Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Piso, nicht kleiner als Flaccus, aber dennoch nicht so gravitätsvoll – nein, innerlich verbiss er sich sogar ein Grinsen, als er das, wie das Bürschelchen gezwungen würdevoll tat – blinzelte, als Flaccus ihm unterstellte, er zöge die Mos Maiorum in den Dreck. Hmm. Tat er das? Gut möglich. Aber war Piso ein Mann, der sich sonderlich um die Mos Maiorum scherte? Nun, freilich, aber stets nur dann, wenn es zu seinem Vorteil gereichte. Wenn es mit Unannehmlichkeiten, gar Pflichten, verbunden war, ging es ihm am Hintern vorbei. Und momentan war es ihm lieber, dass seine Schwester einfach die Sklaven bekam und fertig, anstatt dass die Flavier ein unwürdiges Selbstzerfleischungsritual am Markt aufführen würden. Flaccus kam ihm noch mit seinem Status als Bruder und als Septemvir. Nun ja. Piso ersparte es sich, Flaccus anzufahren, dass er Recht habe – er war der Bruder und wüsste sehr gut, was für seine Schwester angemessen war; und ohnehin sollte Flaccus den Schnabel nicht zu weit aufreißen, bevor er nicht den gesellschaftlichen Rang erreicht hatte, den Flaccus bei Piso herausdeutete. Doch es hätte eh keinen Sinn. Flaccus indessen motzte noch ein wenig herum. Er wollte wohl andeuten, er konnte auf Pisos Unterstützung bei den Septemviri verzichten? Nun gut, das ließ sich auch noch glatt einrichten. Und, das fand der Flavier besonders lustig, er versuchte Piso wohl wegen der Sache bei der Sponsalia ein schlechtes Gewissen einzujagen. Aber nun ja. Seit Piso wusste, was für ein Miststück diese Axilla war, hielt sich sein schlechtes Gewissen, dass er sie davon abgehalten hatte, Flaccus mit ihrem Schmarren, den sie verzapfte, zu vergiften, in Grenzen.
    Er tat also das, was ein Flavier am besten konnte – er zog seine linke Augenbraue, eher unbewusst als gewollt, hoch, und schob Stoizismus vor. Erst, als Flaccus zum Sklavenhändler rief, das alles in Ordnung war, bildeten seine linke und rechte Stirnhälfte wieder ein Äquilibrium.
    Piso blickte Flaccus mit ein wenig gemischten Gefühlen hinterher, als jener abzockelte, und schnaufte leise aus. ”Mos Maiorum… pfff... bei meiner Ehr’…”, mauschelte er. “Bin ich total von Verrückten umgeben?“ Natürlich, antwortete eine Stimme in seinem Kopf, bist du das, schließlich bist du ein Flavier, der inmitten seiner Gens lebt.
    Er wandte sich zu seiner Schwester, neben die er sich hingestellt hatte, hin und zwinkerte ihr zu. “So, das wäre geschafft. Bring du die Sklaven heim, ich kümmere mich um den Rest. Wir sehen uns!“ Und als Domitilla ihre neuen Spielzeuge heimtrotten ließ, eilte der Flavier ihr voraus in die Villa.


    Kurze Zeit später erschien ein flavischer Laufbote bei Titus Tranquillus und überbrachte ihm einen Brief von Cnaeus Flavius Aetius, welcher dem Sklavenhändler mitteilte, der Handel ginge in Ordnung und es gäbe keine Einwände - eine eindeutige Ratifizierung. Die Sklaven gehörten nun endgültig ihrer Käuferin.

    Zumindest das. Zumindest würde er das bekommen, wonach er sich sein Leben lang gesehnt hatte. Zwar für ein pervers hohes Bestechungsgeld, aber trotzdem. Er hatte nun das Versprechen, dass er zum Senator gemacht werden würde.
    “Gut, dann ist das so vereinbart.“ Er nickte ernst. “Ich bin zuversichtlich, dass keiner von uns beiden lange brauchen wird, um seine Verpflichtungen einzuhalten.“ Zur Besiegelung des „Deals“ wollte Piso dem Vescularier schon die Hand reichen, verzichtete jedoch doch noch darauf – wer wusste, vielleicht fing er sich noch eine ekelige Krankheit von diesem Banausen ein! Sicher war nur eines, mit dem gewaltigen Geld, das er zahlte, erkaufte sich Piso auch das gute Gewissen dabei, dieses Schwein, welches er fast schon als Hybriden zwischen Mensch und Tier zu sehen begann, zu verabscheuen. “Wenn es sonst nichts gibt...“ Nichts wie weg von diesem Ungetüm. Piso würde sich dann, zuhause angekommen, um die Fuhre Geld kümmern.


    Sim-Off:

    Überwiesen.

    Gegen Abend kamen drei Sklaven bei der Casa Vescularia an. Zwei, kräftige junge Kerle aus der flavischen Sklavenzucht, trugen eine Bahre, in welcher ein durchaus nicht kleiner Beutel Geld lag. Es waren 150 Aurei, eine gewaltige Summe. Voran schritt der Vilicius des Flavius Piso, seines Namens Antiochos, ein Grieche. Er klopfte an der Porta an. Als ihm geöffnet wurde, hiefte er den Beutel von der Bahre runter und übergab ihn. “Salve. Das hier kommt von Aulus Flavius Piso, es handelt sich um ausstehende Zahlungen.“ Und weil es ja nicht so aussehen sollte, als wäre Bestechung im Spiel, verschwanden die Sklaven von der Villa Flavia gleich wieder, nachdem sie das Geld übergeben hatten.

    Piso atmete innerlich auf. Der Spaß war enorm teuer gewesen. Und er hasste sich selber für die Dankbarkeit, die ihm gegenüber Vescularius Salinator aufkam, dass die Sache in Ordnung ging. Des Abends aber würde er freilich im Bett liegen, bange sich innerlich fragend, ob nicht 10000 genügt hätten. Oder gar 8000. Aber jetzt kam er hier nicht mehr heraus. Er nickte nur brav, was anderes konnte er nicht tun. “Das... das wollen wir ja nicht. Das Geld wird dir heute am Abend zugestellt.“ Seine Kehle fühlte sich leicht heiser an. Heute war ein beschissener Tag... aber morgen, wenn die Standeserhebung hoffentlich offiziell war, würde dafür umso schöner werden!


    Sim-Off:

    Staatskasse 2?

    Der Flavier lächelte verständnisvoll. Ein Consulat war sicher nicht der geeignete Zeitpunkt, um noch weitere Pflichten auf sich zu häufen. Und Piso war ja schon im Vorhinein davon ausgegangen, dass dieses Priesteramt für Macer erst nach dem Consulat in Frage käme.
    “Sehr fein“, antwortete er, eifrig – wie könnte es anders sein? – schon darauf, seinem Patron helfen zu können. Kurz grübelte er über die Worte Macers danach nach. Konkrete Ziele? Was für konkrete Ziele? Meinte er damit das Amt an sich? Das wäre die plausibelste Deutungsmethode, denn der Cultus Deorum war kein Karrierefeld, sondern die Partizipation darin war eine Ehre, eine Aufgabe an sich. Ein Aufstieg innerhalb des Cultus Deorum war sehr selten und konnte nicht als Karrieresprung bezeichnet werden, sondern eher die Ersetzung der einen durch eine andere Ehrenposition in der römischen Gesellschaft. So nickte er also nur. „Auf meine Hilfe kannst du auf jeden Fall zählen. Wenn deine Wahl auf die Septemviri fallen. Aber Annaeus Modestus ist ja auch noch ein Collegiatspriester, er ist bei den Quindecimviri. Sicher würde er dir einen Weg dort hinein auch erleichtern. Und, um ehrlich zu sein, ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendein Collegium in Rom sich querstellen würde, wenn ein Mann mit deiner Reputation und deiner Bekanntheit sich um einen vakanten Platz bemühen würde“, philosophierte er.

    Aus den Nebelschwaden schälte sich die Gestalt des Flavius Piso hervor, der zusammen mit seinem Patron gekommen war, denn besser war es, in Gesellschaft zu kommen, als alleine. Obwohl auch Piso sich oft danach sehnte, in ruhe gelassen zu werden, um unbehelligt sein Ding drehen zu können. In einer Menschenmasse war das aber nicht einfach. Also wurschtelte sich der Septemvir durch das Gedränge durch und kam schlussendlich neben Flaccus, der sich auch hier eingefunden hatte, zu stehen. Er brummte ihm was zu, was wohl als Begrüßung zu deuten war, während seine Gedanken sich um das anstehende Ritual drehten. Haruspizin, was für ein Humbug. In einer Leber rumsalben und dabei etruskische Worte murmeln konnte er auch noch. Und wenn er noch besonders viel Glück hatte, würde er noch seinem geliebten Schwager bei der Arbeit zusehen dürfen. Pah.
    Gut, dass Piso vorgesorgt hatte. In der Form seines Sklaven Cassivellaunus, der einen Weinschlauch für seinen Herrn bereit hielt, und schon einen Becher eingefüllt hatte. Piso, der ungerne ohne Fressalien oder Gesöff zu einer Veranstaltung, die langweilig zu sein versprach, ging, nahm an. “Magst du auch?“, fragte Piso Flaccus, seinen Becher in dessen Richtung schwenkend.

    Er sog die Luft ein, als Salinator auf den Tisch klopfte, und rückte leicht mit seinem Kopf zurück. So war das. Eine Hand wäscht die andere? Von wegen, eine Hand drückt die andere aus, bis die Knöchel zerbersten. Piso war sich ziemlich sicher, wäre er Plebejer, würde die Sache ganz anders aussehen. So ein verdammtes Elend aber auch!
    Er holte abermals tief Luft. Sah die Schweinsaugen des Vesculariers näher kommen, als jener sich vorlehnte. Schluckte. Dann krächzte er hervor: “Zehn...“ Nein, das Vierfache genügte nicht, nicht bei dieser Reaktion. Piso ging jetzt auf Nummer sicher. “Fünfzehntausend“, machte er, ein bisschen heiser. Wollte dieser Mann seine ganzen Besitztümer zunichte machen? Es schien so! Wenn Piso aber 15000 Sesterzen zahlen musste, um endlich diese blöden Streifen an seiner Tunika sehen zu können, dann wäre es auch so. Er würde das verlorene Geld wohl von seiner Familie zurückerbetteln müssen. So weit war es schon mit ihm gekommen. Wie sehr er sich auf seine Hände konzentrieren musste, damit er mit diesen nicht dem Bastard eine herunterwischte.

    Piso hing an den Lippen seines Schwarmes, obwohl jener ar nicht mit ihm redete, sondern eine Konversation mit Gracchus betrieb. Es war wunderschön anzuhorchen, ein Gespräch zwischen der Blume der Weiblichkeit und dem kultiviertesten Mann, der Piso je über den Weg gelaufen war. Es klang hinreißend. Sie wären ein entzückendes Paar, wenn Piso und Prisca nicht noch viel entzückender wäre! Antonia, dachte sich Piso, vielleicht leicht gemein, aber ganz ehrlich denkend, würde bald einpacken müssen, denn bald würde eine Dame kommen, die es verstehen würde, die Claudia neben ihr erscheinen zu lassen wie ein Gänseblümchen im Vergleich mit einer Rose. Nicht, dass Piso Antonia als hässlich empfand, rein gar nicht. Aber Prisca in seiner Gedankenwelt würde sicherlich Venus in Person überstrahlen. H, Venus, sie war ein launisches Frauenzimmer. Aber sie war ihm hold geblieben. Sie hatte ihm die Liebe gegeben, die er auf Prisca entladen konnte, und Prisca liebte ihn dafür zurück. Alles war gut. Der Flavier hielt sich davor zurück, um nicht gummiballartig durchs Zimmer zu hüpfen.
    Stattdessen versuchte er sich die Worte Priscas zu verinnerlichen. Sie legte auf eine gute Ausbildung ihrer Kinder wert? Sehr gut, Piso würde ihnen das Spiel auf der Lyra, in der er der unbestrittene Meister war, beibringen. Und nein, Piso fand ihre Worte nicht kitschig. Im gegensatz zu den Worten, die in seinem Kopf rumschwirrten, klangen sie vermutlich bodenständig und rational! Ja, der Flavier war schon halb irre vom Gedanken alleine, dass Prisca so nahe war und er sie trotzdem nicht anfassen konnte. Hach, wie gerne hätte er sie nun zärtlich geknuddelt. Nun ja, und was er sonst noch gerne mit ihr gemacht hätte, sollte hier nicht geschildert werden, da ganz konträr zu Pisos Bewusstsein, dass nie jemand seine Gedanken lesen würden, sie hiermit nun einem öffentlichen Publikum ausgebreitet werden.
    Und och zuckten seine hochgehobenen Mundwinkel kurz herunter, als die Rede auf Nigrina und Lupus kam. Prisca würde Lupus die Leviten lesen, wenn er seine inexistente „gute Erziehung“ gegenüber Nigrina vergessen sollte. Er runzelte kurz seine Augenbrauen. Wenn Lupus seiner Nigrina etwas antun würde, dann würde er ihn umlegen. Natürlich so, dass man es ihm nciht nachweisen können würde. Aber Piso wartete eigentlich nur noch darauf, dass Lupus einen Betragensfehler gegenüber seiner Schwester machte. Das Blöde war nur, Piso glaubte zu wissen, dass Lupus wusste, dass er schlecht beraten wäre, sich nicht comme il faut zu benehmen. Könnte fast sein, dass Piso ewig warten müsste. Aber das Elysium wäre diesem Affen sicherlich verschlossen!
    Dieser Gedanke befriedigte ihn ungemein, während ihm noch die schmucke Redenswendung „Pisos Tadellosigkeit“ in den Ohren klingelte. Ach ja, der liebe gute Gracchus hatte doch den totalen Überblick. Ein dankbarer Blick ging an Gracchus. Piso schätzte es sehr, wenn man ihn mit Tadellosigkeit in Verbindung brachte.
    “Nun“, machte er dann endlich, an Ursus wieder gewandt, “einen Termin. Hmm. Kann ich den Tag vor den Nonen des Februar (4.2.2011/108 n.Chr.) vorschlagen?“ Piso kam das halbwegs vernünftig vor, denn schließlich war ja noch nicht Januar, sondern erst November. :D Nun gut, er wollte, dass es irgendwann einmal über die Bühne ging, und wenn es Ursus zu früh war, würde er natürlich einlenken.
    Dann wandte sich sein Blick zu Prisca, denn die Wahl einer Pronuba wäre natürlich ihr vorbehalten.

    Wenn Piso die Verdatterung seines Patrons über seines Klienten Gefühlsausbruch bemerkte, so ließ er sich nichts davon anmerken; in seiner Freude ließ er sich nicht davon abbringen, weiterzustrahlen wie ein Honigkuchenpferd.
    “Oh ja, das glaube ich dir!“, grinste er, als Macer ihm versicherte, er freue sich schon auf diese Begegnung. Macer mochte kein so großer Ästhet und empfindsamer Künstler wie Piso sein, aber doch war sich Piso sicher, dass diese Ader im Purgitier schlummerte. Es wäre sonst einfach nicht möglich, dass ein einzelner Mensch so genial war wie der Mann, der ihm alles, was er war, mehr oder minder verschafft hatte.
    Und nun sah Piso seine Chance gekommen, seinem Patron einen Gegengefallen zu erweisen. “Ahhh. Nun, ich kann dich beruhigen. Gewiss hast du als Senator schon lange die Rituale verfolgt, die die Priestercollegien auführen, und es sind nur noch Details, die du auszuführen hättest. Was, zum Beispiel, Götterspeisungen angeht, so ist das durchaus einfach. Die meisten Septemviri Epulonum stammen aus einem nicht-priesterlichen Hintergrund, wie ich zum Beispiel.“ Er grinste. “Wenn wir schon davon reden... wärest du interessiert an einem Platz bei den Septemviri? Bald schon werde ich nicht mehr dort sein, und ein Platz wird frei. Vielleicht wird sogar eher ein Platz frei, als man es sich vorstellen mag. Ich könnte, wenn du magst, beim Magister ein sehr, sehr gutes Wort für dich einlegen.“ Der Flavier nickte eifrig. Macer als Epulone, das würde ihm sehr wohl gefallen. Sogar sehr gefallen.

    Pisos Anwesenheit hier war komplett zufällig. Just in dem Moment, da Flaccus ihn sah, war er nämlich auf das Forum getreten, zu der Menschenmenge hin, die um zwei keltische Sklaven feilschte, und Domitilla bot für sie. Piso grinste. Verschränkte seine Arme und sah dem Schauspiel zu. Und grinste noch etwas breiter, als er sah, dass seine Schwester die Sklaven erstand. Kelten. Piso war Kelten gegenüber sehr affin, er sprach ein paar Brocken ihrer Sprache und verstand etwas von ihrer Kultur – besser gesagt, er wandelte ihre Kultur in etwas um, was ihm passte.
    Gerade stellte er sich darauf ein, dass er aufgrund der Tatsache, dass Domitilla diese Sklaven aus seiner Geldbörse heraus erworben hatte, diese Sklaven selber ausborgen konnte, da erschallte ein lauter, rüder Ruf durch die Menschenmenge. Piso sah Flaccus, der auf Domitilla zuschritt und auf sie einschimpfte, bevor er Piso, der bislang nichts mit der Versteigerung zu tun gehabt hatte – es war sein Sklave gewesen, der das Geld abgezählt hatte – erblickte und auf ihn zustampfte. Erzürnt blickte der Flavier auf den Jüngeren, als dieser zum Sklavenhändler hinzeterte, und erpackte ihn dann an der Schulter, bevor er selber etwas zu Tranquillus hinrief.
    “Ja, schwebend unwirksam, so steht es im Gesetz! Solange ihr Vater kein Einverständnis dazu gegeben hat! Doch steht im Gesetz nichts von vorheriger Erlaubnis, nein, auch nachträgliche Erlaubnis muss in jenem Gesetz subsumiert sein! Das impliziert das Wort „schwebend“. Ihr Vater hat ihr erlaubt, Sklaven zu kaufen, und wenn du, Sklavenhändler, eine Ratifizierung ihres Kaufes vonseiten ihres Vaters brauchst, so werde ich jene innerhalb von einer Viertelstunde produzieren können! Keine Sorge, Sklavenhändler, dieser Kauf ist gültig! Und du würdest gut daran tun, mir zu glauben, denn waren Flavier dir nicht immer treue Kunden?“
    Piso liebte es, so bombastisch aufzutreten. Die legale Meinung, die er hatte, könnte er natürlich besser formulieren, aber er hoffte, das seine Worte hier auch noch hinkamen. Es fiel es ihm schon auf, dass er damit Flaccus auf den Schlips treten konnte. Aber er genoss das Gefühl, mit großspurigem Auftreten andere hinwegzuwischen. Er wandte sich indessen an Flaccus, noch immer mit leicht saurer Miene, die seine innere Satisfaktion über sein Auftreten gerade eben nicht hinwegfegen konnte. Mit weitaus ernsterem Gesichtsausdruck spekulierte er, unter ihnen, sodass niemand mithorchen konnte, zu seinem Neffen hin: “Dir liegt wohl nichts, rein gar nichts an einem Platz bei den Septemviri? Hmm?“ Dann wandelte er sein Gesicht in ein freundlicheres um, in ein versöhnlicheres. “Komm, lass meiner Schwester den Spaß. Du kannst die Sklaven ja dir ausborgen. Gratis.“ Einladend lächelte er ihn wieder an.

    Der arme Sklave; ein Prototyp des alten Roms. Geknechtet, unterdrückt, geschunden. Besonders bei den Flaviern war es so. Während andere Geschlechter ihre Sklaven nett behandelten, sich sogar mit ihnen befreundeten, lief das bei den Flaviern anders. Wer dort landete, konnte sich einer Sache gewiss sein. Schinderei und Sklavenarbeit, im buchstäblichen Sinne. Der Sklave, der als Gelbeutelhalter infolgedessen nominiert und erkürt ward, ertastete nun in seinem Beutel Aurei. Langsam, Stück für Stück, schob er sie heraus, eingedenk der Tatsache, dass es eigentlich nicht das Geld der Domina Domitilla war, das er ausgab, viel eher das Familienvermögen, welches ein ganz spezifisches Mitglied der flavier zur Verfügung gestellt hatte.
    Aureus um Aureus kam heraus. Es sei dem Leser erspart, die quälend langsamen Bewegungen des Sklaven nachzuvollziehen; es sei nur erwähnt, dass der Sklave sich Zeit ließ, bis der Sklavenhändler beziehungsweise seine Schergen mit dem entzückenden hibernischen Paar vor der Domina angekommen waren.
    Da endlich produzierte obgemelter unglückseliger Sklave 20 Aurei und übergab sie pflichtschuldig. Dann hielt er inne. Glotzte unbeschreibbar dumm. Dann formte er seinen Mund zu einem unverständigen, dümmlichen O. Und erst jetzt, erst jetzt schaute er abermals hinab in seinen Beutel und fügte zur Gesamtsumme einen Sesterzen hinzu.
    Stolz grinste darob unser Sklave, der bewiesen hatte, dass er addieren konnte. Und simple Bewegungen mit seinen Armen ausführen.


    Sim-Off:

    Brüderlein zahlt's.

    Piso deutete das Schweigen als Zustimmung und höckelte sich nieder.
    Ah, man kam nun zum Kern der Angelegenheit. Piso selber hatte sie wohlweißlich nicht angesprochen, tatsächlich hatte er sich innerlich auf ein langes Geplänkel eingestellt. Aber Salinator kam direkt auf die Bestechung zu sprechen. “Nicht nur, was meine Politik angeht“, antwortete Piso, ohne eine Miene zu verziehen, obwohl er sich einfach nur aufgrund der Situation zu Boden hätte werfen und sich dort lachend herumwälzen hätte können. “Natürlich sind mir die reinen... Verwaltungskosten einer Standeserhebung bewusst. Insofern ist eine monetäre Fazilitation natürlich angebracht.“ Ob der Barbar so große Worte überhaupt kannte? “2500 Sesterzen sollten dich sicher entschädigen für die Mühen.“ Das war ein happiger Braten, was Geld anging, einmal für den Flavier. Aber Piso war bereit, viel zu zahlen, damit er endlich, endlich in den Senat konnte!

    So, das war jetzt eine Tirade, dachte sich Piso, die ihren Namen verdiente! Ah, er konnte es schon sehen, wie sie dieses doofe Mädchen, denn das war sie, zur Raison brachte. Piso gefiel sich als Erzieher des Menschengeschlechtes. Er sah sich in einer Position als Oberlehrer gegenüber Subjekten, die seiner Weltvorstellung zuwiderliefen. Er konnte sich arrangieren mit vielen Einstellungen von Leuten gegenüber der Taxonomie der Ästhetik, aber manches war inakzeptabel. Vor allem von einer Frau, die als Sexualpartnerin wohl in Zukunft total nicht mehr in Frage kam. Schon alleine, weil er bald heiraten würde.
    Nach seinem Monolog, stellte er sich vor, dass sie wohl zur Besinnung gebracht worden ja. Genau, wer erstaunte nicht von seinen schöngeistigen Reden? Es musste wohl ein kompletter Ignorant sein, der das Genie seiner Worte nicht...
    ZACK.
    Das kam unerwartet.
    “Gnnnnnnn!“, machte der Flavier durch seine durch den urplötzlich kommenden Kinnhaken zwangsläufig zusammengepressten Zähne, als er sich selber mit üh und Not davon abhielt, zu Boden zu fliegen. “B... b... b... BLLLLLEEEJACH!“, schaffte er zu formen.Natürlich war das kein richtiges Wort, bis auf seine eher rein zufällige Ähnlichkeit mit dem Wort Blech, welches natürlich keine Relevanz zu diesem Geschehnissen hatte.
    Rein instinktiv untersuchte sich Piso erst einmal selber, während Axilla ihn mit Schimpfworten eindeckte. “Gmmffff“, brachte er nur hervor, während er sein Kinn nach Blut untersuchte. Und etwas fand, keine große Wunde, aber ein kleiner Riss durch die Haut, wie ein Riss durch das ästhetische Sein. Ahhh, schrecklich war das! Schrecklich!
    Erst jetzt kam es ihm, dass er vielleicht besser dran sein würde, irgendwas zu sagen. Sie war nur hierher gekommen, weil Archias ihn als Freund gesehen hatte? Seine Augenbrauen zogen sich zu einem erbosten V zusammen.
    “Halte Archias aus dem Spiel, hörst du? Den armen Tropf, den du ausgenommen hast wie eine Gans zu den Saturnalien! Hätte er doch auf mich gehört und Seiana geheiratet! Du blödes, ungesalzenes Gör! Scher dich zum Tartarus!“, brachte er hervor, während seine Augen vor Zorn blitzten. “Geh dich brausen!“, fügte er hinzu, während seine Hände wie unkontrolliert zuckten. Doch das war redundant. Er musste das nicht mehr sagen. Sie ging eh schon. Sie verließ sein Zimmer.
    Piso drehte sich um und richtete seinen Stuhl, der eben nach hinten gekippt war, wieder auf. Er klopfte den Staub ab, und setzte sich wieder hin. Dann stützte er seineEllenbogen auf dem Tisch auf, bevor er sein geschundenes und schmerzendes Gesicht in seine Hände sacken ließ. “Ach du Scheiße“, murmelte er leise, atmete tief ein und wieder aus. “Hat sie endlich ihr wahres Gesicht gezeigt. Jaja. Tja.“ Der Patrizier schnaubte aus. “Aber die Nacht mit ihr war geil... naja, alles Vergangenheit. Führe ich etwa Selbstgespräche? Mist, ich führe Selbstgespräche. Ich brauche einen Wein.“ Er langte in seinen Tisch und füllte sich einen Becher voll. Er würde heute noch einiges davon brauchen.

    Piso horchte zu, aufmerksam. So war das. Gracchus wollte ein Bild von der momentanen Lage des Imperiums bekommen. Die Frage war, wieso fragte er Piso? Der Gedanke lag nahe, dass er gerade ihn fragte, weil er seine persönliche Meinung wissen wollte. Die persönliche Meinung seines Vetters schien ihm wichtig zu sein. Piso lächelte leicht. Wenn er nur noch Senator werden würde, dann wäre seine Position gefestigt. Familiär und offiziell... hmm, das wäre gut, ja.
    Und so war er mehr als gewillt, nur freundlich zu nicken und die Fragen seines Vetters redselig zu beantworten. “Ah, der Kaiser. Beim Kaiser war ich natürlich. Nun, was soll ich sagen? Der Kaiser hat keinen... hmm... so guten Eindruck auf mich gemacht. Er schien müde zu sein. Krank. Und es war kein temporärer Zustand, weißt du? Ich habe ihn gefragt, wann er denn seinen Sohn zum Caesar ernennen würde, sodass dessen Anwartschaft rechtlich geklärt sein würde. Er hat mir nicht geantwortet, er hat sich keine Antwort abringen lassen. Und dann, kurz darauf, während ich ihm berichtete, dass die Collegien Roms für seine Gesundheit beteten, schlief er ein. Kannst du dir das vorstellen? Bei einem offiziellen Treffen mit einem Magistraten Roms nickt er ein. Er ist schon wieder aufgewacht, hat mich dann aber weggeschickt, wohl, um seine Siesta halten zu können.“ Er zuckte mit seinen Achseln.
    “Aber sag mir mal, wenn du von Änderungen redest... von welchen Änderungen sprichst du? Willst du dich etwa für ein politisches Amt bewerben?“ Seine neugierigen Augen wurden groß. Das wäre ja mal wirklich etwas! Piso würde es mehr als nur freuen. Gracchus als Prätor, das wäre einmal eine mehr als nur gute Besetzung! Bald schon, so fantasierte Piso sich zusammen, würde man das Consulat des Flavius Gracchus erleben!

    Ah ja. Die berühmt-berüchtigte vescularische Schnauze. Der Flavier spürte ein Gefühl der Ablehnung in sich aufkommen, ein Gefühl, dessen er nicht leicht Herr wurde – denn er hasste Kulturbanausen. Und Salinator, das war ein Kulturbanause. Wenn man noch hinzunahm, dass er bei Archias‘ Tod eine so große Rolle gespielt hatte, und wenn man noch hinzunahm, wie er ihn nun anraunzte, nun, dann konnte man sich vorstellen, dass Piso und Salinator kaum noch Freunde werden würden. Im Gegenteil fragte sich der Flavier, wieso er den Hässlichen nicht schon lange mit einem Fluch belegt hatte. Er sollte mal mit seinem alten Freund Imperiosus reden, und zwar darüber, ob es nicht eine gute Idee wäre, einen anderen Patron zu suchen. Obwohl, damit hätte er sich sein Leben verbaut... was für ein Tyrann. Andererseits, Vescularius hatte ihm damals den Ordo Senatorius verschafft. Was für ihn sprach.
    Piso hatte sich vorgenommen, niemanden allzu weit in den Hintern zu kriechen (wiewohl er die Befürchtung hatte, zu einem gewissen Ausmaß war es unvermeidlich), und so widerstand er dem Impuls, sich Salinator vor die Füße zu werfen, und blickte den, der ihn gegrüßt hatte, nur unverbindlich lächelnd an. “Darf ich mich setzen?“, fragte er.
    Nachher ließ er sich ein paar Sekunden Zeit, um die Frage des Präfekten in seinem Kopf rotieren zu lassen. Wieso? Weil ich bereit bin, dafür einiges an Geld locker zu machen, dachte sich Piso. Einiges an Geld, und das wird dir sicher gefallen, du korrupte Sau. Stattdessen aber erdachte er sich etwas Diplomatischeres.
    “Sieh, gewisslich denkst du, es gibt schon viele Patrizier im Senat, und mehr braucht er nicht mehr. Doch ist es so, dass ich in vielerlei Hinsicht nicht der selben politischen Meinung bin wie andere Patrizier. Tatsächlich würde ich als Patrizier nur für das Wohl des Staates handeln wollen, nicht unbedingt für mein Wohl, oder dem Wohl meines Standes. Präfekt, ich habe nicht vergessen, dass du mich in den Ordo Senatorius gelassen hast. Und wenn du mich in den Senat lassen würdest, wirst du sehen, dass ich mich, was meine Politik angeht, dir erkenntlich zeigen werde.“ Er räusperte sich.
    “Wenn du die Dokumente, die meinen Grundbesitz bezeugen, und das Geld, das für meine Standeserhöhung notwendig ist, sehen willst, ich habe all dies bei mir.“

    Ha, es hatte gezündet! Die Sache funktionierte! Pisos Lippen formten sich zu einem Lächeln. Er sah, wie des Knaben Lust am Lernen wieder vervorkam. Ja, Beispiele waren gut. Piso prägte sich das tief in seinem Inneren ein. Vergiss die Abstraktionen, konzentriere dich aufs echte Leben – aber, hach, wie schwer war dies einem Künstler und Individualisten, der der Avantgarde schillernde Lichtfigur war. Aber es war notweindig. Er atmete tief ein, um an Konzentration zu gewinnen.
    “Nein, das stimmt. Ein Dieb ist kein guter Richter. Aber das kannst du nicht einfach so sagen, ohne dass was im Gesetzestext dazu steht. Sagen wir mal, Marcus versucht Lucius zu überzeugen, dass Gaius Iudex sein soll. Auf welches Wort in unserem Text muss Lucius, unser Iudex Maior, deuten, um Marcus zu beweisen, dass er Gaius, den Dieb, nicht zum Iudex ernennen darf?“ Wie zufällig strich sein rechter Zeigefinger über das Wort „Integrität“, über welches Piso und Minimus vor Kurzem gestolpert waren.

    Hä? Piso wurde aus dieser Frau nicht mehr klug. Hatte er nicht einmal beschlossen, sie nicht mehr ernst zu nehmen? Oder doch nicht? Nun, falls er ihn noch nicht gefällt hatte, wäre es wohl an der Zeit, dies zu tun. Axilla Verhalten war seltsam. Natürlich, Seiana würde sich auch so verhalten. Doch Seiana... sie hatte etwas Aristokratisches an sich. Etwas Hochedles. Sie war der exquisite kampanische Falerner, in der Klasse direkt unter dem Götternektar – dessen weibliche Repräsentenz auf Erden nach Piso eindeutig Prisca war -, und Axilla... nun ja, Axilla war der billige Heckenklescher, bei dem man laut „brrr“ machte, wenn man ihn trank, und zwar wohl ausschließlich, um sich in die Besinnungslosigkeit zu saufen. Es passte nicht zu so einem Gesöff, sich zu benehmen wie ein edler Tropfen. Natürlch hinkt diese Analogie enorm, und die ganze Sache war viel komplizierter – aber sie war die beste, die Piso sich in den Bruchteilen der Sekunde erdenken konnte, in dem auch ihm zufälligerweise Seiana durchs Gehirn schoss. Und zwar in dem Kontext, was gewesen wäre, wenn sie Archias geheiratet hätte. Sicher hätte sie es nicht zulassen, dass er sich vom Felsen stürzte. Axilla hingegen... wer wusste, ob sie ihm nicht den letzten Schubser gegeben hatte? Piso ließ diesen gedanken in sein Hirn schlüpfen, da er spürte, dass ihr Verhalten ihn nervte.
    Nicht nur nervte, es war mehr als das. Als sie ihn anblaffte, was den Brief anging, verzog Piso den Mund, als ob eine Fliege sich an seine Unterlippe gesetzt hätte. Sein Lächeln war nun weg, verschwunden. Axilla, ihn erwähnt in einen Brief an den Kaiser? Was? Ja, er wollte sprechen. Er wollte etwas sagen, aber schlussendlich rang er sich doch dazu durch, die emporgehobene Hand von Axilla zu respektieren. Er lehnte sich zurück und blickte Axilla noch immer konfus an, wobei sich zu jener Konfusion auch noch Widerwillen dazugesellte. Piso war nicht sonderlich gut darinnen, kalt dreinzuschauen. Die Eisprinzennummer lag ihm nicht sonderlich. Er war halt kein kalter Mensch. Aber was er konnte, war grantig dreinzublicken, und das tat er nun.
    Piso betrachtete sich selber als zivilisierten Menschen. Er ließ Axilla also folgerichtig ausreden. Zu Durus wollte sie jappeln? Sollte sie. Auch wenn sich Piso in seiner Anwaltsehre beleidigt sah, dass er nicht zum Zuge kam. Er ließ sie also ausreden. Sah etwas erstaunt, wie sie Fäuste ballte. Ließ seine Nase zucken, als sie auch seine zweite Entschuldigung ablehnte. Was für eine Unfreundlichkeit. Was für eine Unverforenheit! Er hatte doch nicht fiel getan. Er hatte Axilla angelallt. Wenn er etwas getan hatte, dann hatte er ihre Tugend gerettet – oh ja, Piso war gut darin, sich etwas in Windeseile einzureden.
    Dann atmete er kurz ein und aus. Und stand dann auf. So abrupt, dass hinter ihm der Stuhl klappernd zu Boden fiel. Verärgert fixierte er Axilla
    “Ja, Götter nochmal. Zuerst einmal, lass deine hirnlosen Drohgebärden.“ Er deutete auf ihre Fäuste. “Also. Soll ich dir die Füße ablecken, damit du dich dazu herablässt, mich nicht hier, im Haus meiner Ahnen, zur Schnecke machen zu wollen? Denkste. Weißt du was? Vergiss, was ich dir gerade an netten Worten gesagt habe. Wenn meine Entschuldigungen nur mit Beleidigungen und blödem Gerede, dass dir doch kein Mensch abkauft, beantwortet werden, kann ich locker darauf verzichten, freundlich zu dir zu sein. Locker! Du – mich in einem Brief an den Kaiser erwähnen – wohl aus reiner Freundlichkeit. Ja, diese Freundlichkeit kann ich wohl sehen. Der Benimm von deinem sauberen Spezialfreund Duccius Vala hat wohl auf dich abgefärbt.“ Wenn erst einmal Vala ins Spiel kam, war mit Piso nicht mehr gut Kirschen essen. Durch die diffusen Schleier, die die Verlobung in seinem Gedächtnis war, kam ihm die Erinnerung, dass sie sich in einer allerherzliebsten Geste an Duccius hinangeschmissen hatte. Oh ja, einen tollen Freund hatte sie da sich geschnappt.
    Dessen erstklassigen Manieren man ja bei den Flaviern gesehen hat, bei der Verlobung. Wie war das nochmal? Axilla ist niemand. Nett, nett , dachte sich Piso. Er hatte es gehört. Oder hatte es ihm ein Sklave mitgeteilt? Nun, wusste er nicht mehr. Aber egal. “Lass uns zu dem kommen, was ich wissen will. Und zwar: was genau willst du von mir?“
    Piso hatte den akuten Verdacht, dass sie ihn mit seinen Ländereien erpressen wollte. Sie wollte, dass er vor ihr buckelte, damit er auch brav sein Ländchen bekommen konnte. Aber diesen Verdacht sprach er nicht aus, sondern wartete ihre Antwort ab.

    Piso machte keinen sonderlichen Hehl daraus, dass er mit bigotter Frömmelei nicht sehr viel am Hut hatte. Kein guter Römer sollte abergläubisch sein, und Piso war durchaus stolz auf sich, dass er keinen Ammenmärchen Glauben schenkte. Nun ja, bis aufs Ammenmärchen, dass er gut singen könne. Doch dies war eine komplett andere Geschichte und sollte hier nicht von allzu viel Belang sein. Denn Flaccus schien den Witz zu verstehen, und Piso grinste zurück. Nur, die Frage war, zu welchem Ausmaße war dieser Spaß wirklich einer? Denn es wäre durchaus nicht ungewöhnlich für das Collegium Septemvirorum, sichb auf total hirnrissige Unternehmen einzulassen. Flaccus müsste doch eigentlich einen Geschmack von den hanebüchenen Ideen, die in der Domus Opimia herumzugehen pflegten, bekommen haben, als Piso ihm die Geschichte von den Septemmulieres unterbreitet hatte. Wobei dabei auch durchaus die Tatsache eine Rolle spielte, dass eine reine Herrenrunde durchaus etwas Ödes an sich hatte. Eine Frau inmitten der Männer wäre durchaus eine Auflockerung. Und, nun ja, Ablenkung, Piso gab es ja zu. Einmal innerlich.


    Diese flockigen Gedanken verpufften aus seinem Hirn wie leichte und schwerelose Wolken, als Flaccus den Namen seines unglückseligen Freundes wiederholte. Wie war er gewesen? Piso schaute fragend drein. Er verstand nicht. Erst, als Flaccus aufklärte, zündete es ihm. Was für ein Mensch er gewesen war? Das war die Frage. Der Flavier wusste nicht recht, ob er nicht das Gespräch an diesem Punkt abschneiden wollte. Es war zu schmerzhaft, sich an seinen Freund zu erinnern. Er atmete tief durch. Dann seufzte er. “Archias... er war... ach, wie soll ich sagen? Einfach das, was ein guter Freund sein muss. Er war ein erl, auf den man bauen konnte. Etwas verplant und chaotisch. Er war der Mutigere von uns beiden. Er war der, der bei den Frauen mehr Erfolg hatte. Er war jener, der die irreren Ideen hatte. Und irre Ideen haben wir beide viele gehabt. Weißt du, mein Guter, wir kannten uns seit dem Sandkasten. Wir... wir standen uns so nahe wie Brüder. Er war vielleicht nicht so gescheit wie ich, aber gescheit genug, um es zum Procurator a memoria zu schaffen. Und Vescularius Salinator war sein Todfeind. Es... er...“ Er blickte Flaccus an, als ob er ihn zum ersten Mal sehe. Dann begannen seine Augen ein Funkeln anzunehmen, nicht wie von Tränen, sondern von Hass. “Sie haben ihn in den Tod getrieben. Die ganze verdammte Bande. Vescularius Salinator, der fette Bastard. Duccius Vala, diese beschissene Barbarenkanaille. Und Axilla doch auch. Nicht absichtlich, glaube ich mal, aber doch.“ Er schnaufte aus, und atmete geräuschvoll wieder ein, während sein Blick abschweifte und kurz in der Ferne verharrte, bevor er wieder abrupt bzu Flaccus schaute.


    “Das Leben ist schon ein großer Mist hie und da. Archias war jetzt nicht der einzige Mensch, der mir nahe stand und der gestorben ist... gibt so viele rund um mich, die sterben, fast, als ob da ein Fluch wäre.“ Wäre Piso etwas gläubiger an solche übernatürliche Fähigkeiten gewesen, hätte er es wirklich geglaubt. Aber so begegnete er den Gedanken, obwohl er ihn aussprach, innerlich doch mit Skepsis. Obwohl... was konnte man noch glauben in dieser Welt?

    Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    In dieser Antwort steckten auch für Macer noch ein paar Neuigkeiten über seinen Klienten, die er erst einmal verinnerlichen musste. "Aussichten auf einen Platz im Collegium Pontificium? Das klingt doch sehr erfreulich! Meinen Glückwunsch dazu", kommentierte er und erinnerte sich just in diesem Augenblick daran, dass ihm selber noch immer ein Priesteramt in der Karriereliste fehlte. Vielleicht konnte er das ja mal nach dem Consulat angehen. Vielleicht ließ er es aber auch bleiben. Flavius Piso war indes thematisch schon weiter und kündigte eine Hochzeit an. Macer strengte seinen Kopf an und meitne sich zu erinnern, dass da mal was mit einer Aurelierin war. "Die Aurelierin?", fragte er grübelnd. Sein Gedächtnis war zwar bekannt schlecht, aber trotzdem war es ihm unangenhm, wenn allzu deutlich auffiel, dass er mal wieder irgendetwas vergessen oder gedanklich durcheinander gebracht hatte. Und familiäre Zusammenhänge gehörten ganz bevorzugt zu den Dingen, die er sich partout nicht merken konnte.


    Der Flavier grinste breit. “Ist doch ganz gut, wenn man diverse Bekanntschaften im Cultus Deorum hat... jaja. Sag, Patron, vielleicht habe ich mich nur verhört oder was falsch verstanden, aber hast du nicht auch einmal etwas davon gesagt, dass dich ein Amt im Cultus Deorum ansprechen würde?“ Wenn dies so wäre, wäre das formidabel, denn sicher könnte Piso Macer bei den Septemviri unterbingen. Mal sehen.


    Doch nun war die Zeit angebrochen, um mit den Augenlidern herumzuschlagen, die Hände entzückt zusammenzuschlagen und dezidiert dümmlich zu grinsen. “Haaaaaach“, jauchzte er seufzend, seine Verliebtheit mehr als eindeutig indizierend. “Genau jene. Aurelia Prisca. Die Holdeste der Holden, die Schönste der Schönen“, ließ er sich zu Schwärmereien hinreißen – jedem, der Piso und seine romantische Ader ein wenig kannte, nicht verwunderlich. “Du wirst sie kennenlernen, Patron, spätestens bei unserer Hochzeit. Ich weiß noch nicht gänzlich, wann sie sein wird, aber du bist auf jeden Fall eingeladen. Wie auch deine Gattin“, erklärte er, obwohl e natürlich eine Selbstverständlichkeit war, dass ein Klient seinen Patron zur Hochzeit einlud. Wobei Piso sich sicher war, dass Macer Prisca genauso fantastisch finden würde, wie er sie fand. Denn sein Patron, das wusste er, war ein Mann mit Geschmack. Ein Ästhet.