Beiträge von Caius Decimus Celsus

    Celsus hatte schon vor seiner Zeit bei der legio mit Pfeil und Bogen geschossen. Und nun kam es darauf an zu zeigen, was er behalten hatte.


    Er wußte noch, daß die Sehne beim Abschuß häufig am linken Unterarm anschlägt. So hatte er diesen mit einem Armschutz umwickelt.


    Während er langsam anritt legte er den Pfeil links am oberen Ende des Griffstücks an und griff mit dem Zeigefinger der rechten Hand oberhalb des hinteren Endes des Pfeilschaftes und mit dem Ringfinger unterhalb des Schaftes von rechts mit dem oberen Fingergelenken in die Sehne. Dann galoppierte er an.


    Um die Zuglänge und damit die Kraft seines Bogens ganz auszunutzen zog er bis hinter das rechte Ohr durch. Der erste Pfeil pfiff durch die Luft und traf einen Strohballen.


    Die nächsten beiden Pfeile gingen ebenfalls in die Strohballen. Aber dann hatte sich Celsus eingeschossen und Pfeil auf Pfeil traf sein Ziel.

    Auf Derartiges hatte Celsus schon lange gewartet. Jetzt ging es erst richtig los.


    Der Blick war nur noch auf die Ringe gerichtet. Ein Ring nach dem anderen fuhr über die Spitze von Celsus` hasta. Als er wieder zu einer Doppelvolte ansetzte, sah er am Boden drei Ringe liegen. Er wartete nicht ab, bis ein anderer die gleiche Idee wie er hatte. Eine kurze Parade, Glaucus wußte, was er zu tun hatte, und die drei Ringe hingen an der hasta.


    Auf Befehl stellten die Aspiranten die Übung ein, bildeten eine Reihe und nahmen die hastae mit Spitze nach oben. Celsus zählte seine erbeuteten Ringe, es waren immerhin 18 Stück, dann sah nach rechts und nach links.

    Celsus grinste. Jetzt war wieder die Übung mit den Matschwerfern und demzufolge seine Spezialaktionen angesagt.


    Exerziermäßig ritt die Gruppe langsam an.Celsus brachte seine hasta auf Lende. Dann folgte ein kurzer Trab und dann der Galopp. Er visierte den ersten Pfahl an, ein calo hob seine Hand zum Wurf und dann kam die berühmte Volte. Der Matsch sauste erwartungsgemäß an Celsus vorbei, der wiederum setzte erneut an und schon war der Ring aufgespießt.


    Schade, daß es nur ein Ring war, dachte Celsus, der so richtig in Fahrt war.

    Celsus nahm seine hasta in Empfang. Endlich konnte er seine Attacke so nach seiner Vorstellung reiten.


    Er galoppierte Glaucus an und nahm die hasta auf die Lende. Er nahm seinen Oberkörper leicht zurück. Um die größmögliche Wucht beim Wurf zu entwickeln, richtete er sich in die Oberschenkeln auf und brachte den Unterschenkel auf der dem Ziel abgewandten Seite nach hinten, um ein Gegengewicht zur ruckartigen Kraftentladung zu schaffen.


    Trotz aller Bemühungen schaffte Celsus statt der geforderten zehn nur acht Treffer.

    Und ob sie es wußten!


    Zehn-mal-rauf-und-zehn-mal-runter, aufsitzen, Zügel lang, Schritt, Trab, Galopp. Dann mit dem Schwert und zum Schluß die Strohsäcke.


    Celsus dachte nur an eines: Alle Säcke müssen getroffen werden. Kein Speer darf daneben gehen. Eine kurze Zwiesprache mit Glaucus und dann ritt Celsus seine Einzelattacken, so, wie er es gelernt hatte, und so, wie er hoffte, daß der decurio nichts zu bemängeln hatte.

    Celsus hatte sich auf den neuen Tag gefreut. Doch die Freude währte nicht lange. Wieder das Gleiche wie zuvor. Er konnte bei der Ausführung der Übungen eine gewisse Widerwärtigkeit nicht verbergen. Jedoch hütete er sich, diese an Glaucus auszulassen.


    Bisher hatte es ihn fürchterlich verdrossen, wenn sein Wurfspeer neben dem Ziel vorbeiflog. Heute hatte er dafür lediglich ein Dann-eben-nicht-Gefühl übrig. Traf sein Speer das erste Mal nicht, dann eben beim zweiten Mal.


    Was ihn einzig aufzuheitern vermochte, war der Gedanke an das Ende des Ausbildungstages.

    Der Befehl zum "Zehn-mal-rauf-und-runter", nur dieses Mal in umgekehrter Reihenfolge, wäre gar nicht mehr nötig gewesen. Inzwischen war es auch dem letzten Aspiranten in Fleisch und Blut übergegangen.


    Das mit den Thermen, dachte sich Celsus, hat, obwohl Hygiene ebenfalls wichtig ist, noch Zeit. Statt dessen stieg er wieder auf Glaucus auf, ließ ihm Zügel und ritt ihn auf seine Weise ab.


    Glaucus reagierte auf die auch nur angedeuteten Hilfen. Celsus ließ ihn gewähren. So verbrachten die beiden noch eine Zeitlang. Dann verbrachte er sein Pferd in die Stallungen und putzte ihn bedächtig.
    Er fütterte ihn, ein paar Krabbeleinheiten, dann ging er zu seiner Unterkunft und erst dann zu den thermae.

    Und der Angriff lief wie am Schnürchen. Jetzt hatten sie alle "Blut gerochen". Es gab doch nichts Schöneres als so eine Attacke. Gerade los auf den Gegner und keine Gnade.


    Mitten im Kampfgeschehen dachte Celsus daran, daß das, was sich hier durch das erworbene Können zur Freude aller gestaltete, ein jähes Ende finden würde, wenn sich die Pfähle und Säcke in leibhaftige Gegner verwandelten.


    Aber nichtsdestotrotz wurden die Wendungen planmäßig durchgeführt und die weiteren Attacken bravourös geritten.

    Diese Übung war genau in Celsus` Sinn. Endlich kam Schwung sowohl in die Aspiranten als auch in die Pferde, nur mit dem Unterschied, daß dies den Pferden nicht neu war, da sie bestens ausgebildet waren.


    Auf- und Absitzen, Schritt, Trab und Galopp, einmal vor, dann wieder zurück, nur keine Langeweile aufkommen lassen!


    Und dann kam das heißersehnte Kommando zur Attacke. Wie war das doch gleich? Die Attacke ist eine mit wachsender Schnelligkeit ausgeführte Vorwärtsbewegung, um im vollsten Lauf der Pferde in den Gegner einzubrechen und ihn mit der blanken Waffe zu vernichten.


    Celsus ritt links außen. Spatha rechts, parma links, dann das Aciem dirigite, die Pferde wurden unruhig und ein paar tänzelten bereits, schließlich das Ad impetum, der Befehl zur Attacke.


    Es war zwar kein Paradestart aber dennoch ein Aufgalopp, der sich sehen lassen konnte. Einige erreichten die Pfähle eher, das änderte sich aber schnedll bei den nachfolgenden Anläufen.


    Leztendlich waren sie soweit, daß sie fast gleichzeitig in den Gegner einbrachen.

    Wieder nahm Celsus, bevor er anritt, die Speere aus dem Köcher und hielt sie unter der parma zum Wurf bereit.


    Dann galoppierte auf den ersten Pfahl zu, parierte zum Trab durch, beugte sich leicht nach vorne, visierte ihn an, warf und während er hinter seine parma Deckung suchte wendete er sofort in eine Volte ab. Ohne ein Klatschen weiter zur Kenntnis nehmen setzte er auf die Wippe an. Die calones hoben bereits zum Wurf die Arme, Celsus drückte Glaucus zum vollen Galopp die Fersen in die Flanken, die calones liefen schreiend auseinander und sicher erreichte der Wurfspeer den roten Kreis im Strohsack. Die Matschpfütze kannte Glaucus und so konnte sich Celsus voll auf sein Ziel konzentrieren. Er ritt wieder an, kurz davor eine Volte, wieder holten die calones zum Wurf aus, doch die Volte setzte sich in einer Gegenvolte fort. Wieder Verwirrung und wieder traf der Wurfspeer sein Ziel

    Innerlich grinste Celsus. Celsus wußte genau, auf was der decurio hinaus wollte. Arbeit mit dem Kreuz war angesagt. Und das war eine der Übungen, auf die Glaucus bestens reagierte.


    Im Trab ging Celsus die Eimer an. Linker Schenkel nach hinten, rechter Schenkel gerade und dann umgekehrt. Mühelos wurde die Schlangenlinie geritten, dann die Wippe, vorsichtig im Schritt angeritten, Kreuz locker, über die Mitte, dumpfes Überschnappen der Wippe, Kreuz durchgedrückt und schließlich in vollem Galopp durch die Pfütze. Bei letzterem wurde es Celsus etwas mulmig zu Mute ... und wieder bewährte sich Glaucus.

    Der decurio hatte recht. Sie alle kannten das Spiel:


    Zehnmal auf-, dann zehnmal absitzen. Es war schon in Fleisch und Blut übergegangen. Dann ein paar Runden am langen Zügel, Schritt, Trab, Schritt, Galopp, Schritt.


    Anschließend das nächste bekannte Spiel: Ran an die Strohsäcke!


    Nach den Unterrichtsstunden hatte Celsus alleine trainiert. Zwar nur auf imaginäre Strohsäcke, aber dennoch.


    Und so kämfpte er ohne weitere Schwierigkeiten und ging gezielt mit Schwert und Wurfspeeren seine Gegner an.

    Die Theorie hatte Celsus als willkommene Unterbrechung der praktischen Ausbildung empfunden. Ab morgen ging es auf dem campus weiter.


    Celsus verließ den Unterrichtsraum um machte sich wie jeden Unterrichtstag auf den Weg zu den Stallungen und seinem Freund Glaucus. Er putzte sein Pferd, wusch es mit ein paar Eimern Wasser, befestigte anschließend die Führleine am Stallhalfter und führte den Vierbeiner an der langen Leine trocken. Anschließend verbrachte er Glaucus in seinen Ständer, noch einige Kanten getrockneten Brotes und ein paar Streicheleinheiten, dann verließ er die Stallungen und strebte seiner Unterkunft zu.


    Am folgenden Morgen traf er sich mit den anderen Reitaspiranten auf dem campus.

    Und Celsus meldete sich wieder.


    "Als Bote habe ich dafür zu sorgen, daß die Meldung, Botschaft, Nachricht oder was auch immer so schnell wie möglich den Empfänger errreicht, d.h. als Bote muß ich unter Beachtung meiner eigenen Sicherheit die schnellsten Pferde benützen und die kürzesten Routen nehmen, decurio."

    Celsus antwortete und zählte die viae so auf, wie sie ihm einfielen.


    "Die Via Appia von Rom nach Capua ist die älteste der großen Landstraßen. Sie wurde vom Censor Appius Claudius Caecus angelegt und später bis Brindisi verlängert.


    Mit der Via Egnatia begann man nach dem 3. Punischen Krieg das Straßennetz außerhalb Italiens zu errichten. Die Straße setzte die Linie Rom-Brindisi jenseits der Adria von Dyrrhachium nach Byzanz fort.


    Die Via Sacra verläuft quer über das ganze Forum Romanum. Auf ihr ziehen die Triumphzüge zum Capitol.


    Die Via Flaminia ist eine Römerstraße, die von Rom nach Ariminum führt und die wichtigste Verbindung in den Norden der italienischen Halbinsel darstellt.


    Die Via Aemilia verbindet die Städte Piacenza und Ariminum über Fidentia, Parma, Regium, Mutina, Bononoa und Imola. Sie ist die Fortsetzung der Via Flaminia.


    Die Via Cassia ist eine von der gens Cassia angelegte Straße, die von Rom in die Toskana führt. Mit der Anlage der Via Cassia wurde nicht vor Ende des 1. Punischen Krieges begonnen.


    Die Via Aurelia ist eine Straße, die der Censor Aurelius Cotta am Ende des 1. Punischen Krieges in Auftrag gab. Sie verlief anfangs von Rom aus nach Nordwesten zum Tyrrhenischen Meer und die Küste entlang bis Cosa, dann bis Pisae.


    Die Via Postumia wurde im Auftrag des Konsuls Spurius Postumius Albinus begonnen. Sie führt von Genua nach Norden über die Apenninen bis Dertoria, von dort nach Placentia, Cremona, Verona, Vicetia nach Aquileia.


    Die Via Claudia Augusta ist eine römische Heerstraße, welche den süddeutschen Raum an Norditalien bindet. Sie folgt dem Lauf des Lech über die Provinzhauptstadt Augusta Vindelicorum bis nach Füssen. Von dort aus über Fern- und Reschenpass zur Etsch, um dieser bis Tridentum zu folgen. Ab Trient zweigt sich die Straße auf. Der westliche Strang erreicht über Verona den Po bei Hostilia, der östliche über Feltre die Adria bei Altinum.


    Die Via Iulia Augusta wurde in der Regierungszeit des Kaisers Augustus gebaut. Sie führt von Vada Sabatia entlang der ligurischen Küste über Albigaunum und Albintimilium und durch die Seealpen nach Westen bis Arelate in Gallien.


    Dies alles sind öffentliche Straßen.


    Im Zusammenhang mit den Straßen sind aber auch die Hauptstraßen eines Lagers zu nennen: Die von der Porta Praetoria zur Porta Decumana führende Via Praetoria und die von der Porta Principalis Dextra zur Porta Principalis Sinistra führende Via Principalis.


    Und dann wäre da noch die Via Biberatica, die Pfeffer- und Gewürzstraße im dritten Obergeschoß des Forum Traiani, decurio."

    Celsus begann mit einer Aufzählung von Übermittlungszeichen, die ihm so aus dem Stegreif einfielen. Erst machte er ein Zeichen, dann folgte die Erklärung.


    folgen
    Arm aus Schulterhöhe einmal senkrecht hochstoßen

    halten
    einen Oberarm seitwärts in Schulterhöhe heben, Unterarm nach unten abwinkeln, dann mehrmals nach unten stoßen

    Führer (unterstellte) zu mir
    einen Arm hochhalten, mit der gespreizten Hand wirbeln

    marsch
    Arm aus Schulterhöhe einmal senkrecht hochstoßen

    marsch, marsch
    Arm aus Schulterhöhe mehrmals schnell senkrecht hochstoßen

    Melder zu mir
    beide Arme hochhalten,mit gespreizten Händen wirbeln

    sammeln
    einen Arm hochhalten, über dem Kopf großen Kreis beschreiben

    Celsus meldete sich erneut.


    "Zum Viel-sehen-ohne-gesehen-zu-werden ist zu sagen, daß uns hier Tarnen und Täuschen zur Verfügung steht, während beim Hören-ohne-gehört-zu-werden jegliche Geräuscherzeugung seinerseits vermieden werden muß, oder besser gesagt, soll. Dem ist bei Erkundungen in der Nacht größte Bedeutung beizumessen. Zudem bewegt sich ein Aufklärer immer im Hintergrund, er ist immer gedeckt versteckt. Er umgeht in jedem Fall frei einsichtbare Flächen, selbst auf die Gefahr hin, daß er für seinen Auftrag mehr Zeit aufwenden muß.


    Im allgemeinen ist es so, daß wir uns der jeweiligen Lage anpassen müssen, wobei wiederum die zur Verfügung stehende Zeit zu evtl. Vorbereitungen zu bedenken ist, decurio"

    Celsus meldete sich und antwortete, nachdem ihm das Wort erteilt wurde.


    "Operativ dient die Legionsreiterei ihrer Beweglichkeit und Geschwindigkeit wegen auch zur Aufklärung als sog. Auge des Heeres und zur Verschleierung, d.h. zum Abfangen und Unterbinden der feindlichen Aufklärung, zu Vorposten-, Sicherungs- und Verbindungsaufgaben, zur operativen Verfolgung, zu hinhaltenden und festhaltenden Aktionen und zu überfallartigen Vorstößen und Kommandounternehmen oft tief in Feindesland. Ferner ist die Reiterei wegen ihres weiten Operationsradius am besten geeignet, ein größeres Gebiet unter Kontrolle zu halten, logistisch für die eigene
    Armee auszubeuten und die feindliche an seiner Ausbeutung zu hin-
    dern, gegebenenfalls es systematisch zu verwüsten.


    Um dies zu erreichen gibt es für sie innerhalb der Aufklärung nur eines: Viel sehen ohne gesehen zu werden, decurio."

    Endlich mal etwas Theorie, obwohl die bisherige Praxis nicht ganz ohne war. Der Nachteil war, daß die bisherige frische Luft mit der eines muffigen Unterrichtsraums vertauscht werden mußte.


    Die obligaten zehn mal rauf und zehn mal runter waren schon lange zur Regel geworden, und Glaucus war schnell geputzt und versorgt.


    Celsus beeilte sich, daß er in den Unterrichtsraum kam.