Von jetzt gehts auf die 30 zu
Also feier schön, lass dich reich beschenken
Und sollte es jemand wagen, dich alt zu nennen….
…. schlag ihn mit deinem Krückstock und wirf ihm dein Gebiss hinterher
Von jetzt gehts auf die 30 zu
Also feier schön, lass dich reich beschenken
Und sollte es jemand wagen, dich alt zu nennen….
…. schlag ihn mit deinem Krückstock und wirf ihm dein Gebiss hinterher
Elfleda beäugte das Gesinde von Maecenas neugierig und blickte verwundert auf den Altar. Er war aus herrlichem Stein geschaffen und bestimmt sehr wertvoll. Allerdings verstand sie nicht ganz, warum dieser hier stand. Der alte Baum im Garten war gewiss ein heiliger Platz, aber so sehr, dass man einen Altar auch aufstellen musste und es kein Steinkreis tat? Allerdings wollte sie auch nicht fragen, vielleicht war das ja wieder eine eher römische Sitte, und sie war sich ja des Wertes des Steines doch bewusst. Außerdem schienen seine Glückwünsche wirklich von Herzen zu kommen.
Doch mehr noch als diesen Stein überreichte er sowohl Lando als auch Elfleda eine Truhe. Zuerst sah sie ein wenig verwirrt darauf, doch dann öffnete sie die Truhe neugierig. Sie öffnete den Deckel leicht und klappte ihn gleich wieder etwas erschrocken zu. Hilfesuchend schaute sie kurz zu Lando, ehe sie die Truhe noch mal öffnete. Darin war ein Schmuckstück, wirklich schöner Schmuck. Und das bekam sie von einem eigentlich Fremden.
Ihr erster Impuls war eigentlich, das Geschenk wieder zurückzugeben. Das musste doch Unsummen gekostet haben! Und dann noch ein Gewand für Lando, was sie aus den Augenwinkeln sah, und noch der Altar! Entweder war Landos Freund wirklich sehr reich, ihrem Mann sehr verbunden oder er musste verarmen, um ihnen das hier schenken zu können.
In ihrem Dorf war ihr Brautpreis für wahnsinnig hoch gehalten worden, aber wenn sie sah, was sie nun von den einzelnen Menschen geschenkt bekam, das war beinahe genauso viel. Wären sie in Germania Magna, wären sie mit den ganzen Geschenken heute reich genug, ein kleines Dorf zu gründen. Und hier schenkten alle solche Kostbarkeiten mit scheinbarer Leichtigkeit.
Sie sah noch einmal zu Lando, aber es schien wohl in Ordnung, dass sie das Geschenk wirklich annahm. Um ihren Gast nicht noch durch ihre Zögerlichkeit zu beleidigen, bemühte sie sich, ihm endlich Antwort zu geben.
“Es ist wirklich sehr schön. Ich weiß nicht, was ich soll sagen. Ich danke dir für diese…“ Verdammt, welches Wort benutzten Römer für Schätze und Kostbarkeiten? Elfleda wusste, dass sie es kannte, aber es war ihr entfallen. “Für dieses Geschenk.“
Sie musste eindeutig die Sprache besser lernen, und herausfinden, wie reich die Römer wirklich waren. Solch teure Geschenke hatte sie noch nie erhalten.
Als Oda an die Reihe der Gratulanten kam, wurde Elfleda fast ein wenig schwermütig. Nun waren die Rollen fast vertauscht wie vor einigen Jahren. Nun, sie war nicht Odas Brautfrau gewesen, wie denn auch, aber da hatte sie vor ihrer Freundin gestanden und ihr sowas wie ein Abschiedsgeschenk gegeben, das als Hochzeitsgabe nur getarnt war. Und nun stand Oda da und schenkte ihr etwas zu ihrer Hochzeit und würde morgen oder spätestens übermorgen zurückreisen.
Elfleda hatte sich ganz fest vorgenommen, nicht zu weinen. Es war ihre Hochzeit, da wollte sie fröhlich sein und nicht heulen wie ein Kind. Es war der glücklichste Tag ihres bisherigen Lebens, da heulte man nicht.
Aber als Oda ihr die Borten überreichte und Elfleda über die liebevoll angebrachte Stickerei mit ihren Daumen strich, konnte sie sich nicht ganz an ihren Vorsatz halten. Ihr Augen glänzten, auch wenn sie noch tapfer dagegen ankämpfte, dass wirklich eine Träne kullerte. Bevor sie sich doch noch blamierte, zog sie Oda einfach in schwesterlicher Umarmung an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
“Das ist wirklich ein wundervolles Geschenk. Ich werde sie an mein liebstes Kleid nähen.“ Damit hätte sie immer etwas von ihrer Freundin in ihrer Nähe.
Elfleda unterdrückte ein Schniefen und entließ Oda aus ihrer Umarmung, wenn man der jungen Braut auch ansah, dass es ihr schwer fiel. Aber sie wollte nicht weinen, nicht heute. Nicht, nachdem sie sich soviel Mühe gegeben hatten, sie so herzurichten, damit sie strahlen konnte.
Der Name Aelia sagte Elfleda nicht das geringste. Wenn jemand ihr erzählt hätte, dass der römische Kaiser aus dieser Sippe stammte, hätte sie nur schulterzuckend ihr Unwissen zeigen können. Überhaupt waren die römischen Namen schrecklich verwirrend für sie, und im Moment waren ihre Gedanken ohnehin völlig ungeordnet vor lauter Freude. So fiel ihr auf, dass ihr Mann – oh, diese Phrase hörte sich gut an. Ihr Mann! – Witjon erwähnte. Sie mussten aus derselben Sippe stammen wie die Verlobte ihres neu verschwägerten Vetters. Oder aus welchem Grund sollten sonst die Namen von ihm und Callista fallen?
“Ich danke euch für eure Glückwünsche.“ meinte Elfleda erst auf Latein. Die Frau hatte zwar gebrochen germanisch gesprochen, allerdings hatte sie keine Ahnung, wie viel der Mann verstehen würde, der nur Latein gesprochen hatte. Und auch ihr Mann hatte in diese Sprache gewechselt, bei der sie nicht immer alles verstand und sich nicht blamieren wollte.
“Feiern die Römer so anders?“ fragte sie neugierig. Sie hatte keine Ahnung, bislang hatte sie nur Geschichten gehört. Und die meisten davon waren eher dergestalt gewesen, dass die Römer weniger Tugend besäßen als die Germanen. Allerdings hatte Elfleda von ihrem Onkel genug in punkto Politik gelernt um zu wissen, dass man keiner Geschichte glauben durfte, obgleich man sie sich alle anhören sollte.
Das Schwert steckte im Balken, das Fest war eröffnet. Lando gab ihr wieder einen Kuss und verlangte danach nach seinem Bier, was mit Lachen quittiert wurde. Bei dem dargebrachten Trinkspruch nahm auch Elfleda einen Schluck aus einem ihr angebotenen Humpen, allerdings trank sie wirklich nur einen schluck und nicht alles, erst recht nicht auf Ex. Danach stieg sie von dem Tisch und wartete, bis Lando – natürlich nach seinem Krug Bier, der am Boden zerschellte – ebenfalls herabkam. Lachend zog sie ihn an sich, umarmte ihn leicht um die Hüften und gab ihm einen neckischen Stups mit der Nase am Kinn.
“Kann mein Mann denn auch tanzen?“ fragte sie ihn leichthin und neckisch, während die Spielleute sich schon mächtig ins Zeug legten. Vielleicht war das kein Lied, zu dem man unbedingt auf einer Hochzeit tanzte, aber sie würden sicher noch das ein oder andere Lied kennen, das dafür besser geeignet war. Und immerhin war das hier eine Hochzeit, es war Hohen Maien, es war Frühling. Da sollte getanzt werden, fand Elfleda.
Noch bevor sie von Lando wirklich eine Antwort zuließ, ging sie auch schon zu der freigelassenen Fläche, die extra fürs ausgelassene Feiern freigeblieben war, und zog ihren Bräutigam freudestrahlend mit sich.
“He da! Spielt etwas fröhliches! Es ist Mai!“ wies sie die Spielleute lachend an und wartete auf die ersten Takte der Trommeln und Flöten, die daraufhin angeschlagen wurden. Fröhlich griff sie ihren Mann bei den Händen und begann den leicht hüpfenden Tanz. Zwei leichte Schritte links, dann wieder rechts, um ihn schließlich kurz loszulassen und sich ausgelassen einmal um sich selbst zu drehen.
Elfleda hoffte, die Gäste würden einfallen in den lustigen und freien Tanz. Sie fühlte sich so ausgelassen und fröhlich, dass sie gar nicht einfach nur still dasitzen hätte können.
Aber auch wenn nicht, war es ihr egal. Sie war nun endlich verheiratet. Das Leben war einfach wundervoll.
Als erstes kam Arbjon zu ihnen, um ihnen zu gratulieren und Geschenke zu überreichen. Diese waren eingepackt, eine Sitte, die Elfleda so nicht kannte. Sie kannte Verpackungen eigentlich nur, damit das, was darunter lag, keinen Schaden nahm, und so war sie gleich zweifach angetan von dieser netten Überraschung und öffnete ganz vorsichtig die Hülle um das Geschenk, das wohl für sie bestimmt war.
“Sie ist wunderschön…“, meinte Elfleda verzückt, als sie die wundervoll geschnitzte Wiege sah, die zum Vorschein kam. Wenn die Götter ihnen wohlgesonnen waren, würden sie diese auch in zehn Monden brauchen. Zumindest hoffte das die frischgebackene Ehefrau. “Ich danke dir, Arbjon, ein wirklich wundervolles Geschenk.“
Und mehr noch, zeigte es doch, dass sie wirklich in der Familie angenommen war, wenn selbst Landos Vetter etwas bereitstellte für die Kinder, die aus dieser Ehe hervorgehen würden. Elfleda lächelte glücklich und schaute gerade neugierig, was die anderen beiden Geschenke wohl waren, die Lando bekommen hatte, als Ragin herankam und sie auch gleich beschenkte.
“Eine schöne Truhe, Ragin“, meinte Elfleda lächelnd, ehe sie den Deckel der Kiste anhob und etwas verwirrt auf den Stoff schaute, der hervor kam. So ein dünnes und glänzendes Material hatte sie noch nie gesehen. Schüchtern holte sie es ein stückweit aus der Truhe und war überrascht, wie kühl sich der Stoff anfühlte. Es war wirklich unheimlich dünn für ihre Begriffe, etwas so fein gesponnenes hatte sie im Leben noch nicht gesehen. Wie sollte das alles wichtige verdecken?
“Es ist… sehr… fein“, bemühte sie schließlich ihr diplomatisches Geschick und lächelte Ragin aufmunternd zu. “Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es ist ein wirklich sehr interessanter Stoff.“ Den sie wohl nie tragen würde, außer sie fand noch ein passendes, dickeres Untergewand irgendwo in der Truhe. Dass der Chiton für Lando sein könnte, auf die Idee kam sie noch nicht einmal, hatte der Stoff doch eher den Anschein eines Kleides.
Als sie sich ganz langsam einander näherten, stellte Elfleda sich ganz leicht auf die Zehenspitzen. Ihr Mann war größer als sie, und für den Kuss, ihren ersten Kuss, wollte sie ihm gerne entgegenkommen. Ihre Augen schlossen sich langsam, als Lando in einer schnellen Bewegung sie in seine Arme schloss und leidenschaftlich an sich zog, sie leicht nach hinten sinken ließ, so dass sie in seinen Armen lag.
Und er küsste sie, küsste sie, küsste sie. Noch nie hatte sie solch einen Kuss erhalten. Ihre Knie fühlten sich ganz weich an, und sie hielt sich leicht an seinen starken Schultern fest, ließ sich zurücksinken in seinen sicheren Halt und schloss einfach die Augen. Die Zeit schien still zu stehen und es gab nur sie beide, und nichts wollte sie lieber als so in seinen Armen zu liegen und sich küssen zu lassen.
Als Lando sie schließlich wieder loslassen wollte, schmiegte sie sich einmal noch ganz leicht an ihn. Jede Ungeduld, die sie bislang in Bezug auf ihre Vermählung über die Jahre verspürt hatte, war nichts im Vergleich zu der, die sie jetzt spürte. Sie konnte kaum erwarten, in jeder Beziehung seine Frau zu werden.
Sie stand auf zittrigen Beinen und drehte sich mit aufgelöst glücklichem Gesichtsausdruck nach Oda um. Sie sah ihre Brautfrau an und musste als ersten Impuls erst einmal ein bisschen schief grinsen, ehe sie sich vorsichtig und langsam zum äußeren Ring aufmachte, um Schwert und Ring für Lando zu holen.
Lando übergab ihr zuerst sein Schwert, und den feierlichen Worten angemessen ernst nahm sie es vorsichtig entgegen, wiegte es in beiden Händen und hielt es sich schließlich mit der Spitze nach unten vor den Oberkörper. Sie hielt es sanft über ihren Leib und nahm dann das von Oda bereitgehaltene Schwert entgegen, das sie ihm als erstes Geschenk überreichen würde.
“Und ich überreiche dir dieses Schwert meiner Familie. So wie ich dir treu zur Seite stehen will in Zeiten der Not und Gefahr, soll es dir treu zur Seite sein und dir guten Dienst erweisen, wenn du es brauchst.“
Das Schwert war sichtbar etwas älteren Datums. Die Klinge war zwar sauber geschärft und gewetzt worden, doch sah man, dass es schon einige Kämpfe überstanden haben musste. Eine gute Klinge, die nicht gebrochen war, keine neue, die sich erst beweisen musste. Lediglich der Griff war mit frischem Leder umwickelt worden, so dass er sich an die Hand seines neuen Besitzers anpassen konnte.
Lando steckte ihr den Ring an den Finger, und Elfleda schaute kurz ein wenig verwirrt darauf. Sie hatte erwartet, dass er aus Gold wäre, wie es ihrem Stand angemessen war, aber seine Worte entschädigten sie voll und ganz dafür. Überhaupt, sie war viel zu glücklich, um sich jetzt darüber Gedanken zu machen.
Sie ließ sich nun von Oda auch den Ring übergeben, den sie Lando anstecken wollte. Dieser war aus Eisen, und sie hoffte, er passte. Eigentlich wollte sie zunächst einen aus Gold fertigen lassen, aber ihr Vater meinte, Eisen passe besser, da es das Leben eines Germanen häufiger begleite als das Gold und einen tieferen Wert hatte. Als Größenmaß hatte die Hand ihres Vaters hergehalten, und Elfleda war nun leicht nervös, als sie ihn Lando ansteckte. Aber er passte über seine Knöchel und war weder zu eng noch zu weit.
“Ohne Anfang und ohne Ende wie dieser Ring, so soll unsere Liebe sein. Unerschütterlich, treu und ewig wie das Eisen, aus dem er geschaffen.“
Ganz leicht strahlend blickte Elfleda wieder auf in Landos Augen, der sie wieder küsste. Diesmal erwiderte sie schon leidenschaftlicher seine Berührung und hoffte, dass das Fest nicht allzu lange dauern würde. Sie wollte bei ihm sein.
Der Gode entzündete das Feuer, und Elfleda wollte schon leicht das Kleid reffen, damit es nicht angesengt wurde, als Lando sie plötzlich hochnahm in seine Arme. Ein kleines, überraschtes “Huch“ entfuhr ihr, als sie sich an ihm festhielt. Mit einem kleinen, schnellen Anlauf schließlich war er über das Feuer gesprungen und hatte sie dabei auf Händen getragen, nur um sie anschließend noch einmal zu küssen, ehe er sie wieder herunterließ.
“Du machst mich ja ganz verlegen“, meinte sie leise und lächelnd, ehe sie nun ihn sanft küsste. “Aber das mag ich.“
Sie blickte ihm nur strahlend und lächelnd in die Augen und wäre glücklich gewesen, einfach nur so mit ihm zu stehen und ihm nahe zu sein. Mit ihrem Mann.
Mit immer größerem Herzklopfen lauschte Elfleda ernt dem Goden, der die Götter anrief und verfolgte das Opfer. Das Blut auf ihrem Nasenrücken fühlte sich warm und klebrig an, aber sie keine Ruhe, sich darüber Gedanken zu machen. Mit einem weißen Tuch wurden ihre und Landos Hände leicht aneinander gebunden, und dann war es an Lando, ihre Verbindung mit einem Eid zu bekräftigen.
Er schwieg eine ganze Weile. Elfleda spürte die Trockenheit in ihrer Kehle, hörte das Hämmern ihres nervösen Herzens, fühlte, wie ihr Körper gerne zittern wollte, was sie aber unterdrückte. Sie sah einfach in Landos braune Augen und wartete.
Bei seinen ersten Worten schließlich ging ein leichtes Zucken durch ihren Körper, und die Anspannung wuchs noch. Doch dann hörte sie seinen schwur, fühlte seine Hände unter dem Tuch, die sanft über ihren Handrücken streichelten, sah den Ernst in seinen Augen. Die Nervosität verflog, und machte einem anderen Gefühl Platz. Und je länger sie ihm zuhörte, umso mehr Raum nahm dieses Gefühl in ihr ein. Da war kein Zweifel mehr und keine Traurigkeit, ihre Sippe verlassen zu müssen. Auch keine Angst und keine Sorge, wie ihr Leben hier sein würde. Nicht einmal mehr die Nervosität vor der Nacht war mehr da. Alles verschwand in diesem großen Gefühl der Sicherheit und der Gewissheit, dass alles gut werden würde. Und als er schließlich sagte, dass er sie liebte, war sie so gerührt, dass sie ihn am liebsten einfach nur geküsst hätte.
Sie blickte ihm einfach nur verzaubert in seine Augen, als es an ihr war, zu sprechen. Da gab es keine Zeremonie mehr, keine Gäste, die auf ihren Schwur warteten, auch keinen Goden und wartende Götter. Einen Moment lang gab es nur Lando in ihrem Leben und seine treuen, braunen Augen.
“Ich liebe dich“, waren schließlich die ersten Worte, die sie zustande brachte. Nicht unbedingt der traditionellste Anfang, aber ab da hatte sie wenigstens ihre Sprache wieder gefunden. “Ich liebe dich. Und ich will deine Frau sein. Und hätte ich die Wahl zwischen allen Männern der Welt, ich würd’ keinen anderen an meiner Seite haben wollen als dich, Lando Landulfssohn.“
Sie blickte kurz hinunter auf das Tuch, das ihre Hände verdeckte, die die seinen mit den Fingern leicht streichelten. Sie musste verliebt lächeln, es ging gar nicht anders, und blickte wieder in seine Augen.
“An deiner Seite will ich sein all mein Lebtag, will dir beistehen, wann immer du mich brauchst. Ich will dir ein Heim bereiten, das die Liebe widerspiegelt, die ich für dich fühle. Ich will dich ehren als meinen Mann, und Freud und Leid mit dir teilen. Keine Macht der Welt soll mich von deiner Seite weisen können, kein Schicksal mich von dir trennen.
Jeden Kummer will ich dir nehmen, jede Prüfung mit dir bestehen. An meiner Seite sollst du stets Ruhe und Kraft finden. Nie will ich dich von mir weisen, jeden Herzschlag will ich dich in meinen Gedanken tragen, so wir doch zwei Herzen sind, die wie eines schlagen.
Dir will ich treu sein alle Zeit, und mit der Hilfe der Götter, die Zeuge dieses Bundes sein sollen, will ich dir Kinder schenken, auf dass sie lebende Abbilder unserer Verbundenheit sein sollen. Das schwöre ich, Elfleda Sarwolfstochter.“
Sie machte einen minimalen Schritt auf Lando zu, um ihm noch ein wenig näher zu sein. Zwar standen sie schon direkt sich gegenüber, aber diese wenige Fingerbreit wollte sie ihm einfach näher sein.
“Ich liebe dich, und werde dich immer lieben.“
Der Römer sprach mit ihr, aber irgendwie sprach er plötzlich betont deutlich und langsam. Hatte er gemerkt, dass sie Probleme mit seiner Sprache hatte? Ein wenig war das Elfleda ja schon peinlich, immerhin wollte sie an der Seite ihres Mannes stehen und ihn unterstützen, und nicht in seinem Schatten, stotternd und schüchtern, um sich führen zu lassen. Da gehörte auch ein wenig dazu, dass sie auch die neue Sprache schnell lernte und sich eben nicht mit mangelhafter Wortwahl disqualifizierte.
Dennoch war sie nicht ganz undankbar, denn so verstand sie wenigstens, was Glabrio meinte. Auch wenn sein Kompliment an sie doch recht zweifelhaft war, konnte man es doch auch als Misstrauen gegen ihre Tugendhaftigkeit interpretieren. Aber vielleicht verstand Elfleda es auch nicht ganz richtig, daher war sie weit davon entfernt, ihm das irgendwie krumm zu nehmen.
“Ich danke dir, für deine lieben Worte. Ich hoffe, wir haben später mehr Zeit, uns zu unterhalten.“ Sie versuchte, die Worte etwas flüssiger als gewöhnlich zu sprechen, damit man ihr nicht anmerkte, dass sie sich diese erst kurz hatte zurechtlegen müssen und über ihre mangelnde Sprachkenntnis hinwegtäuschte. Auch wenn sie fürchtete, dass es dafür bereits zu spät war.
Der begossene Krieger, der das ganze zum Glück mit Humor nahm, wurde ihr schließlich richtig vorgestellt. Er war Landos Vetter? Und Ubier und trug eine römische Rüstung? Noch dazu wohl eine ganz besondere, auch wenn Elfleda das nicht wissen konnte. Die Sippe Wolfriks verzweigte sich offenbar weit und hatte schon früher wohl viel Stammespolitik betrieben. Amisvarier, Ubier, Heruten, und nun kam sie als Mattiakerin dazu. Es war wohl wirklich sehr durchmischt.
Wobei ihr eigener Stammbaum wohl auch etwas durchwachsen war. Ihre Mutter war zwar ebenfalls Mattiakerin gewesen, deren Mutter aber eine Chattin. Und ihre Urgroßmutter väterlicherseits soll eine Suebin gewesen sein, aber das wusste Elfleda nicht mehr so genau.
Arbjon auf germanisch zu begrüßen viel ihr wiederum um einiges einfacher als den Römer auf Latein, der sich nun mit Phelan unterhielt, nachdem er Lando ein Zeichen auf die Stirn mit dem Daumen gemalt hatte. Vielleicht war es irgendein kleiner Schutzzauber oder dergleichen, Elfleda machte sich darum keine Sorgen.
“Es freut mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen, Arbjon. Ich wusste gar nicht, dass die Sippe Wolfriks so verzweigt ist. Ich sehe schon, ich werde noch einiges lernen müssen. Aber wenn die Nornen schon so gut entschieden haben, werden sie mir dabei sicher auch helfen, damit ich ihren Willen erfülle.“
Sie zwinkerte leicht schelmisch, um anzuzeigen, dass sie es nur halb ernst meinte und lächelte offen. Überhaupt lächelte und lachte sie heute sehr viel.
Lando lud den Petronier noch ein, auch hier zu übernachten. Die Casa war wirklich sehr groß, wenn sie noch Gäste aufnehmen konnten, wo Elfledas Sippe schon auf umliegenden Gehöften übernachten musste. Aber Glabrio war ja auch nur ein Mann und konnte bestimmt irgendwo dazugesteckt werden, dachte sich Elfleda leichthin. Die Vorstellung von eigenen Zimmern für einen einzelnen Gast war ihr zu fremd, um daran auch nur zu denken.
Sveja kam auch gleich vorbei und meinte, sie wolle es Albin sagen. Elfleda hatte den Mann am Abend zuvor nur sehr flüchtig kennengelernt, aber sie hoffte, das würde sich nach der Hochzeit dann ändern. Sie wollte ja alle von der Sippe vernünftig kennenlernen, auch das Gesinde. Und dann kommandierte sie Arbjon noch mit sich in die Küche, so dass Elfleda kurz schmunzeln musste. Klang fast so, als hätten hier im Haus die Frauen das Regiment. Ganz so, wie es sich gehörte ( ).
Jetzt musste Elfleda doch wirklich von Herzen grinsen, während sie den beiden Männern so zuhörte. Sie nahm ebenfalls einen schluck, als angestoßen wurde und grinste noch mehr, als Lando sie so ernst von der Seite anschaute.
“Nun, Harlif, wenn dem so ist, sollte ich dich häufig zum Essen einladen. Immerhin ist es als Gast ja fast deine Pflicht dann, uns mit einigen Geschichten vergangener Zeiten zu unterhalten.“
Frech blitzten ihre Augen einmal zu ihrem Bräutigam hinüber, und sie lächelte ihn offenherzig an. “Und die erlogenen Geschichten sind immer noch die besten. Du solltest mal Eike nach dem Fisch fragen, den er gefangen haben will.“
Kurz bekam Elfledas Lächeln einen minimalen Dämpfer, als sich der Gedanke einschlich, dass diese Geschichte heute wohl noch würde erzählt werden müssen, weil Eike sonst wieder weg wäre. Aber das währte nicht einmal einen Herzschlag lang, dafür war die Stimmung hier viel zu fröhlich.
“Vielleicht fällt dir ja heute Abend schon eine passende ein. Ich will doch meinen Mann richtig kennenlernen“, scherzte sie gänzlich unbefangen und schenkte Lando einen neckischen Blick.
Elfleda hätte nicht gedacht, dass das alles so anstrengend. Als Lando ihr also einen Becher mit Wasser reichte, war sie sehr dankbar darüber. Auch wenn er das in gefährlicher Nähe zu Rodrik machte, der sie am Ende noch bemerkte. Aber einen Schluck zu trinken konnte sie vertragen. Sie redete so viel und lernte so viele neue Leute kennen, die sie auch alle als Landos Freunde ordentlich begrüßen wollte, dass ihr schon ganz schwindelig dabei wurde. Und dabei war sie ja durchaus auch größere Feste gewohnt, wenn sich ihr Dort mit den Nachbardörfern getroffen hatte, zu Litha oder auch zu Beltane und Hohen Maien. Die heutige Maifeier war nur etwas anders als sie es zuhause gewesen wäre.
Zuhause… zum ersten Mal am heutigen Tag wurde Elfleda ein klein wenig schwermütig, als sie darüber nachdachte. Jetzt war das hier ihr zuhause, nicht mehr das Dorf einen halben Tagesritt nördlich von hier. Dorthin würde sie wohl so schnell nicht zurückkehren, wenn sie es überhaupt noch mal wiedersehen würde.
Vielleicht hatte sie kurz seltsam geschaut, denn Lando fragte sie beinah sorgenvoll, ob alles in Ordnung sei. Er berührte sie sogar sanft an der Wange und am Hals, und sanft lächelnd schloss Elfleda einen Moment dankbar die Augen.
“Ja, es ist nur ein wenig anstrengender, als ich gedacht hätte. Aber es geht mir gut.“
Sie öffnete gerade die Augen, um ihn liebevoll anzuschauen, als er sich umdrehte und der kurze Moment der Zweisamkeit in diesem Trubel ein Ende fand. Verdammt, er hatte ihn entdeckt. Und schlimmer noch, Lando kannte ihn. Und noch schlimmer, er bat ihn her. Aber am allerschlimmsten, er wusste, dass sie Rodrik auch schon kannte.
Ob sich die Geschichten schon rumgesprochen hatten, oder was hatte Roderik wohl erzählt? Sie würde ihn wohl so schnell nicht vergessen. Wenn sie sich recht erinnerte, war das auch an Hohen Maien gewesen, einige Jahre zurück, als sich ihre Sippen getroffen hatten, um zu feiern. Roderik natürlich hatte nichts besseres zu tun gehabt, als sie anzugraben. Wenn es wenigstens charmant gewesen wäre, aber irgendwie war dabei ein ziemlich seltsames Konstrukt rausgekommen, das Elfleda wenig geschmeichelt hatte. Sie versuchte lieber nicht, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern.
Nachdem sie ihn verscheucht hatte, hatte er etwas mehr getrunken, als gut für ihn war und zum krönenden Abschluss ihrer Cousine Emma auf den Rock gekotzt. Und das war nur eine der Gelegenheiten, an denen sie ihn kennenlernen durfte.
“Danke, Rodrik“, meinte sie etwas kurzangebunden, ehe sie sich an ihre Manieren erinnerte und auch ein wenig lächelte. Das hier war eine Hochzeit, und wenn er geladen war, gehörte er auch dazu. Hätte sie am gestrigen Tage beim Brautlauf genau hingesehen und wäre nicht von den ganzen Eindrücken der Stadt erschlagen gewesen, hätte sie ihn da vielleicht schon bemerkt, aber das hatte sie nicht und hatte daher auch keine Ahnung, dass er zur Familie gehörte. “Deiner Mutter geht es gut? Ich habe sie schon so lange nicht mehr gesehen.“
Rodriks Mutter war Elfleda in besserer Erinnerung. Das war eine mattiakische Frau von Adel, die sich ihres Standes auch bewusst war und sich auch so zu geben wusste. Mit ihr hatte sich Elfleda immer gern unterhalten.
Eine Frau kam hinzu, die in einem germanischen Dialekt fragte, ob noch jemand etwas brauchte. Zumindest, wenn Elfleda es richtig verstand, wenn sie raten müsste, würde sie sagen, die Frau sprach Ubisch. Elfleda hatte sich nicht gemerkt, ob sie zum Gesinde der Familie gehörte oder eine Arbeiterin von außerhalb war, die etwas verdiente, dennoch schwenkte ihre Laune ins Freundlichere und Sveja bekam ein aufrichtigeres, kleines Lächeln geschenkt.
“Für mich nicht. Aber du kannst meinen Becher wieder mitnehmen.“
Hierhin, und dorthin, hier eine Begrüßung, dort ein Händeschütteln, an der einen stelle ein Lächeln, an der nächsten ein aufmerksamer Blick… Elfleda kam sich bald vor, als hätten Lando und sie zum Thing der Stämme zur Sommersonnenwende gerufen. So viele Leute überall und allerorten, Elfi wurde schon ganz schwindelig davon. Gerade gingen sie und Lando wieder weiter, um zu schauen, ob sie noch wen entdeckten, mit dem sie als Brautpaar reden sollten, als Elfleda jemanden entdeckte, den sie kannte.
Oh nein, nicht DER!, schoss es ihr durch den Kopf. Was machte denn DER hier? Wer hatte DEN denn nur eingeladen? Sie war es ganz sicher nicht, und ihre Sippe wohl auch nicht, auch wenn er auch Mattiaker war. Aber was für einer! Ein Wunder, dass ihn noch niemand erschlagen hatte, wenn man Elfleda fragte.
Fast beiläufig zog Elfleda Lando leicht am Arm mit sich, so dass sie eine Richtung so einschlugen, dass er zwischen ihr und Roderik stand und sie hoffentlich großteils verdeckte. Die Taktik war vielleicht ein wenig albern, immerhin würde er wissen, dass sie die Braut war. Immerhin war er auf ihre Hochzeit gekommen. Aber dennoch vermied sie es so vielleicht, von ihm gleich gesehen zu werden. Zumindest eine Weile.
So ganz verstand Elfleda nicht, warum sich Witjon erst jetzt mit Callista verlobte. So, wie sie sich mit ihm auf der Hochzeit unterhalten hatte, hatte sie gedacht, dass die beiden schon verlobt wären. Mit diesem erwähnten Schriftstück, auf das die Römer wohl soviel Wert legten. Aber vielleicht hatte sie es nur falsch verstanden, oder vielleicht hatte ihre Hochzeit ihrem neuen Verwandten auch ins Gedächtnis gerufen, dass er als Germane auch die germanischen Riten zu ehren seiner Götter vollziehen sollte. Wie dem auch sei, sie war mit den anderen zu diesem Waldstück schon am frühen Morgen aufgebrochen.
Die meisten schienen noch ein wenig verkatert. Kein Wunder, wenn man bedachte, was die Männer teilweise getrunken hatten. Sie hingegen war nur ein wenig müde. Zwar machte ihr das Aufstehen an sich eigentlich eher wenig aus, aber die letzten Tage hatte sie wenig geschlafen. Nicht nur aus Aufregung vor der ungewohnten, noch immer etwas unheimlichen neuen Umgebung.
Lando strich ihr einmal mit einem leicht verträumten Blick über die Wange, und sie sah ein wenig verliebt zu ihm auf und erwiderte die zärtliche Geste. Sie hatte wirklich verdammt viel Glück mit ihrem Mann, hatte sie das Gefühl. Im Moment war sie einfach nur sehr glücklich, ihn zu haben.
Phelan begann mit der Zeremonie, von der Elfleda aber nicht alles verstand. Er hielt sie in beiden Sprachen ab, immer abwechselnd in der einen und in der anderen. Eigentlich ein Fauxpas für die Germanin, aber es war nicht an ihr, jetzt etwas dazu zu sagen. Immerhin konnte Callista ihre Sprache nicht und sollte ja auch verstehen, was sie schwor. Dennoch glaubte Elfleda nicht, dass die Götter so erfreut daran waren, in dieser Sprache angerufen zu werden. Andererseits war es ihnen auch vielleicht egal, immerhin war ihre Macht höher als die der kleinlichen Sterblichen, die sie anriefen.
Elfleda versuchte dennoch, auch den römischen Worten mit der gleichen Aufmerksamkeit zu folgen. Alles in allem war er noch ein wenig blumiger geworden als bei der Hochzeit von Elfleda und Lando. Sie musste bei diesem Gedanken ein Lächeln unterdrücken, immerhin war das hier eigentlich eine ernste Angelegenheit. Aber von ihrem Goden war sie eine eher kurze und zackige Art ohne viel drumherum gewohnt, da war so eine lobende Anrufung etwas Neues.
Am Ende der Zeremonie stahl sich Elfledas Hand klammheimlich in die ihres Mannes und drückte sie einmal kurz liebevoll. Sie wüsste gerne, was er zu dieser Zeremonie so dachte. Überhaupt wüsste sie gerne, was er so dachte, sie konnte ihn da noch nicht einschätzen, um es ihm an den Augen abzulesen.
Danach wandte sie sich an Witjon und seine nun richtig Verlobte. “Ich gratuliere euch.“ Sie sprach es allerdings auf germanisch, Witjon würde es schon übersetzen, wenn Callista es nicht ohnehin erschließen konnte, was gemeint war.
Eins stand fest, Lando war ein stimmgewaltiger Mann mit einem Hang zur Impulsivität. Elfledas Trommelfell wurde heute auf die Probe gestellt, und nicht nur wegen den ohnehin vielen Gesprächen, die sie heute führen durfte. Gerade waren sie und Lando noch in einem dieser zahlreichen Gespräche, als ihr Mann auch schon den nächsten Gast jubelnd begrüßte. Wie heute schon häufig versuchte Elfleda den Ausführungen ihres Mannes in der fremden Sprache zu folgen und merkte wieder einmal, dass ihr Verständnis dieser Worte doch sehr begrenzt war. Allerdings wäre es ohnehin viel verlangt gewesen, wenn sie sich alle Vorgestellten heute hätte merken sollen. Es waren einfach zu viele. Zunächst die ganze Familie, dann hatte Lando sehr viele Freunde, und dann noch die ganzen Honoratioren der Stadt, dazu noch die Nachbarn. Das war schon sehr viel auf einmal.
Nichts desto trotz lächelte Elfleda noch immer und wollte gerade ansetzen, auch diesen Freund ihres Mannes zu begrüßen, als dieser von einem Mann in Rüstung mit seinem römischen Namen angesprochen wurde. Der Ton des Mannes klang so, dass sich Elfleda im ersten Moment instinktiv anspannte, doch dann bemerkte sie, dass es ein Scherz war, und war erleichtert. Und im wieder nächsten Moment stand dann auf einmal Phelan bei ihnen und grüßte den Fremden mit einem germanischen Namen. Nun musste Elfleda schon zweimal hinschauen, denn mit der Rüstung und nach seinen Worten hatte sie den Mann, der wohl Arbjon hieß, für einen Römer gehalten. Allerdings gab es hier ja so einige, die in beiden Kulturen wohl zuhause waren, woran sich die junge Germanin wohl noch gewöhnen musste.
Aber wenigstens war Phelan wieder ein bekanntes Gesicht in diesem Trubel aus Fremden, und sein Kompliment schmeichelte ihr natürlich auch.
“Danke, Phelan. Ich…“
Elfleda versuchte gerade, sich noch richtig zu bedanken und dann endlich Landos Freund zu begrüßen, als Oda ihr einen Becher mit Wasser reichte und im nächsten Moment den vermeintlichen Soldaten mit ihrem Wasser badete. Als dieser wild losschimpfte, auch noch auf einem sehr interessanten Dialekt, musste Elfleda schwer an sich halten, nicht loszukichern. Das sah aber auch aus! So eine schick polierte Rüstung, und nun tropfte er vor sich hin. Und Oda mit ihrem frechen Mundwerk setzte auch gleich eins oben drauf. Elfleda hoffte ja, dass der Mann Sinn für Humor hatte.
Dennoch standen noch die eigentlichen Begrüßungen aus, und Elfleda nutzte die Gunst der Sekunde – ehe noch mehr kamen und sie den Überblick verlor und am Ende gar noch jemanden vergaß – um Glabrio und Arbjon zu begrüßen. Sie entschied sich für Latein, dass die beiden Männer ja offenbar sprachen.
“Willkommen auf dem Fest, werter Marcus Petronius Glabrio. Es freut mich, dich kennen zu lernen.“ Diese römischen Namen waren schon furchtbare Konstrukte, aber Elfleda kämpfte sich tapfer hindurch und wandte sich dann an Arbjon, und mühte sich redlich, das Lachen zu unterdrücken. “Und auch dir willkommen, Arbjon.“
Wie letzterer zu Lando stand, hatte sie keine Ahnung. Vielleicht waren es Freunde? Irgendwer würde sie hoffentlich noch aufklären.
Als der Abend sich ankündigte, hatte sich Elfleda noch einmal von Lando getrennt und war in den Schutz ihrer Sippe mit Oda eingekehrt. Bald schon würde es so weit sein, dass sie vermählt wurden, und es galt, das Ritual zu befolgen. Und sie wollte noch von allen gut Abschied nehmen, denn bald schon würden sie alle aus Elfledas Welt erst einmal verschwinden.
Der Gode weihte den Platz mit Erde und Wasser, und die Gesellschaft machte sich auf, um sich zu versammeln. Elfleda stand mit Oda ganz vorne am Rand des Kreises aus Leuchten und wartete darauf, gerufen zu werden. Sie hielt die Hand der Freundin in ihrer, immerhin war Oda als ihre Brautfrau nun ihr Fels, an den sie sich in ihrer Nervosität halten konnte und durfte. Und ihre Zeugin, wenn der Gode sie dazu aufrufen würde.
Elfleda atmete noch einmal durch, und ließ dann Odas Hand los. Sie reffte ihr Kleid leicht, um über die Lampen zu steigen, ohne eine anzustoßen, und trat somit in den innersten Kreis. Eine wohltuende Ruhe legte sich über Elfleda, als sie auch Lando vor den Goden treten sah. Ihr Bräutigam kam zu ihr herüber und führte sie am Arm genau in die Mitte vor den Goden. Nur kurz blickte sie ihm voll Zuneigung in die Augen, ehe sie dem Goden feierlich durch ein leichtes Neigen des Kopfes ihren Respekt darbrachte. Dann schritt sie an Lando vorbei vor seine Sippe hin, so wie er vor die ihre trat.
Eine Ehe war nicht nur die Verbindung zweier Menschen, nein, sie war die Verbindung zweier Sippen. Und auch, wenn alles ausgehandelt war und sie nun schon alle mehr oder weniger kennengelernt hatte, gehörte es zum Brauch, dass sie sich vorstellte und um den Segen seiner Sippe bat.
“Durch Feuer, Wasser und Erde bin ich vorgetreten, um zu vollenden, was ich geschworen habe. Ich bin Elfleda, Tochter des Sarwolf, aus dem Stamm des Vilmar von den Mattiakern. Als Jungfrau trete ich vor euch, ihr Edlen aus dem Stamm des Wolfrik, und erbitte euer Einverständnis zur Heirat mit Lando, Sohn des Landulf.“
Es war eine germanische Zeremonie, sie war Germanin, er Germane. Also hatte sie es auf germanisch gesagt, auch wenn die römischen Gäste es nicht verstehen würden. Bestimmt würde es ihnen irgendjemand übersetzen, wenn sie fragten.
[SIZE=7]Edit TDL: Titel korrigiert.[/SIZE]
Gerade unterhielten sich Lando und Elfleda mit einem älteren Pärchen, als Lando plötzlich neben ihr einen neu ankommenden Gast rief. Ganz leicht zuckte Elfleda zusammen. Normalerweise war sie nicht sehr schreckhaft, aber der Ausruf kam doch etwas plötzlich und so dicht neben ihrem Ohr, dass sie den Reflex nicht unterdrücken konnte.
Harlif – sein Name war ja nicht zu überhören gewesen – kam heran, und Elfleda musterte ihn kurz. Er war ein gutaussehender Mann, wohl noch keine dreißig, und sichtlich germanischstämmig. Selbst, wenn der Name es nicht schon verraten hätte, hätte Elfleda ihn nicht als Römer eingeschätzt.
Landos Vorstellung war sehr blumig, und Elfleda musste immer breiter lächeln. “Oh, dann ist es mir eine besondere Freude, dich kennenlernen zu dürfen, Harlif. Ein Mann mit so vielen Talenten darf auf einem Fest nicht fehlen. Und wenn du meinem Mann schon so lange ein treuer Freund bist, dann will ich auch dir eine Freundin sein.“
Sie lächelte breit und ging auf die etwas spaßigeren seiner Titel ein. “Zumindest, solange die Schürzen meiner Basen vor dir gefeit sind. Aber die eine oder andere Gallone werden wir heute wohl auftreiben können.“
Elfleda unterhielt sich grade mit zwei Frauen aus der Familie, bei der ihre Sippe für diese Tage untergebracht war. Zum Glück ging das auf germanisch, auch wenn die beiden Frauen einen anderen Dialekt hatten als Elfleda. Sie glaubte, sie waren Ubierinnen, war sich aber nicht ganz sicher. So unterhielt sie sich leichthin, ließ sich gratulieren und bewundern und übte sich in Konversation, als sie merkte, dass Lando in ihrer Nähe ihr unauffällig ein Zeichen gab. Sie verabschiedete sich von den beiden Germaninnen und kam langsam zu ihrem Bräutigam. Er stand neben einem Römer, also versuchte Elfleda wieder, sich auf eine lateinische Konversation gefasst zu machen.
“Willkommen auf dem Fest“, begrüßte Elfleda Meacenas. Diesen Satz konnte sie mittlerweile nun fehlerfrei und fließend, so dass man fast glauben mochte, sie spreche gut die Sprache der Römer. “Es ist mir eine Ehre, einen Freund meines Mannes kennen zu lernen.“ Auch das ging mittlerweile schon recht flüssig. Allerdings würden weitere Sätze nun wohl etwas brauchen, da sie die nicht mehr auswendig aufsagen konnte.
Doch auch, wenn Elfleda das nun schon oft am heutigen Tage in der einen oder anderen Form gesagt hatte, war ihr lächeln freundlich und warm und ihre Stimme klang wach und aufrecht, als hätte sie ihre Worte nur für den Purgiter gewählt und für niemanden sonst.
Alexandria. Es war das zweite Mal heute, dass Elfleda dieses Wort heute hörte. Es klang so, als müsse ihr das irgend etwas sagen, aber Elfleda war sich nichtmal jetzt sicher, dass es eine Stadt war, oder doch ein Landstrich oder etwas vergleichbares. Auch, dass dort so viele Menschen sein sollten, konnte sie sich nicht vorstellen. Wenn die Flüsse dort wegen der Hitze austrockneten, was tranken die dann? Und wenn es dort so viele gab, wo kamen die her?
Elfleda begann zu begreifen, wie klein und überschaubar ihre Welt bislang doch gewesen war, und wie groß und unbekannt diese neue Welt, in die sie gestoßen wurde. In diesem Moment war sie froh, Landos Hand zu fühlen. Er würde sie sicher durch diese Welt führen, er hatte es ihr versprochen. Sie hoffte nur, dass es eine langsame Führung sein würde, immer schön einen Schritt nach dem anderen. Zumindest vorerst.
“Ich hab noch nie ein Meer gesehen“, gestand Elfleda lächelnd. Sie kannte das nur aus Geschichten und stellte es sich in etwa wie einen großen See vor, dessen Ende man nicht sehen konnte und auf dem die Wellen etwas höher waren, und dessen Wasser man nicht trinken durfte. Aber so weit nach Norden war sie nie gereist, um wirklich das Meer zu sehen. Dort war ja auch das Land der Chauken und Friesen. Und dass es im Süden auch noch ein anderes Meer gab – oder vielleicht auch dasselbe Meer – davon wusste Elfleda bis eben auch noch gar nichts.
“Ich sehe schon, es gibt hier sehr vieles, was ich erst noch kennenlernen muss.“
Ganz kurz blickte sie dabei zu Lando hinüber, den sie auch erst richtig kennenlernen musste, und der ihr wohl auch heute noch Dinge zeigen würde, die sie so nicht kannte. Er sah auch zu ihr herüber und Elfledas Lächeln wurde einen Moment etwas verlegener.
“Verzeih mir die neugierige Frage, aber deine Kinder… sie haben römische Namen?“
Es war Elfleda vorhin schon aufgefallen, aber da wollte sie es nicht so direkt gleich ansprechen. Aber jetzt, nach ein paar nett gewechselten Worten ließ sie die Frage fast wie beiläufig fallen und konnte doch ihre Neugier so hoffentlich befriedigen. Denn ein wenig verwunderte es sie schon. Sie dachte bisher, unter den Römern hätten die Sippe Wolfriks nur zusätzlich römische Namen, aber Lando hätte sicher die richtigen Namen der Kinder bei der Vorstellung genannt, wenn sie welche hätten. Kurz fragte sich Elfleda, ob ihr zukünftiger Mann das dann auch bei ihren Kindern so handhaben würde wollen. Aber da stand für sie jetzt schon fest, dass ihre Kinder einmal richtige Namen haben würden, damit sie den Stämmen und den Göttern bekannt sein würden.
Sie sollte bei einem Lehrer Latein lernen? Das war Elfleda nun ganz neu. Davon hatte Lando auch nichts gesagt, dass sie dafür extra einen Lehrer bekommen würde. Elfleda wusste nicht genau, ob sie sich geschmeichelt oder bedrängt fühlen sollte von dieser Vorstellung. Immerhin wollte sie zwar mit den Leuten hier auskommen, aber sich dafür doch nicht verbiegen. Und ihre Sprache gehörte ein wenig zu ihr dazu. Aber vermutlich war das einfach besser, und ein wenig konnte sie ja auch schon. Wenn es halt nun mal auch etwas dauerte, bis sie einen Satz herausbekam.
“Ja, das stimmt. Die Sippe ist das wichtigste.“
Blut war nicht umsonst dicker als Wasser, und im Zweifelsfall musste man sich auf seine Sippe einfach verlassen können. Es gab nichts schlimmeres, als von ihr ausgestoßen zu werden und nicht mehr zu ihr zurückzukönnen. Zumindest in Elfledas Welt. In kalten Wintern stirbt der einsame Wolf, aber das Rudel überlebt. Diese alte Weisheit gab es nicht von ungefähr.
Just in diesem Moment quietschte ein kleines Kind in der Nähe, und Elfleda drehte sich automatisch nach dem Geräusch um. Nicht, dass lachende und glucksende Kinder ein seltenes Geräusch wären, aber dennoch hatte das Geräusch etwas an sich, dass sie sich umblicken ließ. Und kurz darauf sah sie auch, was es war, das das Kind so zum Lachen brachte.
“Oh, da ist Lando. Ihr entschuldigt mich bitte, aber ich sollte besser mal zu ihm gehen. So am Tag der Hochzeit sollte ich ihn zumindest begrüßt haben“, meinte sie lachend und im Scherz. Sie sah ihre neue Verwandtschaft noch mal strahlend an, um sich zu vergewissern, dass es ihr niemand übel nahm, und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Bräutigam.
Schriftlich. Die Römer mussten wirklich einen Narren an diesen kleinen Zeichen gefressen haben, dass sie für alles und jedes ein Schriftstück brauchten. War bei ihnen das Wort eines Mannes so wenig wert, dass sie dafür immer geschriebene Beweise brauchten? Elfleda verstand diese Sitte nicht wirklich, ließ sich aber nichts davon anmerken.
Und zum Glück kam ihr in dieser Situation jemand zur Hilfe. Ein junger Bursche, bestimmt einen halben Kopf größer als sie, kam angeschlichen und deutete ihr und Oda, leise zu sein. Elfleda ließ sich nichts anmerken und lächelte stattdessen vertrauensvoll Witjon und Callista an, bis der junge Mann heran war und Witjon begrüßte.
Lächelnd beobachtete sie die Begrüßung der beiden Männer und wartete darauf, dass Witjon sie vorstellte. Die beiden wechselten zwischen germanisch und römisch in den Sprachen munter hin und her, so dass sie nicht alles verstand. Sie hoffte, dass das im Haus anders sein würde, sonst würde sie in der ersten Zeit wirklich doch heftigere Probleme in der neuen Sippe haben, als sie erwartet hätte.
Ragin plapperte munter drauf los und verriet schon fast das Geschenk, das wohl eine Überraschung werden sollte. Elfleda musste ein wenig lachen. So ein großer Bursche, und so verplant! Nun, er hatte ja auch noch keinen Bart, vielleicht war er jünger, als er aussah. Überhaupt schien er alles zu sagen, was ihm in den Sinn kam, so dass es wirklich schwer viel, nicht zu lachen, wenn man ihm so zuhörte. Elfleda jedenfalls schaffte es nicht ganz und kicherte ein wenig vor sich hin.
“Mich freut es auch, Ragin. Du hast recht, Rodewini kann sehr einnehmend sein. Aber für einen Fürsten gehört sich das ja auch so. Und glaub mir, die Ehre liegt auch ganz auf meiner Seite, in eine so ehrbare Sippe einzuheiraten.“ Einen Moment juckte es sie regelrecht in den Fingern, „so eine lustige Sippe“ zu sagen, aber sie wollte den Bogen nicht aus Versehen noch überspannen. Sie gaben sich zwar alle sehr spaßig, aber heute war ja auch ein freudiges Fest. Wenn sie in einer Woche noch so wären, würde Elfleda sich mehr trauen, und wenn sie über ihre Stellung hier Klarheit hatte. Aber im Moment war sie lieber so liebreizend, wie sie nur sein konnte, wenn sie etwas wollte.
“Und ja, du hast recht. Es ist alles etwas… ungewohnt hier. So hoch und soviel Stein, und so viele Menschen. Aber ich werde mich schon schnell daran gewöhnen.“
Hoffe ich, setzte sie in Gedanken dazu. Wenn sie jede Nacht so schlaflos verbrachte wie die letzte, tat Lando ihr jetzt schon leid. Aber die Aufregung war einfach zu groß gewesen, und sie glaubte nicht, dass sie sich wirklich schnell an diese Veränderung würde anpassen können.
Das, was er zu Callista gesagt hatte, hatte Elfleda nicht verstanden. Da waren zu viele Worte, die sie nicht kannte oder die keinen Sinn ergaben. Sie wusste ja noch nicht einmal, dass Alexandria eine Stadt und Koine eine Sprache war.