Beiträge von Duccia Elva

    Ganz offenbar hatte sie ihm die Sprache verschlagen. Der erste vernünftige Satz, den er herausbrachte, war ein Kompliment an sie, dass sie strahlen ließ. Nur schwer beherrschte Elfleda sich, nicht zu Oda rüberzugrinsen, die irgendwo ein wenig hinter ihr sein musste, sondern lächelte stattdessen Lando leicht errötend an. Vergessen waren die unsinnigen Gedanken, sie könnte neben all dem Prunk der Gäste völlig untergehen.


    Als sich Lando nun wieder gefangen hatte, stellte er ihr auch gleich seine Verwandte vor. Die Frau war hübsch, wenn auch schon etwas älter. Wobei sie beileibe nicht alt war, und mit den beiden Kindern im Arm eine quirlige Lebendigkeit ausstrahlte. Allein bei dem Anblick der drei musste Elfleda lächeln. Bald würde sie auch Kinder haben, da war sie sich ganz sicher, und sie freute sich schon darauf. Vor allem, wenn man so süße Wonneproppen direkt vor der Nase hatte.
    Dagmar begrüßte sie als erstes, und Elfleda erwiderte das Lächeln noch erfreuter.
    “Mein Vater Sarwolf hat von den Verhandlungen erzählt, er und mein Onkel Rodewini waren damals dort. Du wirst sie nachher bestimmt noch treffen, und sie werden sich sicher freuen, dich unter glücklicheren Umständen wiederzutreffen.“
    Über das Willkommen in der Familie freute sich Elfleda besonders und sah einmal kurz glücklich einatmend zu Lando hinüber, der noch immer ihre Hand in seiner hatte. Jetzt durften sie sich endlich berühren, ohne dass sie jemand deswegen tadeln würde. Elfleda wurde wieder etwas aufgeregter, als ihre Gedanken zu dem flogen, was später noch alles folgen würde. Ganz leicht drückte sie bei dieser Gelegenheit Landos Hand, ehe sie sich wieder an Dagmar wandte.
    “Danke, das bedeutet mir viel. Ich bin froh, dass unsere beiden Sippen so mehr miteinander verbunden sind, und hoffe, dass sie es auf ewig bleiben werden.“
    Zwar würden da eine Ehe und ein paar Kinder wohl nicht den Lauf der Welt verändern, aber es war eine gute Verbindung, auf der man aufbauen konnte. Blut war schließlich dicker als Wasser.
    Bei dem Land, aus welchem sie angereist war, war Elfleda neugierig. So groß war die Weld jenseits des Limes, dass es solch einen Ort gab? Ihre eigene Welt kam ihr da irgendwie klein vor, sowas hatte sie sich nicht träumen lassen. Alles, was mehr als zwei Tagesreisen von ihrem Dorf entfernt war, war für Elfleda weit weg. Wenn die Reise länger als eine Woche dauerte, war es sehr weit weg. Und noch weiter war sie in ihrem Leben bislang nie gekommen. Und bei diesen Entfernungen war sie nie auch nur in die Nähe einer senkrecht stehenden Sonne gekommen.
    “Dieses Land der Sonne, leben dort viele Menschen?“ fragte sie einfach neugierig. Wie sollte dort überhaupt etwas leben, wenn die Flüsse austrockneten?

    Kaum waren sie als Brautpaar gemeinsam auf dem Fest, ging das Begrüßen der Gäste los. Elfleda lernte viele Menschen kennen und versuchte, sich die Namen und Gesichter zu merken, aber es war beinahe unmöglich. Bei den meisten erschien ihr das auch nicht so immens wichtig, sie hoffte, Lando würde ihr die wirklich wichtigen irgendwie schon andeuten. Sie war schon froh, wenn sie seine Sippe fehlerfrei auseinanderhalten würde können und vielleicht noch zwei oder drei Freunde, den Rest würde sie nach und nach lernen.
    Doch dann führte sie Lando zu einem lustig gekleideten Mann. Elfleda hatte ja schon römische Männer gesehen, aber diese hatten meistens Rüstungen verschiedenster Güte getragen, oder waren als Händler zu ihnen gekommen und hatten sich dem germanischen Wetter durch teilweise germanische Kleidung angepasst. Doch dieser hier trug ein strahlendes, faltiges Tuch kunstvoll um den Körper drapiert, dass es schon ein anderer Anblick war. Der römische Fürst, der ihr dieses Conubium erteilt hatte, hatte auch etwas ähnliches angehabt, fiel ihr da auf.
    Lando begrüßte den Mann sehr freundlich, aber Elfleda verstand nicht alles. Das war doch ein wenig schnell, als dass sie die fremde Sprache so gut verstehen könnte. Sie begriff, dass sie einander vorgestellt wurden, und verstand auch das Wort Freund deutlich aus den anderen Titeln, die der Mann wohl trug, heraus. Sie versuchte ihr sicherstes Lächeln, sie wollte nicht schwach oder zögerlich erscheinen. Den Satz, der ihr in den Sinn kam, überprüfte sie kurz in Gedanken auf grobe Fehler, so sicher war ihr Latein nicht. Aber mehr als schiefgehen konnte es nicht.
    “Ich freue mich, einen Freund von Lando zu treffen.“ Der Satz war kurz und vielleicht etwas langsam gesprochen, dafür aber fehlerfrei.
    Die ganzen anderen Titel oder den Namen versuchte sie besser nicht jetzt zu wiederholen, dafür war das ganze doch ein wenig flott gegangen und mit der römischen Sprache kam Elfleda noch nicht so gut zurecht. Aber nachdem der Mann sie so nett begrüßt hatte, wollte sie ihn nicht nur mit diesem kurzen Satz stehen lassen. Also versuchte sie einen zweiten gleich hinterher.
    “Ich hoffe, dir gefällt… das Fest.“
    Elfleda stellte jetzt schon fest, dass sie die Casusbildung römischer Nomen noch üben musste, wollte sie nicht vor jedem zweiten eine kurze Gedankenpause machen. Aber sie hoffte, dass das noch Zeit haben würde.

    Ein vor Freude quietschendes, kleines Kind war etwas, wonach eine Frau sich schonmal umdrehte. Wenn dieses Kind dann auch noch von einem rothaarigen Hünen durch die Luft gewirbelt wurde, schaute man dann schon zweimal. Und so auch Elfleda, die ihren Verlobten durch diese kleine Aktion im Gewirr der Gäste erspäht hatte.
    Nun, dem Kind schien es zu gefallen, was er da machte, denn es gluckste und lachte, auch wenn den Frauen ringsum ein wenig das Herz stehen blieb. Dann nahm auch eine Frau das Kind wieder an sich und sagte etwas zu Lando, was aber auf diese Entfernung nicht zu hören war. Aber Elfleda war ja schon froh, ihn erspäht zu haben.
    In dem Durcheinander herausgeputzter Leute war Lando beinahe schlicht gekleidet. Er hatte zwar auch gute und edle Sachen an, aber gegen den Pomp von so manchem Gast kam er dabei nicht an. Alles wirkte eher einfach und zweckmäßig. Aber nichts desto trotz musste Elfleda lächeln und kam langsam auf ihn zu, indem sie sich begrüßend und lächelnd durch die Gäste schummelte.
    Er war wohl in sein Gespräch vertieft oder hatte sie nur im Gedränge nirgends gesehen, denn er unterhielt sich noch, als sie nahe genug bei ihm war, dass er sie hören konnte.
    “Lando?“ fragte sie ein wenig unsicher und wartete gespannt darauf, wie er sie wohl anschauen würde. Sie hatte Oda am Morgen wirklich auf Trab gehalten mit ihrer Pedanterie, aber sie hoffte, es hatte sich nun gelohnt.
    Die ihr fremde Frau begrüßte Elfleda nur nebenbei mit dem kleinen Lächeln, das sie heute allerorten schon fleißig verteilte.

    Oda versicherte ihr, dass Lando wirklich dort hinten war. Ein wenig schuldiger hätte sie nach Elfledas Empfinden wirklich gucken können, aber sie schaute eher, als wäre ncihts gewesen. So wollte Elfi sich gerade aufmachen, aber etwas kam dazwischen,
    Oder besser gesagt jemand. Witjon und die Römerin kamen Hand in Hand zu ihr und Oda herüber und begrüßten sie. Aber Elfleda war schon froh, von jemandem angesprochen zu werden, den sie kannte, daher war sie weit entfernt davon, in ihrer Aufgeregtheit irgendwie böse zu sein. Im Gegenteil, sie lächelte sogar kurz ein wenig erleichtert und hörte interessiert zu, was Witjon sagte.
    Das war also seine Verlobte? Elfleda hatte nicht gewusst, dass in ihrer neuen Sippe noch mehr Leute heiraten würden in nächster Zeit. Und schließlich durfte zwischen Verlobung und Brautlauf längstens ein Jahr liegen.
    Dass die Frau keinen ihrer germanischen Dialekte verstand, war bedauerlich. Sie war in etwa in ihrem und Odas Alter, und wenn sie Witjons Verlobte war, war anzunehmen, dass sie wohl auch zusammen mit Elfleda dann schwanger sein würde. Da hätte man sich austauschen können, und vielleicht wäre auch eine Freundschaft entstanden, je nachdem, wie unterschiedlich Römer nun wirklich von Germanen waren. Aber ohne vernünftige Sprache ging das wohl eher schlecht, und Elfleda wollte nicht zuhause in einer fremden Sprache sprechen..
    Aber zumindest grüßen konnte sie schon, auch wenn es sich etwas schüchtern anhörte. Wahrscheinlich fühlte sich die Römerin unter den ganzen Germanen hier genauso verloren wie Elfleda in der Stadt außerhalb des Gartens. Nur, dass sie den Vorteil gehabt hatte, dann nichts sagen zu müssen. Das hatten Lando und ihr Vater am gestrigen Tag bei der Erteilung des Conubiums glücklicherweise übernommen.


    Elfleda sah also kurz zwischen Witjon und seiner Verlobten hin und her. Sie hielten sich an der Hand und waren einander wohl zugetan. Und da sie bald verschwägert sein würden, wollte Elfleda versuchen, für einen guten Start zu sorgen. Sie lächelte offenherzig.
    “Dann solltest du es ihr schnell beibringen, damit wir uns gut unterhalten können.“
    Der Gedanke, Witjon könnte mit seiner Frau nicht bei seiner Sippe wohnen, war Elfleda so fremd, dass er ihr gar nicht kam. Frauen gingen in die Sippen ihrer Männer, Männer blieben normalerweise, wenn es nicht zwingende Umstände für etwas anderes gab. Und so nahm Elfleda einfach an, dass Callista ebenso wie sie selbst in diese Sippe hinzukommen würde und damit wohl germanisch besser lernen sollte.
    Dann wandte sie sich direkt und noch immer lächelnd an Callista. Ihr Latein war zwar nicht besonders sicher, aber ein bisschen konnte sie schon. Zuhören und verstehen war zwar einfacher als selber reden, aber eine Begrüßung sollte sie hinbekommen. Da fühlte sie sich sicher genug.
    “Salve Prudenzia Kallista“, Elfleda sprach den Namen so aus, wie sie ihn verstanden hatte. Dass dabei ein paar Vokale etwas zu hart klingen mochten, würde ihr Witjons Verlobte hoffentlich nachsehen. Insgesamt fand Elfleda die römische Sprache ungemein hart und präzise.
    “Es freut mich, dich... zu treffen. Ich möchte dich willkommen heißen, auf die Fest. Dem Fest.“
    Ihr Lächeln wurde etwas entschuldigender, und sie fuhr auf germanisch an Witjon gewandt fort. “Ich denke, vielleicht übersetzt du doch besser, bevor ich noch zuviel Blödsinn rede. Es freut mich, sie kennen zu lernen, kannst du ihr sagen. Und dass sie ein schönes Kleid hat.“
    So schön fand Elfleda es per se eigentlich nicht, es war nur... anders. Völlig anders als alles, was sie kannte. Und aus teurem Stoff, wenn sie das dem Blick nach urteilen müsste. Sie fragte sich, woraus es gemacht war, es sah so leicht aus. Zu leicht für Wolle.
    “Seit ihr schon lange verlobt? Wann ist der Brautlauf? Oder war er schon? Ich habe sie gestern Abend nicht gesehen.“
    Wobei sie bei dem kleinen Fest am Abend ohnehin etwas erschlagen von ihren Eindrücken war und vermutlich die Hälfte wieder vergessen hatte.

    Ohne groß noch Einwände gelten zu lassen zog Oda sie auch schon mit sich mitten hinein in das Getümmel an Fremden. Vielleicht hatte Elfleda heute auch schon ihren Vorrat an Zögerlichkeiten aufgebraucht, aber so schnell hatte sie doch nicht damit gerechnet, einfach mitgeschleift zu werden.


    Und dann war Oda plötzlich weg. Elfleda stand mitten im Garten, umringt von Fremden, und ihre Brautfrau war weg. Schöne Brautfrau aber auch! Elfleda schaute sich noch um, ob sie Oda irgendwo sehen konnte, fand sie aber nirgends. Ganz toll! Zorn stieg in ihr auf, fühlte sie sich doch von der Freundin im Stich gelassen. Da hatte sie erst mit Rodewini gezankt, damit sie mitdurfte, mit Smilla einen Streit riskiert, damit sie Brautfrau sein konnte, und dann war sie einfach weg. Vielleicht hatte es doch einen Grund, warum man sowas ältere Frauen normalerweise machen ließ und nicht Freundinnen, die jünger als man selbst waren.
    Elfleda schluckte ihren Ärger herunter, der wie sie sehr wohl wusste hauptsächlich aus Unsicherheit geboren war, und versuchte, das beste daraus zu machen. Leicht lächelnd sah sie sich um, ob sie einen ihrer Verwandten auf die Schnelle auftreiben konnte, oder einen aus Wolfriks Stamm, der sie dann zu Lando vielleicht bringen konnte. Auf keinen Fall wollte sie wie ein verlorenes Nichts hier einfach herumstehen. Sie war eine Fürstentochter aus dem Stamme der Mattiaker, verdammtnocheins, da stand man nicht herum und schaute wie ein verschrecktes Reh!
    Mit ihren offenen, langen, roten Haaren kam sie sich ein wenig seltsam vor. Die anderen Frauen in ihrem Alter trugen alle züchtige Zöpfe, und einige sogar seltsam aussehende Steckfrisuren. Und diejenigen, die Elfleda als Römerinnen ausmachte, sogar meistens noch ein Tuch über dem Kopf. Natürlich kannte sie es, dass eine verheiratete Frau auch mal eine Haube über die geflochtenen Zöpfe aufzog, aber diese Tücher sahen doch sehr befremdlich aus und auch ein junges Mädchen trug so etwas, so dass Elfleda schlussfolgerte, dass das nicht unbedingt etwas mit dem Stand als Ehefrau zu tun hatte. Aber so kalt, dass man die Ohren schützen musste, war es nicht, es war eigentlich sogar sehr warm.


    Etwas weiter in Richtung des Gartentors sah Elfleda dann Witjon, der sich mit einer Römerin unterhielt, und überlegte, einfach zu ihnen hinüber zu gehen und ihn zu fragen, ob er Lando irgendwo gesehen hatte. Oder noch besser ihren Vater Sarwolf. Ihr Vater würde sicherlich wissen, was sie noch zu tun hatte. Oder am allerbesten Smilla. Hauptsache irgendjemanden, der nicht so aufgeregt wie sie war und wusste, was zu tun war.
    Allerdings wusste sie nicht, ob sie mit Witjon dann einfach reden konnte. Die Frau neben ihm war eindeutig römisch. Auch sie hatte ihre Haare so seltsam frisiert und ein merkwürdig geschnittenes Kleid an. Nicht, dass es nicht irgendwie hübsch war, es war nur sehr anders als alles, was Elfleda kannte. Kurz sah sie an sich herunter und grübelte nach, ob Oda nicht vielleicht doch übertrieben hatte, was ihr eigenes Aussehen betraf.
    Nun, etwas besseres hatte sie allerdings nicht, sie war ohnehin schon ganz aus dem Häuschen gewesen, dass Rodewini ihr ein für germanische Verhältnisse herausragendes Kleid geschenkt hatte.
    Sie überlegte noch, ob sie nun wirklich zu Witjon gehen sollte und ob es unhöflich wäre, in ihrer Muttersprache mit ihm zu reden, als plötzlich Oda wieder da war.
    “Wo warst du?“, meinte Elfleda im ersten Augenblick aufgebracht, beruhigte sich dann aber gleich wieder. Das hatte jetzt sowieso keinen Sinn, und heute wollte sie auch gar nicht streiten.
    “Dort hinten ist er? Sicher?“ Sie sah etwas unsicher in die angegebene Richtung, denn sie konnte ihren Bräutigam dort nicht ausmachen. “Ich wollte gerade Witjon da drüben fragen, aber wenn du dir sicher bist, können wir auch direkt hingehen. Er unterhält sich gerade mit einer Römerin.“

    Elfleda stand ganz am Rand neben Oda und beobachtete tuschelnd die Leute, die Lando eingeladen hatte. Natürlich kannte sie niemanden, das hatte sie auch nicht angenommen. Dennoch war es interessant, sie sich anzuschauen, und natürlich lenkte es von ihrer Nervosität ab.


    Da Elfleda nach dem Brautlauf zu Landos Sippe schon gehörte, hatte sie auch bereits in der Casa übernachtet. Natürlich nicht allein, ihre Eltern und Geschwister waren mit in dem Gästezimmer geblieben. Und natürlich Oda als Brautfrau. Was dann zur Folge hatte, dass Smilla, Oda, Aleke, Siguruna und Elfleda im Bett geschlafen hatten, Bertwini sich spontan dazu entschlossen hatte, bei seinem Cousin doch zu nächtigen und Sarwolf aufgrund der weiblichen Übermacht den Boden bevorzugt hatte.
    Allerdings hatte Elfleda die ganze Nacht kein Auge zugetan. Das Zimmer war ihr doch etwas unheimlich. Das Haus war ihr sehr unheimlich. Und die Stadt war ihr ungeheuerlich unheimlich. Überall so viel Stein, und alles so groß und so hoch! Elfleda hatte noch nie ein mehrstöckiges Gebäude gesehen, und nun sollte sie in einem wohnen. Und alles war so riesig und groß. Elfleda hatte noch nie so viele Häuser an einem Fleck gesehen, und dann gab es auch noch welche, wo überhaupt niemand drin wohnen sollte. Völlig unverständlich für Elfleda, vor allem wie sich die alle ernähren sollten. Sie hatte noch nie etwas so gewaltiges wie diese Stadt hier gesehen.


    Und dementsprechend aufgeregt war sie auch und nestelte an ihrem Kleid herum, weil sie sich einbildete, eine Naht würde sich lösen. Was sie natürlich nicht tat, aber es beschäftigte Elfledas Finger.
    “Und du meinst, ich seh neben diesen herausgeputzten Römern trotzdem noch fürstlich genug aus?“ fragte sie zum etwa hundertsten Mal Oda. Als ihre Brautfrau war sie heute den Tag über an ihrer Seite und musste Elfledas Nervosität über sich ergehen lassen. Eigentlich hätte Elfi ja nicht gedacht, so aufgeregt zu sein, aber im Moment hatte sie schon beinahe kalte Füße. “Und das hier sind noch nichtmal richtige Römer, oder? Hast du eigentlich Lando schon gesehen?“
    Ihr Bräutigam musste ja eigentlich irgendwo nahe des Eingangs stehen, um die Gäste zu begrüßen. Aber Elfleda sah ihn im Moment nicht. Stattdessen nestelte sie wieder an der goldfarbenen Stickerei auf ihrem weißen Kleid herum. Rodewini hatte ihr das Kleid geschenkt, damit sie hier und heute wie die Maikönigin strahlen konnte.
    “Sollten wir zu ihm gehen, oder erst später, wenn die Gäste dann da sind?“
    Elfleda war so unschlüssig, und hatte alles vergessen, was sie eigentlich übers heiraten wusste. Daran war sicher die unruhige Nacht mit schuld, ebenso wie die Aufregung, die sie so schon verspürte. Aber im Moment löcherte sie Oda mit Fragen, nur um etwas zu sagen. Das Warten war furchtbar.

    Am Anfang des Tages war Elfleda nur positiv aufgeregt und voller Vorfreude gewesen. Aber nun, wo alles so kurz bevorstand, war sie wirklich nervös. Und das lag nicht nur an dem Steinungetüm von Stadt im Hintergrund, oder diesem seltsamen Ding auf dem sie stand. Die Brücke trug zwar in erheblichem Maß zu ihrer Unruhe bei und Elfleda wäre eine normale Furt durch den Fluss hundertmal lieber gewesen.
    Ihr Vater hatte sie bis kurz vor Lando geführt. Noch war sie an seinem Arm und stand damit unter seinem Schutz, aber als Lando ihr den Muntschatz und seine Hände anbot, ließ er sie los. Nun stand sie allein, nicht mehr im Schutz ihrer Sippe, freigegeben um in Landos Sippe einzutreten. Ihr Blick ging noch einmal kurz zurück zu ihrer Familie. Zwar waren sie ja noch einige Tage um sie, aber dennoch war das hier nun ein wichtiger Schnitt in ihrem Leben. Ihr Blick blieb auf Oda hängen, die auch ein wenig ängstlich noch auf dem Wagen saß. Von ihr würde der endgültige Abschied noch mal sehr schwer fallen, hatte sie sie doch gerade erst zurück erhalten.
    Ihr Vater stupste sie einmal unauffällig, als sie wohl zu lange zurückblickte. Sie durfte hier ja nicht alle warten lassen, vor allem Lando hatte eine so zögerliche Braut nicht verdient. Ihr Blick fiel also auf den Wagen mit dem Muntschatz, den sie kurz musterte. Sie würde wahrlich keine arme Frau sein, wenn sie ihn heiratete. Und das war nur ein Teil von dem, was versprochen war.


    Elfleda machte einen Schritt auf Lando zu – und damit von ihrem Vater weg – und ergriff seine Hand. Sie hoffte, sie zitterte nicht zu spürbar. Sie wollte nicht wie ein nervöses Kind zu ihm kommen, sondern wie eine Fürstentochter. Im Moment aber zierte sie sich wie die sprichwörtliche Jungfrau.
    “Den Bräuchen unserer Vorfahren entsprechend nehme ich dein Geschenk an. Ich will mich unter den Mantel deines Schutzes begeben und deine Frau sein. Bei Frigg, der alles schützenden Mutter und Braut, will ich dir treu sein, dich ehren und dir beistehen als deine Frau. Mit dir und den Göttern, bis zur Weltendämmerung Ende.“
    Sie hoffte, ihre Stimme war laut genug gewesen. Sie hatte diesen Satz oft geübt, und dennoch hatte sie das Gefühl, irgendwas verdreht oder doppelt gesagt zu haben.


    Sie blickte auf zu Lando und musste nun doch ein ganz klein wenig lächeln. Er hatte sich richtig herausgeputzt und sah gut aus. Von der Verletzung sah man ihm so auf Anhieb nichts an, auch wenn er ein wenig Schweiß auf der Stirn hatte und sich ein paar Mal verhaspelt hatte. Doch jetzt, so Hand in Hand direkt vor ihm, war das egal. Sie war jetzt in seine Sippe übergetreten, und nach der Verlobung war nun der nächste Schritt zu ihrer Ehe mit ihm geschafft.

    Bertwini hatte doch auf sie gewartet, als sie an den Fluss kamen. Die große Steinbrücke war ein unheimliches Gebilde, über das niemand so recht den ersten Schritt setzen mochte. So schlossen die Ochsenwagen auf und die Reiter, bis schließlich Elfledas Onkel und Vater als erstes ihre Pferde auf das Gebilde lenkten und der Rest der Sippe langsam folgte.


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    Selbst nach der Reise sah Rodewini aus wie der Fürst, der er war. Als Anführer der Sippe erwiderte er die Begrüßung Landos förmlich.
    “Heilsa Wolfriksstamm. Sei gegrüßt, Lando Landulfssohn. Der Stamm Vilmars dankt für eure Gastlichkeit und will sie gerne annehmen.“


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    Ein kurzer Augenblick des Schweigens entstand, und Elfledas Vater Sarwolf saß von seinem braunen Pferd ab und ging die wenigen schritte zurück zu dem wagen, wo seine Tochter saß. Er half ihr vom Wagen abzusteigen, indem er sie, als sie stand, kurzerhand bei der Hüfte nahm und herunterhob. Als sie sicher auf dem Boden vor ihm stand, gut einen Kopf kleiner als er, strich er ihr noch eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. Hier auf der Brücke ging immer ein leichter Wind und fuhr allen frühlingshaft warm über die Sachen.
    Sarwolf blickte seine Tochter noch einmal kurz beinahe wehmütig an, und nahm dann ihre rechte Hand in seine Linke. Langsam und bedächtig führte er seine Tochter die wenigen Schritte über die Brücke, bis sie schließlich genau vor den Ducciern standen.
    “Hier, Lando Landulfssohn, bringe ich zur vereinbarten Zeit zum vereinbarten Ort meine Tochter Elfleda, unversehrt und unberührt, um sie in den Schutz der Sippe von Wolfriks Stamm zu übergeben, damit du sie heiraten kannst.“
    Seine Stimme klang laut und kräftig genug, so dass alle Anwesenden beider Sippen ihn gut hören konnten. Wenn er sie übergab, war damit sein Teil des Verlobungsversprechens erst einmal eingelöst.

    Noch vor Morgengrauen waren sie aufgebrochen. Auf Ochsenkarren alles wichtige verladen, mit Platz für die Frauen und die Kinder. Die Männer, die ein Pferd ihr eigen nannten, beritten, ein paar auch immer wieder zu Fuß, waren sie aufgebrochen von ihrem Dorf immer in Richtung Westen und Süden, zum Land der Römer.
    Es ging langsam voran, die Reisegesellschaft von insgesamt 36 Männern, Frauen und Kindern brauchte ihre Zeit. Späher waren in alle Richtungen immer vorausgeschickt worden, um den Weg zu sichern. Als sie die befestigte Straße zwischen Aquae Mattiacorum und Mogontiacum erreichten, ging es deutlich schneller voran. Ab hier mussten sie die Gegend auch nicht mehr so genau beobachten, ab hier waren Übergriffe unwahrscheinlicher.


    Zur Mittagszeit machten sie eine Rast abseits der Straße. Sie hatten nicht viel an Proviant mit und teilten diesen untereinander auf. Die Kinder spielten vorsichtig und erkundeten die Gegend unter den Wachsamen Augen einiger Männer, während die Frauen sich daran machten, sich und vor allem Elfleda nun endgültig herauszuputzen. In wenigen Stunden würde sie übergeben werden, da war es nötig, sie dementsprechend auszustaffieren.
    So zog sie ein feines Kleid aus feinsten Leinen an, das am Saum reich bestickt war. Ihre Haare wurden gebürstet, bis sie ihr glänzend und weich über den Rücken fielen. Ein weißer Pelz lag um ihre Schultern, gehalten von einer goldenen Fibel, obwohl es schon frühlingshaft warm war. Um den Hals bekam sie noch den dicken, goldenen Ring aus ihrer Aussteuer. Lando sollte sehen, dass er keine arme Frau übergeben bekam, sondern eine Adelige und die Nichte eines Fürsten.


    So herausgeputzt legten sie dann den restlichen Weg zurück, der Wagen mit Elfleda an der Spitze des Zuges, neben ihr Oda auf dem Ehrenplatz als Brautfrau – auch wenn Rodewini nicht begeistert gewesen war. Ihr Vater ritt auf seinem Braunen neben dem Wagen her und lächelte ihr immer mal wieder aufmunternd zu, während ihr Bruder Bertwini auf seinem kleinen, struppigen Pferd schon ein wenig vorausgeprescht war, um ihre Ankunft dann auch zu verkünden – und um als erster einen Blick auf das römische Reich werfen zu können. Ihr Onkel schließlich ritt herausgeputzt wie immer auf der anderen Seite des Wagens daher und sah ein wenig nachdenklich dabei aus.


    So kamen also die Mattiaker am Rhenus an, vorneweg der Zwölfjährige auf seinem kleinen, stämmigen Rappen, dahinter der Wagen mit der Braut und ihrer Familie. Und dahinter die unzähligen anderen, die bei diesem Ereignis nicht fehlen durften, zusammen auf 3 Wagen und mit 12 mitgeführten Pferden insgesamt.

    Sim-Off:

    Aufgrund des doch recht nahen Termins der Hochzeit ziehe ich das schnell vor


    Nachdem die Duccier wieder abgereist waren, begannen allmählich die Vorbereitungen für die Hochzeit. Elfleda musste sich umsehen, ob sie auch alles nötige beisammen hatte. Wenn sie etwas hier im Dorf vergaß, was sie mitnehmen wollte, würde es hierbleiben. Und wenn es etwas gab, was sie verschenken wollte, musste sie es jetzt tun, denn sie würde wohl nicht zurückkehren.
    So viel verschenkenswertes besaß sie ohnehin nicht als persönliches Eigentum. Das meiste gehörte ohnehin der Familie gemeinsam, oder der ganzen Sippe. Ihre Aussteuer würde sie mitnehmen, schon allein um ihre Stellung in der neuen Sippe behaupten zu können und nicht zu abhängig zu sein. Doch gab es hier und da Kleinigkeiten, die Elfleda noch verteilte. Schöne Broschen für ihre Schwestern, eine Fibel für ihren Mantel für Elke, ein zu klein gewordenes Kleid für Emma.


    Und so ging es weiter mit Kleinigkeiten, und andere Dinge wurden sicher verpackt, damit man sie nicht vergaß. Ihre Pelze, ihre Kleider, ihren Schmuck. Gesinde nahm Elfleda keines mit, auch wenn es ihr dem Stande nach zugestanden hätte. Allerdings wurde hier jede Hand gebraucht, und Elfleda wollte auch niemanden von hier wegreißen. Oda hätte sie gerne mitgenommen für immer, aber die war ja nicht eine Magd, über die sie hätte verfügen können.


    Schließlich stand noch etwas an, was organisiert werden musste. Und so begab sich Elfleda etwa eine Woche vor dem Brautlauf zu ihrer Stiefmutter.
    “Smilla? Hast du kurz Zeit für mich?“
    Eigentlich war die Frage fast schon rhetorisch, denn Smilla sagte nie nein und hatte immer ein offenes Ohr.
    “Natürlich, Elfleda. Was gibt es denn, Kind?“
    Auch wenn Smilla gerade zehn Jahre älter war als Elfleda selbst, hatten die beiden Frauen eher eine Mutter-Tochter-Beziehung zueinander aufgebaut. So war es ganz normal, wenn Smilla die Jüngere einfach Kind nannte.
    “Nun, es geht um die Hochzeit. Da würde ich gerne etwas mit dir besprechen.“
    Smilla lächelte Elfleda aufmunternd zu und setzte sich auf eine Bank, deutete mit der Hand, dass Elfleda sich auch zu ihr setzen sollte.
    “Bist du nervös? Musst du nicht sein. Du wirst eine wunderbare Braut sein, und…“
    “Nein, nein, darum geht es nicht. Oder, doch, schon, ja, ich bin nervös. Aber es geht eigentlich um etwas anderes.“
    Smilla stoppte ihre schon angesetzte, tröstende Erklärung und sah Elfleda fragend an.
    “Weißt du, ich möchte Oda gerne bei meiner Hochzeit dabei haben. Aber als so junge Witwe und mit dem ganzen Durcheinander bei ihrer Rückkehr würde sie wohl nicht mitwollen. Sie denkt noch, dass ich sie nur aus Mitleid mitnehmen würde, oder dass sie ein schlechtes Zeichen ist oder so einen Blödsinn. Aber weißt du, sie ist doch meine beste Freundin, und da muss sie einfach dabei sein.
    Und ich dachte mir, wenn ich sie zu meiner Brautfrau mache, dass sie ja dann einfach mitkommen muss…“

    Elfleda setzte ihren unschuldigsten Blick auf und sah Smilla fragend an.
    Die Brautfrau war ein Ehrenposten bei der Hochzeit. Eine bereits verheiratete Frau, die der jungen Braut während der ganzen Feier zur Seite stand und ihre Fragen beantwortete. Vornehmlich war sie dafür da, ihr die Angst vor den Geschehnissen zu nehmen und ihr einfach ein paar Tipps zu geben, wenn welche benötigt wurden, sowie darauf zu achten, dass die Braut auch alles richtig machte. Da die meisten Bräute ja schon allein aufgrund der räumlichen Nähe innerhalb einer Sippe schon sehr aufgeklärt waren und eigentlich alles Nötige ohnehin wussten, war das mehr ein Ehrenposten, der meistens von der Mutter oder einer Tante ausgefüllt wurde, seltener einer anderen Frau, deren Wichtigkeit für die Hochzeit man damit unterstreichen wollte.
    Und in Elfledas Fall hätte diese Position eigentlich Smilla zugestanden. Deshalb war sie nun auch hier, um ihre Meinung dazu zu hören – und sie notfalls eben zu ändern.
    Smilla schwieg eine Weile nachdenklich, offenbar war es ihr nicht so ganz recht, diesen Platz zu räumen. Wäre es Elfleda auch nicht, aber Smilla war normalerweise versöhnlicher als ihre Stieftochter. Schließlich atmete sie einmal tief und seufzend durch und sah Elfleda milde an.
    “Da hängt dein Herz dran, dass Oda mitkommt, oder?“
    Ohne zu zögern nickte Elfi stumm und sah Smilla aufrecht an. Da hing wirklich ihr Herz dran, dass ihre Freundin da dabei war.
    Smilla lächelte leicht und machte damit ihrem Namen alle Ehre, ehe sie nickte. “Nun, dann solltest du ihr das sagen. Als Brautfrau muss sie sicher auch an etwas mehr denken und packen muss sie ja auch noch.“
    Elfleda umarmte ihre Stiefmutter dankbar und gab ihr einen schwesterlichen Kuss. Dass es doch so leicht gehen würde, hätte sie nicht gedacht, aber so war es natürlich weitaus besser, als sich erst darum zanken zu müssen.
    “Smilla… danke.“
    Smilla wusste, dass sie für Elfleda nicht weniger wertvoll war als die verstorbene Mutter, und durch diese Geste war sie noch einmal mehr in ihr Herz gerückt.
    “Aber ich sollte es ihr dann wirklich schnell sagen. Und packen, immerhin wollen wir übermorgen schon los.“
    Elfleda drückte die Ältere noch einmal und machte sich dann auf. Es gab noch viel zu tun und so wenig Zeit, und mit Oda musste das natürlich auch besprochen sein. Die war bislang noch nicht einmal gefragt worden, ob sie überhaupt wollte.

    Zitat

    Original von Oda


    Elfleda ließ sich mit keiner Miene anmerken, was sie dachte. Immerhin hatte sie beschlossen es sich nicht zu verscherzen. Aber eines war klar: Sie konnte den schwarzen Mann nicht leiden. Woran das nun genau lag, mochte sie nicht sagen. Vielleicht an der Art und Weise, wie er mit ihnen sprach, gerade erst aus seinem Eid entlassen und schon davon zu reden, den ehemaligen Herrn zu verlassen. Vielleicht, weil er Rodewini so abtat, als wäre ihr Onkel nicht wichtig genug, vernünftig erwähnt zu werden. Vielleicht auch daran, dass er eigentlich nur mit Oda sprach und sie als Vorwand gebrauchte, um eben jenes zu tun, und Elfleda ließ sich sehr, sehr ungern als Vorwand für irgendetwas vorschieben. Und so taub und dumm, um das nicht zu bemerken, war sie nicht. Oder vielleicht auch, weil Oda eben das entweder nicht merkte oder nicht merken wollte. Wahrscheinlich alles zusammen.
    Aber Oda fragte weiter, wollte sich offenbar ernsthaft mit diesem… Wesen unterhalten. Sie konnte jetzt wohl dann kaum eine Ausrede erfinden, warum sie und Oda weg mussten und das Gespräch beenden, wenn ihre Freundin offenbar daran interessiert war. Manchmal glaubte Elfleda, sie musste ihre Freundin vor sich selbst schützen. Dieser Mann hier war weit unter ihrem Stand, auch wenn sie Witwe war. Aber deshalb sollte sie sich dennoch nicht mit einem ehemals Unfreien einlassen, der noch nichtmal Germane war.
    Sie beugte sich also zu Oda rüber und flüsterte ganz leise in ihr Ohr. “Er ist unter deinem Stand.“
    Sie löste sich von der Freundin, schenkte Silko ein freundliches Lächeln und deutete auf den Tisch mit ihrem Vater, wo Rodewini sich gerade mit Alrik zu unterhalten anfing, während Lando schon ging. So früh schon müde? Aber vielleicht hatte ihn die Verletzung mehr Kraft gekostet, als er zuzugeben bereit war.
    “Ich begebe mich dann mal wieder zu meinen Verwandten, ehe ich noch vermist werde.“
    Sie blickte Oda noch einmal kurz eindringlich an und schenkte Silko ein freundliches, kleines Lächeln, ehe sie ihre Worte in die Tat umsetzte. Sie hoffte nur, dass Oda ihre Anspielung verstanden hatte und im Umgang mit dem schwarzen Mann vorsichtig war.



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    Während Lando sich schon verabschiedet hatte, fand Rodewini in Alrik einen neuen Gesprächspartner. Noch dazu einen, der wie es schien über die Vorgänge hier im Reich sehr gut informiert zu sein schien.
    “Du hast recht, ich will mich nicht daran beteiligen. Ich habe sie gesehen, die Städte der Römer, ihre Armeen, die ganze Maschinerie, die sich Rom nennt. Bestimmt wird eines Tages der Tag kommen, an dem wir sie besiegen könnten, aber die Mattiaker sind ihre Verbündeten und nicht ihre Feinde. Wir haben ihnen unsere Kampfkraft versprochen, und das halten wir auch.
    Und dieses Machtvakuum ist eine Bärenfalle. Es sieht verlockend und sicher aus, aber wagst du dich auf diesen Grund, bricht er unter dir zusammen. Ich bin wahrlich nicht verrückt genug, erst hier alle gewaltsam zu einigen und dann noch wohl gegen die Römer vorzugehen, um die Schreihälse bei Laune zu halten.“

    Rodewini nahm noch mal einen tiefen Zug von seinem Met und registrierte nebenbei, dass seine Nichte wohl wieder zurückgekehrt war von ihrer Unterhaltung mit Oda.
    “Du hast recht, ich deute die momentane Lage nicht anders als du. In spätestens drei Sommern wird sich der nächste Aufschwingen und erneut versuchen, woran schon einige gescheitert sind. Und da bin ich lieber näher an Rom gebunden in der Hoffnung, dass sie schnell reagieren.“

    Aufgepasst werden? Elfledas Augenbrauen verzogen sich leicht skeptisch nach oben. Sie brauchte keinen Aufpasser, sie tat nichts Verbotenes. Sie brauchte lediglich manchmal jemanden, der für sie einstand und sprach, und das würde ihr Mann ja wohl übernehmen. Dieser Silko sprach ihr ein wenig zu respektlos für ihren Geschmack, aber sie beherrschte sich.
    “Rodewini“, war die einzige, knappe Bemerkung auf seinen Satz. Dieser rothaarige Mann da kann mehr Schwerter aufbieten als du, dachte sie nur kurz leicht verärgert. Allerdings war sie nach außen ganz ruhig und erhaben. Im Gegensatz zu Oda, die gänzlich neugierig zu sein schien.
    Wenn ihre Frage auch nicht ganz dumm war. Es klang tatsächlich etwas merkwürdig, wie er sich ausgedrückt hatte. Aber kein Mann von Ehre ging einfach von jemandem, bei dem er unter Eid stand. Ihr Gesinde ging ja auch nicht einfach los und machte, was es wollte. Auch die freien, die ihrem Vater oder Rodewini verschworen waren, machten nicht einfach, was sie wollten. Von daher interessierte sie die Antwort doch auch, würde sie doch auch Klarheit über die Stellung des Nubiers bringen.

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    Rodewini nahm einen großen Schluck aus dem Humpen, den er vor sich stehen hatte, und schaffte so sich kurz die Zeit, seine Antwort genau zu überlegen. Natürlich wäre er lieber bei Lando selbst untergekommen, aber er hatte schon römische Städte gesehen und wusste, wie es dort manchmal mit Platz aussah. Und sie waren ja wirklich nicht wenige.
    “Wenn du sagst, dass es ehrbare Leute sind und die meinen dort sicher und gut aufgehoben sein werden, dann machen wir es so.“
    Er meinte zwar, sich zu erinnern, dass Lando gesagt hatte, er selbst könne sie aufnehmen, aber er wollte da jetzt nicht mit ihm streiten. “Ich hatte vor, alles in allem, Frauen und Kinder mitgerechnet, mit 32 Menschen zu kommen. Vielleicht zwei oder drei mehr, wenn die Höfe uns so unterbringen können.“
    Rodewini hatte ja kein Problem damit, wenn es etwas enger würde. Hier im Dorf war der Platz ja durchaus auch begrenzt, für alle und jeden.





    Oda zog sie auf und neckte sie, und erhielt dafür einen gespielt beleidigten Blick. Ernst schaute Elfleda zu der Gesellschaft am Tisch wieder zurück, wo sich Rodewini grade mit Lando unterhielt.
    “Zwei Tage vor Hohen Maien reisen wir ab. Und was heißt da ihr? Du kommst mit!“
    Das hatte Elfleda schon ganz fest beschlossen. Wenn Oda da war, musste sie auch mitkommen, da gab es für sie nicht einmal eine Diskussion drüber. Wenn sie schonmal heiratete, wollte sie ihre Freundin da auch dabei haben.
    Dann wurde ihr Grinsen frech, schon wölfisch, als sie den Kopf leicht schief hielt und verschwörerisch zu Oda blickte. “Und ich dachte immer, in der Hochzeitsnacht soll der Mann ein wenig steif sein?“
    Schnell verwandelte sich das Grinsen in ein kleines Lachen. Diese Vorlage von Oda hatte sie einfach nutzen müssen, so eine schöne Wortwahl unkommentiert zu lassen wäre ja Verschwendung gewesen.


    So kicherte sie noch ein wenig, als der schwarze Mann plötzlich aufstand und zu ihnen hinüber kam. Das Lachen ebbte ab, als sie merkte, dass er wirklich auf sie beide zusteuerte, und mit ihrem üblichen, leicht skeptischen Blick sah sie ihm fragend entgegen. Er stellte sich vor und fragte nach ihren Namen. Elfleda war ein wenig verwirrt, dass er sie beide so direkt ansprach, denn ganz offensichtlich gehörte er ja nicht direkt zu Landos Sippe. Sie hatte angenommen, er wäre durch Eid irgendwie an ihren Verlobten gebunden, aber dass er sie jetzt hier so ansprach, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten oder dergleichen, verwirrte sie doch.
    Oder aber er nutzte das nur als Vorwand, um mit Oda zu sprechen, die ja ihren Blick nicht von ihm lassen konnte. Mochten die Götter behüten, dass er seinen Blick von ihr ließ. Elfleda würde da ihre Freundin später noch genauer aushorchen müssen, um zu wissen, ob sie einschreiten musste oder nicht.
    Aber zunächst galt es, den schwarzen Mann hier nicht einfach so stehen zu lassen. Immerhin vertraute Lando ihm und sie würde wohl dementsprechend oft mit ihm zu tun haben. Da wollte sie es nicht gleich zu Beginn vollkommen verscherzen. Erst recht nicht, wenn er ihr Komplimente machte – auch wenn sie nicht sicher war, ob er das durfte.
    “Ich bin Elfleda, Sarwolfs Tochter. Und das ist Oda, Brandwolfs Tochter.“ Da sie von ihnen beiden den höheren Rang hatte, wenn man so wollte, stellte Elfleda sich auch als erstes vor.
    Weiter sagte sie nichts vorerst. Zum einen, da sie mit Nubien nichts anfangen konnte und nicht sicher war, was die passende Reaktion auf die Komplimente war, und zum anderen, um Oda eine Gelegenheit zum Reagieren zu geben – und sie dabei zu beobachten. Immerhin ließ sie der Satz, den ihre Freundin vorhin gesagt hatte, nicht los.

    Bei Odas erster Antwort blickte Elfleda etwas konsterniert drein. Oda konnte ihre Augen nicht von dem schwarzen Mann lassen?! Abgesehen davon, dass er wirklich unheimlich war, aber die Wortwahl… da würde sie aber später drauf eingehen.
    “Natürlich mein ich Lando.“ Sie schaute noch einmal kurz skeptisch zu Oda hinüber und wandte sich dann so, dass sie ihren Verlobten sehen konnte. “Sie hatten eine etwas unerfreuliche Begegnung mit einigen Menschenhändlern einige Tagesreisen von hier entfernt. Sie sind in einen kleinen Kampf verwickelt worden, haben aber zum Glück niemanden dabei verloren.“
    Sie blickte noch immer zu Lando. Verdammt, sie konnte ihre Augen nicht von ihm lassen. Grässlich, sie fing schon fast so an wie Elke. “Meinst du, die Verletzung wird ihn beeinträchtigen? Also, ich meine, bis zur Hochzeit wird doch alles wieder verheilt sein, oder?“
    Hoffnungsvoll blickte sie zu Oda. Nicht, dass die Hochzeit noch verschoben werden musste.

    Es wurde später, und man begab sich wieder in das große Langhaus. Bänke wurden aufgestellt, damit alle essen konnten, und die Duccier saßen mit Rodewini und seiner näheren Sippe an einer Tafel. Elfleda konnte leider nicht so nahe bei Lando sitzen, wie sie gerne wollte, aber das war vielleicht auch besser so. Sie musste sich schon schwer beherrschen, nicht zu oft zu ihm zu schauen und auch seinen Verwandten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
    Phelan kannte sie ja schon, er schien als einziger sich auf dieser Reise nicht schwer verletzt zu haben. Witjon hatte einige heilende, blaue Flecke, auch im Gesicht, und an seiner Stirn klebte noch etwas Schorf, was ihn wie einen Raufbold aussehen ließ. Aber von dem, wie er sich gab und was seine Augen sprachen, schien er eher umgänglich zu sein. Und Alrik war still und verschlossen, setzte sich in eine Ecke und beobachtete. Elfleda war sich nicht sicher, was sie von ihm halten sollte. Er war irgendwie… kalt, und andererseits auch wieder nicht. Ihn einzuschätzen fiel ihr wirklich schwer.


    Sie versuchte, Landos Worten so gut es ging zu lauschen. Die Geschichte mit den Menschenhändlern gefiel ihr nicht. Vor allem für die äußeren Gehöfte waren solche Banden immer gefährlich, auch wenn sie hier im Dorf sehr beschützt waren dank ihrer Größe und nicht zuletzt der Bewehrung. Doch konnte Rodewini die Menschen etwas außerhalb nicht einfach sich selbst überlassen. Wenn Menschenhändler bis dorthin vordrangen und das Land unsicher machten, betraf das ihr Dorf genauso, und einige Menschen dort zählten ja auch zu seinen Gefolgsleuten, wie Elfleda sehr wohl wusste.
    Außerdem machte sie sich Sorgen um die Verletzung, die ihr Verlobter davongetragen hatte. Albrun hatte ihr zwar versichert, er würde schon wieder ganz auf die Beine kommen, konnte man ja nie sagen, welche Folgen so eine Wunde noch haben würde. Und vor allem sorgte sie sich um die ja doch nicht mehr so ferne Hochzeit. War bis dahin wohl alles wieder soweit verheilt, dass sie überhaupt heiraten konnten? Sie hoffte doch, dass ihn das nicht zu sehr einschränkte.


    Elfleda sah hinüber zu Oda, die an einer anderen Tafel saß. Nicht der für das Gesinde, aber eben auch nicht an ihrer, der engsten Sippe des Rodewini und seiner Gäste. Oda und sie waren zwar über fünf Ecken miteinander verwandt, wie eigentlich alle hier im Dorf, aber sie war nicht von Adel. Und nach der Sache mit ihrem Mann und ihrer Rückkehr und dann noch der Sache mit diesem schwarzen Mann, hätte Rodewini sie wohl auch nicht zu sich auf diesen Ehrenplatz erstmal geholt. Aber Elfleda liebte ihre Freundin, und da das Essen nun eigentlich vorbei war und nur noch erzählt und getrunken wurde – wenn es auch nicht so ein Fest wie bei der Verlobung zu werden versprach – beschloss sie, dass es nun auch angebracht war, sich ein wenig mit der Freundin zu unterhalten.
    Elfleda sah noch einmal zu Lando hinüber und lächelte ihn einfach kurz an, ehe sie sich erhob und an der Tafel vorbei zu ihrer Freundin schlenderte.
    “Na?“, begrüßte sie sie noch immer lächelnd und wartete darauf, dass Oda sich auch erhob und mit ihr ein wenig von der Tafel wegging. Umringt von anderen konnte man einfach nicht so gut die Köpfe zusammenstecken. Als sie also gemeinsam an der Wand standen, mit bestem Blick auf alle Anwesenden, griff Elfleda nervös und aufgeregt Odas Hand und sah sie ganz ungeduldig an. “Also, was sagst du? Wie findest du ihn?“

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    Sarwolf hatte das Gespräch weit besser verstanden als seine Tochter, allerdings hatte er in seinem Leben auch schon mehr mit den Römern zu tun gehabt und sich mit mehr von ihnen unterhalten. Daher nickte er nur einmal und wandte sich dann in Latein - wenn auch von germanischem Akzent geprägt - an den Legaten.
    “Wir danken dir, Legat. Der Name meiner Tochter ist Elfleda, Tochter des Sarwolf."
    So konnte er es auf die Urkunde schreiben, wenn das noch benötigt wurde, damit es gültig wurde. Manchmal war das römische Recht schon ein wenig verwirrend, aber Sarwolf hatte sich schon daran gewöhnt.

    Elfleda war sehr froh, dass sie beschlossen hatten, Lando das Reden hauptsächlich zu überlassen und nur etwas zu sagen, wenn sie mussten. Sie versuchte, dem Gesprächsverlauf zu folgen, aber ein Römer, der normal schnell sprach war eben etwas anderes als ein Händler, der extra deutlich sprach und seine Waren anpries. Sie musste sich wirklich anstrengen, alles zu begreifen, aber ab und an fehlte ihr ein Wort, so dass sich ihr die Sätze nicht ganz erschlossen. Der Römer sagte irgendwas von Pflichten, und Elfleda zog ganz leicht die Augenbrauen hoch. Zweifelte er an ihrer Fruchtbarkeit, oder was meinte er damit? Aber Lando antwortete gleich, dass alles bekannt sei, also war es wohl in Ordnung.
    Der römische Fürst, den Lando Legat nannte, wandte sich nun an den anderen Mann im Raum und fragte ihn nach einer Urkunde. Das war nun wieder etwas, das Elfleda noch suspekter war. Geschriebene Dinge. Sie hatte zwar ein paar Runen zu schreiben gelernt, aber wofür brauchte man das schon? Und nun wollte dieser Römer eine Urkunde – das Wort allein klang wichtig – wegen einer Hochzeit. Das hier war ihrer Heimat schon sehr fremd, sie würde vieles noch lernen müssen, das stand fest.

    Das also war der römische Fürst, den sie erst um Erlaubnis bitten mussten. Elfleda hatte ihn sich irgendwie fürstlicher vorgestellt. Sie kannte die Kleidung der Römer nicht gut genug, um ausmachen zu können, ob er irgendwelche Standesabzeichen an sich trug, die auf seinen Rang schließen ließen. Aber für sie sah er nicht anders aus als andere Römer, die sie getroffen hatten. Kein Vergleich zur Erscheinung ihres Onkels, den sie als fürstliches Vorbild gewohnt war.
    Sie stand also wieder da zwischen ihrem Vater und Lando, als noch ein weiterer Mann hinzu kam. Sie hatte keine Ahnung, wer das war, aber er begrüßte Lando mit seinem römischen Namen. Das klang so seltsam in ihren Ohren, daran würde sie sich definitiv erst gewöhnen müssen.
    Das Nicken erwiderte Sarwolf mit einem eben solchen, Elfleda erwiderte es gar nicht. Sie schaute den Mann nur kurz skeptisch an und blickte dann wieder zum Legaten, in Erwartung dessen, was wohl passieren mochte.

    Auf Odas Frage schüttelte Elfleda nur den Kopf. Und nachdem der Nubier versorgt war und sie nicht wusste, ob seine Bemerkung nun spöttisch oder ernsthaft gemeint war, zog sie sich auch ein wenig wieder von ihm zurück.


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    Rodewini wiederum nickte bei Landos Bitte nach einem Dach für die Nacht und einer Schlafstätte.
    “Natürlich, ich lasse alles herrichten. Ich hoffe, du berichtest mir später von eurer Reise noch ein wenig.“
    Zu Wissen, was nordöstlich von ihnen vorging, war nie verkehrt. Daher fragte Rodewini auch gerne Reisende, ob es Neuigkeiten gab. Nicht immer wurden Boten geschickt, und Dinge erst beim Thing zu erfahren war immer sehr unvorteilhaft.
    Doch im Moment schienen die Duccier eher müde als alles andere zu sein. Also trug er dem Gesinde auf, in der großen Halle eine Ecke mit Stroh aufzufüllen, wo sie ihr Lager aufschlagen konnten für die Nacht und etwas mehr Essen fürs Abendbrot zu bereiten.

    Noch immer war Elfleda ganz erschlagen von den ersten Eindrücken der Stadt und daher auch merklich still. Sie stand nun da, zwischen ihrem Vater und Lando, und wartete einfach darauf, was passieren würde. Da sie ihre halbe Aussteuer am Körper trug war sie wohl ein stattlicher Anblick. Das Kleid aus feinem Leinen und sorgfältig bestickt, um die Schultern ein wundervoller, weißer Pelz, ein schwerer Goldring als Schmuck um den Hals. Sie war eine Fürstentochter, das konnte wohl auch jeder, der keine Ahnung von den Germanen hatte, sehen.
    Auch wenn sie ruhig, still und kerzengerade dastand hoffte sie, das hier wäre schnell vorbei. Sie wollte in ruhigere Gefilde, wo sie sich sicher fühlte. Hier war alles so groß und hoch und auch laut und voll. Wenn es auch hier in dem Officium etwas abgeschirmt war, so wusste Elfleda einfach, dass die gewaltige Stadt da draußen noch wartete. Und diese festen Steinwände waren auch wenig heimelig.


    Das Reden aber überließen sie und ihr Vater vorerst Lando. Er kannte die Sitten und Gebräuche hierzulande besser