Beiträge von Duccia Elva

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    Gerald blickte einen Moment ungläubig auf den wie einen Baum gefällten Birger. Der Krieger hatte noch versucht, den Schlag abzufangen, aber da war er nur einen Moment zu langsam gewesen. Einen sehr entscheidenden Moment. Und nun lag er in seinem Blut auf dem Boden, zuckte noch einmal kurz, und lag dann still.
    Gerald sah einen Moment ungläubig auf Birger hinunter. Er war der, mit dem er nun schon am längsten hier zusammen war. Sie hatten verdammt viel miteinander erlebt. Sie waren fast schon sowas wie Brüder gewesen. Und jetzt war er tot. Die Nornen hatten ihm dieses Schicksal auferlegt.
    Gerald schaute zu den vermeintlichen Heruten hinüber. Von ihnen waren nun 3 verletzt, teilweise schwer. Er könnte sie nun mit Leichtigkeit überfallen und niedermachen. Er hätte dann nur einen Mann verloren. Einen verdammt guten Mann, aber nur einen Mann.


    Verdammte Axt! Warum nur konnte er diese Chance nicht einfach ergreifen? Die Götter aber hatten entschieden, und er würde sich daran halten. Er trat vor seine Männer, denen wohl ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen waren, und gab Anweisungen.
    “Ihr zwei sucht genug trockenes Holz und schichtet es auf. Los, hopp.“
    Mit absoluter Kaltschnäuzigkeit trat er danach an Birgers Leichnam vorbei und ein paar Schritte in Richtung des verletzten Grüppchens.
    “Den Göttern gefällt es wohl, euch noch eine Weile herumlaufen zu lassen. Gut, wer bin ich, mich über ihren Richtspruch hinwegzusetzen? Geht, und kommt nicht wieder.“
    Das nächste Mal, wenn er einen von ihnen erwischen würde, würde er sich nicht auf so einen Zweikampf einlassen. Und wie hieß es so schön, man traf sich im Leben immer zweimal.


    Gerald wandte sich ohne weitere Worte zu verlieren um und schloss sich seinen Männern an, die die Beisetzung von Birger vorbereiteten. Dabei kam er an Alan vorbei. Der Junge stand auf wackeligen Beinen und schaute zu den vermeintlichen Heruten herüber.
    “Komm mit Junge, das hier ist erstmal vorbei.“


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    Alan starrte. Erst starrte er auf den toten Birger, dann starrte er eine Weile ins nichts. Zuletzt starrte er zu den Heruten. Er suchte seinen Gegner von vorhin. Hätte er es zu Ende gebracht, wäre Birger jetzt noch am Leben. Er war so kurz davor gewesen, ihn zu töten. Er starrte zu Witjon und sein Blick fixierte hasserfüllt dessen Augen. Sie würden sich wiedersehen, ganz bestimmt. Und dann würde Alan es zu Ende bringen.
    Gerald war schon fast wieder im Lager, während Alan immer noch hitzköpfig und wütend da stand. Er wartete, bis er sicher war, dass Witjon seinen Blick gesehen und verstanden hatte, ehe auch er sich mit grimmigem Gesicht und schwer humpelnd anschloss. Er brauchte jetzt erst einmal einen Heiler.

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    Der Stich an seinem Arm brannte, wo die Klinge ihn gestreift hatte. Birger biss die Zähne zusammen und brachte sich mit einem Rückwärtsschritt außer Reichweite des nächsten Schlages. Aber anstatt nachzusetzen zog sich sein Gegner ebenfalls zurück. Birger machte sich nicht lange Gedanken um das wieso und weshalb und nutzte seinerseits diesen Umstand, um wieder in die Offensive zu gehen. Er bemerkte das Blinzeln des anderen und sah die Schlieren, wo sich das weiße durch den schweiß ablöste und dunklere Haut zum Vorschein kam.
    So manch einer wäre wohl zurückgeschreckt und hätte sich gefragt, in was sich Silko verwandelte oder ob er ein Geist oder Troll war. Birger sah nur, dass er in seiner Sicht im Moment behindert war und er dadurch einen Vorteil hatte. Schnell setzte er ihm nach und startete eine schnelle Attackenfolge. Silko parierte die schnellen, kraftvollen Schläge so gut er konnte, aber Birger war sehr schnell und hatte keine Gnade mit der Lage seines Gegners. Im Kampf gab es keine Gnade.
    Birger legte immer mehr Kraft in seine Schläge, die trotz allem nichts an ihrer Präzision verloren, und drängte Silko so immer weiter in die Defensive. Schließlich war er doch schneller als sein Kontrahent. Er fand eine kleine Lücke in Silkos Deckung, und instinktiv ohne darüber nachzudenken nutzte er sie. Sein Sax schnellte vor, in die kleine Lücke zwischen Schild und Silkos Sax und traf den Nubier am Oberschenkel. Der große Mann zuckte instinktiv zurück und Birger zog seine Klinge zurück. Der Angriff hatte ihn viel Kraft gekostet, und er war nicht sicher, ob er gut genug getroffen hatte. Beinwunden waren nicht so zuverlässig tödlich wie welche am Bauch oder Kopf, und er hatte nicht hart genug getroffen. Gerne hätte er dem weiß angemalten zwar nicht sehr schön, aber sehr effektiv die Beine einfach weggeschlagen, aber dafür war er zu gut.
    So brachte er sich nun wieder etwas auf Abstand, ruhte seinen verletzten Arm aus, kam wieder zu Kräften und hoffte einfach, dass der eine Treffer gut genug war. Wenn nicht, hatte er viel Kraft nun verbraucht, und ob es sich gelohnt hatte, war die Frage.

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    Die beiden Schläge waren wuchtig, wenn auch nicht so präzise. Nichts desto trotz würden auch einige dieser Art wohl zum Ziel führen, denn unkaputtbar war der Schild definitiv nicht. Auch wenn das Holz wirklich viel aushielt, es war immerhin ein guter Schild, hatte Birger weder Zeit noch Lust, herauszufinden, wie lange es dauern würde, bis er zerstört wäre. Ohne Schild brauchte er nicht versuchen, gegen den weißen Riesen anzugehen, da hatte er wohl wenig Chancen.
    Also fing auch er mit einer kleinen Offensive an. Seine Schläge waren nicht so wuchtig wie die von Silko, dafür aber exakt und gut gezielt, mit soviel Kraft ausgeführt wie nötig, ohne sich dafür zu verausgaben und dennoch Wirkung zu erzielen. Silko parierte gut, musste aber leicht seitlich ausweichen, um den Schlägen so ihre Präzision zu nehmen. Birger sah seine Chance und schlug nun einmal wuchtig zu. Leidr war er nicht ganz so schnell, wie er erhofft hatte, denn Silko bekam sein Schild noch rechtzeitig hoch. Die Klinge glitt ab und wurde von der Kraft des Schlages weitergedrängt. Wäre Birger schneller gewesen, hätte er sie noch gedreht bekommen, so aber klatschte sie nur mit der Breitseite gegen Silkos Hüfte und wurde von dort sofort mit dem Schwert weggeschlagen. Birger versuchte, direkt nachzusetzen, doch der Hüne war zu schnell, und so nahm sich der Germane wieder zurück, um sich nicht zu schnell zu verausgaben. Der Überraschungsmoment war vorbei, alles weitere war nur zu kraftraubend. Er würde dem Schmerz Zeit geben, sich kurz beim anderen auszubreiten. So langsam lief ihm der Schweiß, dieser kurze Schlagabtausch war doch recht kraftzehrend geworden. Nicht genug, um ihn auszulaugen, aber doch genug, um ihn ins Schwitzen zu bringen.

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    Es kamen ein paar Schläge, die nicht zur Einschätzung des Gegners passen wollten und die Birger mühelos abwehren konnte. Es war mehr ein Antesten und Locken als etwas, das das Wort „Angriff“ verdient hätte. Aber Birger ließ sich nicht dazu hinreißen, daraus Schlüsse zu ziehen. Der bewusstlose Herute war kein Idiot gewesen, er würde nicht irgendwen zum Beinaz abgestellt haben. Und an soviel Glück, dass dieser Mann hier nur gefährlich aussah und sonst nichts, glaubte Birger nicht. Er blieb weiter in Deckung, wartete auf den nächsten, zaghaften Schlag gegen sein Schild.
    Er machte einen kleinen Ausfallschritt, schob die Klinge des Gegners nur soweit zur Seite, wie es musste, und landete einen einzelnen, gut gezielten Schlag auf Silkos Schild. Das Signal war klar: Schluss mit den Spielchen. Sie würden sich beide wohl nicht gleich verausgaben, aber auf diese angedeutete Schwäche konnte Birger verzichten. Er war kein Dummkopf und würde darauf nicht hereinfallen und seinen guten Stand gefährden. Soviel durfte der Gegner von ihm wissen.

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    Ganz ruhig stand Birger da und wartete auf den Angriff seines Gegners. Er würde ihm nicht den Gefallen tun und sich in Angriffen verausgaben, seine Geduld war nicht so kurz wie die von Alan. Er hatte Zeit, und er wusste, dass er Zeit hatte. Er musste das hier weder schnell noch kunstvoll gewinnen, nur effizient. Dafür musste er nicht den ersten Streich führen oder in der Offensive sein. Sein Gegner war groß und voller Muskeln, er sollte seine Kraft zunächst einmal etwas abbauen. Zwar konnte Birger nicht wissen, wie gut der andere wirklich war, aber er kannte seine Fähigkeiten bei der Verteidigung. Außerdem glaubte er nicht, dass das hier ein schneller Kampf werden würde, da teilte er seine Kräfte gut ein. Immerhin hatte er es nicht eilig.
    Auch sein Gegner schien es nicht besonders eilig zu haben, denn ebenso wie er griff er nicht an. Birger wusste, das schlimmste war es, die eigene Ungeduld zu bezähmen, und er hatte Übung darin. Ein Hitzkopf landete vielleicht mal einen Glückstreffer, aber ein Kämpfer wartete einfach auf die richtige Gelegenheit. Und so wartete er auf dem vom vorherigen Kampf noch aufgewühlten Boden, ruhig und besonnen, und musterte seinen Gegner einfach mit den Augen.

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    Birger hatte den Kampf mit angesehen. Alan machte für sein junges Alter die Sache recht brauchbar. Man merkte einfach, dass er doch eher ein Bauer gewesen war und die langen Zeiten der Entbehrung ihre Spuren an ihm hinterlassen hatten. Aber auch der andere war nicht das Glanzbild eines Kriegers. Er verausgabte sich zu sehr beim Kämpfen. Die Technik war zwar ansatzweise da, aber viel zuviel Kraft für den doch recht geringen Erfolg. Nicht dass Alan da besser war, aber bei den beiden sah es aus Birgers Sicht so aus, als wollten sie sich gegenseitig einfach niederknüppeln.
    Doch seine Aufmerksamkeit galt schon bald nur noch halb dem Kampf. Vielmehr fing er damit an, seinen Gegner zu mustern. Über die komsich weiße Farbe machte er sich keine Gedanken, ebenso wie um die Gesichtszüge. Auch wenn er den Namen eines Riesen trug, machte sich Birger darüber keine tiefergehenden Gedanken. Er glaubte nicht daran, dass diese Wesen so einfach in Gesellschaft von ein paar Heruten in verkleinerter Form herumlaufen würden. Abgesehen davon änderte es nichts daran, dass er gegen ihn kämpfen würde. Und so betrachtete er ihn einfach als Gegner, bar jeder Gefühle, schätzte ihn ein, versuchte, die Kraft zu beurteilen, aus kleinen Bewegungen etwas zu lesen. Wenn er schon zur Abwechslung mal Zeit hatte, sich seinen Kontrahenten so genau anzusehen, wollte er das auch nutzen. Im Kampf blieben dafür nichtmal Zehntel Sekunden, weshalb er sich darüber in den meisten Fällen auch keine Gedanken machte und einfach nur reagierte. Dann war sein Kampfstil wahrscheinlich nicht schön, dafür aber effektiv. Aber wenn es sich so anbot, konnte man sich den Gegner auch einmal ansehen.
    Er war etwa eine Handbreit größer als Birger, was ihm aber keinen Vorteil bringen würde. Reichweite dürften beide dennoch etwa gleichviel haben. Er hatte mehr Muskeln als der Germane, aber auch hier hieß das nicht zwangsläufig etwas. Auch wenn Birger etwas hagerer war, hatte er Kraft wie jeder Mann, der Zeit seines Lebens um selbiges kämpfen musste. Und da er noch immer lebte, machte er das sehr erfolgreich.


    Schließlich waren Alan und der andere Junge fertig, und der weiße Riese holte sich Schild und Sax, nachdem Gerald den Kampfplatz wieder verlassen und damit für die Beinaz freigemacht hatte. Birger hatte seine Waffen schon dabei gehabt, er nahm sie nur wieder hoch. Er hob den Blick einmal zum Himmel über sich, sandte Gedanklich ein Gebet an Wodan und Theiwaz. Nicht um Beistand, nicht aus Angst. Nur mit der Bitte, genau hinzusehen. Zu sehen, wie er entweder siegen oder fallen würde. Vor dem Tod hatte er keine Furcht, Hel war ihm eine willkommene Schwester. Schon viele hatte er auf den Weg zu ihr geschickt, und ein paar Mal hatte er die dunkle Strasse zu ihr auch schon vor Augen gehabt. Es würde sich zeigen, ob er heute zu ihr gehen würde oder zu den Einheriern oder wohin auch immer die Götter es beliebten.
    Ohne irgendein Wort zu sagen, ohne Anzeichen einer Emotion, betrat Birger ganz einfach das Kampffeld. Schwert und Schild hatte er bis dahin noch locker, wenn auch kampfbereit gehalten, doch nun mit einem einfachen Ruck griff er beides fester und war damit bereit für den Kampf.

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    Seine Worte hatten Witjon wütend gemacht. Alan musste sich gegen die wütende Attacke wehren und hatte bei jedem Schlag das Gefühl, sein Schildarm würde gleich zerbersten. Er schlug mit wenig Geschick aber der Kraft des Trotzes zurück. Krachend schepperte sein Sax auf das Schild von Witjon, aber auch seine Schläge wurden kraftloser. Das Schwert in der Hand schien immer schwerer zu werden, und der Schweiß und das Blut rann ihm langsam in die Augen und nahmen ihm die richtige Sicht. Wo sie anfangs noch gegeneinander richtig gekämpft hatten, war es nunmehr so langsam zu einem ein-Schlag-nach-dem-anderen-Hin-und-Her verkommen, in der abwechselnd der eine auf den Schild des anderen schlug und umgekehrt. Sie beide hörten sich auch schon langsam an wie die Blasebalgen in der Schmiede.
    Alan aber wollte nicht aufgeben, um nichts in der Welt. Er wollte das hier gewinnen. Er wusste, er konnte das hier gewinnen. Er musste dass hier gewinnen. Er mobilisierte noch einmal die letzten Kraftreserven und führte einen letzten, verzweifelten Streich gegen Witjon. Auf dem nassen Untergrund, der in der höhersteigenden Sonne auch immer mehr taute, glitt der Ubier von der Wucht gezwungen aus und sank so auf die Knie. Doch Alan konnte daraus nichts machen. Er war schlichtweg am Ende seiner Kräfte. Anstatt sich auf Witjon zu stürzen, stürzte er direkt neben ihm, ebenfalls auf dem Boden ausrutschend, und stützte sich mit den Händen am Boden ab. Die Anstrengung forderte ihren Tribut, und er übergab sich einmal geräuschvoll. Da das Frühstück ausgefallen war, kam nur beißende Galle, die den bleiernen Geschmack von Blut in seinem Mund überdeckte.
    Er griff nach dem Schwert, das er beim Sturz losgelassen hatte, und versuchte, die paar Schritt zu Witjon auf allen Vieren zurückzulegen. Ihm ging es nicht gut, aber er wollte nicht aufgeben. Doch bevor er bei seinem Gegner angekommen war, mit dem er sich zur Not auch einfach nur im Dreck wie zwei prügelnde Knaben gewälzt hätte, um ihn zu erwürgen, blickte er plötzlich auf zwei wohlbekannte Hosenbeine. Sein Blick ging nach oben, und er sah Gerald, der zwischen die beiden getreten war.


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    Ihr habt gut gekämpft. Stimmt ihr mir zu, dass eure Beinaz nun weiterkämpfen werden?“


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    Alan schaute hoch, Zorn spiegelte sich in seinen Augen. Er schüttelte den Kopf. Nein, er war nicht einverstanden. Er sah Gerald an, und Wut stieg so erbarmungslos in ihm auf, dass er die Zähne zusammenbeißen musste.


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    Gerald beugte sich zu dem Jungen runter. Verdammte ehrbare Burschen aber auch. Alan wollte sich wohl lieber zu Tode prügeln, als einzugestehen, dass seine Kraft aufgebraucht war. Und dabei hatte er sich schon gut geschlagen für seine Verletzung.
    “Ich brauch dich noch an einem Stück, Junge, wenn wir unsere Ware absetzen. Du hast gut gekämpft, aber lass jetzt Birger ran. Ich bin Stolz auf dich, Junge“, sagte er so leise, dass nur Alan es hören konnte.
    Gut, der letzte Teil war gelogen, aber es war das, was er hören wollte. Gerald war nicht so sehr von Ehre durchdrungen, dass er nicht wusste, wann eine kleine Lüge mehr brachte als alle Wahrheit der Welt.
    Und tatsächlich, Alan sah zu ihm hoch und nickte schließlich. Er stimmte zu. Er wandte sich an Witjon, der aussah wie durch einen Fleischwolf gedreht. Auch er musste zustimmen.

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    Nur noch so halb bekam Alan seinen Schild zwischen sich und den Schild von Witjon, und das folgende Geräusch klang nicht gut. Er fühlte sich wie damals, als ihn das Pferd getreten hatte, und ein schmerzhaftes Stöhnen kam ihm im ersten Moment über die Lippen, das aber in Witjons Schrei vollkommen unterging. Halb davon benommen machte er das erstbeste, was ihm einfiel.
    So nah wie sie beieinander waren, fast ineinander verkeilt und ihre beiden Schwerter aneinander verhakt, ebenso die Schilder, ruckte er stattdessen mit seinem Kopf. Krachend trafen die beiden Hitzköpfe aufeinander, und hätte einer von ihnen einen Helm getragen, wäre es wohl noch schmerzhafter für den jeweils anderen gewesen. So aber taumelten sie beide auseinander, jeder einen dekorativen Blutfleck auf der Stirn und ein Dröhnen im Schädel.
    Alan war schlecht, aber er kämpfte es nieder. Seine Seite tat weh, aber er biss einfach die Zähne zusammen. Er würde es diesem Kerl schon zeigen. Er spuckte einmal, um den metallenen Geschmack loszuwerden und grinste Witjon arrogant an.
    “So, wie du jetzt aussiehst, würdest du sogar zu der römischen Schlampe passen. Ich muss dir nur noch ein wenig die Beine verdrehen, dann siehst du aus wie sie. Also, ehe die Krähen kamen. Aber das machen wir schon.“
    Er durfte nicht zu tief Luft holen, das schmerzte. Aber er war noch nicht bereit, das einzugestehen. Er konnte noch kämpfen. Und keinesfalls würde er seinen Gegner gewinnen lassen, lieber würde er sterben.
    Er packte noch einmal den Griff seines Sax fester und näherte sich Witjon. Ein kleines Rinnsal von Blut vermischte sich mit dem schweiß, der ihm von der Stirn lief, aber er hatte nicht die Zeit, beides wegzuwischen. Er würde das jetzt beenden, nahm er sich vor. Jetzt brauchte er nur noch die passende Lücke.

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    Witjon brachte ein paar kräftige Hiebe an, die Alan mit dem Schild parieren musste. Er versuchte, den Kampf wieder in eine Richtung zu lenken, in der er sein Knie mehr entlasten konnte, aber Witjon gab ihm dazu vorerst keine Gelegenheit. Den tiefen Schlag parierte Alan noch mit seiner Klinge, die allerdings dadurch erst einmal gebunden war. Doch hatte er schon an genug Scharmützeln und Auseinandersetzungen mit Reisenden teilgenommen, um zu wissen, dass ein Schild nicht nur dazu da war, Hiebe abzuwehren. Mit einer schnellen Bewegung stieß er es Witjon gegen Brust und Kopf, was zwar nicht tödlich war, aber ordentlich weh tat, die Brust wohl in einen einzigen, blauen Fleck verwandeln würde und dem Ubier kurz die Luft aus den Lungen trieb.
    So wieder im Vorteil machte sich Alan auch gleich daran, nachzusetzen. Ein Hieb auf den Schild folgte, dann noch einer. Der dritte, hoch geführte rutschte am Schild ab und die stumpfe Breitseite traf Witjon auf den Schenkel. Hätte Alan schnell genug reagiert, wäre dieser Hieb wohl gefährlicher geworden, so aber tat ihm nur selbst von der Wucht der Arm langsam weh.
    Er versuchte, noch nachzusetzen, glitt aber leicht im Schlamm aus, was den Hieb zu einem fast hilflosen Schlag werden ließ und ihm selbst kurz den Schmerz ins Gesicht trieb. Verdammtes Knie. Hätte ihn dieser Lars vorhin nicht erwischt, hätte er seinem Gegner schon längst bewiesen, was er konnte. So aber musste er nach jeder größeren, kraftzehrenden Einlage sich kurz zurückhalten.
    Inzwischen atmete er schon gut hörbar, aber noch nicht so, dass es nach Aufgeben klang. Allein der Trotz würde ihm noch einiges an Kraft geben. Außerdem wollte er sich beweisen und es nicht Birger überlassen, das hier zu beenden. Er konnte ihn schlagen! Er wusste es! Er fasste das Schwert noch einmal fester und startete einen neuen Angriff auf Witjons Verteidigung.

    Schon, als er in ihre Richtung kam, hatte Elfleda ihren Verlobten bemerkt und ruhig gewartet, bis er zu ihr kam. Gerne wäre sie ihm einfach entgegen gekommen, aber bei der morgendlichen Katerstimmung der meisten Anwesenden wollte sie nicht allzu sehr auffallen. Außerdem verließ er sie ja gleich, da sollte er sich nur nicht einbilden, sie würde ihn so schrecklich vermissen, dass sie jede Sekunde jetzt mit ihm noch verbringen musste. Natürlich würde sie ihn vermissen, und natürlich konnte sie es kaum abwarten, endlich zu heiraten, aber das musste sie ja nicht so überschwänglich zeigen. Da war Elfleda doch eher zurückhaltend, nicht wie ihre emotionale Cousine Elke.
    “Guten Morgen“, meinte sie ebenfalls etwas gedämpft. So ganz konnte sie es aus ihrer Stimme nun doch nicht heraushalten, was sie dachte. Es war eine merkwürdige Situation, zu wissen, dass er gleich ging, und sie ihn erst zur Hochzeit wiedersehen würde. Vor allem nach dem gestrigen Abend, wo sie festgestellt hatte, dass sie ihn wirklich sehr sympathisch fand. Man konnte sogar sagen, sie hatte ihn gern.
    “Hast du schon etwas gegessen?“, fragte sie plötzlich. Sie konnten ja schlecht nur hierstehen und sich anschweigen und sich den Abschied noch schwer machen. Da wollte Elfleda sich lieber auf das wesentliche konzentrieren, und das war, ihn vor der Reise noch gut verpflegt zu wissen.
    Die Luft war klar und kalt, roch aber nicht nach neuem Schnee, so dass sie sich keine Sorgen machte, ob die beiden warm genug eingepackt wären. Dennoch fröstelte sie in diesem Moment ein wenig uns sie zog den eigenen Mantel etwas enger um ihre schultern. Nicht, dass sie sich noch erkältete.

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    Der Kerl ließ sich nur ein wenig provozieren. Alan hatte sich mehr Unaufmerksamkeit erhofft, aber den gefallen tat der andere ihm nicht. Und er zielte seine Angriffe immer so, dass Alan das verletzte Knie belasten musste, um auszuweichen und abzuwehren. Verdammter Mistkerl auch!
    Wie Gerald es ihm aufgetragen hatte, blieb er in der Defensive und ließ Witjon seine Attacken ausführen, immer nach einer Lücke suchend. Doch bot sich ihm keine gute Gelegenheit. Dann zog sich Witjon wieder zurück. Verärgert ließ Alan kurz seine Linke Schulter rollen, um die Spannung aus dem Schildarm etwas zu nehmen. Ihm hing immer noch das eindringliche „bleib ruhig“ vom Gerald im Ohr. Ruhig bleiben, abwarten. Abwarten, ruhig bleiben.
    Warten.


    Warten.


    Ach, pfeif drauf!
    Der andere war gut, aber der kam nicht durch Alans Deckung, und dieser würde sicher nicht warten, bis ein geschickter Streich noch sein Schild zerstörte, denn kräftig zuhauen konnte der Ubier. Und Alan konnte mehr als nur eine gute Gelegenheit ausnutzen. Es wurde Zeit, dass er es zeigte!
    Er ging zur Attacke über. Mit einem angedeuteten Streich provozierte er eine Reaktion bei Witjon. Als dessen Klinge hervorkam, schlug er sie mit seinem Schild beiseite, um seinerseits ein paar Schläge anzubringen und ihn zurückzudrängen. Leider war die entstandene Lücke nicht groß genug, um Witjon zu verletzen, aber es reichte, dass Alan einige kräftige Hiebe anbringen konnte, bei denen man merkte, dass der Junge Zeit seines Lebens schwer gearbeitet hatte. Er drängte Witjon immer weiter rückwärts, immer nach einer Lücke in seiner Deckung suchend und in der Hoffnung, sein Schild würde splittern, als sein Knie ihn zum Abbruch seines Angriffs zwang.
    Ein heller Schmerz jagte durch sein Bein, als er mehr und mehr sein Gewicht auf dieses Knie mitverlagern musste, um seinen Angriffen die nötige Kraft zu geben. Er zuckte, fing sich aber, und machte zwei humpelnde Schritte von Witjon weg, um wieder Zeit zu gewinnen. Der Angriff hatte auch einiges an Kraft gekostet, und er fühlte den Schweiß unter dem Fell und dem Hemd, die ihn warmhielten in der kühlen Morgenluft.

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    Alan war noch nicht lange weg vom Hof daheim. Erst drie Jahre, oder schon drei Jahre, wie mans nahm. Dass er heute noch lebte hatte er den Männern hier zu verdanken. Sie hatten den Jungen ohne große Fragen in ihre Reihen aufgenommen, weil er geschickt war und gut arbeitete, weil er gut kämpfte und alles mitmachte. Und weil Hauke ihn mehr oder weniger adoptiert hatte. Dass es auch genauso gut hätte sein können, dass sie ihn fangen und verkauft hätten wusste Alan, deshalb war er ja auch doppelt dankbar, dass er Teil der Gruppe sein durfte. Obwohl er der jüngste war und anfangs gar keine Ahnung gehabt hatte. Aber daheim wär er sicher verhungert, der Hof warf so wenig ab, dass sie immer drauf und dran gewesen waren, doch unfrei zu werden.
    So aber hatte Alan was zu essen, Kleidung, die ihn warm hielt, ein altes, schönes Sax und einen guten Holzschild, und er hatte auch schon ein paar Mädchen gehabt. Für die älteren der kleinen Gruppe, auch für Gerald, war er zwar meistens noch der Junge und weniger der Mann, aber denen würde er es schon noch beweisen. Daher strebte er so sehr danach, sich zu beweisen, dass er sich auch diese Chance nicht entgehen ließ. Er würde ihnen allen zeigen, was für ein guter Kämpfer er war. Das bisschen am Knie würde ihn da nicht abhalten. Er biss einfach die Zähne zusammen und zeigte diesem Heruten, was Sache war. Den Anführer hätte er schon beinahe getötet, da würde er das hier auch schaffen!


    Sie umkreisten einander, und lauerten auf den ersten Angriff. Ruhig bleiben, hatte Gerald gesagt, und Alan hörte auf ihn. Er wartete auf den Angriff, umkreiste seinen unbekannten Gegner und wartete auf den Schlag. Dieser kam, zaghaft und verhalten, und leicht wehrte Alan ab, ließ den Schlag am Schild abgleiten, um gleich eine kleine Riposte anzubringen, die aber ebenso zaghaft und vorsichtig war und der Witjon leicht ausweichen konnte.
    Das geht zu langsam ging es Alan durch den Kopf. Er wollte lieber, dass der andere auf ihn zustürmte, einen Fehler beging, und es schnell zuende wäre. Daher beschloss er, gleich zu beginn den Tipp von Gerald mal anzutesten. Wut war ein schlechter Berater, also versuchte er, Witjon ein wenig zu ärgern.
    “Du schlägst zu wie ein Mädchen. Ist das alles, was du kannst? Da hätt ja die süße Römerin sich besser gewehrt. Schade, dass sie in die Schlucht gesprungen ist, der hätt ich gern mein Schwert ins weiche Fleisch gestoßen.“
    Er grinste Witjon kurz arrogant an. Schon allein am Tonfall war klar, welches Schwert er gemeint hatte.

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    Ganz offenbar lebte er noch. Schlecht. Wäre ihr Anführer gefallen, hätten sie wohl leichteres Spiel gehabt. Andererseits war er wohl verletzt genug, um nicht mehr mitkämpfen zu können. Allerdings hatte Gerald schon schwerer verletzte Kämpfer plötzlich noch mal aufstehen und um sich schlagen gesehen. Ganz tot wäre er ihm so betrachtet lieber gewesen.
    Vor allem, als er den Vorschlag hörte. Am liebsten wollte er lachen. Es war dämlich, die Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Sie hatten sie schon! Warum das alles riskieren in einem bescheuerten Zweikampf, dann auch noch gegen den seltsamen Kerl, der auch noch den Namen eines Thursen trug? Für einen von diesen war er zwar vermutlich noch immer zu klein, auch wenn er wirklich sehr groß war. Doch so ganz geheuer war Gerald die Sache nicht.
    Während Lando sich wieder ins Land der Träume verabschiedete, fing er also an, nach einer Möglichkeit der Ablehnung zu suchen. Es war wirklich zu ehrenhaft für seinen Geschmack. Zwar hatte Gerald durchaus noch Ehrgefühl, aber die Grenze zur Dummheit wollte er deswegen nicht überschreiten.
    “Alan ist verletzt, das wäre wohl kaum ein ausgeglichener Kampf“, fing er also an. Da kam ihm auch gleich eine viel bessere Idee, die auch gleichzeitig seine gebrochene Nase vergelten würde. Den Burschen da würde er höchstselbst auseinandernehmen, mit der Axt schön scheibchenweise filetieren. Damit hätte er Genugtuung, hätte vor diesem jämmerlichen Haufen und seinen Männern die Ehre hochgehalten und es würde den Verschanzten noch ein Mann fehlen, wenn sie weiterreisten.
    “Ich schlage also vor, dass statt Alan…“, doch weiter kam er nicht. Der Junge nämlich war im Gegensatz zu den älteren Haudegen noch sehr vom geist von Ehre beseelt und fühlte sich dadurch gekränkt, dass Gerald einfach behauptet hatte, er könne jetzt nicht kämpfen.
    “Ich kann kämpfen!“ schallte die kräftige Stimme des Blonden aus dem Hintergrund und er baute sich regelrecht neben Gerald auf, die Arme stur vor der Brust verschränkt. Zwar humpelte er nichtmal beim Gehen, aber ein geübter Blick auf seinen jetzigen Stand verriet, dass er das Gewicht auf das unverletzte Knie hauptsächlich stützte.
    Gerald drehte sich zu Alan um und sah ihn kurz ungehalten an. Warum mussten die Jungen nur immer in den unpassendsten Momenten etwas unglaublich Blödes anstellen? Da war ihm jeder schafvögelnde Halsabschneider noch lieber als diese von Ehre und Selbstüberschätzung getriebene Jugend! “Und dein Knie?“ knurrte er schon mehr, als dass er es wirklich sprach.
    Aber entweder überhörte Alan ihn, oder er wollte es nicht hören. Der Junge fixierte Witjon einfach mit seinen blauen Augen, die Pose ein Sinnbild jugendlicher Unsterblichkeit, und Gerald ahnte schon, was kommen würde, ehe der Junge es aussprach. “Das ist nichts, nichtmal ein Kratzer. Ich kann mich dem Twabadwa stellen.“


    Jetzt hätte Gerald gerne eine Wand gehabt, gegen die er seinen Kopf hätte schlagen können. Soviel Dummheit war ja schon beinahe schmerzhaft beim bloßen Zuhören! Gut, Alan war trotz allem ein erfahrener Kämpfer, wenn er auch jung und hitzköpfig war. Aber das war der andere Bursche auch. Und Gerald hatte schon halb zugestimmt, jetzt konnte er keinen Rückzieher machen.
    Er baute darauf, dass die beiden Jungen sich prügeln würden, bis sie nicht mehr konnten, und der Kampf dann zwischen diesem Thrymr und seinem Kämpfer laufen würde. Kurz dachte er nach, ob er sich selber diesem komischen Kerl stellen sollte, immerhin war er der Anführer und seine Macht baute eigentlich nur auf seinem Geschick auf. Aber der Hüne war größer als er und hatte eine höhere Reichweite wohl, und Gerald war trotz allem nicht der beste Kämpfer aller anwesenden. Er wollte nicht noch ein Risiko eingehen, abgesehen davon, dass er an seinem kleinen Leben doch ein wenig hing. Und Birger war bei weitem besser, vor allem im Zweikampf. Da war der 35-jährige schon beinahe erschreckend effektiv und beherrscht und damit die bessere Wahl.
    “Nungut“, wandte er sich also wieder dem Klüngel bei den Pferden zu. “Dann wird Alan gegen dich kämpfen, und zum Beinaz bestimme ich Birger hier. Sax und Schild.“
    Birger war sehr gut in dieser Kombination, und Alan nicht unfähig. Der Bursche würde schon lange genug durchhalten.


    Gerald gab seinen Männern ein Zeichen, dass sie Abstand nehmen sollten, damit so ein Kampfplatz entstehen konnte. Dabei nahm er Alan noch einmal kurz am Arm und raunte ihm noch letzte Tipps zu. Vielleicht gelang es dem Heißsporn ja, den vermeintlichen Heruten Witjon zu besiegen. “Er mochte die Römerin, die in die Schlucht gestürzt ist. Nutze das. Mach ihn wütend, warte auf Fehler, und schlag dann zu. Überstürze es nicht, halt die Deckung oben und bleib ruhig. Effektiv kämpfen, wie immer, und heil heimkommen.“
    So war ihr Grundsatz, wenn sie auf Beutefang gingen, so sollte es Alan am besten für sich einverleiben und danach handeln. Warum nur musste die Jugend immer so vorschnell sein?

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    Autsch. Den Schlag hatte Gerald nicht kommen sehen. Der Schwertknauf traf ihn so an der Nase, dass er umfiel wie ein nasser Sack. Blut lief ihm aus der Nase, und seine Augen tränten Instinktiv und schwemmten damit das Blut weg, das von der Stelle auf seinem Nasenrücken herrührte, wo das Nasenbein gebrochen und durch die Weiche Oberhaut ein wenig gedrungen war. Das Irrwitzige, was er daran bemerkte, war, dass es im Moment noch nicht einmal weh tat. Aber das würde noch kommen.
    Im ersten Moment hatte er gar keine Gelegenheit, näher über dieses Phänomen nachzudenken. Reflexartig hatte er seine Axt gegriffen und so hochgehalten, dass er einen Schlag damit abfangen könnte, in der Hoffnung, der nächste Angriff wäre ebenso hitzig und unüberlegt und würde nicht genau auf seine Hand am Axtschaft zielen. Aber der Schlag blieb aus und er war noch am Leben, und dann waren auch schon seine Männer heran. Langsam rutschte Gerald auf dem frostharten Boden ein Stück nach hinten und bekam nur halb mit, wie Lando verwundet wurde.
    Seine Männer aber waren gut trainiert und stürmten abgesehen von dem jungen Hitzkopf Alan nicht gleich drauf los, sondern kreisten die Gruppe ein und bezogen um sie herum Stellung. Das wichtigste beim Kämpfen war, die eigene Position in Vorteil zu der zum Gegner zu bekommen, und die Gruppe hatte sich für einen direkten Angriff zu gut zwischen den Pferden verschanzt. Sie waren in der Überzahl, es gab keinen Grund, unüberlegt drauf loszustürmen. Sie konnten sie, wenn sie wollten, Stück für Stück auseinandernehmen. Das war schließlich nicht die erste wehrhafte Gruppe, der sie gegenüber standen. Die frage war nur, wie hoch der Preis dafür sein würde, und ob Gerald es als lohnenswert ansehen würde.
    Gerald rappelte sich hoch und fühlte nach seiner Nase. Jetzt nach dem ersten Schock tat das Mistding doch weh, und er hatte den metallenen Geschmack von Blut im Mund. Schleimig klebte es auch an der Hand, und er wischte sie sich kurzerhand an seinem Mantel in Brusthöhe ab. Zum Kämpfen brauchte er einen trockenen Griff, da half Blut an den Pfoten wenig. Er nahm die Axt wieder richtig zur Hand und ging wieder vor zu seinen Männern. Alan stand hinter den Erfahreneren und hielt sich sein Knie. Sein Gesicht sah ungesund weiß aus. Gerald nickte kurz fragend in seine Richtung, ohne was zu sagen. Der blauäugige Bursche, selber grade mal sechzehn, auch wenn er größer war als so manch Zwanzigjähriger und auch älter aussah, sah auf und versuchte, sein Gesicht zur Gleichgültigkeit zu zwingen. Er schüttelte kurz den Kopf. Offenbar hatte Lando gut getroffen und sein Knie erstmal unbrauchbar gemacht für die nächste Zeit. Das hatte Gerald noch gefehlt, wenn er jetzt einen Heiler bräuchte, weil ihm ein Mann ausfallen würde.
    Sie hatten acht Weiber grade beisammen, eigentlich genug, dass sich die Reise lohnen würde, sie zu verkaufen. Auf dem Weg konnten sie noch die ein oder andere Gelegenheit wahrnehmen, da gab es viel Ware zu holen. Aber dafür durfte er keine größeren Ausfälle haben.


    Trotzdem verlangte es ihn nach Rache, und er trat zwischen seinen Männern hindurch nach vorne. Die Ankömmlinge hatten die Waffen gezogen, ihr Anführer blutete und war wohl bewusstlos. Der, der ihm den Schlag verpasst hatte, war direkt bei ihm. Jetzt hatte Gerald auch Gelegenheit, den Riesen, den sie bei den Pferden gelassen hatten, sich näher anzuschauen. Der sah seltsam aus, und jetzt, so aus der Nähe und im Vergleich, war er sich nicht sicher, ob das wirklich ein Mensch war oder nicht doch ein Wesen aus Utgard. Die Haut sah eher kalkig aus als wirklich, fast schon schuppig. Und es knurrte. Vielleicht konnte es ja nicht reden? Egal, sicher konnte es bluten.
    “Das war ein guter Schlag, Junge. Blöde, aber gut.“
    Er fasste noch einmal den Griff seiner Axt nach und schätzte die Lage ab. Er hatte Zeit, es bestand für sie kein Grund zu übermäßiger Eile. Die Gruppe zu überwältigen und zu töten war wohl eher das kleinere Problem. Die Frage war nur, wie viele Männer die mitnehmen würden. Auf ein oder zwei könnte er noch verzichten, aber der Blutzoll hier wäre vermutlich geringfügig höher.
    “Und jetzt? Ist er tot?“
    Mit einem Kopfnicken deutete Gerald auf Lando. Er sah nur das Blut, das durch das Loch in der Kleidung sickerte, aber ob Lando noch atmete konnte er nicht ausmachen.
    Er versuchte ein wenig Zeit mit dieser Frage zu schinden. Wirklich interessieren, ob der Mann tot war oder nicht, tat es ihn nicht. Aber er versuchte noch immer, die Chancen abzuwägen, ob es sich lohnen würde, die Gruppe anzugreifen, oder ob sie damit vielleicht lieber warten sollten, bis die aus dem Lager raus waren und auf der Straße. Im Moment schienen sie gut gewappnet zu sein.

    Elke war am Abend noch mächtig beleidigt mit Elfleda gewesen und hatte es die Frischverlobte auch hier und da merken lassen. Allerdings beschränkte sich Elkes Schmollerei wie immer auf böse Blicke und Elfleda kannte ihre Cousine gut genug, um zu wissen, dass es am nächsten Morgen alles vergessen sein würde. Aber so verbrachte sie die heutige Nacht nicht im Zwiegespräch mit ihren Cousinen, sondern im Bett mit ihren Geschwistern. Die kleinen schmiegten sich dicht an die große Schwester und Elfleda summte gewohnheitsmäßig erst noch ein wenig vor sich hin, während sie der jüngsten, Aleke, durch die blonden Haare streichelte, bis sie selbst unter der warmen Decke eingeschlafen war.
    Am nächsten Morgen war sie auch sehr früh von ihren Geschwistern geweckt worden. Diese hatten ja auch nicht so lange gefeiert und waren daher so früh wach wie jeden Tag. Also war auch Elfleda gezwungen, aufzustehen.
    Nachdem sie und ihre Geschwister also hergerichtet waren, ging es auch nach draußen. Lando würde am heutigen Morgen abreisen, und Elfleda wollte sich von ihm verabschieden. Nicht nur, weil es auch irgendwie dazugehörte, sich vom eigenen Verlobten zu verabschieden, sondern will sie ihn wirklich gerne noch ein wenig bei sich hatte, ehe er abreisen musste. Am liebsten würde sie ja gleich mit ihm gehen. Oder nein, eigentlich würde sie lieber wollen, dass er noch ein wenig blieb. Aber auf jeden Fall wäre sie gerne noch ein wenig in seiner Nähe, um ihn besser kennen zu lernen. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie ihn noch hätte fragen können.


    So trat sie hinaus in die morgendliche Kälte, dick eingepackt in einen grauen Wolfspelz, und gesellte sich zu den anderen. Vornehmlich die Männer, die schon wach waren, sahen allesamt aus, als wären sie lieber wieder in ihren Betten. Einige standen zwar noch gerader als andere, aber man merkte, dass viele das Fest wirklich genossen hatten und am heutigen Morgen keine allzu lauten Geräusche ertragen würden. Das Frühstück war allgemein sehr leise am heutigen Morgen.
    Elfleda schaute, ob Lando vielleicht schon irgendwo war, sah ihn aber nicht. Also gesellte sie sich stattdessen zu ihrem Vater. Dieser legte kurz die Hand um ihre Schulter, um sie an sich zu ziehen und auf den Haaransatz zu küssen. Er war einer derjenigen, die noch gerader standen und keine Augenringe hatten. Elfleda lächelte zu ihm hoch.
    “Sind sie noch da?“ Nicht, dass sie es verpasst hatte. Wobei es noch wirklich früh war, die Sonne war noch nicht mal eine Handbreit über dem Horizont.
    Sarwolf nickte, und daran, dass er nichts sagte, merkte man wohl, dass er auch unter Kopfschmerzen ein wenig zu leiden hatte, also beschloss Elfleda, vorerst noch gnädig zu sein.

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    “Wenn der Hund noch lebt, wird er wohl grade irgendwo im Süden Ware absetzen. Borbetomagnus oder Castra Regina, je nachdem, wo er diesmal lang gegangen ist. Meist nimmt er den Durchgang bei Iciniacum, aber manchmal geht er auch direkt nach Castra.“
    Welch ein Glück, sie standen auf. Auch Gerald erhob sich und schloss sich ihnen an, während sie zu den Pferden gingen. Der Riese dort machte ihm ein wenig sorgen, noch dazu, wo er irgendwie krank aussah. Seine Augen waren auch schonmal besser gewesen, aber der war ihm unheimlich, also blieb er nicht ganz so nahe dabei stehen. Seine Männer waren auch aufgestanden, hielten aber noch einen größeren Abstand zu allen. Doch überall merkte man, dass alle Beteiligten froh waren, dass diese seltsame Situation wohl gleich vorüber wäre.


    Als Lando noch auf die Römerin zu sprechen kam, war der größte Teil der Anspannung schon wieder von Gerald gefallen. Immerhin würden die Eindringlinge gleich verschwinden, er konnte sich seinem blonden Mädchen wieder widmen, und keiner seiner Männer war getötet worden. Das waren Gründe, um gut gelaunt zu sein, noch dazu, wo die Geschichte, die er zu erzählen hatte, für ihn ungemein lustig war.
    “Ohja, die haben wir auch gesehen. Wollten sie für uns selber fangen und hatten uns auch schon bereitgelegt. So ne feine römische Dame, die wär sicher was wert gewesen, vor allem das Zeug, was die alles dabei hatte. Aber die musste ja unbedingt durch den Wald reiten, da gleich im Norden.
    Der Winter hier war ziemlich hart, und die Wölfe hier hatten Mordshunger. Die haben das Pferd gewittert und sind ihr nach. Die blöde Kuh hätt sich einfach nur vom Gaul fallen lassen müssen, ihr wär nichts passiert. Naja, außer unserer erlauchten Gesellschaft, versteht sich. Aber die hat sich an ihrem Pferd festgekrallt, als ob die Wölfe sie fressen wollten. Mal ehrlich, so kalt war der Winter nun auch wieder nicht.
    Auf jeden Fall ist da hinten ne Schlucht, und der blöde Gaul ist lieber in die hineingesprungen als sich von den Wölfen fressen zu lassen, mitsamt der Römerin oben drauf. Scheiße, ich sag’s dir, die hätt gut was eingebracht. Ein Jammer auch.“

    Gerald drehte sich leicht zur Seite und wies zu einem seiner Männer
    “Naja, unser guter Hauke hier hat sich dann noch runterbegeben und geschaut, ob noch was zu holen ist. Wär ja ein Jammer, das ganze Zeug da unten liegenzulassen für die Raben. Ein bisschen Schmuck hatte sie dabei, und ihre Haare geben wohl auch ne schöne Perücke, wenn wir sie verkauft kriegen. Die Römer stehen ja mehr auf blond. Aber die Kleidung war hin, leider.“
    Leicht zuckte Gerald mit den Schultern. Das Leben des Mädchens war ihm vollkommen gleichgültig. Er hätte es nur insofern gut gefunden, wenn sie nicht in die Schlucht gestürzt wäre, dass er sie dann hätte verkaufen können.
    "Ich wär ja gern mit euch ins Geschäft gekommen, aber mit einer anderen Römerin kann ich nicht dienen."

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    Wie sich die Männer aufteilten, gefiel Gerald gar nicht. Vor allem der Riese, der bei den Pferden zurückblieb, gefiel ihm nicht. Er hätte die Ankömmlinge lieber alle auf einem Haufen gehabt, schön überschaubar und bewachbar. Während zwei seiner Männer das Feuer wieder anfachten, hielt er kurz Birger am Arm fest und zog den Mann kurz näher zu sich. “Keiner isst was oder trinkt was, bis die weg sind. Und schick ein oder zwei, nein, zwei Mann aus, um nach Bogenschützen oder ähnlichem zu schauen. Ich will keine weiteren Überraschungen“, raunte er ihm leise zu.
    Birger nickte ihm stumm zu und mischte sich dann unter die Männer. Die Weisungen waren nicht schwer zu verstehen. Gerald machte deutlich, dass diese Männer da nicht seine Gäste waren. Sie durften zwar am Feuer sitzen, aber er würde ihnen nicht die Freundlichkeit echten Gastrechtes geben. Um sie als lohnende Beute zu fangen waren sie jetzt vielleicht zu stark gerüstet, aber was später war, musste man schauen. Doch im Moment musste er wohl erst einmal mitspielen, bis er den Überblick über die Situation wieder zurückhatte. Er hasste Überraschungen.
    Er ließ Lando sich als Lars vorstellen und erwiderte dann knapp und wenig förmlich: “Ich bin Gerald von der Axt.“ Seine Männer lachten über den kleinen Scherz, auch wenn man hören konnte, dass es kein befreites Lachen war. Die Situation war etwas angespannt, aber der Scherz lockerte die erfahreneren in ihrer Bande etwas auf. Hier gab es keine wirkliche Stammeszugehörigkeit. Da waren drei aus der einen Sippe, und zwei aus der nächsten, mehr eine Zweckgemeinschaft als eine wirkliche Familie. Daher hielt Gerald, der das zweifelhafte Glück hatte, Kegel - also uneheliches Kind - zu sein, es auch insgesamt eher locker und betonte lieber nicht zu sehr seine Abstammung. Seine Anführerposition stand auf etwas wackeligen Füßen und wurde eigentlich nur davon getragen, dass er der autoritärste des ganzen Haufens war und die anderen zum Erfolg bislang geführt hatte.
    Zusammen mit Lando setzte er sich leicht ans Feuer und hörte sich an, was er wollte. Kurz überlegte er, ob er sich die Informationen abkaufen lassen sollte. Immerhin war nicht einmal der Tod umsonst, der kostete einen bekanntlich das Leben. Aber wenn diese Männer dann hier verschwinden würden, wäre das auch schon ein guter Preis für diese kleine Auskunft. Also beschloss er, heute einmal gönnerhaft großzügig zu sein.
    “Nun, Lars, wir haben sie nicht. Hatten sie auch nicht. Aber das klingt nach einem Mädel, das Ansger verkauft hat. Ist aber schon ne ganze Weile her, und hab ihn auch schon lange nicht mehr gesehen. Ich hoffe natürlich für dich, dass ihr von ihm noch Informationen bekommen könnt, wenn ich auch zugeben muss, dass ich nicht unglücklich wäre, ihn in Hels Reich zu wissen.“
    Zumindest den letzten Teil meinte er ehrlich aufrichtig. Dieser Schweinehund hatte ihm schon viel gute Ware weggeschnappt, war aber mit seiner Gruppe zu mächtig, als dass Gerald ernsthaft gegen ihn etwas unternehmen könnte. Allerdings war er auch nicht so mächtig, dass dieser wiederum gegen Gerald vorgehen konnte. So gingen sich die beiden Gruppen so viel als möglich einfach aus dem Weg.
    “Falls er noch lebt, ist er grade jenseits der Grenze. Er verkauft seine Ware immer an die Römer, meistens nach Süden. Wenn ihr sie zurückhaben wollt, müsst ihr wohl ihn fragen, wohin genau er sie verkauft hat. Aber allzuviel Hoffnung würd ich mir nicht machen.“
    Selbst wenn diese Heruten so wagemutig - Gerald bezeichnete solches Vorgehen auch gerne auch als außerordentlich dämlich - sein sollten, zu den Römern zu gehen, hatten sie wohl kaum genug handelbare Ware dabei, um diese Siv wieder freizutauschen. Er wußte, wieviel hübsche, blonde Mädchen bei den Römern wert waren.


    Und auch just in diesem Moment kam sein hübsches, blondes Mädchen aus seinem Zelt geschlichen. Jetzt im Licht der Morgensonne konnte er eingehend sein Werk betrachten. Weil er ihr die Nase gebrochen hatte, war ihr Gesicht geschwollen und hatte einen blauen Fleck vom einen Ohr zum anderen. Um den Mund herum war noch verkrustetes Blut. Die Fetzen, die sie anhatte, waren kaum genug, um sie richtig zu bedecken, geschweige denn, um sie gegen die Kälte zu schützen. Aber das sollten sie auch gar nicht, das brachte die Sklaven nur auf die irrwitzige Idee, wegzulaufen. So aber war ihnen klar, dass sie erfrieren würden, ehe sie irgendwo ankamen. Der germanische Winter hatte auch Vorteile.
    “Hey, geh wieder ins Zelt!“ Das Mädel, das vielleicht vierzehn Sommer alt war, zuckte zusammen und schaute kurz hilfesuchend um sich. Dämliches Gör, glaubte wohl noch immer an Rettung. “Wird’s bald?“ Das Mädchen zuckte noch einmal und verschwand wieder so lautlos, wie es gekommen war.
    Gerald sah ihr noch einen Augenblick mit funkelndem Blick nach, und wandte sich dann wieder Lando zu. “Weiber“, meinte er kurz lapidar, als wäre nichts weiter. War es ja auch nicht, es hatte die Heruten nicht zu interessieren, wie er mit seinem Eigentum umsprang.
    “Ich hoffe, ich konnte euch weiterhelfen“, was soviel heißen sollte wie „Ich hoffe, ihr verschwindet jetzt wieder“, fügte er noch hinzu, wieder etwas ruhiger.

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    Ein Schrei weckte Gerald, aber es war nicht einer der üblichen Schreie. Immer wieder gab es einen Schmerzensschrei, der von irgendwo kam, ein gewimmertes „Bitte nicht“ oder „lass mich sterben“ oder gleichwertig nutzloses, wenn auch amüsantes Gebaren von frisch Gefangenen. Alle versuchten sie anfangs zu handeln, vor allem die Weiber. Aber was konnten die einem schon geben, was die Bande ihnen nicht ohnehin schon abgenommen hätte? Nur äußerst selten fingen sie wirklich mal jemanden, bei dem das Lösegeld mehr wert war, als ihn einfach gänzlich irgendwohin zu verkaufen.
    Aber dieser Schrei war anders. Während das übliche kaum einen Mann hier geweckt hätte, war der hier eine Überraschung: Sie hatten Besuch. Gerald hatte direkt im Hochschrecken schon die Hand an dem Messer, das er stets bei sich trug. Aber die Eindringlinge waren nicht bis hierher vorgedrungen. Er hörte das Rappeln und Klappern, als die anderen Männer erwachten und aus ihren Zelten liefen, um sich den Neuankömmlingen zu stellen. Das Mädchen neben ihm rührte sich, und Gerald blickte es kurz funkelnd an, woraufhin es sich leicht zusammenkrümmte und wieder ganz hinlegte. Die Prügel letzte Nacht hatten wohl geholfen, auch wenn er ihr die Nase brechen musste. Aber die würde schon wieder ordentlich zusammenwachsen, und selbst wenn nicht, würde sie einen guten Preis einbringen. Auf jeden Fall einen besseren, wenn sie jetzt gelernt hatte, sich nicht dauernd zu wehren und dabei rumzuheulen wie ein Lamm mit gebrochenem Bein.
    “Mach dir keine Hoffnungen, es lebt niemand mehr, der dich vermissen könnte.“ Er sah den hoffnungsvollen Blick brechen und ihr blutverkrustetes Gesicht ausdruckslos werden und war damit zufrieden. Schnell schlüpfte er in Hose und Stiefel und warf sich noch den Mantel über das Hemd. Zur Hand nahm er die Axt, mit der er sich zum Anführer der Gruppe aufgeschwungen hatte. Vor ein paar Wintern noch waren sie ein unorganisierter Haufen gewesen, in dem jeder Mann seine Stimme erhob, wenn ihm was nicht passte. Allerdings hatte das römische System, dass einer Entscheidungen traf und alle anderen gefälligst zu machen hatten, was der sagte, gewisse, nicht abstreitbare Vorzüge. Und nachdem Gerald die schwerer zu überzeugenden damit überzeugt hatte, dass er seinen stärksten Gegner kurzerhand mit seiner Axt bekannt gemacht hatte, ging es auch tatsächlich aufwärts mit ihnen. Und nun folgten die anderen ihm, als wäre es nie anders gewesen. Wenn er sie heute nochmal fragen würde, würden sie ihn wahrscheinlich sogar richtig zum Anführer wählen.


    Er klappte den Eingang zu seinem Zelt auf und trat hinaus in die Kälte. Die Axt hatte er mitgenommen. Zwar gab es durchaus bessere Waffen als diese hier, aber sie hatte einen gewissen Symbolwert. Außerdem war er nun mal in einem anderen Leben gut im Bäume fällen, und warum eine Axt nur für eine Sache gebrauchen?
    Er sah auch schon die Männer, die sich ihnen so genähert hatten und von seinen Männern gestellt worden waren. Verdammt, wie konnten die so nahe an sie herankommen? Aber er sah schon, welchen Weg die genommen hatten. So, wie sie sich durch die Hügel gequält haben mussten, mussten sie nach ihnen gesucht haben.
    Gerald sah einen Moment über die Gestalten hinweg. Er zählte fünf Männer, alle mit Pferden und ein Packtier. Aber er konnte nicht ausschließen, dass weiter zurück noch mehr lauerten.
    Es gab also zwei Möglichkeiten. Entweder er befahl, anzugreifen, was im Verlust mehrerer seiner Männer enden konnte, die er noch brauchte, um das zu verkaufen, was sie jetzt hatten. Oder aber er hörte sich an, was diese fünf Menschen da dazu veranlasst hatte, sich durch die Hügel zu quälen um hierher zu kommen. Umbringen wollten sie sie offenbar nicht, sonst hätten sie sich nicht so lautstark angekündigt. So fest wie alle geschlafen hatten hätten sie die Hälfte von ihnen niedermachen können, ehe einer hätte schreien können.
    Gerne hätte Gerald noch eine Weile darüber nachgedacht, allerdings konnte er nicht dastehen und nichts sagen. Seine Männer erwarteten, dass er sie führte. Sonst würde sich wohl auch schnell wieder ein anderer finden, der sie effizienter anführen würde, ohne soviel nachdenken zu müssen. Also entschied sich Gerald schnell für die Variante, die ihm den geringeren Verlust verhieß.
    “Dann seid willkommen, Reisende! Wärmt euch an unserem Feuer.“
    Und sagt dann gefälligst, was ihr hier verloren habt, dachte er düster. Lieber wär er bei dem blonden Mädchen noch in seinem warmen Zelt ein wenig geblieben, hier draußen war er verdammt kalt.