Beiträge von Prudentia Callista

    Während Callista noch versuchte die auf sie eintrömenden Eindrücke zu verarbeiteten, kamen bereits neue dazu. Diesmal in der Form eines jungen Germanen, der sich an Marsus heranschlich, aber damit auch dessen Verlobte überraschte. Mit einem schüchternen Lächeln und in völliger Stille beobachtete das Schauspiel,es wirkte fast, als hätten sie sich lange nicht gesehen. Marsus ließ ihre Hand los und Callista rang einen Augenblick um Fassung, blickte einmal nervös zu den Frauen, die sich allerdings viel fröhlicher gaben. Nur sie schien so eine übersensible Frau zu sein und sich wegen alles und jedem Gedanken zu machen, die anderen sahen eher so aus als würden sie den Tag genießen. Selbst Elfleda schien recht entspannt und Callista fragte sich, wie die junge Braut das schaffte. Allein wenn sie nur daran dachte, dass ihr dasselbe nächste Woche bevorstand, hatte sie dicke, schwere Steine im Bauch. Und bekam Herzklopfen. Ihr Körper konnte eben noch nicht so recht entscheiden, ob er mehr Angst oder mehr Freude empfinden sollte. Daher beneidetete sie Elfleda ehrlich um ihre Haltung. Sie hoffte nur, ihre Tante würde es einrichten können, bis zu ihrer Hochzeit dabei zu sein. Ansonsten würde sie eine andere, erfahrene und verheiratete Frau fragen müssen, die sich um sie kümmern würde. Es gab da gewissen Dinge, bei denen sie einfach seelische Unterstützung brauchen würde...


    Doch ihr Gedankenschwall wurde unterbrochen, als Marsus das Wort wieder an sie richtete. Oder viel eher, sie vorstellte, wie sie annahm, denn zwischen dem unverständlichen Germanisch erkannte sie ihren Namen, der sich allerdings etwas anders anhörte. Etwas weicher, wenn man ihn germanisch aussprach. Ihr gefiel das irgendwie gut, vor allem da die römische Aussprache den meisten hier eher schwer fiel. Und sie wollte ja niemandem irgendwelche Umstände bereiten. Als Marsus dann aber erzählte, dass Rufus fließend Latein konnte, hellte sich Callistas Gesicht tatsächlich auf und aus dem schüchternen Lächeln wurde ein offenes, freundliches. Gute Nachrichten für sie, noch jemand, mit dem sie würde sprechen können! Eigentlich machte sie gerade den Mund auf um die Begrüßung einzuleiten, doch der junge Rufus war schneller und sprach sie auf Latein an, nachdem er einige Dinge gesagt hatte, die sie wiederum nicht verstand. Anscheinend würde sie herum kommen mehr Germanisch zu lernen!!


    Dann allerdings war sie überrascht, als Rufus sie nach ihren Griechisch Kenntnissen fragte, sie hatte ja zusammen mit Thalna Unterricht erhalten und etwas griechisch. Wobei es ihr bedeutend leichter fiel es einfach nur zu verstehen, anstatt es selbst zu sprechen. Allerdings gefiel ihr der Gedanke, dass es nun eine Sprache geben würde, sie außer Rufus und ihr wahrscheinlich hier niemand sprach. Dann würde Marsus gleich einmal sehen, wie sich das anfühlte! Mit einem ganz klein wenig schelmischen Lächeln sprach sie Rufus also auf - ganz einfachem - Griechisch an.


    "Chaire Rufus. Ti kànis?" (Sei gegrüsst Rufus, wie geht es dir?) Für den Rest wechselte sie dann aber auch ins Latein, denn erstens war ihr Griechisch nicht gut genug und zweitens wollte sei auch, dass Marsus es verstand. Sie hätte es als unhöflich empfunden, jetzt nur noch griechisch zu sprechen, außerdem war es schon anstrengend genug zwischen zwei Sprachen hin- und herzuwechseln. "Es freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen, Duccius Rufus. Da ich noch nie in Alexandria war muß ich deinen Worten Glauben schenken und bis jetzt hat sich Mogontiacum als sehr schöne Stadt entpuppt. Die Menschen sind sehr freundlich zu einer Römerin, die nicht mal die Hälfte versteht." Sie grinste leicht und blickte dann zwischen den anderen hin und her. Zwischen den vieren entspann sich dann wieder eine Unterhaltung auf Germanisch und Callista begnügte sich damit bei Marsus zu stehen, sich an seiner Hand festzuhalten und die Leute zu beobachten. Das sollte fürs erste reichen.

    Nach einer Weile, die Marsus mit sich selbst rang, begann er zu erzählen und Callista hörte sehr genau zu. Schon allein die Art und Weise, wie der junge Mann da vor ihr herumdruckste, regte ihre Neugierde so an, dass sie sich sich nicht sonderlich konzentrieren musste um aufmerksam zu sein. Die Informationen, die dann allerdings auf sie einprasselten, waren etwas zu viel für sie. Außerdem verstand sie nur die Hälfte!


    "Moment, moment, nicht so schnell. Da kommt ja kein Mensch mit." Sie runzelte die Stirn und fragte sich sehr verzweifelt, von wem er da eigentlich sprach. "Nur, dass ich das richtig verstehe. Lando, Verus und du seid ins freie Germanien gereist um eine Seherin zu treffen? Und ihr hattet keine andere Wahl?" Callista wartete auf sein Nicken und schüttelte sanft den Kopf. "Jetzt musst du mir erklären was eine Seherin ist und was sie tut und warum ihr gezwungen wart sie zu treffen. Es klingt ja fast so, als hättet ihr das gar nicht gewollt."


    Jetzt lehnte sich die Prudentia etwas nach vorne und ihre Stimme wurde ebenso leiser, wie er immer leiser geworden war. Er schaute sie ja nicht mal mehr an!


    "Auf dem Weg dahin seid ihr an Menschenhändler geraten und du hast mit einem von ihnen ein Duell gehabt? Heißt das, du hast einen Mann getötet?" fragte Callista erschrocken. Das hätte sie Marsus gar nicht zugetraut, er sah nicht aus wie jemand, der dazu in der Lage war. Da waren ihre Gedanken zum Thema, ob jeder Germane kämpfen konnte, hinfällig. Ihrer konnte es anscheinend, sogar gut genug um heil aus einem Duell zu kommen. Ob er ein gewalttätiger Mensch war? Nein, so kam er ihr ganz und gar nicht vor. Er war doch so nett und witzig. Und dann sagte er noch etwas, dass sie nun wirklich überhaupt nicht verstand. Wer, bei allen Göttern, war diese Aquilia überhaupt!?


    Genau das versuchte sie ihm jetzt mit tonloser Stimme zu erklären. "Ich kenne gar keine Prudentia Aquilia." Eine Verwandte sollte das sein? Aber das hätte ihr Balbus doch erzählt, oder? Eine Verwandte aus Mogontiacum? Die hier in dem Haus wohnt? Aber warum hatte sie dann keine Kleidung gefunden und wieso hatten die Sklaven nichts gesagt? Und wie war sie denn gestorben, wo ihr doch alle immer und immer wieder erklärt hatten, wie sicher es hier in Germania war!? Irritiert und verwirrt blickte Callista nun zu Marsus, der wie ein Häufchen Elend vor ihr saß. Wenn sie nicht soviele Fragen gehabt hätte, hätte er ihr fast schon leid tun können, was immer er ihr nun auch zu erklären hatte, leicht machte er es sich auf keinen Fall.

    Elfleda. Oda. Elfleda, Braut. Oda, Brautfrau. Elfleda. Oda. Callista ermahnte sich in Gedanken, nichts falsches zu sagen oder zu tun und versuchte krampfhaft sich die Namen einzubläuen. Marsus ging an die ganze Sache so locker dran, dass Callistas Versagensangst sich nur noch mehr steigerte. Wenn es auch für ihn anscheinend keine große Sache war und er ihr zutraute, dass sie das richtige tat, so war sich die Römerin dabei keinesfalls sicher. Für sie war das hier eine überaus wichtige Person, Landos Frau. Nicht nur, dass sie die erste waschechte Germanin war, die sie zu Gesicht bekam, sie wurde durch die Hochzeit auch zur Ranghöchsten unter ihnen. Schließlich war Lando der Pater der Duccia, trotz seines jungen Alters und seine Frau damit automatisch die Herrin des Hauses. Callista würde, wenn sie Marsus geheiratet hatte und in der Casa leben, sozusagen unter ihrer Fuchtel stehen und sie wollte daher einen besonders guten Eindruck machten. Marsus sagte irgendwas auf germanisch, von dem Callista nichts verstand. Er genauso gut eine heie Kartoffel im Mund haben können und damit ägyptisch sprechen, sie verstand kein Wort. Was hatte er denn gesagt? Nur ihren Namen hatte sie rausgehört, wahrscheinlich stellte er sie vor. Wie sollte sie nur jemals zu dieser Familie gehören können? Callistas Herz pochte wild und mit einem schüchternen Lächeln begrüßte sie die beiden.


    "Heilsa" Das war so ziemlich das einzige was sie rausbrachte, mit dünnem Stimmchen und reichlich verschüchtert vorgetragen. Das hier ging ihr alles viel zu schnell! Sie hoffte, die beiden würden jetzt nicht auf germanisch antworten. Vielleicht hätte sie besser Latein sprechen sollen? Vielleicht nahmen sie jetzt an, dass sie germanisch konnte, weil sie die beiden schließlich auf germanisch begrüßte hatte. Oooh, wenn das nur gut ging. Nervös biss sich Callista wieder auf die Lippe und wußte gar nicht wohin sie gucken sollte. Ihr Blick blieb dann mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Neugierde an Elfleda hängen.


    Verwundert stellte sie fest, dass die Braut ungefähr in ihrem Alter war und sie sogar eine ähnliche Haarfarbe hatten. Das rotblonde Haar von Elfleda war bedeutend heller als ihr eigenes, in das sich eine Menge braun reingeschlichen hatte. Sie war sehr hübsch, fand Callista, in ihrem weißen Kleid. Neben ihr kam sich die junge Römerin irgendwie sehr unwichtig vor, das hier war schließlich Elfledas großer Tag und sie strahlte wie es sich für eine Braut gehörte. Ihre Aufmachung war ja jetzt schon schlichter als die von Callista und so wie sie Vodafonis kannte würde sie ihr nächste Woche noch viel mehr Schmuck und Schminke auflegen! Das stand doch gar nicht in Relation zueinander!!!


    Ohne es wirklich zu bemerken, hatte sie immer noch Marsus Hand in ihrer - oder sie hatte ihre in seiner - so genau ließ sich das nicht mehr auseinanderhalten. Jedenfalls war sie froh darum, denn er bot ihr so etwas Halt, den sie ganz dringend brauchte. Wahrscheinlich konnte er genau spüren wie verlegen sie war, denn ihre Finger wurden warm und sie begann sicherlich auch etwas zu schwitzen. Wenigstens schaffte sie es sich nicht zu verkrampfen und so seine Hand über die Maße zu beanspruchen. Und was kam jetzt?

    Sie war sich ja auch nicht sicher. Aber irgendwie hatte sie das angenommen, denn so nützte die Hochzeit ihm am meisten. Ihr kam aber der Gedanke, dass er vielleicht gar kein Senator werden wollte, weil das beinhaltete, dass er nach Rom gehen musste. Und wie er ihr selbst bestätigte, war ihm die Sippe wichtiger, also seine Familie. Ein wenig wußte sie ja schon über Sippen, das hatte ihr Eburnus erklärt. Wenn sie sich seine Erzählungen richtig in Erinnerung rief, dann war eine Sippe nicht unbedingt gleichzusetzen mit der Verwandtschaft, wie man es im römischen Sinne betitelte. Was dann wiederum bedeutete, dass er mit Menschen zusammenlebte, mit denen er nicht blutsverwandt war.


    Ihre Grübelei wurde unterbrochen, als sie begriff, dass er ihr soeben ein Kompliment gemacht hatte. Sie riss die Augen auf und lächelte dann, während eine sanfte Röte ihr Gesicht überzog. Sie wußte nicht recht, was sie darauf sagen sollte, bisher hatte sie noch niemand als schön bezeichnet. Jedenfalls nicht direkt. Konnte sie also nun davon ausgehen, dass er sie mochte? Und auch wirklich heiraten wollte? Nicht nur, weil sein Pater Familias das so angeordnet hatte? "Danke" hauchte sie daher nur blickte wieder einmal in ihren Becher, der sich langsam dem Ende zuneigte. Allerdings hielt sie das nicht mehr davon ab, noch einen kleinen Schluck zu trinken. Der Alkohol beruhigte sie, lockerte sie und auch wenn sie immer noch ängstlich war, vielleicht zu viel zu trinken, geriet diese Sorge nun etwas in den Hintergrund. Was auch daran lag, dass ihr Religion als Gesprächsthema viel interessanter vorkam. Dabei brauchte man nicht rot anlaufen...



    "Ja, Wodan wäre dann gleichzusetzen mit Iuppiter, er ist der Gott der Luft und des Lichts, Schutzgott des Staates und des Gesetze, aber er ist auch der höchste unserer Götter und wird als Göttervater bezeichnet." Callista hörte weiterhin zu und erinnerte sich an die Namen, denn die waren ihr bereits genannt worden. Allerdings hatte sie sich nicht näher mit diesen Göttern beschäftigt. "Und Donar ... mhhh... wahrscheinlich Mars. Mars ist eigentlich ein Vegetationsgott. Als Kriegsgott begleitet die Soldaten in die Schlacht. Er spendet Menschen, Tieren und den Feldern Fruchtbarkeit und Gesundheit, ist aber auch für Unheil und Verwüstung derselben verantwortlich." Callistas Erklärungen blieben kurz und knapp und sie erzählte ihm eigentlich nur das, was jeder Römer wusste. Dennoch gefiel ihr dieser Vergleich, denn es erlaubte ihr einen Einblick in die Gedankenwelt ihres Verlobten. Und das würde in nächster Zeit ein nicht ganz unwichtiges Thema in ihrem Leben sein. Eine gute Frau war nunmal fürsorglich und sollte wissen, wie es ihrem Mann ging. Da bei ihnen eine nicht ganz kleine kulturelle Hürde dazukam, war es wichtig, dass sie solche Dinge wußte. So unscheinbar wie sie auch wirken mochten.


    Als er plötzlich stockte, wurde sie hellhörig. Nicht unbedingt weil der Name der Gottheit ihr was sagte oder sie das Thema besonders interessierte, sondern, weil Marsus nervös wurde. Ihre weiblicht Intuition sagte ihr, dass da mehr dran war, als er auf den ersten Anschein hin Preis geben wollte. Germania Magna? Das war doch das freie Germanien oder? Das, wo die Römer nichts zu sagen hatten... Was hatte er denn da gemacht? Sie war unsicher ob sie ihn darauf ansprechen wollte oder sollte, denn wenn er es nicht erzählen wollte, dann brauchte er auch nicht. Sie hatte kein Problem damit, etwas nicht zu wissen, auch wenn sie neugierig war und es sie interessierte. Er schien richtiggehend nervös deswegen zu sein - hatte er gar ein schlechtes Gewissen? - und Callista schaute ihn einfach aus großen Augen an. Was das wohl zu bedeuten hatte!?

    Aufmerksam hörte die junge Schülerin zu und schrieb sich direkt ein paar Notizen auf, vor allem die Namen der Götter, die Verus jetzt noch nannte. Die meisten Namen hatte sie schon gehört, aber nicht immer konnte sie dem Namen etwas zu ordnen und so schrieb sie die knappen Erklärungen gleich mit auf. Das würde sie zu Hause noch einmal ordentlich auflisten und ergänzen, aber nun reichte es erstmal, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Als er ihr sagte, dass es sich dabei um stadtrömische Gottheiten handelte, nickte sie zwar, aber ihr ging kein Licht auf. Vielleicht, weil sie keine Römerin in dem Sinne war, sondern in Mantua aufgewachsen war? Es gab schließlich auch Gottheiten die in Mantua mehr verehrt wurden als in Rom, aber das waren lokale, kleinere Götter, denen zumeist ein bestimmter Ort geweiht war. Manchmal auch eine kleine Quelle oder ein besonders ertragreiches Feld.


    Sie nickte, als er ihr Hausarbeiten auftrug. Eine solche Liste war nicht sonderlich schwer zu erstellen und wahrscheinlich konnte sie das heute noch erledigen. Da sie sich ja bereits gestern mit Marsus getroffen hatte, stand für heute nichts anderes mehr an. Da fiel ihr etwas ein, dass sie gestern nicht gewußt hatte. Sie war sich nur nicht sicher, ob es eine kluge Frage war und ob sie sie wirklich stellen wollte. Aber dann nahm sie doch ihren Mut zusammen.


    "Ich gehe davon aus, dass es eine germanische Entsprechung zu Iuno gibt. Kannst du mir sagen, wie sie heißt!? Marsus hat mich gestern danach gefragt und ich konnte ihm keine zufriedenstellende Antwort geben, leider."

    Mit großen Augen beobachtete sie sein Mienenspiel und kam sich unsäglich dumm vor. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass er kein eques war. Sie selbst gehörte dem Ordo Senatorius an - war das nciht so, dass sich das dann auf ihn übertrug? Ganz genau kannte sie sich damit nicht aus, aber deswegen brauchte er sie ja nicht gleich auszulachen. Mutlos ließ sie den Kopf hängen und wünschte sich an einen anderen Ort, während er sich wieder beruhigte. Trotz war keiner ihrer Wesenszüge, sonst hätte sie ihn jetzt sicherlich gezeigt. Stattdessen hoffte sie einfach darauf, dass er das Thema wechseln würde. Aber es kam sogar noch besser; er entschuldigte sich! Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Erstaunt hob sie wieder den Kopf und blickte in seine braunen Augen, sah sein aufmunterndes Lächeln und begriff, dass er nicht über sie sondern nur über ihre Idee gelacht hatte. "Aber so unwahrscheinlich ist das doch gar nicht. Immerhin gehörst du zum Ordo Senatorius, wenn wir geheiratet haben. Das ist doch eine der Anforderungen, die du erfüllen müsstest, oder?" Fragte sie bescheiden nach, sie war sich nicht sicher, hatte sich vorher noch nie damit beschäftigt und wußte nicht, ob sie sich mit dieser Frage nur wieder weiter in die Misere ritt. Aber auf einen Versuch wollte sie es ankommen lassen, wo er doch eh schon annahm, dass sie eh keine Ahnung hatte. "Aber ja, wenn ich das jetzt alles falsch verstanden habe, dann erklär es mir." Sie war ehrlich interessiert und spielte es nicht nur vor um ihn zu gefallen. Es konnte immerhin nicht schaden zu wissen, was der eigene Ehemann den ganzen Tag so trieb.


    Auch sie nippte noch einmal an ihrem Becher. Ihre Stimmung war etwas gedämpft, da sie der Meinung war einen ganz und gar schlechten Eindruck zu machen, er hatte sich bestimmt eine klügere Frau gewünscht. Allerdings lag ihr das nächste Gesprächsthema viel mehr, denn damit kannte sie sich aus. Bereitwillig erklärte sie also, wer Iuno war und für was die von ihr gewählte Göttin stand. Es wunderte sie ein wenig, dass Marsus sich da nicht vorher drüber informiert hatte. Er wohnte doch mit Verus in der selben Casa oder? Hätte er ihn da nicht nach fragen können? Oder interessierte es ihn eigentlich gar nicht und er fragte sie jetzt nur und tat so betreten, weil er sie nicht kränken wollte? Ach, sie wurde aus ihm einfach nicht schlau.


    "Iuno ist die höchste römische Göttin, sie ist die Ehefrau des Iuppiters und mit ihm und der Göttin Minerva zusammen steht sie allen anderen Göttern vor. Iuno ist eine Muttergöttin, ja, denn sie beschützt das Heim und alle Mütter, wobei sie aber eine Schutzgöttin aller Frauen ist. Sie ist nicht nur die Herrin Roms, sondern wird in vielen utnerschiedlichen Aspekten eines Frauenlebens angebetet, nicht zuletzt bei der Hochzeit, Ehe und der Geburt von Kindern." Soviel dazu. "Leider kann ich dir nicht sagen welche germanische Göttin ihr ähnlich ist."

    Wenn Calista gewußt hätte, dass er ihren Aufwand übertrieben fand, hätte sie Vodafonis weggescheucht. Doch so überließ sie der Sklavin das Feld, denn sie vertraute ihr und Vodafonis wußte sehr gut, wie eine schickliche römische Verlobte auszusehen hatte. Und dazu gehörte ganz eindeutig kein schmieriger oder verwischter Lippenstift!


    Außerdem war Callista sowieso mit ihren Gedanken woanders, denn ihr war sehr mulmig zu mute. Das, was jetzt kommen würde hatte sie eine ganze Weile vor sich hergeschoben, aber es führte kein Weg mehr daran vorbei. Wenigstens hatte Marsus sie bereits so sehr ins Herz geschlossen, dass er sich mit Freuden mit ihr zusammen zeigte. Ein wenig hatte sie sogar das Gefühl, dass er sie Stolz präsentieren wollte. Das Problem dabei war nur, dass sie längst nicht so selbstsicher war, wie er geklungen hatte. Völlig überrascht bemerkte sie, dass er nach ihrer Hand griff und sie mehr oder minder hinter sich herzog. Im ersten Augenblick rührten sich ihre Füße gar nicht so schnell, denn ihr Körper war fürs erste damit beschäftigt ihren Herzschlag zu beschleunigen. Er fasste sie ja schon wieder an! Callista folgte ihm mit großen Schritten, bis sie bequem zu ihm aufgeschlossen hatte und hoffte, ihr würde tatsächlich niemand den Kopf abreißen. Was, wenn sie etwas dummes sagte? Oder ... oder ... oder ... Ach, sie hätte Carcia mitnehmen sollen, die germanische Sklavin hätte ihr sicher besser zur Seite stehen können, denn sie kannte sich mit Germanen aus. Vodafonis war ja Ägypterin und auch wenn sie schon seit langem zu der prudentischen Familie gehörte, hatte sie keine Ahnung. Und so wie sie Verus und Marsus kannte, hatte sie keine Chance einfach nur still zu stehen, nichts zu sagen und dabei halbwegs gut auszusehen. Das war nämlich etwas, dass sie konnte. Vorm Reden und Vorgestellt werden hatte sie dagegen richtig Bammel.

    Merkur, natürlich! Wie hatte sie den Gott des Handels nur vergessen können? Innerlich schalt sich Callista selbst ob ihrer Unbedachtheit und machte eine traurige Miene. Das war ein dummer Flüchtigkeitsfehler, der ihr so schnell nicht wieder passieren sollte. Angestrengt dachte sie darüber nach, was die genannten Götter gemeinsam hatten und wodurch sie sich von den anderen unterschieden. Sie war nervös, weil sie gerade erst einen Fehler gemacht hatte und je länger ihr keine glorreiche Idee kam, desto nervöser wurde sie. Was ihr wiederrum das denken erschwerte! Es war doch zum verrückt werden, wieso fiel ihr denn nichts ein...!?


    "Ich weiß, dass die Dii consentes 12 Gottheiten sind, sechs weibliche und sechs männliche, die am weitverbreitesten sind. Ich weiß auch, welche es sind, nämlich Iuppiter, Iuno, Minerva, Vesta, Ceres, Diana, Venus, Mars, Merkur, Neptun, Vulcanus und Apoll. ihre Statuen stehen auf dem Forum in Rom, wo man ihnen ein Bankett anbietet und ihre Statuen auf Kissen bettet und ihnen ein festliches Essen serviert. Sie sind die Götter, die wohl am meisten verehrt werden und am weitesten verbreitet sind." Callista machte eine Pause, denn es fiel ihr wirklich schwer das nun folgende zuzugeben. "Ich weiß allerdings nicht, worauf zu jetzt hinauswillst."


    Sie senkte den Blick und wartete ab, was Verus nun sagen würde. Bestimmt enttäuschte sie ihn sehr und das, wo sie sich fest vorgenommen hatte, dass genau das nicht mehr geschah.

    Oh ha, da war aber jemand schlecht zu sprechen. Callista hob den Kopf und schaute Marsus verwundert an, wo er grade noch scherzhaft ausgelassen war, schaute er nun sehr skeptisch. Bedeutete das von ihm Gesagte nun, dass er eine Frau mit politischem Interesse gut oder schlecht fand? Oder mochte er nur klatschende, tratschende und einkaufende Frauen nicht gut? Verunsichert senkte Callista ihren Blick und schaute lieber wieder in ihren Met als würde dort eine passende Antwort erscheinen. Was aber natürlich nicht geschah und so sagte sie lieber gar nichts dazu. Der überraschende Stimmungswandel hatte sie überrumpelt und sie wollte gerne, dass er gut von ihr dachte. Nur wie sollte sie ihm das sagen, ohne dabei absolut kindisch aufzutreten? Es war ja nicht so, dass ihr Interesse fehlte, es war eher so, dass niemand sich bisher die Zeit genommen hatte ihr das verwirrende Geflecht aus Politik, Intrigen, Machtspiele und Bestechungen erklärt hatte. Und durch ihren Großvater, den früheren Senator Gaius Prudentius Commodus, hatte Politik irgendwie einen schalen Beigeschmack. Sie hatte die Statue in der römischen Villa ihres Onkels gesehen und wußte auch, dass der Mann lange vor seiner Zeit auf offener Straße erstochen wurde. Ob Marsus das wußte? Und ob er irgendwann einmal solche Feinde angesammeln würde, dass sie zu einer solchen Tat greifen mussten? Sie hoffte es nicht. Sie wollte keine Witwe sein.


    "Wahrscheinlich musst du dich noch etwas an ihn gewöhnen, als seine recht Hand wirst du doch recht viel Zeit mit ihm verbringen. Und eng mit ihm zusammenarbeiten, das wird wohl einfacher sein, wenn er dir sympathisch ist. Obwohl ich ja finde, dass solche persönliche Sympathien und Antipathien nicht unbedingt im Weg stehen sollten, wenn man eine wichtige Aufgabe erfüllt. Möchtest du irgendwann einmal selbst Statthalter sein?"


    Sie trank noch von ihrem Met, darauf bedacht ihn nicht auszutrinken, so dass Marsus nicht auf die Idee kommen konnte ihr einen neuen zu bestellen. Denn den würde sie ganz sicher nicht mehr schaffen. Dann dachte sie an seine Frage und daran, dass sie diese gestern schon einmal seinem Vetter beantwortet hatte.


    Iuno hat mich als Göttin immer am meisten angesprochen, seit ich Kind bin. Meine Mutter, hat viel zu Minerva und Iuno gebetet und ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Der Entschluß Priesterin zu werden kam mir nicht spontan, ich wollte nicht nur Balbus eine Freude damit machen, sondern mir auch eine Aufgabe suchen. Bevor meine Mutter starb hab ich mich um sie gekümmert und in Rom war es sehr aufregend, aber ich hab mich doch nach etwas gesehnt, dass ich tun kann. Und wo ich gut drin bin. Es ist auch ein Weg mich bei Balbus zu revanchieren, weil er sich sehr aufopferungsvoll um mich gekümmert hat, wir haben nicht viele Priester oder Priesterinnen in der Familie und so kann ich das Ansehen der Prudentia mehren."

    Verschiedene Götter, ja, Callista kannte ein paar. Sie nahm die wachstafel entgegen und begann aufzulisten.


    Zuerst schrieb sie Iuppiter, Iuno und Minerva auf, die drei Götter der neuen Göttertrias. Dann waren da noch Mars und Quirinus, die zusammen mit Iuppiter die alte Göttertrias darstellten. Dann schrieb sie noch Bellona und Neptunus auf, weil sie gerade über die beiden gesprochen hatten. Dann fielen ihr noch Ianus ein, Vesta, Saturnus, Vulcanus und Ceres. Sie überlegte einen Moment und schrieb noch Summanus auf, denn auch über ihn hatten sie kurz gesprochen. Verus sah nicht so aus, als hätte er es eilig und so überlegte sie noch etwas weiter. So fielen ihr noch Venus ein und Decima, zwei Göttinnen zu denen sie in nächster Zeit wohl beten würde. Jede zur angemessenen Zeit.


    Dann reichte sie die Tafel an ihren Lehrer zurück. "Fertig."

    Eine ganze Weile war nichts weiter passiert und Callista hatte nur dagestanden und die anderen beobachtet, niemand begrüßte sie oder schaute länger zu ihr, obwohl Callista das Gefühl hatte sie müsse sehr auffallen. Manchmal drangen Gesrpächsfetzen an ihr Ohr, doch sie verstand kein Wort von dem Gesagten, daher glaubte sie, dass es sich um germanisch handeln würde. Sie fand das etwas unbehaglich, denn so konnte sie nie wissen, ob man sich nicht doch über sie unterhielt. Was, wenn ihr Äußeres bei Marsus Familie nicht gut ankommen würde? Schließlich war heute der Tag, an dem sie alle anderen kennenlernen sollte. Lando zum Beispiel, der ja heute heiratete, kannte sie nur aus den Erzählungen ihres Vaters.


    Dann stand plötzlich Marsus vor ihr, der sich ebenso herausgeputzt hatte, allerdings völlig seiner germanischen Abstammung entsprechend. Callista sah geknickt, dass sie nun erst recht aus dem Rahmen fallen würde, ein unterschiedlicheres Paar hätten sie wirklich nicht sein können. Warum nur hatte sie kein grünes Kleid angezogen? Das hätte viel besser gepasst! Doch daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Leider. Noch überraschter war sie dagegen über die freundliche und überschwängliche Begrüßung, die ihr Verlobter ihr entgegenbrachte. Er breitete die Arme aus und einen Moment fürchtete sie, er würde sie umarmen. Diese Form der Begrüßung hatte sie heute schon öfters beobachten können und sie wußte nicht recht, was sie davon halten sollte. Auch einen freundschafltichen Händeschlag hatte sie hier und da gesehen, doch unter Römern war das eher unüblich. Wenn man sich begegnete, so begrüßte man sich verbal. Umarmungen waren eher unter guten Freundinnen angebracht und auch da nicht oft. Marsus legte seine Hände kurz auf ihre Oberarme, sozusagen eine viertel Umarmung und Callista realisierte, dass er sie soeben zum ersten Mal berührt hatte. Und sie realisierte auch, dass sich das gut anfühlte, so dass sie sofort nervös wurde. Sein Kompliment setzte dem Ganzen dann noch eins drauf, sie lief rot an und biss sich verlegen auf die Unterlippe und begann diese mit den Zähnen zu bearbeiten. Plötzlich hörte sie hinter sich einen kurzen zischenden Laut und sah Vodafonis an, die etwas säuerlich guckte. Natürlich! Der Lippenstift! Hoffentlich hatte sie jetzt nicht ihr Aussehen ruiniert, doch Vodafonis strich noch etwas Paste nach und alles war gerettet. Wie dumm sie sich manchmal anstellte! Peinlich berührt blickte sie wieder zu Marsus.


    "D... Danke, dass ich kommen durfte." Ihre Stimme war ganz dünn und leise und sie räusperte sich, sie wäre am liebsten im Boden versunken, aber Iuno erwies ihr diese Ehre nicht und so hieß es, die Situation auszustehen. "Stellst du mich jetzt deiner Familie vor?"

    "Öhm, ja, wenn du glaubst dass sie damit einverstanden ist? Ich meine, ich will sie nicht einfach überrumpeln. Vielleicht fragst du sie erst einmal, ob sie überhaupt Interesse hat mich kennenzulernen?"


    Callista wäre sich reichlich plump vorgekommen, wenn sie sich einfach selbst in das Leben von Valerians Schwester eingeladen hätte, das war nun wirklich nicht ihre Art. Sie wußte ja noch nicht mal deren Namen!? Obwohl die Aussicht darauf, bald eine andere Römerin zu kennen natürlich verlockend war. Bisher hatte Callista niemanden in ihrem Alter hier, denn Thalna war in Rom zurückgeblieben und wurde schrecklich vermisst. Daher war es ja keien schlechte Idee. Obwohl Callista auch daran dachte, dass sie bald genug andere Frauen in der Casa Duccia kennen würde. Wenn sie sich dann mit allen verstand, war das sicher hiflreich, um sich etwas an das germanische Leben zu gewöhnen. Aber eine römische Freundin zu haben wäre irgendwie auch schön...

    In aller Ruhe hörte sie sich an, was er zu erzählen hatte und nippte hin und wieder an ihrem Becher. Sie konnte eine Wärme in ihrem Bauch spüren, die ganz eindeutig vom Met ausging und wunderte sich darüber, Wein hatte diese Wirkung nicht. Jedenfalls nicht bei ihr und sie fragte sich, warum das plötzlich beim Met so war. Marsus schien sehr begeistert von seiner Arbeit zu sein und machte sie mit Hingabe, das sah man ihm an und Callista lächelte. Er wirkte auch etwas selbstsicherer, was sie gut verstehen konnte. Es gab einige Themen, bei denen sie selbst auch sicherer war, weil sie davon Ahnung hatte und bei ihm war es anscheinend genauso. Wieder eine sympathische Gemeinsamkeit, die sie bei ihm gefunden hatte. Als er dann zum Ende hin zwinkerte, grinste sie fröhlich, er scherzte ja schon wieder. Anscheinend machte er das wirklich ständig und nicht nur, um sie etwas aufzulockern, weil sie so verlegen war. Allerdings fehlt ihr selbst eine wortgewandte Antwort, etwas witziges, dass sie hätte antworten können. Auch wenn sie in seiner Gegenwart aufgetaut war, wirklich spitzfindig war sie sowieso nicht, dazu war sie viel zu lieb.


    "Mein Wissen über Politik ist, denke ich doch, relativ normal. Die Begriffe sagen mir auf jeden Fall etwas, aber ich beschäftige mich nicht allzu sehr mit Politik. Das habe ich bisher meinem Onkel überlassen." Sagte Callista ehrlich und war sich keiner Schande bewußt. Politik war Sache der Männer und man sah ja an ihrem Großvater wohin das führen konnte, ihr Vater dagegen war auf dem Schalchtfeld ermordet worden. "Und welche Arbeit macht dir mehr Spaß, die als Duumvir oder als rechte Hand des Statthalters?"

    Mit unsicheren Schritten trat Callista die letzten Meter bis in den Garten. Sie war zum ersten Mal in der duccischen Casa und fühlte sich etwas verloren, alles sah so anders aus als sie es gewöhnt war. Außerdem gab es auch hier schon genug Menschen, die durcheinander liefen und alle schienen irgendwas zu tun zu haben. Zu erst aber fiel Callista etwas anderes ins Auge, nämlich die traditionelle, germanische Kleidung der meisten hier. Sie selbst kannte diese nicht und staunte darüber, denn sie hatte nicht genau gewusst worauf sie sich eigentlich eingelassen hatte, als Marsus sie eingeladen hatte. Demnach hatte sie sich herausgeputzt, aber natürlich ganz nach römischen Maßstäben und jetzt kam sie sich reichlich fehl am Platze vor. Sie hatte noch keine andere Römerin entdeckt! Schnell schaute sie an sich herunter und verglich ihre eigene Erscheinung mit denen der anderen, jungen Frauen, die ihr hier begegneten.


    Heute früh war sie nach dem aufstehen von Vodafonis enthaart und dann gewaschen worden, besonders ihre vollen Haare wurden sorgsam gepflegt und gebürstet. Nachdem man ihren mit Sommersprossen übersäten Körper eingeölt hatte, war ihre Frisur dran. Man kämmte ihr einen sorgsamen Mittelscheitel und nahm die Haare dann am Hinterkopf zusammen, wo sie festgesteckt wurden und mit einigen Bändern verziert wurden. An den Enden der verschieden gelblichen Bänder (manche waren eher orange, manche ganz hellgeld und wieder andere fast rostbraun) waren kleine Perlen aufgezogen, die jetzt bei jeder Bewegungen sanft hin und her schwangen. Dazu wählte man das gelbliche Kleid aus, welches sie in Gesellschaft eines gewissen, untreuen Decimers ausgesucht hatte. Sie musste an Flavus denken und daran, dass er sie nie kontaktiert hatte. Aber da das ihrem Onkel sowieso nicht gefallen hätte, war es auch gut so. Das gelbliche Kleid war schlank geschnitten und an Ärmeln und Saum wurde es immer dunkler, bis es rötlichbraun war, ganz so wie ihr Haar. Am Kragen waren kleine Perlen, wahrscheinlich falsche, angebracht, die sanft schimmerten und glitzerten und auf die Bänder, die das Kleid an ihren Schultern hielten waren ebensolche Perlen angebracht. Sie schlüpfte hinein und Vodafonis knotete die Bänder zusammen, an jeder Seite gab es drei Paar, einmal direkt an den Schultern, dann nochmal am Oberarm und an den Ellenbogen. Danach war das Schminken dran gewesen und Vodafonis, in der Rolle ihrer ornatrix, hatte dabei wirklich bezaubernde Arbeit geleistet. Auf Schultern und Wangenknochen wurde glänzendes Pulver verteilt, das jetzt sanft schimmerte und um die Augen herum war dunkle Kohle verteilt worden, dazu eine kleine Menge grünlicher Lidschatten, der wunderbar mit dem braun ihrer Augen harmonisierte. Der Abschluß war dann aus Ocker hergestellter Lippenstift, so dass Callistas Lippen rötlich braun schimmerten. Dazu lackierte man ihr Fuß- und Fingernägel. Der letzte Schritt war dann die Auswahl des Schmuckes gewesen, wobei Callista auch diesmal wieder auf das Verlobungsgeschenk von Marsus bestand. Allerdings ließ sie sich diesmal überreden noch mehr anzulegen und so wählte sie dazu passende Ohrringe, zwei Ringe und mehrere Armreifen aus. Alles in allem kam sich Callista etwas überladen vor und fragte sich zweifelnd, wie ihre ägyptische Sklavin das am Tage ihrer eigenen Hochzeit noch übertreffen wollte.


    Mit einem nicht sehr enthusiastischen Seufzen stellte sich Callista nun also der germanischen Festtagsgesellschaft und schritt in den Garten, dicht gefolgt von Vodafonis. Sie hatte mit Marsus ausgemacht, dass sie sich hier im Garten treffen würden. Sie war aufgeregt, wie er ihre Aufmachung finden würde, sie hatte keine Ahnung ob ihm sowas gefiel. Vielleicht mochte er die germanischen Mädchen ja viel lieber, die hatten sich natürlich auch herausgeputzt, aber auf Schminke und Schmuck nicht ganz so zurückgegriffen, sondern eher durch besondere Kleidung. Insgeheim war Callista schon sehr gespannt in wie weit sich eine germanische von einer römischen Hochzeit unterscheid, denn sie nahm zu Recht an, dass auch ihre eigene einige germanische Komponenten enthalten würde. Reichlich unsicher und nervös umherblickend stellte sich Callista einfach erst mal in den Garten, die einzigen Beiden die sie hier hätte kennen können, waren noch nicht anwesend. Jedenfalls entdeckte sie weder Marsus noch Verus.

    Sie blickte von Marsus zu ihrem Becher und wieder zurück, während sie seinen Ausführungen lauschte. Das alles klang sehr einfach, und sie war erstaunt, dass alleine Wasser und Honig ausreichten. Anscheinend gab es von beidem in Germania genug und irgendwer hatte einmal die glorreiche Idee gehabt, es miteinander zu verbinden. "Also der süße schmeckt ganz gut, aber ich trinke nicht oft Alkohol. Der steigt mir immer sehr schnell zu Kopf." Callista machte ein betretenes Gesicht, denn von Trinkfest konnte man bei ihr nun wirklich nicht reden. Normalerweise reichten zwei Becher unverdünnter Wein, dass es ihr schwindelte und Met war ja stärker - hatte man ihr gesagt. Davon würde wahrscheinlich ein Becher ausreichen und sie hatte nicht die geringste Lust, bei ihrem ersten Treffen mit ihrem Zukünftigen wie eine Schnapsdrossel aufzutreten.


    Sie blickte ihn einen Moment an und wußte nicht, was sie sagen sollte. Die ganze Situation überforderte sie ziemlich, auch wenn durch seine lockere Art und seine Scherze die Aufgeregtheit etwas verschwunden war. Mit diesem Mann würde sie nun den Rest ihres Lebens verbringen. Die Idee, dass sie sich irgendwann von ihm scheiden lassen könnte kam ihr nicht, Scheidung war zwar möglich, aber in ihren Augen irgendwie eine Schande. Das römische Idealbild einer Frau war nun mal das einer langjährigen Begleiterin, die ihrem Mann treu war, ihm Söhne schenkte und als seine Stütze auftrat, so dass er Karriere machen konnte. Und genau das hatte sie auch vor. Allerdings war der Gedanke schön, dass sie ihn leiden konnte, denn das konnte sie wirklich und es würde das Zusammenleben sehr vereinfachen. Obwohl Callista jeden, den ihr Onkel ihr ausgesucht hätte, angenommen und geheiratet hätte, war Marsus doch etwas besonderes. Nicht nur, weil er Germane war, sondern weil er nett war und sie miteinander scherzen konnten. Sympathisch war er ihr sowieso, denn er schien auch aufgeregt und verlegen zu sein, genau wie sie es oft war und immer, wenn jemand anderes schüchtern reagierte, fühlte sie sich etwas besser. Es machte sie stärker, wenn sie sah, dass nicht alle anderen immer so souverän waren.


    Während sie also darüber nachdachte, blickte sie ihn an und lächelte leicht vor sich hin. Sie hatte nun etwas mehr Zeit ihn zu mustern und kam sich dabei auch nicht mehr so unschicklich vor wie noch in der Casa. Er hatte braunes Haar, allerdings war es nicht so dunkel, sondern eher hell. Im Sommer würde es wahrscheinlich noch etwas heller werden. Er hatte dichtes, volles Haar, soweit sie das beurteilen konnte und heute war er frisch rasiert. Sie versuchte ihn sich mit Bart vorzustellen, aber so recht wollte ihr das nicht gelingen. Allerdings nahm sie an, dass es ihm stehen würde. Er hatte braune Augen, wie sie selbst, und sie musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass ihre Kinder wohl auch braune Augen haben würden. Und wahrscheinlich eher dunkle Haare. Ihr Blick wanderte weiter und sie sah, dass er kaum Haare an den Armen hatte, was sie gut fand. Er hatte kräftige Hände, keine schwieligen Soldatenhände, aber sie waren viel größer als ihre eigenen. Ob er eigentlich mit einer Waffe umgehen konnte? Nicht, dass ihr das persönlich wichtig gewesen wäre, aber sie nahm an, dass alle Germanen das lernten. Wenigstens ein wenig. Seine Schulterpartie war ausgeprägt, soviel wie sie sehen konnte und er hatte kräftige Arme. Er war größer als sie, was allerdings auch keine Kunst war und wenn sie darüber nachdachte, nahm sie an, dass sie genau zu seinen Schultern reichte. Was bedeutete, wenn sie sich umarmten, würden sie genau an seiner Halsbeuge ankommen. Sie wußte noch, dass sie dort immer ihren Kopf versteckt hatte, als sie noch ein Kind war und ihr Vater sie hochgehoben hatte. Bevor er sie dann auf seine Schultern setzte und sie ihn als ihr Pony verwendete. Weswegen sie ja dann irgendwann ein richtiges geschenkt bekommen hatte. Sie hatte nicht viele Erinnerungen an ihren Vater, leider, aber das war eine der am stärksten ausgeprägten. Da fiel ihr ein, dass sie relativ wenig von ihm wußte. Er hatte schon etwas von ihr erfahren, nicht viel, aber eins der wichtigsten Sachen, sie war eine Vollwaise. Lebten seine Eltern noch? Waren sie hier in Mogontiacum? Ob sie ihn danach fragen konnte? Es gab soviel, dass sie interessierte. Sie wußte nur, er war in der Stadtverwaltung, aber sie wußte nicht in welcher Position. Und sie hatte keine Ahnung ob es ihm gefiel, dass sie Priesterin wurde. Ob Verus mit ihm über sie sprach? Ihre Neugierde meldete sich wieder und sie hätte gerne gewußt, was ihr Lehrer über sie dachte. Ob er sie gegenüber Marsus lobte oder nicht. Doch das würde sie wohl nicht herausfinden können und stattdessen sprach sie lieber etwas anderes an.


    "Du sagtest das hier wäre deine Stammküche? Isst du denn nicht zu Hause oder bist du so mit Arbeit eingedeckt? Was genau machst du eigentlich. Von Balbus habe ich erfahren, dass du in der Stadtverwaltung bist. Aber was genau, das weiß ich leider nicht."

    Callista nickte, so als hätte sie eine Ahnung wer der Patron war, aber den Namen hörte sie eigentlich zum ersten Mal. Sie nippte ebenfalls an ihrem Wein und schaute einen Moment lang in der Gegend rum, sie wußte nicht recht was sagen. Ihren Auftrag hatte sie erfüllt, das Geld war sicher in den richtigen Händen angekommen. Aber dann fiel ihr plötzlich etwas anderes ein.


    "Kennst du eigentlich die Schwester von Valerian? Er meinte sie lebt hier in Mogontiacum und würde sich über Gesellschaft freuen. Leider weiß ich nicht, ob er sie über meine Ankunft informiert hat. Vielleicht hast du ja die Möglichkeit uns einander vorzustellen?"

    "Danke sehr." erwiderte Callista höflich. "Die Hochzeit wird am VIII ID MAI DCCCLIX A.U.C. (8.5.2009/106 n.Chr.) stattfinden. Hier in Mogontiacum." Sie war, je näher dieser Termin rückte, immer aufgeregter. Allerdings war viel von der Aufregung verflogen, seit sie Marsus persönlich kennengelernt hatte. "Hattest du schon persönlich mit meinem Verlobten zu tun?"


    Mit einer leisen Abneigung hörte sie sich seine Ausführungen an, sie lächelte zwar, aber sie musste immer daran denken, dass ihr Vater als Soldat gestorben war. Sie sah natürlich ein, dass es Soldaten geben musste und sie konnte einen gewissen Grad von Ehre und Ruhm erkennen - aber sie dachte eher an die Familien, die zu Hause warteten und sich sorgten. Nein, sie war schon froh, dass Marsus keine militärische Laufbahn einschlug.

    Callist hätte beinahe die Schultern gezuckt, als er sie fragte wie die germanische Küche fad sein konnte. Erstens war ja wohl er der Germane und sollte das wissen und zweiten war ihr das gesagt worden, sie hatte ja noch nichts "typisch germanisches" gegessen und konnte es demnach nicht beurteilen. Sie würde sich dann wohl einfach überraschen lassen müssen und mit der Zeit sehen, was man ihr auftischte. Jetzt galt es erstmal diesen wudnersamen Met zu probieren, um den alle soviel aufhabens machten.


    Nur Marsus natürlich nicht, der grinste lieber und erklärte ihr wie man trank. Callista erinnerte sich noch gut, seinen Bruder gefragt zu haben, ob alle Germanen trinkfest waren und ob auch die soviel Frauen tranken. Marsus jedenfalls schien geübt darin und Callista tat es ihm nach, hob ihren Becher, sagte brav "Auf uns!" und trank einen großen Schluck. Alles was danach kam, sah nicht mehr so gekonnt aus, denn sie verschluckte sich und musste die riesenmenge Alkohol schnell runterschlucken. Es kratzte etwas im Hals und war mit Wein wirklich nicht zu vergleichen, den nippte man ja eher und er schmeckte ganz anders. Callista schlug sich selbst gegen die Brust und hustete ein, zweimal ganz kurz, Vodafonis trat besorgt näher zu ihrer Herrin. Doch es war nichts ernstes, sie hatte sich einfach verschluckt. Sie blickte Marsus an und wußte nicht, ob sie eher betreten gucken sollte oder grinsen, denn sie kam sich reichlich doof vor. Stattdessen tat sie etwas für sie persönlich sehr ungewöhnliches, sie trank einfach noch einen Schluck. Diesmal aber in ihrem eigenen Tempo und vor allem in einer Menge, die problemlos runterging. Es schmeckte sehr süß, süßer als Wein, aber nicht schlecht. Irgendwie hatte es einen komischen Beigeschmack.


    "Woraus und wie macht man Met eigentlich?" fragte sie neugierig und stellte den Becher erstmal wieder ab.

    "Ja, das kann ich anscheinend." sagte Callista und grinste, während sie ihren Becher mit Met in die Hand nahm. Mit einem neugierigen Gesichtsaudruck blickte sie in den Becher und schaute dann zu Marsus. "Heißt das, du isst keine Oliven, zum Beispiel, oder Schafskäse? Aber Ziegenkäse doch bestimmt, wenn es Lammfleisch gibt muß es auch Ziegenkäse geben. Und was wäre bei deiner Familie eine typische cena?"


    Ihr Blick senkte sich wieder zum Becher und sie führte ihn einmal zur Nase um zu schnuppern. Sie war nicht ganz sicher, ob es eher süß oder herb roch und sah zweifelnd zu dem Germanen, der vor ihr saß. "Gibt es etwas bestimmtes, das man machen soll vorm Trinken? Einen Trinkspruch oder sich zu prosten oder sowas?" Immerhin war sie mehrmals gewarnt worden, dass Germanen im Zusammenhang mit ihrem Met keinen Spaß verstanden und sie wollte alles richtig machen. Gespannt sah sie zu ihrem Verlobten, der immer noch grinste und anscheinend richtig viel Spaß hatte.

    "Ja, natürlich. Sein Name ist Numerius Duccius Marsus, vielleicht kennst du ihn ja sogar. Allerdings ist er kein Soldat." meinte Callista und blickte dann ihr Gegenüber etwas genau an. "Und wie lebt es sich als Centurio hier in Germania?"