Beiträge von Duccia Elva

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    Sarwolf saß auf der einfachen Holzbank und atmete einmal tief die frische, klare Luft ein. Draußen war ihm einfach wohler, wenn seine Frau Smilla auch aussah, als wäre es ihr drinnen im Warmen etwas lieber gewesen. Aber ohne zu murren saß die junge, blonde Frau neben ihrem Mann, immerhin musste sie ja Elfledas verstorbene Mutter vertreten und die Interessen des Mädchens auch ein wenig schützen, sollte ihr Mann etwas vergessen oder übersehen.
    Sarwolf überlegte einen Moment. Er wollte ja nicht zu hoch greifen und gleich sowas wie ein Schwert oder ähnlich viel Eisen verlangen, aber er wollte sein Mädchen auch nicht zu billig hergeben. Immerhin war Lando auch kein armer Schlucker, und auch bei aller Liebe zu Rodewini sollte der Preis doch angemessen sein.
    “Ich denke, du solltest ein erstes Angebot machen.“
    Erstmal wollte er sehen, was Lando bereit war, mindestens zu geben. Natürlich würde es vermutlich zu niedrig sein, aber dann hatte er zumindest schon einen Anhaltspunkt, mit dem er sicher arbeiten konnte.

    Elfleda stellte sich ruhig neben ihren Vater. In seinem Schatten fiel es einem leicht, sich beschützt und sicher zu fühlen, und so konnte auch sie vollkommene Ruhe ausstrahlen, auch wenn sie etwas aufgeregt war. Es war wirklich, wirklich wahr. Sie würde endlich heiraten. Was ja auch langsam wirklich mal Zeit wurde, mit achtzehn wurde sie ja schließlich auch nicht jünger.
    Auf der anderen Seite fühlte sich Elfleda ganz ruhig, beinahe triumphierend. Immerhin war sie kein Niemand, auch wenn dieses Vorstellen ein wenig was von der Art hatte, wie man ein Reitpferd präsentierte. Aber davon ließ sie sich gar nicht erst einschüchtern. Sie wollte ja endlich heiraten, und da war es ihr reichlich egal, ob sie dafür hier eben ein wenig vorgeführt wurde.
    Sie merkte, dass Lando ganz leicht lächelte, und kurz schmunzelte sie zurück in seine Richtung, ehe sie nach einem kurzen Seitenblick auf ihren Vater wieder ruhig und ernst vorerst wurde. Sie wollte ja nicht allzu begeistert wirken, immerhin war sie keine naive Fünfzehnjährige mehr, die nur Spaß haben wollte. Wobei sie sich durchaus auch vorstellen konnte, hier ein wenig Spaß zu haben. Sie ließ ihren Blick auch einmal über Lando gleiten, jetzt, wo sie ihn mal mustern durfte, und blickte ihm dann direkt in die Augen. Fiel ihr gar nicht ein, demütig und schüchtern den Blick zu senken, er sollte ruhig wissen, dass seine Frau auch aufrecht schauen konnte und nicht nur ein dekoratives Accessoire in seinem Haus sein wollte.



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    Sarwolf legte seine Hand – man sollte sagen, Pranke – kurz leicht auf die Schulter seiner Tochter. Es war nur eine kleine Geste, die wohl jeder Vater im Angesicht des möglichen Ehemannes seiner Tochter früher oder später mal machte und die eigentlich nur soviel sagte wie „Die da steht unter meinem Schutz. Tu ihr weh, und ich tu dir weh“. Aber es war wohl auch für keinen Vater einfach, ein Kind gehen zu lassen, auch wenn es noch gar nicht so weit war und zum Leben dazugehörte.
    “Gut. Elfleda, das ist Lando.“



    Elfleda schaute einen Moment noch schweigend Lando einfach weiter in die Augen, ehe sie leicht schmunzelnd ein “Heilsa, Lando, Sohn des Landulf“ zur Begrüßung sagte und dann doch einmal richtig lächelte. Sie hatte sich seinen Namen vom Vorabend doch durchaus gemerkt. Es war schon etwas seltsam, so einander vorgestellt zu werden. Irgendwie ein wenig gezwungen, und doch fühlte Elfleda sich nicht unbedingt unwohl. Sie hoffte, Lando fand das kennenlernen ebenso im Grunde angenehm, so dass die weiteren Verhandlungen nun bald folgen konnten.


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    Sarwolf war diese etwas aufgesetzte Situation wohl auch nicht ganz angenehm, denn er räusperte sich kurz und wandte sich dann an Lando.
    “Wenn du willst, können wir dann zum weiteren Verhandeln übergehen. Draußen, wenn dir und deinem Vetter das nicht zu frisch ist.“
    Der große Germane war lieber unter freiem Himmel als unter den Balken eines Hauses. Draußen war die Luft besser, da konnte er klarer denken.

    Aufstehen mit den Cousinen war Morgen für Morgen eine geschäftige Angelegenheit. Nachdem sie geweckt worden waren, einige von den aufwachenden Tieren, andere von aufwachenden Menschen, wieder andere, indem man ihnen kurzerhand die Decke wegzog, ging es auch gleich geschäftig los. Haare wollten gekämmt und frisch geflochten sein, und bei der Vielzahl an Mädchen waren das eine ganze Menge Haare. Elfleda, Elke und Emma kämmten und striegelten sich gegenseitig, bis bei jeder das Haar wieder wie rotes Kupfer glänzte und nicht mehr wild in alle Richtungen abstand wie bei einem in ferner Zukunft vielen Kindern bekanntem Kobold und Klabauter. Allerdings trugen sie ihre Haare noch offen, nicht in den langen Zöpfen so vieler anderer, vor allem verheirateter Frauen.
    Geschäftig schnatterten sie weiter, natürlich über den Besuch, und nun, da sie in ihrem Schlaf nicht mehr gestört wurde, brachte auch Emma sich hier und da ins Gespräch mit ein. Der Tag heute würde etwas aufregender sein als die letzten. Im Winter gab es ja nie viel zu tun, es wurden die alten Riemen an den Geräten ausgewechselt, es wurde genäht, es wurde gestrickt, es wurde gewebt. Viel mehr konnte man nicht tun. Das Land schlief und die Felder lagen brach, zum Ausreiten war es zu kalt. Die Männer gingen hier und da mal Jagen, wenn der Schnee es zuließ, aber die Frauen saßen die meiste Zeit nur im Langhaus und versuchten, sich die kurzen Tage mit Geschichten zu vertreiben.
    Nachdem sie also alle dann warm genug angezogen und gekämmt waren, machten sie sich auch daran, sich ins Langhaus zu begeben, wo bereits die langen Bänke aufgestellt wurden. Rodewinis Frau Alrune hatte wohl beschlossen, angesichts der Gäste besonders spendabel zu sein, denn das Brot, das aufgetischt wurde, war noch warm, und es gab auch reichlich Käse dazu. Fehlt nur noch der Schinken, dachte sie sich kurz spitz, sagte aber nichts. Es war ja auch gut, vor den Gästen ein wenig Eindruck zu schinden, sollten sie ruhig sehen, dass es den Mattiakern gut ging.
    Elfleda suchte sich an der Tafel einen Platz, in der Nähe ihres Vaters und ihrer Geschwister, aber so, dass sie weiterhin neben Elke sitzen konnte, die wiederum näher bei ihren Geschwistern sitzen sollte, den Kindern von Rodewinis und Sarwolfs Schwester Burghilta. Am Ende saßen die beiden Mädchen also nebeneinander, zwar etwas weiter weg von den Gästen als sie eigentlich für ihre perfekte Beobachtungsposition gewollt hätten, aber dafür perfekt, um miteinander zu tuscheln. Neben Elfleda saß ihr Bruder Bertwini, der sich mit seinem Vetter Folcrat wiederum doch recht ungeniert darüber unterhielt, was sie den Tag über wohl machen wollten. Und das, obwohl zwischen ihnen doch noch ein paar Personen saßen, die sich von den beiden zwölf- und vierzehnjährigen allerdings nicht weiter stören ließen.
    “So, und jetzt? Was meinst du?“ flüsterte Elfleda nun ihrer Cousine zu und warf verstohlen einen Blick hinüber zu Lando und Phelan, während sie auf einem Stück von dem guten, warmen Brot herumkaute und es mit etwas noch warmer Milch herunterspülte.
    “Er guckt schon ganz schön ernst.“
    “Na, ist ja auch eine ernste Sache. Aber sonst?“
    “Hmmm, ja, weiß nicht. Ich find den Blonden hübscher. Der lacht gern, sieht man an den Augen. Der guckt nicht so streng.“ Elke lächelte in Phelans Richtung, verbarg das aber nach einem vermeintlichen Blick ihres Bruders schnell hinter einem großen Schluck Milch.
    Elfleda rollte kurz mit den Augen und schaute dann skeptisch zu Elke hinüber. “Du setzt aber seltsame Prioritäten.“
    Jetzt schaute Elke doch wieder beleidigt. “Na, worauf soll man denn sonst gucken? Also, ich will einen Mann, der mal viel mit mir lacht und Spaß hat. Keinen alten Stinkstiefel.“
    Elfledas Blick blieb auf Elke fixiert und dermaßen skeptisch, dass Elke nach einer Weile ganz hektisch und verwirrt reagierte. “Was denn? Was ist daran denn falsch?“
    Elfleda seufzte einmal bewusst theatralisch, und sah ihre Cousine dann lächelnd an. “Nun, Cousinchen, Spaß ist nicht alles. Mir wär es wichtiger, dass mein Mann genug Macht und Einfluss hat, um mich zu versorgen und ich mir keine Gedanken darum zu machen brauche, ob man den nächsten Winter wohl überleben wird, wenn dieser zwei Wochen länger dauert. Ich möchte mich bei ihm sicher fühlen und wissen, dass es meinen Kindern dann gut gehen wird, weil sie ebenfalls von dieser Macht und diesem Einfluss profitieren können. Das sind meine Prioritäten: Das ich und eventuelle Kinder möglichst lange leben können, und dass es möglichst der Sippe etwas bringt, damit dort auch möglichst viele möglichst lange leben können.“
    Das war ein sehr pragmatischer Ansatz, der Elke mit einem offenem Mund zurückließ. Sie schaute zu Elfleda, dann kurz zu den beiden Amisvariern, dann wieder zu Elfleda. “Na, vielleicht passt doch ein weniger spaßiger Mann zu dir.“
    Elfleda zog eine einzelne Augenbraue nach oben, musste dann aber doch grinsen und konnte so den ernsten Gesichtsausdruck nicht beibehalten. “Wenn du in drei Jahren noch unverheiratet sein solltest, reden wir noch mal drüber.“
    “Oh, bloß nicht! Ich hoff ja, dass es im Sommer was wird. Ich weiß, dass Erkmar, du weißt schon, von Geralds Sippe im Osten, schon mal bei Vater angefragt hat. Auch wenn ich’s nicht wissen soll.“
    Elfleda lächelte glücklich, aber innerlich hoffte sie, dass ihre Schlussfolgerungen vom gestrigen Abend richtig wären. Wenn ihre Cousine Elke vor ihr heiraten würde, würde sie sich selbst im Moor versenken. Aber das wäre wirklich zuviel.




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    Nach einer Weile, als das Frühstück so gut wie beendet war und alle satt aussahen, erhob sich Sarwolf lächelnd und wartete einfach, bis alle zu ihm sahen. Er brauchte nichts sagen oder gar um Ruhe oder irgendetwas bitten, allein schon sein Aufstehen nötigte den meisten die angebrachte Aufmerksamkeit ab.
    “Ihr habt gestern gehört, dass die Söhne Wolfriks und die Söhne Ariviors sich verbinden wollen. Daher wollen wir über eine Ehe zwischen Lando, Sohn des Landolfs, und meiner Tochter Elfleda verhandeln.“
    Es folgte kurz ein Gemurmel und halb unterdrückte Freudenquietscher aus der Richtung der Mädchen im entsprechendem Alter, die sich für Elfleda freuten und das ganze natürlich herrlich aufregend fanden.
    “Elfleda, steh auf und komm gleich mit.“
    Er gab seiner Tochter einen kurzen Wink, die sich daraufhin gehorsam und mit undeutbarem Gesichtsausdruck erhob und zu ihrem Vater trat. So konnte sich Lando nun seine Braut auch ansehen und wusste, welches von den weiblichen Geschöpfen am Tisch er beim Würfeln „gewonnen“ hatte.

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    Diesmal war es an Rodewini, kurz erleichtert durchzuatmen. Er hatte schon befürchtet, seinem Bruder klarmachen zu müssen, warum es besser wäre, wenn Elfleda den jungen Phelan heiraten würde, aber es hatte sich ja noch einmal alles zum Guten gewendet. Auch wenn der zukünftige Bräutigam nicht gar so erfreut aussah.
    Landos Stöhnen kommentierte er mit einem brüderlichen Klopfen auf die Schulter. Die Würfel wurden schnell in den Becher wieder gepackt und weggestellt, ehe sie noch für die nächste waghalsige Idee herhalten mussten. Wenn er so darüber nachdachte, dass es auch anders hätte ausgehen können, musste er sich selbst für fast genauso verrückt halten wie den Amisvarier hier.
    “Nachdem die Würfel nun entschieden haben, ist das ja jetzt geklärt.“
    Ein auffällig breites Grinsen zog sich über Rodewinis doch sonst meist recht eisernes Gesicht, und er erhob sich. Er fühlte sich mit einem Mal so beschwingt, und er hatte Hunger. Zum Glück wurde das Vieh auch grade so nach und nach wach und weckte die Leute im Dorf.
    “Nach dem Frühstück reden wir dann richtig, mit Sarwolf natürlich. Ich hoffe, du hast Hunger.“
    Er hatte. Gute Laune machte ihn immer hungrig.

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    Entweder die Nornen mochten es spannend, oder der letzte Wurf war einfach wirklich, wirklich schlecht gewesen. Im selben Zug, wie sich Landos Gesicht kurz erleichtert erhellte, verfinsterte sich Rodewinis bei dem Ergebnis. Sarwolf würde ihn erwürgen. Er würde ihn schlicht und ergreifend erwürgen.
    Rodewini nahm zum letzten Mal die Würfel, bugsierte sie in den Becher und schüttelte noch einmal kräftig. Wieder knallte der Becher auf die Holzbank, und Rodewini wartete einen Moment. Solange jetzt keine drei Einsen zum Vorschein kamen, gab es noch eine Hoffnung, dass sein Hals unversehrt bliebe und seine Pläne sich erfüllten. Warum nur hatte er sich darauf eingelassen?
    Er hob den Becher, und war erst einmal erleichtert. Kein berauschender Wurf, aber ein guter. Fünf, Vier, Drei. Damit ließ sich arbeiten.
    “Zwölf“, meinte Rodewini also nüchtern. Zum letzten Mal übergab er den Becher an Lando und versuchte dabei seine eisige Miene beizubehalten.

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    Glück gehabt, wenigstens in der ersten Runde. Aber immerhin waren die Nornen nicht völlig gegen ihn und er konnte hoffen. Nun nur noch einmal, und diese Sache hier war endlich geregelt. Dann konnte sich dieser Sturkopf nicht weiter rausreden, und Rodewinis Pläne würden aufgehen, wie er es sich gedacht hatte. Trotzdem versuchte er, nicht zu hoffnungsfroh zu sein, um das Schicksal nicht noch herauszufordern.
    Er nahm die Würfel, ließ sie in den Becher kullern und schüttelte einmal Kräftig, ehe der Becher wieder mit einem kräftigen Knall zwischen ihnen beiden landete. Eine Sechs kam zum Vorschein, aber auch eine Eins und eine Zwei.
    “Neun.“
    Der letzte Wurf lief besser. Wenn auch nicht viel besser.

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    Die Würfel aus weißem Horn klapperten leicht in dem Becher, als Rodewini sie hineinwarf und kräftig schüttelte. Immerhin wollte er sich nicht unterstellen lassen, da es ja seine Würfel und sein Becher waren, er hätte getrickst. Und natürlich gab ihm das Schütteln die Zeit, kurz zu hoffen. Jetzt, als sie dabei waren, fragte er sich einen Augenblick, warum er sich auf diesen wahnwitzigen Plan eingelassen hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, Lando einfach noch ein wenig zu bereden. Aber wer konnte schon abschlagen, das Schicksal entscheiden zu lassen, wenn der andere es so anbot?
    Mit Schwung setzte Rodewini den Becher auf der Bank zwischen ihnen auf. Einen Moment ließ er den Becher so ruhen, und dann hob er ihn vorsichtig und gerade in einem Zug. Zum Vorschein kamen zwei Dreien und eine Fünf.
    “Elf“, sagte er also nüchtern. Hätte schlimmer sein können, hätte allerdings auch bei weitem besser sein können. Er gab den Becher an Lando weiter, die Würfel ließ er zwischen ihnen beiden liegen, damit dieser sie sich selbst nehmen konnte. Jetzt musste er hoffen, wobei ein Wurf ja noch nichts entschied.

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    Was er tun sollte, um Rodewini davon abzubringen? Gar nichts konnte er da tun, nur nachgeben und endlich zustimmen. Dass dieser Amisvarier auch so ein verdammter Sturkopf sein musste! Rodewini wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Landos Vorschlag ihn überraschte.
    Würfeln? Sarwolf würde ihm den Hals umdrehen, wenn er hörte, Rodewini hätte Elfleda verwürfelt. Völlig zurecht würde er ihn einen Kopf kürzer machen. Immerhin ging es hier um dessen Tochter und nicht um ein Pferd. Aber andererseits war Rodewini einem guten Spiel natürlich nicht abgeneigt, und wenn Lando nur durch so ein Spiel zur Vernunft gebracht werden konnte, dann sollten die Nornen dem Heruten mal einen Schubs geben.
    Er saß also da und wägte einen Moment ab. Wenn er wirklich verlor, würde Elfleda einen jungen, römischen Priester heiraten. Das wäre bei weitem nicht so gut, wie wenn sie Lando direkt heiraten würde, aber es wäre noch kein Weltuntergang. Vielleicht hatte Lando ja recht und aus dem Jungen wurde noch was. Elfleda würde ihrem Onkel zwar sehr grollen, aber das war ohnehin, wenn überhaupt, nachrangig. Sarwolfs Ärger war da eine andere Sache. Aber dann würde ihm etwas einfallen. Es musste.
    Und wenn die Nornen auch nur ein wenig Einsehen hatten, und sich ein ganz klein wenig für die Stammespolitik eines Rodewini interessierten, würden sie die Würfel richtig fallen lassen. Dann konnte sich Lando auch nicht mehr herauswinden, war es doch sein Vorschlag gewesen.
    “Nungut, wenn man dich anders zu deinem Glück nicht überzeugen kann, würfeln wir.“
    Fehlten nur die Würfel. Natürlich hatte Rodewini nicht immer und überall Würfel und einen Würfelbecher mit dabei, und so auch jetzt nicht, war dieser Morgen doch eigentlich als Entspannung vor den Verhandlungen gedacht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Doch waren diese auch schnell aufgetrieben. Rodewini wollte schließlich nicht riskieren, dass Lando es sich doch noch einmal anders überlegte.

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    “Da hast du recht“, meinte Rodewini kalt. “Das reicht mir als Grund nicht.“
    Das war vollkommen verrückt, was Lando da als Grund angab. Zum einen konnte er sich nicht vorstellen, dass Lando, auch wenn er ihn als ehrenwerten Mann einschätzte, sich wirklich so viele Sorgen um Rodewinis Grenzen machte, und zum anderen waren die Dinge, die für Phelan sprachen, doch wirklich klein im Vergleich zu den Vorteilen, die Lando trotz allem brachte.
    “Ich bin sicher, Phelan wird einmal ein ehrbarer Mann sein, der seiner Familie sehr viel Ehre bringen wird. Aber er ist jung und unerfahren. In fünf Jahren können wir uns gerne noch einmal über ihn unterhalten. Aber wie alt ist er? Zwanzig? Die Braut ist fast so alt wie er.“
    Rodewini machte eine hilflose Geste mit den Händen. Sein Bruder Sarwolf vertraute ihm zwar und hatte ihm Elfleda ja auch in gewisser Weise zur Verfügung gestellt, so dass er sie voll und ganz für seine Politik einsetzen konnte. Aber ihm klarzumachen, warum seine Tochter einen jungen Burschen heiraten sollte, der noch nichts geleistet hatte und gerademal so alt war wie seine Tochter selbst, das war noch mal ganz was anderes. Bisher lief ihre stillschweigende Übereinkunft unter dem Wissen, dass Elfleda nicht nur eine für ihre Sippe vorteilhafte, sondern auch starke Partie ehelichen würde. Phelan fiel zumindest momentan eher weniger in diese Kategorie Mann.


    “Und du weißt so gut wie ich, dass die Sicherheit meiner Grenzen nicht von dieser einen Hochzeit abhängen wird. Wenn die Heruten angreifen wollen, werden sie es mit oder ohne diese Hochzeit tun. Und ich werde mich dann schon zu verteidigen wissen.“
    Dieses kategorische nein von Lando wollte Rodewini nicht einfach so akzeptieren. Die Gründe waren in seinen Augen nur Vorwände, und warum sich Lando so weigerte war nicht im Mindesten verständlich.
    Wenn Rodewini dieses Bündnis nicht so sehr wollen würde, wäre dies so ein Zeitpunkt gewesen, sich umzuorientieren und die Amisvarier einfach zu vergessen. Oder wahlweise Lando den Hals umzudrehen. Am besten wohl beides. Aber er versuchte, seine Wut erstmal zurückzustellen. Vielleicht ließ sich der Dickkopf ja noch umstimmen.
    “Mein Angebot galt für dich, nicht für den jungen Gunnarssohn. Und ich sehe keinen Grund, das Angebot abzuändern.“

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    “Was?“ entfuhr es Rodewini wenig diplomatisch. Hatte dieser Amisvarier hier den Verstand verloren? Er ritt allen Ernstes durch Magna Germania mitten im Winter, um ihm zu sagen, dass er es ablehnte, seine Nichte zu heiraten? Und stattdessen schleppte er einen jungen Burschen an, der grademal so alt war wie die Braut und den ganzen Abend nur schweigend dagesessen war? Der würde bei Elfleda ja sowas von untergehen, wenn Rodewini diese Möglichkeit ja auch nur in Betracht ziehen würde.


    “Bist du verrückt geworden? Ich muss dir jetzt doch nicht ernsthaft erklären, warum ich dir dieses Angebot unterbreitet habe?“


    So dumm konnte Lando gar nicht sein, um nicht zu begreifen, dass es hier nicht darum ging, wirklich unbedingt Elfleda mit jemandem zu verheiraten, der auch ganz sicher Wolfriks Blut in sich trug. Lando war der Führer der Amisvarier von Mogontiacum, noch dazu war er interessant, eben weil er auch Herute war. Beizeiten würde sich seine ursprüngliche Sippe daran schon noch erinnern, und selbst wenn nicht, war es so noch eine nahezu perfekte Partie.
    Ein römischer Priester… Rodewini war es egal, ob dieser Mann römischer Priester oder keltischer Druide war. Hätte bei dem Namen ohnehin eher gepasst. Was das wichtigste war: Er war jung und hatte damit keine Stimme, die ihm persönlich etwas bringen würde im Moment. In zehn Jahren vielleicht, aber Rodewini musste auch an die momentane Situation denken, die alles andere als einfach war.


    Einen Moment lang wollte Rodewini diesem Dummkopf hier vor ihm am liebsten den Kopf abreißen. Aber vielleicht hatte er Lando nur falsch eingeschätzt. Es gab einige Männer, die kalte Füße bekamen, wenn es darum ging, sie zu verheiraten. Vor allem, wenn sie die Braut noch nie gesehen hatten.
    “Geht es darum, dass du Elfleda nicht gesehen hast? Ist es das?“

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    “Guten Morgen, Lando. Nun, es sollte dich auf jeden Fall nicht beunruhigen.“
    Rodewini blickte von Lando wieder über sein kleines Dorf hinweg. Er war wirklich zufrieden mit dem, was sie hier hatten. Und nun würde das alles noch ein wenig sicherer werden. Je mehr Einfluss sie auch auf die Geschehnisse links des Rheines nehmen konnten, umso mehr Einfluss hatten sie letztendlich auch hier. Die Römer bildeten momentan die größte Macht in der Gegend und die Mattiaker waren ihre Verbündeten. Die Städte an der Grenze waren die Tore zu ihrem Reich, und dort ebenfalls germanische Verbündete zu haben würde ihnen noch mehr Sicherheit und damit Wohlstand bringen. Der Germane war also wirklich durchaus zufrieden, wie seine Pläne gediehen.


    “Ich genieße gern die Ruhe, bevor alle wach sind.“
    In einem Dorf mit so vielen Menschen war das die einzige Möglichkeit, mal einen Moment für sich auch zu sein. Es gab hier keine große Privatsphäre, jeder teilte sein Haus mit seiner Familie, sein Bett mit Geschwistern oder Ehepartnern. Wenige Räume waren verschlossen, eigentlich hauptsächlich nur die Speisekammern. Wirklich ganz alleine war man hier nie. Aber es kannte auch niemand anders, daher vermisste das auch keiner. Dennoch genoss Rodewini auch mal die Möglichkeit, einfach in Ruhe nachdenken zu können in der klaren, kalten Morgenluft. Das machte ihn in diesem Moment beinahe menschlich, wäre dazu nicht seine etwas zu ruhige Miene, die nicht die Spur eines Lächelns innehatte.
    “Ich hoffe, du hattest eine gute Nacht?“
    Im Dorf gab es ein paar, die erkältet waren, vor allem bei den Kindern, was dazu führte, das hier und dort auch mal wer schnarchte. Es sollte ja Menschen geben, die das nicht einfach ignorieren konnten. Wobei Lando ausgeschlafen zu sein schien.

    Im hinteren Teil der Halle, etwas abseits vom direkten Zentrum, hatte Elfleda mit ihren Cousinen und Geschwistern gestanden und neugierig gelauscht, was die zwei Fremden denn nun genau wollten. Sie hatte nur mitbekommen, dass es wohl Amisvarier von jenseits des großen Stromes waren, den die Römer Rhenus nannten. Nicht, dass sie den schon einmal gesehen hatte, weiter als einen kurzen Ausritt war sie noch nie gekommen.
    Ihr Vetter Folcrat hatte ihr nicht gesagt, worum es bei dem Thing gegangen war, trotz wirklich penetrantem Nachbohren. Aber als der ältere der beiden Fremden, den ihr Onkel als Lando begrüßt hatte, von der Verbindung ihrer beider Sippen sprach - mit ihrem Vater - wäre Elfleda beinahe ein Jubelruf herausgerutscht. Es musste einfach um sie gehen, alles andere ergäbe überhaupt gar keinen Sinn! Ihre beiden Schwestern waren viel zu jung, Siguruna war neun und Aleke grademal fünf. Und sonst hätte er zum einen Rodewini nicht gleich Sarwolf zu dem Gespräch hinzugezogen und Lando hätte auch nicht das Wort an ihren Vater so gerichtet. Elfledas Cousinen im heiratsfähigen Alter, bei denen sie gerade stand, waren wohl zu demselben Schluss gekommen, dann beinahe sofort ging das Getuschel untereinander los und fünf Mädchen, allesamt mit roten Haaren, hatten ein aufregendes Gesprächsthema gefunden.
    Zu schade, dass die Neuankömmlinge wohl müde waren, denn sie begaben sich doch recht schnell zu Bett. Aber Elfleda war viel zu aufgeregt. Selbst als sie selber zu Bett geschickt wurden - Elfleda hatte beschlossen und Smilla bekniet, heute bei ihren Cousinen übernachten zu dürfen - konnte sie nicht schlafen und lag wach auf dem Lager, dass sie sich mit der fünfzehnjährigen Elke und der vierzehnjährigen Emma teilte, während etwas weiter ihre jüngeren Cousinen schon mit leicht verschnupften Kindernasen leicht schnarchten.
    “Elke? Schläfst du schon?“, flüsterte sie also an ihre schon schlafwarme Cousine gerichtet.
    “Hmm? Nee.“ Elke klang aber so, als würde sie bereits schlafen.
    “Ich kann nicht schlafen.“
    “Mach einfach die Augen zu, das kommt schon.“ Elke gähnte laut und herzlich und rückte ein wenig auf dem Stroh, was Emma dazu veranlasste, kurz missmutig zu grunzen, weil ihr so die Decke etwas weggezogen worden war und sie sie sich mit einer herrischen Geste zurückerobern musste.
    Elfleda schwieg eine Weile und kaute sich auf der Unterlippe herum. Natürlich könnte sie jetzt schlafen. Aber das alles war viel zu aufregend! “Er sah gut aus, oder?“
    "Hmmm? Wer?“ Elke war offenbar noch im Halbschlaf, also weckte Elfleda sie etwas mehr, indem sie ihre kalten Füße an den warmen Waden der Cousinen aufheizte, was diese zum Zucken und Emma zu einem noch viel missmutigeren Grunzen animierte.
    “Na, wer schon? Der Amisvarier natürlich.“
    “Und welchen meinst du jetzt? Den Blonden oder den Rothaarigen?“ Elke drehte sich jetzt ihrer Cousine richtig zu und schlug verschlafen die Augen leicht auf. In der monderhellten Dunkelheit wirkten ihre blauen Augen auf Elfleda ganz schwarz.
    Elfledas stutzte einen Moment bei der Frage. Der jüngere war blond gewesen? Den hatte sie so gut wie gar nicht beachtet. Der war in ihrem Alter ungefähr erst gewesen und sah nicht so aus, als hätte er bei der ganzen Sache was zu sagen. Für Elfleda war aber irgendwie klar, dass sie mit einem Führer eines anderen Stammes verheiratet werden würde. Noch dazu mit einem, der auch ein wenig älter als sie war. Daher kam von den beiden ihrem Gedankengang folgend nur Lando in Frage.
    “Na, der rothaarige, du dumme Nuss.“
    “Hey!“
    “Tschuldige.“
    “Hmmm… naja, war sehr groß, oder? Und ganz verfroren und brummig und so. Und getrunken hat er auch kaum was und wollte früh schlafen…“
    “Ja, stimmt. Aber ich meinte jetzt eher weniger von dem, wie er war…“ Sie hoffte ja, der war nicht immer so. Wobei, besser so als einen weinerlichen Weichling, ein Mann sollte schon immer ausstrahlen, dass er wusste, was er wollte. Und immerhin musste er ihr auch was entgegenhalten können, wenn sie ein wenig launisch war. Ein ganz klein wenig, versteht sich.
    “Hmm… naja, der war ja so dick eingepackt, und ich hab mehr auf den Blonden geschaut. Aber die werden ja morgen auch den ganzen Tag da sein, dann können wir noch mal ganz genau schauen, wer da gekommen ist.“
    Elfleda ruckte ein wenig auf ihrer Schlafstatt und blickte nach oben zu den Balken an der Decke. Ihre Cousine kicherte plötzlich noch einmal ganz hoch.
    “Aber schade, dass wir nicht gucken können, ob er wirklich so groß ist…“
    Gespielt schockiert holte Elfleda Luft und meinte mit entsetzt klingender Stimme nur “Aber Elke!“, doch dann musste sie ebenfalls verschwörerisch kichern.
    Emma drehte sich entnervt zu den beiden gackernden Hühnern neben sich um, richtete sich auf, sah beide mit verbissenem Gesichtsausdruck an. Sie ruckte einmal kräftig an der Decke und mummelte sich dann energisch ein, ihrer Schwester und ihrer Base demonstrativ den Rücken zuwendend. Jetzt mussten Elfleda und Elke noch mehr kichern, aber bevor es noch wirklich Ärger geben würde, weil sie die Kleinen mit ihrem Gegacker weckten, legte sie sich still hin und versuchten zu schlafen. Sie wollten ja am nächsten Morgen gut aussehen, wenn sie ihre unauffällige Inspektion fortsetzen würden.

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    Sarwolf warf nur einen kurzen Blick zu seinem Bruder, dessen Miene sich bei Landos Worten eine Spur erhellt hatte, und widmete sich dann ganz Lando. Immerhin wusste er von den Plänen seines Bruders, er hatte sie ihm ja mitgeteilt, ehe er zum Thing aufgebrochen war. So würde ihre Familie mit den Germanen der beiden nächstliegenden römischen Städte verwandtschaftlich verbunden sein. Der junge Reik heiratete in einem Monat Ida aus Confluentes, und seine Elfleda würde sie nun mit dem Stamm Wolfriks von Mogontiacum verbinden.
    “Nun, das ist gut, das hör ich gerne. Da sollten wir morgen ausführlicher darüber sprechen, denn für sowas sollte man einen aufgewärmten Geist haben.“


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    Da sein Bruder nicht aussah, als wolle er selber nun groß noch viel mehr sagen, stieg Rodewini wieder in das Gespräch ein, da die letzten Worte ja auch ihm gegolten hatten. Und er war hoch erfreut über diese Neuigkeit. Und seine Nichte würde sich sicher als Ehefrau eines Mannes wie Lando auch erfreut zeigen. Zwei Fliegen mit einer Klappe, sozusagen.
    “Wunderbar. Die Söhne Ariviors und die Söhne Wolfriks, darauf sollten wir trinken. Guter, germanischer Met für gute, germanische Männer.“
    Er drehte kurz den Blick zu seiner Angetrauten, die einen Moment mit undeutbarem, strengen Gesicht zurückschaute und dann der Frau neben ihr etwas zuflüsterte, was die Männer nicht hören konnten. Immerhin hatte sie als Herrin des Hauses auch die alleinige Hoheit über die Speisekammer, in der nun mal auch der Met stand. Egal, wen ihr Mann zu was hier einlud. Ein paar Augenblicke später allerdings wurde den Wünschen Rodewinis aber entsprochen und Met ausgeschenkt, nicht nur an Lando, Phelan, Rodewini und Sarwolf, sondern auch an all jene, die in einigem Abstand ihre Neugierde befriedigten.
    “Ihr seid natürlich Gäste in meinem Haus für die Nacht. Aber erst einmal wollen wir euch noch ein wenig aufwärmen und diese kluge Entscheidung feiern.“

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    Ob Rodewini das Verhalten von Lando nicht bemerkte oder schlichtweg überging ließ sich an seinem Gesichtsausdruck nicht ablesen. Er setzte sich vielmehr zu seinen beiden Gästen auf seinen Platz und nickte kurz vielleicht etwas selbstgefällig zu dem Lob.
    “Eine große Halle für eine große Sippe, wie es sein muss. Groß genug, um auch so ehrenwerte Gäste aufnehmen zu können.“
    Ein wenig Honig ums Maul des Gastes zu schmieren konnte auch nicht allzu verkehrt sein, angesichts der Tatsache, dass Rodewini sich Hoffnungen machen durfte, dass seine Pläne in die Tat umgesetzt werden könnten. Schließlich war Lando wohl doch vernünftig geworden, obwohl er sich beim Thing noch ein wenig unwillig gezeigt hatte. Aber die Verbindung, auf die Rodewini nun spekulierte, brachte schließlich ihnen beiden Vorteile.
    “Ich weiß nicht, ob du meinen Bruder Sarwolf schon einmal getroffen hast.“


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    Aus dem Klüngel der neugierigen Gesichter trat ein Mann hervor, der zwar jünger als Rodewini war, auf seine Art aber älter aussah. Ein Mädchen von vielleicht fünf Jahren wollte den Mann begleiten, wurde aber von einer blonden Frau mit langen Zöpfen festgehalten. Ein kurzer Blick, der zwischen Schmunzeln und Strenge lag von Sarwolf brachte das Kind schließlich ganz zur Ruhe, und der große Germane trat ebenfalls zu den Gästen und setzte sich an dem ihm zugewiesenen Platz.
    “Heilsa“ fiel die Begrüßung mit dunkler Stimme etwas knapp aus. Aber Sarwolf war kein Mann großer Worte und langer Reden.

    Bitterkalt war es, und windig auch noch. Bei diesem Wetter könnte man fast glauben, dass nie Frühling werden würde. So jagte man keinen Hund aus dem Haus, aber Wache war Wache. Und so stand auch Eike am Durchgang der Palisade am Tor und hielt Wache, während so langsam aber sicher die Nacht endgültig hereinbrach. Den langen Ger hatte er lässig an die Palisadenwand gelehnt gehabt, als er aber Reiter ausmachte, ihn schnell ergriffen. Nun hielt er ihn locker , ein Ende den Boden leicht berührend, die Spitze nach oben, die Hand auf Höhe der Hüfte, und schaute den halbverfrohrenen Gestalten entgegen, wie sie sich langsam näherten. Der Atem der Pferde dampfte regelmäßig, ebenso wie der Atem der Reiter darauf. Von ihnen sollte das keiner sein, niemand war grade auf Reisen und wurde zurückerwartet. Im Winter war ohnehin eine schlechte Zeit, um zu reisen. Folglich war Eike vorsichtig und neugierig zugleich, was die beiden Reiter anging. Er gab seinem Vetter, der hinter dem Tor gemeinsam mit ihm Wache hielt, damit es nicht gar so einsam war und weil zwei Männer besser waren als einer, einen Wink, er solle erstmal zurückbleiben und notfalls bereit sein. Sicher war sicher, auch wenn von zwei Reitern keine Gefahr ausgehen sollte, mit denen das Dorf nicht fertig werden würde.


    Als die Reiter dann heran waren, erkannte Eike, dass es zwei dick eingepackte Männer waren. Der ältere von beiden ergriff das Wort und stellte seinen jüngeren, blonden Begleiter und sich vor.
    “Heilsa. Ich bin Eike, Gerleifs Sohn. Zu Rodewini also?“ Hinter sich hörte Eike das Laufen schneller Schritte. Offenbar hatte sein Vetter schnell jemanden geschickt, um das abzuklären, ob sie vielleicht sogar erwartet wurden. Auf jeden Fall würde der Dux so wissen, dass Gäste kamen, und wäre nicht gleich völlig überrumpelt.
    Einen kurzen Moment musterte Eike die Reiter noch. Sie hatten Waffen dabei, aber wer hatte die hier nicht dabei? Schließlich waren Waffen hier so überlebenswichtig wie Brot, und letztendlich der einzig wirkliche Besitz eines Mannes, der es wert war, mit herumgetragen zu werden. Zumindest laut Eikes eigener, unbedeutender Meinung.
    “Na, dann kommt mal mit. Rango?“ Eike warf seinem Vetter einen kurzen Blick zu und bedeutete ihm mit einer kleinen Kopfbewegung, kurz seine Position am Tor zu übernehmen. Er konnte die beiden Gäste ja nicht einfach nur durchwinken und hoffen, dass die ihren Weg fanden. Auch wenn geradeaus reiten auch bei Ortsfremden durchaus im Bereich des Erfüllbaren liegen sollte.
    Er nahm also seinen Speer kurz etwas fester und setzte sich mit den beiden in Bewegung. Es war ja nicht weit, auch wenn das Dorf mit seinen über hundert Einwohnern groß war. Und so bot sich ihm die Möglichkeit, seine Neugier noch zu befriedigen.


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    Vor dem großen Langhaus in der Mitte des Dorfes erwartete die beiden Duccier auch schon ein wohlbekannter Rotschopf. Anders als beim Thing war er heute nicht ganz so herausragend gekleidet, aber immer noch so, dass man Rodewini seine Stellung im Dorf auf den ersten Blick ansehen konnte.
    “Lando, du suchst dir aber einen gastlichen Tag aus, um uns zu besuchen. Willkommen. Und auch dir, Phelan, Sohn des Gunnar, willkommen. Lasst uns doch nach drinnen gehen, ihr seht so aus, als ob ihr ein warmes Feuer und etwas Met gebrauchen könntet.“

    Die vom Thing heimkehrenden Reiter wurden freudig begrüßt. Auch wenn eine solche Zusammenkunft an und für sich friedlich ablaufen sollte, bestand natürlich immer ein Risiko, und nicht nur ein Stamm, der dort vertreten war, war den Mattiakern nicht unbedingt wohlgesonnen. So waren alle froh, als der Dux und sein Sohn wohlbehalten wieder im Dorf angekommen waren. Es wurde gegrüßt, die Pferde wurden untergebracht und von den Stallburschen versorgt und Rodewini machte sich nach kurzem Geplänkel dazu auf, mit seinem Bruder Sarwolf unter vier Augen zu sprechen.
    Elfleda hatte so nur kurz die Möglichkeit, ihren Onkel wieder willkommen zu heißen, ehe dieser mit ihrem Vater sich zurückzog. Neugierig war sie ja schon, aber Rodewini würde ihr ihre Fragen nicht alle beantworten. Die Informationskette war nunmal nicht Rodewini - Elfleda, sondern eher Rodewini - Sarwolf - Smilla - Elfleda. Oder aber sie nahm die Abkürzung, wie sie es vorhatte.
    Ihr junger Cousin Folcrat, der Sohn von Rodewini, war ja immerhin mit auf dem Thing gewesen. Und mit seinen vierzehn Jahren war er die perfekte Informationsquelle. Also kam Elfleda nach der Begrüßung freudig auf ihren jungen Verwandten, mit dem sie genauso eng wie mit ihrem verstorbenen Bruder oder ihren Halbgeschwistern aufgewachsen war, zu, und umarmte ihn erstmal herzlich.
    “Du musst mir unbedingt alles erzählen!“ fing sie auch gleich schon mit strahlenden Augen an, als sie ihn wieder aus ihrer Umarmung losließ und einfach kurzerhand mit sich zog. Nicht, dass er noch auf die Idee kam, jetzt lieber was anderes machen zu wollen, als ihr ausführlich Bericht zu erstatten.
    Natürlich konnte sie ihn nicht in irgendeine uneinsehbare Ecke ziehen. Zwar war er wie ein Bruder für sie, und sie glaubte nicht ernsthaft, dass es da irgendwelche Gerüchte geben könnte, aber auf fragende Blicke konnte sie gut und gerne verzichten. Es reichte ja auch, wenn sie sich etwas abseits in den Schatten des Langhauses setzten, gut sichtbar für alle vorbeikommenden und doch unsichtbar und vor allem unhörbar. So ungestört, wie man eben in einer verbundenen Gemeinschaft sein konnte.
    Folcrat zog ein gequältes Gesicht, als Elfleda ihn so mit sich nahm. Natürlich konnte er sich nach der Reise etwas schöneres vorstellen, als seiner Cousine Neugier zu befriedigen. Viel lieber hätte er sich umgesehen, ob er nicht irgendwo etwas Essbares finden konnte. “Elfleda, muss das jetzt sein? Ich kann dir doch heut abend alles erzählen, die anderen werden ja sicher auch nach Neuigkeiten fragen. Vater wird sicher selber was sagen. Ich bin müde.“
    Elfleda zog einfach an der Hand ihres Vetters, so dass dieser sich mit ihr hinsetzen musste, wenn er nicht etwas unsanft umfallen wollte. “Ich will es aber von dir hören, Folkrat. Komm schon, sei nicht so.“
    “Hnäääh, lass mich erst was essen. Sonst erzähl ich noch was falsches, weil ich vor lauter Magenknurren meine eigenen Worte nicht hören kann.“
    Elfleda verdrehte die Augen und blickte genervt drein. “Muss ich dich denn erst erpressen, damit du mit der Sprache rausrückst? So wie du rumdruckst, könnte man meinen, du weißt was wichtiges, was du nicht sagen sollst
    Kurz blickte der Sohn des Dux auf. Erwischt, dachte Elfleda berechnend. Jetzt würde sie ihn garantiert nicht weglassen, ehe er ihr alles berichtet hatte. Ihre Augen verengten sich nur eine kleine Spur, während sie ihren Vetter so taxierte.
    “Womit willst du mich denn erpressen, Elfi?“ Folcrat machte sich gerade daran, wieder aufzustehen, als er dieses verschlagene Blitzen in den Augen seiner Cousine sah, das fast schon zornig hätte sein können.
    “Ach, ich könnte zum Beispiel erwähnen, wohin der Honigkuchen plötzlich verschwunden war, als dieser suebische Händler bei uns Gast war. Und die Würfel, die du unter deinem Kopfkissen versteckst, interessieren deine Mutter sicher auch. Oh, oder das Versteck im hohlen Baum unten am Bach…“
    Ein Vorteil, wenn man eine Frau war, war, dass man manchmal sehr viel sah und hörte, während man eigentlich etwas anderes machte. Noch dazu, wenn man wie Elfleda mit einer gesunden Portion Neugier und nicht allzu großer Abneigung gegen Intrigen gesegnet war. Und so blieb auch ihr Cousin erstmal sitzen und schaute beleidigt zu seiner Base.
    “Das merk ich mir“, drohte er leicht beleidigt.
    “Gut, dann muss ich das ja nicht wiederholen, wenn ich das nächste Mal mich mit dir kurz unterhalten möchte und du mit der Sprache nicht rausrückst.“
    Als Antwort darauf streckte Folcrat ihr die Zunge heraus, was sie mit ebenso beleidigt wirkendem Gesichtsausdruck wie dem seinen erwiderte. Sie ließ ihm die Zeit, sich damit abzufinden, dass er ihr ja doch erzählen musste, was sie wissen wollte. Sie liebte ihren Vetter ja wie einen Bruder, aber welche Schwester hatte noch nie den Bruder erpresst?


    “Naa gut, dann erzähl ich dir eben von dem Thing. Wird dich eh langweilen, ich hab mich schrecklich gelangweilt. Die haben sich nur gezankt und gegenseitig die Schuld an dem Aufstand zugeschoben. Du weißt schon, wegen der schlechten Ernte damals. Die einen sagen, die Römer beuten die Germanen aus, die anderen sagen, wenn ihr aufhören würdet, mit den Schwertern zu rasseln und eure Felder bestellen würdet, gäb es auch keinen Hunger. Ich denke, Vater hat das schon ganz richtig gemacht, sich mit den Römern zu arrangieren, und das hat er auch gesagt. Mehr war da nicht.“
    Elfleda lauschte sehr genau. Das konnte nicht alles gewesen sein. Wahrscheinlich hatte Folcrat nicht richtig zugehört, denn dieser Streit ging schon seit Jahren, wenn nicht schon seit Generationen, so. Immer stritt der eine mit dem anderen, ob man sich besser auf diese oder eben jene Seite stellen sollte. Da hätte ihr Cousin vorhin nicht so geguckt.
    “Du willst mir doch echt nicht sagen, dass das alles war, worüber gesprochen wurde?“
    “Boah, neee, natürlich nicht. Ging auch noch um nen Tempel in der einen Grenzstadt der Römer, und um die Hochzeit von Reik mit dem Mädel von Brandolfs Stamm. Aber das weißt du ja schon.“
    Ja, das wusste Elfleda allerdings. Diese Ida war vierzehn. VIERZEHN. Und sie war mit ihren ACHTZEHN immer noch nicht verheiratet. Wie Rodewini ihr das nur antun konnte? Wie ihr Vater ihr das nur antun konnte! Das war doch wirklich zum Haare raufen.
    “Und das war alles? Du verschweigst mir doch was!“
    Jetzt schaute Folcrat so unschuldig und verwirrt, dass sie ihm beinahe glauben könnte.
    “Was sollt ich dir da verschweigen? Die Reise war lang, mir tut der Hintern vom reiten weh und ich hab soviel Hunger, dass ich mir schon überlegt habe, das Pferd kurzerhand zu braten. Also, kann ich jetzt endlich was zu essen holen, oder hältst du mich hier fest, bis ich wie ein wilder Wolf über dich herfalle?“
    Elfleda durchbohrte ihn mit ihrem Blick. Er wusste was. Er wusste irgendwas. Das sah sie ihm förmlich an der Nasenspitze an. Und entweder wollte oder sollte er ihr nichts davon sagen. Aber das würde sie schon noch rausfinden.
    “Oh, Folci, wir wollen doch nicht, dass du noch dünner wirst, hast jetzt schon kaum Fleisch auf den Knochen.“ Sie zwickte ihn leicht in die Rippen, woraufhin er mit einem Hüpfer kurz von ihr wegrobbte. Fürs erste war es genug, wenn sie noch mehr bohrte, würden sie streiten. Aber wenn sie bis heute Abend von Rodewini oder ihrem Vater Sarwolf noch nichts Weiterführendes gehört hätte, würde sie ihren Vetter aber ganz gehörig noch auszuquetschen wissen.

    Nach einigen Irrungen und Wirrungen :D möcht ich mich nun anmelden


    Name: Elfleda
    Stand: Peregrina
    Wohnort: Provincia Germania (und falls das nicht geht, weil eine Stadt gebraucht wird, nehmt Mogontiacum)