Verdauen lassen war das richtige Stichwort, denn das würde sie nun wirklich tun - tun müssen. Sie würde heiraten, sehr bald und zwar einen Germanen! Duccius Marsus, um genau zu sein. In ihren Gedanken war er immer noch "der Germane" auch wenn er einen Namen hatte, sie den sogar schon wusste und sogar auch seinem Bruder schon begegnet war. Balbus stand auf und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn, was Callista ungewollt die Tränen in die Augen trieb. Das hatte ihre Mutter früher auch immer gemacht und sie war so stolz, dass Balbus stolz war. Das war etwas, dass ihr sehr wichtig war, dass ihr Onkel und damit im weitesten Sinne ihre Familie und ihre Eltern mit ihr zufrieden waren. Ihr privates Glück war ganz stark mit den Wünschen und Vorgaben ihrer Familie verknüpft. Sie liebte ihren Onkel sehr und hatte es keine Sekunde bereut, dass ihre Mutter es so arrangierte hatte, dass sie nun hier lebte. Er hatte sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht, das war ja offensichtlich gewesen und Callista tat es gut zu wissen, der Grund für soviel Nachdenkerei zu sein. Zumal er ihr auch eine Leibsklavin kaufen wollte! Sooo viel Geld, nur damit sie Gesellschaft hatte!
Als sie wieder alleine in ihrem Cubiculum war, warf sie sich mit einem Seufzer aufs Bett und starrte die Decke an. Heiraten! Heiraten! Heiraten! Es war völlig klar, dass dieser Schritt hatte kommen müssen und sie wäre sicherlich schon längst verheiratet gewesen, wenn ihre Mutter nicht ihre Gesellschaft bis zum Ende auskosten wollte. Die Parentalia waren noch nicht lange vorbei und das Bild ihrer Eltern stand noch immer hier im Raum, es half der jungen Prudentia ihre Gedanken zu sortieren und Zwiesprache zu halten. Besonders mit ihrer Mutter. Wie gerne hätte sie die Brünette jetzt an ihrer Seite gewusst! Es gab so viele Dinge die sie als Braut vor der Hochzeit tun musste und die ganzen Vorbereitungen waren alleine nicht zu bewältigen. Ob ihre Tante Vespa sie begleiten und anleiten würde? Sie war ja schließlich selbst erst kürzlich verheiratet und kannte die Rituale, besonders da diese von einer verheirateten Frau ausgeführt werden mussten. Thalna fiel somit raus, auch wenn Callista ihre Großtante wirklich gerne dabei haben würde. Sie hoffte, dass Balbus sich die Zeit nehmen konnte ebenfalls nach Germanien zu kommen, wenn erst mal ein Tag bestimmt war.
Ob es ihr vergönnt war diesen Germanen, Marsus, erst etwas näher kennenzulernen? Vielleicht wäre es möglich, dass sie gelegentlich einen Spaziergang machten oder sie sonst wie Zeit verbrachten, natürlich unter Aufsicht von Vodafonis. Die schwarzhaarige Sklavin war zwar nicht unbedingt eine angenehme Gesellschafterin zu nennen, doch Callista mochte sie und kam gut mit ihr aus. Die ältere und somit erfahrenere Sklavin würde ein gutes Auge auf sie werfen und zu verhindern wissen, dass sich Callista daneben benahm. Etwas, dass zu ihren größten Ängsten gehörte. Ungewollt oder Unbewusst einen Fehler zu begehen und dem Ansehen der Familie zu schaden. So dankbar wie sie war, konnte sie das ihrem Onkel wirklich nicht antun. Außerdem war Vodafonis eine ganz begnadete Baderin und Callista dachte immer gerne an ihr erstes Bad in dem prudentischen Anwesen zurück. Dabei fiel ihr ein, dass sie unbedingt wieder eine Rasur brauchte und überhaupt; vor der langen Reise wäre ein ausgiebiges Bad sicherlich noch mal eine Wohltat. Obwohl es ja auch in Mogontiacum eine Therme gab und Callista würde dort sicherlich gerne einmal hingehen. Vodafonis würde sich freuen, wenn ihre Tage von nun an etwas entspannter werden würden. Sie brauchte lediglich die Sklaven im Haus in Mogontiacum beaufsichtigen und dafür sorgen, dass es Callista gut ging. Aber selbst brauchte sie keine schweren Aufgaben mehr erledigen. Ob sie sich darüber freuen würde?
Ob sich Marsus freuen würde? Sein Familienoberhaupt, Duccius Lando, hatte doch in seinem Brief noch einen anderen Namen genannt. Einen germanischen… wie war der denn nochmal? Callista fiel zu allererst einmal das erste und bisher einzige Wort ein, dass sie auf germanisch konnte; Heilsa. Das sagte man zur Begrüßung. Wi … Wi … Witjon, ja, das war es! Zwei Namen für einen einzigen Mann. Welchen er wohl bevorzugte? Schließlich arbeitete er auch in der Stadtverwaltung und demnach musste es viele geben, die seinen römischen Namen verwendeten. Eburnus hatte sich schließlich auch ausschließlich mit seinem bürgerlichen Namen vorgestellt. Wie schade, dass sie bei seinem Besuch noch nicht gewusst hatte, dass sie seinen jüngeren Bruder heiraten würde. Sie erinnerte sich zwar noch gut, wie Eburnus sich benommen hatte und wie er ausgesehen hatte, aber dennoch. Ob Marsus ihm ähnlich war? Sie wusste ja nicht viel, nur dass er nicht so kriegerisch war sondern eben in der Politik und Verwaltung der Stadt arbeitete und ehrgeizig sollte er sein. Ob er mal ein Amt in Rom annehmen würde? Dann wäre sie wieder in der Nähe ihrer Familie. Oder aber, er war so mit seiner Heimat verbunden, dass er in Germanien bleiben würde. Was im Grunde auch ok war, denn eine Frau war nun mal bei ihrem Mann. Das war so und das würde Callista auch nicht ändern.
Sie seufzte noch einmal und realisierte, dass ihre Hände auf ihrem Bauch lagen, während sie immer noch die Decke anstierte. Sie würde irgendwann, in absehbarer Zeit, Mutter werden! Der Gedanke war bisher neu und Callista schmunzelte. Auch etwas, dass von vornherein klar gewesen war, worüber man sich aber nur selten Gedanken machte. Mit der Hochzeit und der Ehe kam auch eine Mutterschaft in greifbarer Nähe und Callista hoffte inständig, dass Iuno sie mit einer leichten und vor allem erfolgreichen Schwangerschaft segnete. Am liebsten hätte sie ja mehrere Kinder, denn sie hatte sich selbst oft einsam gefühlt in ihrer Jugend. Das wollte sie ihren Kindern gerne ersparen. Obwohl, bis dahin war es wahrscheinlich doch noch etwas Zeit. Was war denn, wenn Marsus sie gar nicht wollte? Hatte man ihre Verlobung schon eintragen lassen? Würde er sie abweisen oder seiner Familie treu sein und sie nehmen, auch wenn er sie nicht wollte? War sie attraktiv?
Callista stand auf und trat vor den Spiegel, der auf einer Kommode stand. Sie konnte nicht ihren gesamten Körper in der blankpolierten, dunklen Fläche sehen, aber genug Details erkennen um sich einmal ganz kritisch anzusehen. Ihre Haarfarbe war ihr immer noch ein Graus, aber sie hoffte er mochte sie. Vielleicht waren rötlich-braun-blonde Haare in Germanien ja beliebter als hier? Oder sie konnte sie aufhellen, so wie Valerian das erzählt hatte, was viele Germanen tat um etwas blonder zu sein? Ihre großen, rehbraunen Augen mochten Callista dagegen sehr, ebenso die Sommersprossen. Sie hatte welche auf Wangen und Nase, aber auch den Schultern und im Dekolleté. Obwohl sie sicherlich nicht mehr so auffallen würden wenn sie einen germanischen Winter hinter sich hatte. Den Göttern sei Dank war das aber noch eine Weile hin, sie würde ja im Frühjahr dort ankommen und konnte das Land kennenlernen, ohne sich durch meterhohen Schnee kämpfen zu müssen. Sie schmunzelte. Alles war so neu und aufregend.