Auf den Kommentar ging Elfleda nicht näher ein, sie bedachte Silko nur mit einem sehr kritischen Blick und dirigierte ihn dann auf die Bank, dass er sich da hinlegte. Sie wollte sich nicht vor ihm hinknien, um seine Wunde zu versorgen.
Der Verband war schnell abgenommen und Elfleda untersuchte die Wunde konzentriert. Albrun traute sich noch immer nicht ganz dazu und gab eher Anweisungen aus dem Hintergrund, wenn Elfleda auf etwas bestimmtes achten sollte. Aber die Wunde roch nicht nach Käse und damit schien sie keinen Brand zu haben, auch schien die alte Paste, die angewendet worden war, schon gute Erfolge zu erzielen. Zumindest nässte die Wunde nicht übermäßig und blutete auch nicht beim Abnehmen der Verbände.
Elfleda wechselte also schnell und wenig zimperlich die Kräuter auf der Wunde und den darüberliegenden Verband. Immer wieder warf sie einen kurzen Seitenblick zu Lando, der auf der Bank daneben ausgestreckt lag. Wo waren die nur hineingeraten, dass sie so wieder herausgekommen waren?
Als sie fertig war, erhob sie sich wieder und schaute Silko nur ruhig an. “Das wird eine hässliche Narbe geben, ihr hättet es gleich vernähen sollen.“ Das war das einzige, was sie zu dem schwarzen Mann sagte, denn mehr wusste sie auch ehrlich gesagt nicht zu erwidern.
Albrun war inzwischen schon zu Witjon weitergegangen und besah sich kurz seine Lippen und tastete über seinen Brustkorb, befand dann aber, dass dem Jungen eigentlich nichts fehlte und er nur Zeit und eine ordentliche Suppe bräuchte.
Beiträge von Duccia Elva
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Jetzt musste Elfleda doch über ihre Freundin schmunzeln. Sie baute sich geradezu vor dem großen, schwarzen Mann auf und stutzte ihn dann zurecht, dass es schon beinahe ein komisches Bild war. Sie musste sich schon schwer beherrschen, ernst und bei der Sache zu bleiben.
Lando unterdessen war fertig verarztet und stellte den Mann vor, und zwar in einer Weise, dass Elfleda ihn sich mit anderen Augen ansah. Er hatte ihrem Verlobten das Leben gerettet und war ein freund der Familie? Auch wenn er ihr noch immer unheimlich war, erkannte sie die Bedeutung dessen. Und auch, dass das wohl hieß, dass sie als Landos Frau dann öfter mit diesem Menschen – so er einer war – zu tun haben würde.
Albrun war allerdings deutlich beeindruckter noch von dem Mann und zögerte, ihn zu verarzten. Elfleda sah es an ihren Augen, dass sie sich nicht so recht in seine Nähe traute. Kurzerhand nahm sie die frischen Binden der älteren ab und stellte sich neben Oda, ganz ruhig und mit festem Blick. Sie war von Adel, und sie würde bald Landos Frau sein. Da hatte man keine Angst zu haben wie ein kleines Kind. Allerdings wollte sie auch nicht so aufbrausend wie ihre Freundin sein.
“Zieh deine Hose aus und zeig deine Wunde“, sprach sie also ruhig, wie sie es zu jedem anderen auch gesagt hätte. Selbst wenn sie innerlich noch immer nicht ganz so ruhig war, wie sie nach außen vermittelte, und sehr froh um Oda an ihrer Seite.
Sie sah kurz zu Lando, der sich auf der Bank hinlegte und ihr kurz zuzwinkerte und ein kleines Lächeln spielte kurz um ihre Züge. Sie hoffte, seine Verletzung war nicht so schlimm und würde nach der neuerlichen Behandlung gut und ohne Brand verheilen. Ein klein wenig Sorgen machte sie sich ja schon. Sie wollte nicht Witwe sein, noch ehe sie verheiratet war. -
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“Es hat schon ein Weilchen gedauert. Wir haben die Befestigung letzten Sommer neu gemacht, die davor war etwas kleiner. Nur wollen die Felder ja dennoch bestellt sein und das Vieh versorgt, so dass es sich ein wenig zog. Dieses Jahr wollte ich es vielleicht noch ein wenig ausbauen, an der Westseite vor allem“, fachsimpelte Rodewini ein wenig mit Alrik, während sie auf dem Dorfplatz an den Bänken Platz nahmen und Albrun mit Oda und Elfleda ankam. Lando begrüßte seine Verlobte etwas salopp, bekam dafür von Rodewini aber nur einen kurzen Seitenblick. Albrun schien ihm schon gleich etwas Demut beizubringen, so wie Landos Gesicht kurz aussah.
Doch dann zischte plötzlich Oda den Südländer an. Wenn Rodewini auch nicht genau verstand, was sie da sagte, der Tonfall war eindeutig. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob sie sich wohl gleich mit Mitteln gegen böse Geister bewaffnen und den schwarzen Mann angreifen würde, doch bevor es noch dazu kam, schritt er mit donnernder Stimme dazwischen.
“Oda! Behandelt man so einen Gast?“ Und an seiner Tonlage war klar, dass er wohl eine Entschuldigung erwartete oder zumindest ab jetzt Ruhe.-----
Elfleda war mit Albrun herangekommen und sah ihren Verlobten einen Moment doch etwas besorgt an. Er war ganz schön blass um die Nasenspitze. Bei seiner lapidaren Begrüßung wanderte kurz eine einzelne Augenbraue von ihr nach oben, begleitet von einem schelmischen Gesichtsausdruck.
“Hallo, Hase“, grüßte sie ihn kurzerhand zurück, ohne dabei besonders auf den strengen Blick von Albrun zu achten, die sich gerade ans Werk machte. Landos Oberkörper war mit blutdurchtränkten Fetzen verbunden, die die Heilerin ohne lange zu zögern entfernte. Kurz roch sie daran, nickte kurz anerkennend, und legte die blutigen Tücher dann neben sich. Die würde man auswaschen müssen.
Kurz blickte die alte Frau zu Phelan bei seiner Erklärung und zog fragend die Stirn kraus. “Das da nennst du nur notdürftig? Junge, wenn das so ist, verstehst du mehr von Heilung als ich.“ Dennoch machte sie sich daran, die Wunde zu untersuchen und neu zu verbinden.
Elfleda wollte schon gerade schauen, ob sie ihr dabei zur Hand gehen konnte – was natürlich rein gar nichts mit der Möglichkeit zu tun hatte, Lando zu berühren und ihm nah zu sein, überhaupt auch rein gar nichts, ganz sicher - als Oda neben ihr Plötzlich anfing, zu zischen. Erst jetzt schaute Elfleda zu dem Mann, den sie da so anfuhr, und versteifte sich im ersten Moment kurz vor Schreck. Der Mann war vollkommen schwarz! Also, nicht nur dreckig oder verrußt, nein, es war seine Haut, die ganz und gar dunkel war und einen sofort an die unzähligen Geschichten von Waldgeistern und Trollen denken ließ. Allerdings schienen weder Rodewini noch die Amisvarier besonders besorgt deswegen zu sein, und spätestens nach Rodewinis Worten war klar, dass das wohl so sein sollte. Unheimlich war es schon, aber Elfleda entspannte sich. Sie würde auf gar keinen Fall zugeben, dass sie sich erschrocken hatte. -
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Ruhig wartete Rodewini, bis Lando heran war. Ganz offensichtlich hatte er auf der Reise auch seinen Teil abgekriegt, denn er sah etwas blass auf und bewegte sich steif. Nachdem nacheinander alle vorgestellt waren und Rodewini jeden mit einem knappen Nicken begrüßt hatte, blieb sein Blick einen Moment länger an Alrik hängen. Den Burschen kannte er doch!
“Natürlich, kommt herein. Braucht ihr einen Heiler?“
Rodewini besah sich vor allem Lando und Silko mit erfahrenem Blick eine Sekunde, und entschied dann, dass es wohl nicht schaden konnte.
“He, Eike, deine Mutter soll zum Dorfplatz kommen und sich unsere Gäste mal anschauen“, befahl er der Wache, die Lando bei seiner ersten Ankunft hier begrüßt hatte. Der junge Gerträger nickte nur knapp und folgte dem Befehl seines Anführers.
Während er beiseite trat, damit die Gruppe mit ihm zum Dorfplatz gehen bzw. langsam reiten konnte, wandte sich Rodewini an Alrik.
“Alrik Leifssohn, ich erinnere mich an dich. Das waren doch die Speerträger deines Vaters, die meine Flanke gerettet haben?“
So sicher war sich Rodewini nicht mehr, in einigen Scharmützeln ging es nur noch drunter und drüber, so dass kaum einer wirklich sagen konnte, wer nun wem bei was genau geholfen hatte. Aber an Leif konnte er sich erinnern, und auch an den Sohn, wenn auch schwächer. Und er hatte auch nicht wirklich gewusst, dass er zu den Ducciern von Mogontiacum gehörte. Aber das war ja eher nebensächlich.Eike wiederum war wie befohlen zu seiner Mutter gelaufen, um ihr auszurichten, sie solle sich mal die Gäste anschauen, weil die wohl verletzt wären. Die gute Albrun machte sich also auf den Weg zum Dorfplatz und kam dabei an Elfleda und Oda vorbei. Da Elfi bei ihr schon seit sie klein war immer über die Schulter schauen durfte und fast genauso viel also über die Heilverfahren wusste wie sie, bat sie sie, sie solle auch mitkommen. Wer wusste schon, ob man nicht noch eine helfende Hand brauchte.
“Natürlich. Wer ist denn verletzt?“ fragte Elfleda etwas verwirrt. Von der Ankunft am Tor hatte sie noch gar nichts mitbekommen.
“Dein Verlobter wohl. Er hat seine halbe Sippe mitgebracht“, antwortete Eike anstelle der Mutter und deutete leicht Richtung Dorfplatz.
Elfleda schaute verwirrt und neugierig zum Platz und sah dann auch schon Lando, Sie griff Oda wie automatisch kurz am Arm und zeigte ihr mit einem Kopfnicken an, auf welchen der Ankommenden sie achten musste.
“Ich geh ihn mal begrüßen. Wenn Rodewini mich lässt. Ich hoffe, er ist nicht verletzt?“
Sie sah zu Eike, der aber nur mit den Schultern zuckte. Keine große Hilfe, der Mann. Sie sah kurz fragend zu Oda und hoffte, die Freundin würde mitkommen, als sie sich dann auch schon aufmachte. -
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“Heilsa Witjon. Unter der Kruste erkennt man dich ja kaum“, witzelte Rodewini zur Begrüßung, allerdings etwas trocken.
Seine Gedanken waren bei dem, was Phelan gesagt hatte. Rodewini wusste ja, dass Lando zur Seherin gehen wollte, und offenbar waren sie nun zurück. Und ebenso offenbar war die Reise wie erwartet schwierig gewesen. Aber sie waren zurück, und das wichtigste: Er lebte noch, um die Ehe einzugehen.
Eigentlich passte es Rodewini nicht so ganz, den Amisvarier wieder aufzunehmen. Bis zur Hochzeit waren es noch drei Wochen, und Lando und Phelan waren erst vor drei Wochen hier gewesen. Das war fast schon auffällig, und Brautleute sollten sich nicht so oft sehen. Und dass er auch noch einen Südländer mitbringen musste, passte Rodewini auch nicht. Die Männer, die mit ihm schon mit den Römern in den Krieg gezogen waren, hatten schon den ein oder anderen dunkelhäutigen Sklaven mal gesehen. Aber die Alten und vor allem die Weiber würden bei seinem Glück wahrscheinlich gleich glauben, ein Troll oder zu groß geratener Dunkelalb wäre ins Dorf gekommen. Wenn er das erste Weib mit Kümmel werfen sah, würde er es wissen.
Aber er konnte den angehenden Schwiegersohn seines Bruders ja nicht einfach vor den Toren lassen. Außerdem war es extrem unhöflich, einen Freund, der um Gastrecht bat, abzuweisen. Rodewini war ein Mann von Ehre. Wenn ein Freund um Gastrecht bat, dann bekam er es. Auch wenn diese Umstände ihm nicht unbedingt passten.
Also winkte er nur leicht und deutete damit, dass sie hereinkommen konnten.
“Die Gastfreundschaft meines Dorfes sei euch gewährt. Kommt herein, und lasst uns am Feuer über eure Reise sprechen. Ihr seht aus, als gäbe es da einiges zu berichten.“ -
Bei der ersten Bemerkung lachte Garlef tief und volltönend und wurde auch erst wieder ernst, als Phelan es wurde und um Gastfreundschaft bat. Seine Worte waren ein wenig merkwürdig, ein ganz klein wenig machte Garlef sich da schon Gedanken.
“Ist es wegen der Hochzeit?“
Was für Sachen konnte es schon geben, die Lando so bald schon wieder hierher trieben? Garlef schaute sich die beiden etwas genauer an und bemerkte Witjons noch immer ein wenig verkrustete Lippe. Der hatte sich wohl vor nichtmal einer Woche geprügelt, was aber mit der Sache hier entweder alles oder gar nichts zu tun haben mochte.Doch viel weiter kam Garlef auch gar nicht mit dem Fragen, denn er hörte von hinten schon die Schritte seines Sippenführers, Rodewini.
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Rodewini, wie immer schon an der Kleidung als Anführer und Adeliger unter seinesgleichen zu erkennen, kam gemessenen Schrittes zum Tor und schaute doch recht skeptisch zu den Besuchern herüber.
“Heilsa, Phelan Gunnarssohn“, grüßte er zunächst einmal recht neutral, wusste er ja auch noch nicht, worum es ging. Er war lediglich ein wenig erstaunt, jemanden aus der Sippe Wolfriks so bald wiederzusehen. -
Garlef grüßte Phelan gutgelaunt zurück und winkte seinen Kompagnon schon einmal weiter, damit dieser im Dorf Bescheid geben konnte, während er die Ankömmlinge begrüßte. Natürlich erinnerte er sich noch an Phelan. Er war sich zwar nicht mehr ganz sicher, worüber sie beide sich unterhalten hatten, aber nach dem ganzen Met und Bier war das auch nicht mehr so wichtig gewesen. Aber dass sie sich dabei blendend verstanden hatten, daran erinnerte er sich noch lebhaft.
“Heilsa, Phelan. Heilsa, Witjon.
Na, Phelan, hast du so von unserem Met vorgeschwärmt, dass dein Vetter sich nun selbst davon überzeugen möchte? Oder weshalb schickt euch Lando her?“
In der Entfernung waren die anderen mit ihren Pferden gut zu sehen, aber auf die Entfernung konnte Garlef nicht ausmachen, wer da nun genau da war und wer nicht. Aber alle Gestalten sahen ein wenig angeschlagen aus. -
“Angef…“ Das war jetzt doch ein bisschen viel für Elfleda, da halt auch die Hand auf ihrer Schulter nichts. Sie hoffte mal, dass bei ihrer Hochzeit das doch etwas zurückhaltender sein würde. Sie war ja nicht da, um jedermann zu zeigen, wie toll sie mit Lando sich vereinigen konnte, sondern um gültige Erben zu produzieren.
Naja, Spaß durfte es dabei schon auch machen, so war es ja nicht. Aber anfeuern, das war doch ein wenig viel.
“Das muss ich wohl rausfinden, wie das sein wird. Aber woher merk ich denn, dass er mich liebt?“
Oda hatte nun die ganze Zeit davon gesprochen, dass er da vorsichtig sein würde, wenn er sie liebe. Liebte Lando sie denn? Liebte sie im Gegenzug ihn? Sie kannten sich ja im Grunde gar nicht. Sie fand ihn angenehm und sympathisch, und sie freute sich auf die Ehe mit ihm. Aber Liebe…
“Ach, verdammt. Weißt du, da nörgel ich ewig an meinen Vater, er soll mich endlich verheiraten, und dann bin ich verlobt, und mach mir nur noch um so was Sorgen wie ein kleines Kind. Das ist doch zum aus der Haut fahren!“ schimpfte sie mit einem Mal los, weil sie sich über sich selber ärgerte. Sie sollte alles eigentlich auf sich zukommen lassen und zierte sich nun wegen der Ungewissheit. -
Das war jetzt nicht unbedingt vertrauenserweckend, was Oda da erzählte. Elfleda hörte der Freundin aufmerksam zu und versuchte so für sich ein paar offene Fragen so zu beantworten. Allerdings klappte das nicht so ganz.
“Dann ist es also am Anfang nicht schön? Erst, wenn man es oft genug gemacht hat?“
Das war nicht unbedingt das, was ein Mädchen drei Wochen vor der Hochzeit hören wollte. Und sie verfluchte gerade ein wenig den Umstand, nicht Zeuge bei Odas Hochzeit gewesen zu sein. So groß wie bei einem Hengst? DAS hätte sie wirklich gern mit eigenen Augen doch gesehen. Aber bei der Hochzeit war sie ja brav bei ihren Geschwistern geblieben. Kurz fragte sie sich, wie das wohl bei Lando war und ob das denn einen Unterschied machen würde.
“Soweit ich weiß ist er der Älteste dort, daher nehm ich an, dass seine Mutter nicht mehr lebt. Er hat wohl noch eine Schwester, ansonsten hat er nur von seinen Vettern erzählt.“
Elfleda zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht, welche Aufgaben sie alles genau würde übernehmen müssen, aber sie hatte auch kein Problem, wenn es gleich die waren, die in ihrer Sippe nun Rodewinis Frau erfüllte. Sie war ja kein verhätscheltes Kindchen und wusste daher, wie sie was zu machen hatte. Geholfen hatte sie ja schon immer, es dann alleine zu machen und das Gesinde anzuweisen, zu helfen, war dann auch nicht mehr viel mehr.
“Und was du dauernd mit den Römern hast“, lachte Elfleda und schubste die Freundin leicht freundschaftlich und sanft, um sie zu necken. “Er ist so germanisch wie du und ich, und ich denke doch, dass das Haus auch so sein wird. Immerhin ist er der Anführer.
Aber wie die Römer dort sind und wie die Stadt ist, da bin ich auch schon neugierig. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wie groß die Häuser dort sein müssen, wenn wirklich jeder ein Zimmer hat.“Aber das andere ließ Elfi noch nicht los. Darum kam sie doch nochmal auf das etwas heikle Thema zurück.
"Kann ich ihm dann eigentlich einfach sagen, wenn es mir nicht gefällt? Oder merkt er das dann von alleine?" -
Elfleda sah sich noch einmal kurz um und zog Oda dann mit sich in den Schatten des großen Langhauses. Wirklich allein war man ja nie, aber so waren sie doch irgendwie mehr unter sich und geschützter und die Gefahr, dass jemand das Gespräch hörte, war doch um einiges kleiner.
“Also… wie ist das so? Also verheiratet sein? Ich meine… also, du weißt schon? Ich meine, ich weiß wie es geht, und so groß ist das Haus von Vater ja auch nicht, als dass man da nie was mitbekommt. Aber… ich meine… wie ist das so? Wie fühlt sich das an?“
Das war jetzt schon eine arg direkte Frage, und Elfleda kam sich auch unglaublich blöd dabei vor. Aber ihr fiel sonst niemand ein, den sie so offen danach fragen konnte. Die meisten Frauen würden nur denken, sie hätte Angst davor und ihr damit kommen, dass es Frauen bestimmt war, Kinder zu kriegen und dergleichen. Aber sie wollte nur nicht so unbereitet zu ihrer Hochzeit gehen. Immerhin war sie ja schon achtzehn lange Sommer alt, keine dreizehn mehr. Und trotzdem fühlte sie sich so unwissend und hoffte einfach, Oda konnte ihr da ein wenig weiterhelfen. -
Da machte Oda einfach ihre schauspielerische Glanzleistung mit einem Lachen zunichte! Elfi könnte böse sein, war sie aber nicht. Vermutlich hätte ihr Alan ohnehin nie in hundert Jahren geglaubt, dass der Apfel ihn rein zufällig am Kopf getroffen hatte, und dann waren sie auch schon davon. Erst jetzt gestattete Elfleda es sich, die Maskerade fallen zu lassen und ebenfalls zu lachen.
“Ich muss sagen, gut zielen kann ich. Wobei der Apfel ruhig ein wenig härter hätte sein können. So ein kleiner Schlag gegen Alans Kopf tat deinem Bruderherz glaube ich mal gut.“
Sie blickte sich noch mal um, ob sie den Burschen noch mal sah, aber der war wohl beleidigt von dannen gezogen. Zumindest sah sie ihn nirgends. Schade, sie hätte wirklich gerne sein Gesicht noch ein Weilchen beobachtet, wie er ganz ungläubig auf sie runtergeschaut hatte.
“Oh, bald geht es los, und ich weiß noch gar nicht, was jetzt noch alles fehlt. Ich hab dauernd das Gefühl, ich vergess was wichtiges. Aber wir wollten an Hohenmaien heiraten. Dann zumindest ist der Termin, aber wir müssen wohl ein paar Tage früher hin. Weißt schon, wegen dem römischen Fürsten, der das absegnen muss.
Aber ist das nicht ein grandioses Vorzeichen? Dass der Vollmond genau auf die Tage fällt! Und dann ist es auch noch ein Freitag! Das muss ja fast schon was werden, meinst du nicht?“
Je mehr Elfleda darüber nachdachte, umso aufgeregter wurde sie deswegen. Sie konnte es wirklich kaum abwarten, endlich wirklich zu heiraten. Andauernd hatte sie das Gefühl, dass bestimmt noch was schreckliches passieren würde, das das Ganze verhindern würde. Sie war ja nur froh, wenn es wirklich endlich soweit war.
“Aber dich wollte ich eigentlich grade nur vor diesem Holzkopf retten. … Wobei…. Kann ich dich was fragen?“
Wahrscheinlich war da Oda besser geeignet, denn mit ihr konnte Elfleda vollkommen offen reden. Nicht, dass sie vor den anderen etwas verbergen würde, aber eine Freundin war eben doch noch mal etwas anderes, vor allem eine, mit der man schon einige Geheimnisse geteilt hatte. -
Ein Apfel segelte durch die Luft und landete mit einem dumpfen Geräusch zielsicher an Alans Kopf. Der junge Germane drehte sich wütend um, sah nach dem durch die lange Lagerung über den Winter verschrumpelten und angetrockneten Stück Obst und dann nach demjenigen, der diesem Ding wohl fliegen beigebracht hatte. Dabei sah er sich einer ganz entschuldigend blickenden Elfleda gegenüber, die ganz erschrocken die Hände vor dem offenen Mund hatte.
“Oh, Alan, das tut mir jetzt aber leid. Ich hatte gefragt, wer noch einen Apfel haben wollte, und in dem Moment hast du grade den Arm gehoben. Tut mir leid, ich dachte wirklich, du fängst ihn. Das war ganz sicher keine Absicht.“
Mit ganz großen, treuen Augen kam sie zu den beiden Geschwistern rüber und berührte den Germanen einmal ganz vorsichtig an der Schulter. “Ich hoffe, ich hab dir nicht weh getan?“ Ganz treudoof blickte sie ihn an, aber für ernsthafte Schäden war ein mürber Apfel wohl nicht hart genug. Und bevor Alan noch irgendwas wirklich sagen konnte, schnappte Elfleda auch schon Oda beim Arm.
“Aber ich muss dir jetzt leider deine Schwester ein wenig entführen. Ich brauch etwas Hilfe bei der Vorbereitung für die Hochzeit. Weißt schon, Frauenkram und so. Du verzeihst?“ -
Am Abend kamen so nach und nach die meisten Männer wieder zurück. Die Bänke und Tische wurden im großen Langhaus bereitgestellt, damit alle Essen konnten. Zwar gab es hier heute nicht so ein Festmahl wie an dem Abend, als Lando und Phelan hier gewesen waren, aber Essen mussten ja trotzdem alle.
Elfleda war gerade ein wenig damit beschäftigt, zu delegieren und das Gesinde noch anzuweisen, ihr bei Kleinigkeiten zu helfen, als Brandwolf und Alan zurückkamen. Unauffällig beschäftigte sie sich in Odas Nähe mit dem Aufschneiden von Brot, um zuhören zu können, was denn gesprochen wurde, und notfalls auch dazwischenfahren zu können, sollte es nicht so laufen, wie sie sich das dachte.
Alan natürlich war etwas ruppig zu seiner Schwester. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und dem Burschen die Meinung gesagt. Wer Oda erlaubt hatte, zurückzukommen? Ich, wollte sie sagen, und damit diese Fragerei erstmal unterbinden.
Aber Brandwolf war zum Glück doch wie die meisten Männer in ihrer Sippe: Ein Bär von einem Mann, aber dabei sanft wie ein alter Hund. Er nahm seine Tochter in die Arme und küsste sie sanft auf die Nase und machte damit auch für die, die ihn nicht hörten, deutlich, dass er seine Tochter gern wieder zurücknahm. Fehlte eigentlich nur, dass auch Rodewini es zumindest akzeptierte, immerhin war das hier seine Sippe und keine Demokratie.
Bei dem Seitenblick auf sie drehte sich Elfleda zu ihm um, ihre linke Augenbraue ganz leicht erhoben. “Was soll Oda denn gehört haben, Brandwolf? War irgendwas?“
Natürlich genoss Elfleda es, soviel Aufmerksamkeit durch die Verlobung bekommen zu haben. Aber so außergewöhnlich war es nun ja auch wieder nicht. Außerdem zog sie den Vater ihrer Freundin auch gerne auf, wie man es untereinander nun mal so machte.Sie behielt noch einige Augenblicke ihre Strenge Miene bei, ehe sie grinsen musste. Der Schalk sprach ihr aus den Augen, und leicht reichte sie dem Mann ungefragt einen Becher.
“Aber sag mal, Brandwolf, wo bleiben denn Vater und Rodewini? Wollten die nicht vor euch wieder zurück sein?“
Brandwolf nahm einen Schluck aus dem ihm angebotenen Becher und zuckte dann mit den Schultern.
“Die werden sicher auch gleich kommen. Mach dir mal keine Sorgen, Elfi.“Elfleda ließ die beiden ein wenig allein, bestimmt hatten sie noch einiges zu besprechen, und gesellte sich derweil schonmal zu Smilla und ihren Halbgeschwistern. Nach einiger Zeit schließlich kamen auch endlich ihr Vater und Rodewini an. Während sich ihr Vater zu seiner Familie gesellte, machte sich der Anführer der Sippe erstmal schnurstracks zu Oda und ihrem Vater auf. Sein Gesicht verriet, dass er nicht allzu erbaut war und offensichtlich schon im Bilde über alles war.
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“Bist also wieder da?“ war die wenig herzliche und direkte Begrüßung an Oda, die er fixierte wie ein Jagdhund ein Kaninchen.
Während er die junge Frau niederstarrte, wurde es im Lagerhaus ganz still. Alle waren gespannt darauf, was nun passieren würde, und jeder wollte unbedingt mitbekommen, wie Rodewini sich in dieser Sache entscheiden würde. Offenbar war er ja nicht gerade erfreut über ihr auftauchen hier. Natürlich, immerhin konnte das gewaltig viel Ärger mit sich bringen, und nach dem harten Winter hatte niemand Lust, noch eine Fehde auszutragen.
Nach einer Weile, die wie eine Unendlichkeit so manchem erscheinen mochte, nickte er dann schließlich.
“Darüber werden wir uns noch unterhalten. Brandwolf? Ich glaube, deine Tochter braucht wieder eine Decke, wenn sie bei dir im Haus bleiben wird.“
Und damit war die Sache wohl erstmal aufgeschoben. Oda würde bleiben können, auch wenn Elfledas Onkel deutlich gemacht hatte, dass er da nicht so glücklich war wie Odas Vater oder Elfleda oder Eike. -
“Ach, wir reisen ja sowieso hin, und ob da nun eine Frau mehr oder weniger mitkommt, das macht doch dann auch keinen Unterschied mehr. Ich meine, Smilla und die Mädchen kommen ja auch mit, und Rodewinis Frau und seine Kinder und alle. Da können sie doch gar nicht nein sagen, wenn du auch mitkommst.“
Elfleda dachte da eigentlich eher weniger daran, das lange zu fragen. Oda würde mitkommen, und basta. Nach dieser schrecklichen Reise musste sie doch auch was schönes erleben, und da war so eine Hochzeit doch genau das richtige. Und ob da nun eine Person mehr oder weniger mitkam, daran sollte das doch wohl wirklich nicht scheitern. Vor allem nicht, nachdem die lieben Männer sie nun so lange hatten warten lassen, bis sie endlich heiraten konnte. Sie würde das schon deichseln, irgendwie.“Wie, was, ich? Römerin?“ Jetzt musste Elfleda wirklich lachen. Allein die Vorstellung war schon ulkig. Sie würde doch nur dorthin ziehen, aber sie würde doch trotzdem noch sie selbst bleiben. Am Ende dachte Oda noch, sie würde dann zu den römischen Göttern opfern, in Latein reden und all die anderen Dinge machen, die Römerinnen nun so machten. Auch wenn Elfi keine Ahnung hatte, was Römerinnen denn so den lieben langen Tag machten, sie kannte immerhin keine einzige.
“Nein. Also, ich kriege wohl auch einen römischen Namen noch, hat Vater gemeint. Aber da weiß ich noch nicht, wie das aussehen soll. Lando hat wohl das Bürgerrecht der Römer und deshalb auch einen römischen Namen. Dukkius nennt sich ihre Sippe dort, nur für die Römer. Denen ist „Die Sippe des Wolfriks aus dem Stamm der Amisvarier“ wohl zu kompliziert oder so, ich weiß es nicht. Aber wir heiraten nach unseren Bräuchen. Wir müssen wohl nur vor dem heiraten noch zu einem der römischen Fürsten und ihn auch um Erlaubnis bitten. Eigentlich eine Frechheit, wenn du mich fragst, immerhin bin ich die Tochter des Richs und nicht eine Magd, und Lando ist Führer seiner Sippe. Aber nungut, es ist wohl wichtig für das Bürgerrecht unserer Kinder dann.“
Elfleda zuckte nur leichthin mit den Schultern. Wenn sie endlich heiraten konnte, hätte sie sogar nach römischem Brauch zur Not geheiratet. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie der überhaupt aussah. Sie wollte nur endlich Ehefrau sein, wie es ihrem Alter geziemte. Sie wollte nicht noch als alte Jungfer sterben. -
“Naja, er ist schon Germane. Amisvarier halt. Er lebt nur da. Also, ich hab ihn zwar gefragt, aber so richtig verstanden hab ich nicht alles, was er erzählt hat.“
Dass sie Oda dann nicht mehr sehen würde, wenn sie heiratete, kam ihr erst jetzt so zu Bewusstsein. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Oda einfach mitzunehmen, aber wie sollte sie das denn anstellen? Sie mussten ja eigentlich schon froh sein, wenn Oda ohne größere Probleme hierbleiben konnte. Außerdem war sie ja eine Freie, die konnte Elfleda nicht einfach wie Gesinde in der Aussteuer mitnehmen. Ein wenig dämpfte das ihre Freude, aber nur ein ganz klein wenig.
“Also, seine Sippe ist gar nicht so groß. Er meinte, er sei der Älteste, aber das kann ich mir gar nicht wirklich vorstellen. Ich meine, er ist wirklich noch keine dreißig. Und viel Gesinde haben sie wohl auch nicht.
Er hat das ein wenig komisch erklärt. Die Römer haben wohl ein anderes System, da hat nicht jeder seinen Hof und versorgt sich, so gut er kann. Da macht wohl jeder nur bestimmte Sachen und sie tauschen dann. Also, ich kann mir das ehrlich gesagt gar nicht so wirklich vorstellen, wie das nun funktionieren soll, aber er meinte eben, dass er durch diese Art und auch durch die arbeit, die er dort macht, dann zu Reichtum gekommen ist. Ich denke, das wird ich dann schon sehen, wenn ich dort bin.“
Auch jetzt nach mehreren Tagen konnte sich Elfleda noch immer nicht vorstellen, wie das ganze funktionieren sollte. Oder auch die Sache mit den einzelnen Zimmern, die ihr sehr suspekt war. Die Häuser dort mussten alle riesig sein, wenn sie mehrere Zimmer hatten. Für jede Person ein Zimmer, soviel Platz hätte es hier im Dorf nichtmal gehabt.
“Aber bis dahin sind es noch ein paar Wochen. Ich kann es kaum erwarten.
Oh, du kommst doch mit, oder? Wir feiern bei ihm in Mogontiacum. Du musst mitkommen! Ich bestehe darauf!“
Da gab es für Elfleda gar keine Diskussion. Jetzt, wo Oda schonmal hier war, musste sie auch mitkommen. Das war beinahe ein Zeichen, dass sie jetzt gekommen war, so kurz vor der Hochzeit. Sie musste da einfach dabei sein. -
“Na, soweit kommt’s noch, dass du in den Wald zum Sterben gehst. Da sollen sich die Männer mal trauen, irgendwas zu sagen!“ fuhr Elfleda in gespielter Empörung auf und lachte dann befreiend. Sie hatte die Freundin vermisst und war froh, Oda wieder bei sich zu haben. Aber ihren Worten war auch durchaus anzuhören, dass sie sie nicht nur im Spaß gesagt hatte. Sie würde Oda nicht wieder zurückschicken, und wenn sie so lange Zetern würde, bis alle nur „ja“ sagten, damit sie wieder aufhörte.
Doch zum Glück wollte auch Oda lieber über etwas anderes reden, und da kam das Thema mit der Verlobung natürlich grade recht. Elfleda setzte sich aufgeregt etwas mehr seitlich der jüngeren Zugewandt, ihre Augen strahlten richtig und aufgeregt griff sie wie in früheren Zeiten nach Odas Hand, als sie ihr alles anvertraute. Es war zwar kein richtiges Geheimnis wie früher, immerhin wussten es ja alle, aber trotzdem tat die Vertrautheit und der etwas verschwörerische Charakter ganz gut.
“Er heißt Lando und ist aus der Sippe des Wolfriks. Er ist ein Amisvarier von der römischen Seite, und der Anführer seiner Sippe. Kannst du dir das vorstellen?“
Sie war noch immer ganz aus dem Häuschen. Nicht, weil sie standesgemäß heiratete, sondern weil sie endlich überhaupt heiratete, und Lando in ihren Augen nach wie vor eine sehr gute Wahl war.
“Er kam vor einer Woche hier an mit seinem Vetter und hat um mich geworben. Wenn ich dir sage, was er als Muntschatz zahlen will, dann fällst du gleich von der Bank hier. Vier Pferde, zwei Barren Eisen, Keramik, Glas, Stoff, und noch einen Silberbecher! Kannst du dir das vorstellen?“
Strahlend schüttelte Elfleda die roten Haare. Wenn sie so darüber nachdachte, musste ihr Verlobter wirklich entweder unendlich reich sein oder verrückt. Oder beides. Wobei sie ihn sehr angenehm in Erinnerung hatte.
“Und er sieht gut aus! Ich meine, man soll ja nicht zuviel hoffen, aber… uff, ich sag dir. Groß ist er, und kräftig. Und seine Augen… ich musste wirklich darauf achten, ihn nicht noch anzuschmachten. Und gar nicht mal so alt, bestimmt noch keine dreißig! Ich kann’s immer noch nicht glauben…“ -
Ohja, Elfleda hätte eigentlich auch gedacht, dass sie schon längst verheiratet wäre. Als Oda, die ein ganzes Jahr jünger als sie war, damals vor ihr geheiratet hatte, das war schon ein kleiner Stich gewesen. Natürlich hatte sie sich auch für die Freundin gefreut, aber dennoch. Freude schützte ja vor Eifersucht nicht, auch wenn sie sich niemals etwas hätte anmerken lassen.
“Nun, hätte ich auch gedacht, aber Vater und Rodewini hatten etwas andere Pläne. Ich sag dir, sei froh, dass du keine Fürstentochter bist, sonst dauert es Jahre, bis entschieden wurde, wen du heiraten darfst. Aber ich bin nun endlich verlobt! Letzte Woche.. ach, weißt du, ich erzähl das später.“
Elfleda schien der Zeitpunkt auf dem Weg zum Langhaus nicht für solch fröhliches Geplänkel passend, sie wollte lieber warten, was Oda alles zu erzählen hatte. Für die freudigen Nachrichten hatten sie später auch noch genügend Zeit.
Sie setzten sich einfach an eine der Bänke in der Nähe des Feuers und Siguruna brachte die georderte Suppe vorbei. Natürlich nicht ohne ihrer Halbschwester einen giftigen Blick zuzuwerfen und betont schmollend von dannen zu ziehen. Elfleda würde es später wieder gut machen, wenn die Neunjährige das nicht ohnehin bis zum Abend vergessen hatte.Oda löffelte die Suppe und wärmte sich so auf. Zwar war es nicht mehr ganz so kalt wie noch vor Wochen, aber eben auch noch nicht wirklich warm, und die Reise war lang. Besorgt beobachtete Elfleda die Freundin, bemühte sich aber, ruhig nach außen zu wirken. Sie war schließlich kein kleines Kind mehr, und sie war eine Adelige und nicht vom Gesinde. Da musste man schon ein Stückweit Kaltschnäuzigkeit vorzuweisen haben.
Und dann begann Oda zu erzählen. Ruhig hörte sich Elfleda alles an.
“Oh, Oda, das tut mir leid. Ich hatte gehofft, dass seine Sippe dich freundlicher aufnimmt.“
Das mit dem Kind kommentierte Elfleda gar nicht. Natürlich war das traurig, aber es starben so viele Kinder in den ersten zwei Lebensjahren, da war es wichtiger, dass die Mütter bei der Geburt nicht starben, um neue Kinder zu bekommen. Und die Götter liebten nun mal die kleinsten am meisten und holten deshalb viele zu sich.
“Ich bin mir sicher, Freya hat dich nicht verflucht. Vielleicht wusste sie nur schon um das Schicksal deines Mannes und wollte nicht, dass du eine Waise zu versorgen hast? Wer weiß das schon, was die Götter sich denken?“
Tröstend strich sie der Freundin über den Rücken. Es war wirklich tragisch, was geschehen war. Gut, dass Oda die Reise geschafft hatte. Auch wenn es nicht gerade günstige Umstände waren, die sie hergeführt hatten.
“Aber gut, dass du hier bist. Den Muntschatz werden wir wohl zurückzahlen müssen, aber das wichtigste ist erstmal, dass du da bist und am Leben. Das wird Rodewini dann schon aushandeln, mach dir da keine Sorgen.“
Und nachdem ihre Sippe von Lando einen fürstlichen Muntschatz bekommen würde, wäre es wohl auch weniger das Problem, die Sache mit Oda aus der Welt zu schaffen. Ausliefern würde Elfleda die Freundin unter gar keinen Umständen, das stand schonmal fest. Und wenn sie sie durch Eid an sich binden würde, aber sie würde sie nicht wieder zurückschicken.
“Die meisten Männer sind gerade unterwegs in den Gauen, schauen, was man für den Frühling so alles machen muss. Dein Vater ist auch gerade unterwegs, er wollte zu den Gauen von Ansger im Osten reiten und ein wenig was zum Tauschen aushandeln. Wir haben etwas wenig Saatgut wegen dem langen Winter, weißt du? Aber mach dir mal keine Sorgen, er wird sich sicher freuen, dich wiederzuhaben.“
Und wenn nicht, würde Elfleda schon dafür sorgen. Da sollte sich einer der Männer trauen, etwas gegenteiliges zu beschließen. Nein, sie würde auf die Freundin schon acht geben, bis es alles wieder überstanden war. -
Im ersten Moment war Elfleda einfach glücklich, die Freundin wieder zu haben, und im nächsten Moment ganz verwirrt, als Oda plötzlich anfing, zu schluchzen und zu weinen. Den lockeren Griff an Odas Armen tauschte Elfeda so schnell gegen eine richtige Umarmung, um die andere zu stützen und zu halten, barg ihren Kopf an ihrer Schulter und strich ihr einfach beruhigend über den Rücken.
“Nun bist du ja hier und in Sicherheit.“
Elfleda hatte nicht die geringste Ahnung, wer denn nun gestorben war. Mit „Sie“ konnte sie nicht so viel anfangen, aber es musste etwas schlimmes sein, wenn Oda deswegen nun hier war. Hatte sie vielleicht aus Versehen jemanden erschlagen und konnte das Wehrgeld nun nicht zahlen? War sie deshalb hier? Elfleda konnte sich zwar beim besten Willen nicht vorstellen, dass Oda so etwas passiert sein könnte, aber Unfälle gab es immer wieder. Und sie hatte keine Ahnung, wie es bei der Sippe, in die Oda eingeheiratet hatte, nun genau aussah.
“Komm erstmal mit rein. Du bist ja nur noch ein Gerippe. Eine schöne, heiße Suppe, na, wie klingt das?“Inzwischen waren auch die anderen heran und schauten sich fragend an. Natürlich erkannten alle Oda, auch nach dieser Zeit und den kleinen Veränderungen, und alle fragten sich natürlich, was los war. Und vor allem, warum Oda nun so weinte. Sorge machte sich breit. Gab es eine neue Stammesfehde? Oder war es etwas anderes, was die junge Germanin zurückbrachte?
Elfleda stützte Oda so gut es ging und schützte sie mit der Umarmung vor den neugierigen Blicken. Mit einer herrischen Handbewegung scheuchte sie die anderen ein wenig weg, während sie Oda langsam ins Dorf hineinführte. Elfleda entdeckte ihre jüngere Schwester und winkte sie schnell ran.
“Siguruna, lauf zu Mutter und hol uns etwas Suppe, ja?“
Die Neunjährige verzog zwar beleidigt das Gesicht, so herumgeschickt zu werden, lief aber gleich los und tat wie ihr geheißen. Auch wenn Elfleda und sie nur Halbgeschwister waren und Smilla nicht Elfledas Mutter, nannte die ältere die neue Frau ihres Vaters häufiger so, so dass sich darüber schon niemand mehr wunderte. -
Mal wieder waren es Eike und Rango, die am Tor Wache hielten. Der Tag heute war wärmer als die vorangegangenen, es lag eindeutig Frühling in der Luft und die beiden Vettern vertrieben sich die Zeit ein wenig mit Würfeln. So klar, wie der Tag heute war, sah man jeden Ankömmling schon auf die Entfernung, und es wurde ohnehin niemand erwartet.
Der letzte unerwartete Besuch waren die Söhne aus Wolfriks Stamm gewesen, was in der Verlobung von Elfleda und Lando geendet hatte. Aber das war nun auch schon einige Tage her, und das Leben war so normal wie eh und je. Bald würde der Frühling da sein und damit gab es wieder mehr zu tun, aber noch durchdrang der letzte Hauch des Winters immer mal wieder das Land. So konnte man auch einfach mal dasitzen und Würfeln.“Du, Rango, da hinten kommt wer…“, meinte Eike plötzlich zu seinem Cousin, als er einen Blick über die Straße warf. Eine Person führte ein Pferd am Zügel. Rango glaubte erst noch, Eike wolle ihn reinlegen, weil er grade am Verlieren war, doch als der Vetter aufstand und seinen Ger zur Hand nahm, drehte auch er sich um und sah die Person. Eike kniff leicht die Augen zusammen gegen die Sonne, um besser sehen zu können.
“Das ist eine Frau“, stellte er verblüfft fest. Was machte eine Frau mutterseelenallein auf der Straße? War etwas weiter draußen passiert, so dass sie kam, um Hilfe zu holen? Nein, dann würde sie sicher reiten. Aber welchen Grund konnte es sonst geben?
Die beiden Germanen warteten also, bis die Frau näher heran war. Ganz plötzlich, als hätte eine Hornisse ihn gestochen, stürmte Eike dann nach vorne zu der Frau. Im Gehen ließ er seinen Speer fallen und der verwirrte Rango schaute seinen Vetter nur an, als hätte er den Verstand verloren. Doch als auch er die Frau erkannte, verstand er sofort. Er drehte sich um, um in das Dorf hineinzulaufen und zu verkünden, wer da gekommen war.
“Oda? Was machst du denn hier?“ Eikes Stimme schwankte zwischen Verwunderung und Wiedersehensfreude. In so einer kleinen Gemeinschaft kannte natürlich jeder jeden, vor allem, wenn man in derselben Altersgruppe war. Eike war ja auch gerademal 20 Sommer alt.Auch im Dorf gab es helle Aufregung, nachdem Rango verkündet hatte, wer da am Tor war. Rodewini und Sarwolf waren gerade beide nicht anwesend, sie hatten einen Ausritt in die Gaue unternommen um sich anzusehen, was der Winter an Spuren hinterlassen hatte. Ebenso waren viele Männer schon im Umland gerade unterwegs, um auszubessern, was man schon an Arbeit machen konnte. Doch die, die im Dorf heute waren, sammelten sich natürlich ob der Neuigkeit.
Vor allem Elfleda war ganz verwirrt, als sie hörte, ihre alte Freundin sei wieder da. Vor zwei Jahren hatte sie geheiratet, und sie hätte nicht gedacht, sie noch einmal wiederzusehen. War ein Mädchen erstmal verheiratet, blieb es normalerweise bei der neuen Sippe. Selbst wenn der Mann starb, blieben viele Witwen bei ihrer neuen Sippe, heirateten dort sogar je nach Alter häufig wieder. Daher war die junge Germanin ganz aufgeregt, Oda doch noch mal wiedersehen zu können und lief so schnell sie konnte an den anderen, neugierigen vorbei zum Tor.
“Oda!“, brüllte sie schon auf Sichtweite und winkte der alten Freundin zu. Bis direkt vor sie hin behielt sie ihren schnellen Lauf bei und fiel der alten Freundin fast in die Arme, um sie auf beide Wangen wie eine Schwester zu küssen.
“Wie kommst du denn hierher?“, fragte sie ganz verwirrt und schaute die Freundin glücklich und besorgt gleichermaßen an. Sie war wirklich der letzte Mensch, mit dem sie hier gerechnet hatte. -
Das war mal ein kurzer und schmerzloser Abschied. Nunja, im Grunde war es Elfleda so auch lieber, sie hatte nicht viel für romantisches Pathos übrig. Da war ihr ein Mann, der genau wusste, was er wollte und wie er das zu bewerkstelligen hatte, hundertmal lieber, als einer, der ihr zwar unendliche Liebe versprach, aber eigentlich nur redete und redete und nichts hinbekam. Also nickte sie nur und überlegte kurz, ob sie noch etwas sagen sollte oder musste.
“Habt ihr soweit alles oder benötigt ihr noch etwas? Heute Morgen ist es etwas wärmer als gestern, ich nehme an, die Straße wird schlammig sein ab Mittag.“
Wahrscheinlich war er zu demselben Schluss gekommen, wenn er auf das Wetter geachtet hatte. Und Elfleda konnte sich bei einem Germanen nicht vorstellen, dass der so etwas Elementares nicht bemerkt hätte. Immerhin hing von diesem ab, ob man im nächsten Winter hungern würde oder ob man zwei oder drei Tage brauchte, um von einem Ort zum nächsten zu kommen. Dennoch erwähnte sie es, immerhin wollte sie irgendwas nützliches vor der Reise noch beitragen.
Sie sah ihn ruhig und fragend kurz an. Hoffentlich erwartete er von ihr keinen tränenreichen Abschied. Elke würde bei sowas an ihrer Stelle sicher heulen. Sie würde Landos Blicke sicher vermissen und die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen vor der Hochzeit, denn sicher würde ihr noch die ein oder andere Frage einfallen. Aber deshalb würde sie ihn nicht wie ein Kind anschmachten oder anfangen zu weinen, nur weil er ging.