viel länger, um sich in der Gegenwart einer anderen Person so wohl zu fühlen, dass sie kleine Scherze machte.

    Wäre Callista ein Mensch, der flucht, hätte sie es jetzt getan. Denn genau wie sie befürchtet hatte, lag sie mit ihrer Frage völlig falsch. In Gedanken schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn, doch zu ihrer Verwunderung lachte ihr neuer Lehrer. Was war denn jetzt so witzig? Sollte er nicht eigentlich böse auf sie sein? Callista lächelte etwas verwirrt und schaute ihn dann nur an. "Es tut mir leid, ich bin irgendwie davon ausgegangen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden." Sie klang zuversichtlich und lächelte immer noch, es klang zwar ziemlich abgedroschen, aber sie hatte damit recht. Vielleicht wurde er irgendwann Pontifex Maior und dann konnte sie damit angeben, seine erste schülerin gewesen zu sein. Wenn Callista denn ein Mensch wäre, der angibt.

    Oh gut, er war nicht böse! Erleichtert lächelte sie ihn an und war heilfroh, anscheinend war er ebenso nett wie seine Vetter. Jedenfalls die, die Callista schon kennengelernt hatte. Dann würde die Ausbildung hier auf jeden Fall viel mehr Spaß machen als bei jemanden wie Aurelius Corvinus. Sie lauschte seinen Ausführungen gespannt und nickte, als er geendet hatte. Das war ja gar nicht schwer zu verstehen gewesen.


    "Und du bist der Pontifex Maior hier in Mogontiacum?" fragte sie neugierig, nicht bedenkend, dass sie ihn vielleicht kränken könnte, wenn er eine geringere Stellung inne hatte. Eigentlich war es eher unwahrscheinlich, denn er war noch jung und hatte seine Ausbildung gerade erst beendet. Das war ein Fettnäpfchen, ganz sicher. Wieso sprach sie auch erst und dachte dann nach? Das war doch sonst nicht ihre Art.

    Tja, da standen sie nun. Callista sah beschämt zwischen dem Boden zu ihren Füßen und Marsus hin und her und wagte es nicht sich zu bewegen, was erwartete man denn jetzt von ihr? Am liebsten wollte sie einen hilfesuchenden Blick zu Vodafonis werfen, aber die hielt sich natürlich im Hintergrund. Sie lauschte seiner Stimme und empfand sie als recht warm und freundlich, außerdem fehlte ihr der neckische Ton, den sein Bruder angeschlagen hatte. Eburnus war auch selbstsicherer gewesen, wenn sie recht darüber nachdachte, was entweder an seinem Soldatenleben lag oder daran, dass er sie nicht heiraten brauchte. Ob Marsus deswegen genauso nervös war wie sie? Eigentlich eine lustige Vorstellung, denn Callista hatte sich selbst immer als den schüchternsten Menschen überhaupt gedacht. Wenigstens war er in ihrem Alter! So stand sie eine Weile da und brachte kein Wort hervor, als plötzlich Carcia in ihrem Blickfeld auftauchte. Mit einem Tablett in ihrer Hand. Dieses stellte sie mit einem wissenden Lachen auf den Tisch, der zwischen den Clinen stand und schaute dann zwischen den Herrschaften hin und her. "Nun setzt euch erstmal, Kinderchen, und trinkt etwas." Vodafonis würde ihr später einen Rüffel geben, die Domina so angesprochen zu haben, da war sich Callista völlig sicher.


    Dennoch lockerte Carcia sie etwas auf und sie tat, wie vorgeschlagen und setzte sich. So wie man es eigentlich tat, sich auf eine Cline zu legen, darauf verzichtete sie erstmal. Wahrscheinlich hatte Marsus keine bei sich daheim und sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen. Verlegen waren sie ja beide sowieso. Mit einer hastigen Bewegung griff sie einen der zwei Becher, in dem roter, römischer Wein zu finden war und sogar unverdünnt, wie Callista feststellte, nachdem sie einmal genippt hatte. Sie musste aufpassen, nicht zuviel zu trinken! Aber sie hoffte, dass der Wein ihr etwas von der Aufregung nahm und war Carcia im Grunde dankbar.


    "Danke, Marsus. Die Reise war lang und aufregend, ich bin froh hier zu sein. Mogontiacum ist ungefähr so schön, wie dein Bruder es mir beschrieben hat."