Beiträge von Aulus Flavius Piso

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    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Diesmal staunte der Scriba allerdings, als vor ihm ein geschniegelter und geleckter Patrizier stand, der scheinbar irgendwen beeindrucken wollte. "Du wirst erwartet!" erwiderte er nur und deutete mit seinem Stylus auf die Tür, die hinein zu Salinator führte.


    “Fein!“, machte Piso, erhob die Nase gen Luft und marschierte gen büro. Nur, um dort eine Metamorphose zu erleben. Seine Nase sank auf normales Niveau. Unwillkürlich nahm Piso eine weniger überhebliche Haltung ein. Ja, er setzte sogar ein Lächeln auf. Er wusste, jetzt ging es um die Wurst. Er musste sich jetzt bewähren. Sich ein wenig unterordnen. Anders ging es nicht.


    “Salve Praefectus Urbi!“, schmetterte er hervor und grinste seinem alten Bekannten, dem Mopsgesicht, zu, als er eintrat. Sein Grinsen war natürlich nicht manisch, sondern nett. Ja, Piso, der Politiker, wusste, was zu tun war. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, hier den starken Mann zu markieren.
    “Ich darf mich doch setzen? Nun, Senator Vescularius Salinator, ich bin hier auf Empfehlung meines Patrons, des Consuls Purgitius Macer. Ich habe von ihm gehört, dass einige Stellen im Senat frei sind.“ Mehr musste er nicht sagen, denn der Vescularius würde sicher wissen, woruf Piso hinaus wollte. Oder würde er sich dumm stellen? Auch noch eine Möglichkeit. So schob Piso sicherheitshalber hintennach: “Ich muss gestehen, ich wäre durchaus interessiert.“

    Frohen Mutes war Aulus Flavius Piso, als er, angetan mit seiner feinsten Toga und einer kostbaren Tunika, in die Principia steuerte. Zielstrebig steuerte er dem Schreiber entgegen. War es wohl der gleiche wie das letzte Mal? Piso wusste es nicht. Er scherte sich nicht sonderlich. Denn Leute, die so tief unter ihm standen wie dieser Scriba, die nahm Piso nur dann war, wenn sie vor Ästhetik glühten. Aber ansonsten waren sie uninteressant. Sie waren Teil der Szenerie, so wie Sklaven, oder Möbelstücke.


    Der Patrizier stellte sich vorm Scriba hin und blickte ihn von oben herab an – buchstäblich. “Salve. Ich bin Aulus Flavius Piso und habe einen Termin beim Praefectus Urbi.“ Mehr sagte er nicht. Mehr hatte er nicht nötig zu sagen. Nicht zu diesem Subjekt hier. Wobei fast zu vergessen war, dass er einst – lange ist es her – als Primicerius in der Kanzlei sicher keinen höheren und beachtenswerteren Beruf gehabt hatte als dieser Scriba hier.

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    Original von Aulus Iunius Seneca
    Seneca schob mal wieder Wache am Tor. Als dann wieder dieser Politiker aufkreuzte, welcher sich beim letzten Mal so über die Durchsuchung gefreut hatte, musste sich Seneca sowie ein paar seiner Kameraden ein kleines Schmunzeln verkneifen..
    "Salve, du kannst passieren, vorher werde ich dich jedoch auf Waffen durchsuchen.", sagte Seneca und begann mal wieder den Mann abzutasten...
    "Gut, du kannst passieren, mein Kamerad wird dich zur Principia begleiten."


    “Danke!“, flötete Piso und grinste dem Soldaten, der ihn wohl vom letzten Mal noch her kannte, schelmisch zu bevor er durchs Tor zuckelte. In seiner Togafalten würden die Soldaten, als er vorbeischritt, wohl die Schriftrolle, die ihn als Großgrundbesitzer in Oberitalien auswiesen, gegen seinen Beutel voll mit „Kleingeld“ klappern hören. Er stromerte nun, da er Einlass erhalten hatte, an der Seite des abgestellten Soldaten der Principia in der Castra entgegen.

    Das hier, oben im Titel angeführt, waren die Worte gewesen, die ihm dieser Knilch von Scriba, in seiner Antiästhetik dem Praefectus Urbi in sehr erstaunlicher Weise gleichend, zugeschnarrt, nein, zugenuschelt, nein, zuge... Piso fiel jetzt kein Wort ein, welches beschrieb, wie liebreizlos der Scriba ihm seine Worte hingeblafft hatte, wie man einen Dreckslumpen auf den Boden klatschte, aber so war es gewesen! Zumindest empfand es der von den Musen geküsste Patrizier so. Piso brachte das Kunststück zusammen, einen gockelhaften Gang mit einer schlurfenden Fortbewegungsweise zu vereinen, sodass er wie ein Sinnbild urzivilistischer Dekadenz erscheinen musste, als er vor den Soldaten aufkreuzte und sie mit einem breiten Grinsen begrüßte. “Salvete!“, erklang sein Gruß. “Ich habe einen Termin mit Praefectus Urbi Vescularius Salinator! Aulus Flavius Piso mein Name.“

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    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Scheinbar beeindruckte das Auftreten des blasierten Patriziers den Scriba wenig, denn ohne einen weiteren Kommentar zog er eine Tabula heran, betrachtete sie, während er sich gleichzeitig hinter dem Ohr kratzte, und meinte dann "Am Tag nach den Carmentalia. Nachmittags."


    Scheinbar war dies die Terminzuweisung, denn er begann sofort wieder, sich seiner ursprünglichen Arbeit zuzuwenden und verabschiedete sich. "Vale!"


    Scheel blickte Piso den Beamten drein. Der Typ verstand wohl nichts von der ästhetisch-philosophischen Taxonomie der Schönheit und den ihr zugrundeliegenden Fundamenten. Was für ein Banause!
    “Fffffffffffein“, machte er und blickte den Scriba etwas mitleidig aufgrund dessen niederer, unlebenswerter da von den Grazien unbegünstigter Lebensform an. “Ich werde da sein. Vale“, verkündete er mit bombastischer Stimme, bevor er sich umdrehte und hinfortschwänzelte.

    Des Patriziers Grinsen wurde wieder ein wenig breiter.
    “Ja, stimmt wohl. Ich habe nicht nur einen Patron wie dich und mir winkt nicht nur ein Platz im Senat, sondern ich habe auch sehr gute Aussichten, ins Collegium Pontificium einberufen zu werden, und nicht zuletzt werde ich die schönste Frau von Rom heiraten. Nichts gegen deine holde Ehefrau“, fügte er hinzu und grinste. “Was meine Klientel angeht, hmm, ich weiß nicht... wer weiß, vielleicht will ja einer einmal in den Senat. Nun, meine Klientenschaft ist nicht sonderlich groß. Oder Bedeutend. Aber vielleicht äandert sich das bald.“ Piso schien sehr glücklich mit sich und der Welt. Auf einmal, wer hätte sich das gedacht, war die Welt wieder in Ordnung. Er hätte es sich fast schon nicht mehr vorgestellt, dass es noch so gut enden würde. Alles fügte sich. Alles lief schön und perfekt geradezu zusammen. Nun musste er nur die Früchte seiner Arbeit pflücken. Und natürlich die Früchte der Arbeit seines Patrons, sowie der Sklaven, die er gnadenlos ausgebeutet hatte, damit jene ihn bei seiner Arbeit unterstützten.

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    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Der Scriba sah trübselig auf und nickte knapp. "Was? Worum geht's?" fragte er dann. Er hatte strikten Befehl, Bittsteller nur unter besonderen Umständen zu seinem Herrn durchzulassen!


    Piso, Patrizier von Geburt und zweifesohne auch nach seiner überheblichen Art gegenüber Untergeordneten zu schließen, blickte den Schreiber blasiert an. Blasiert auf eine noch immer gut gelaunte Art und Weise, es mischten sich also Amüsiertheit und Arroganz in seinen Gesichtszügen. Piso erprobte schon einmal die Standesdünkel.
    “Nun, Schreiber. Ich bin hier, um mit dem Praefectus Urbi die mögliche Besetzung eines platzes im Senat durch meine Person zu bereden“, machte er und grinste. “Du siehst, es ist ziemlich wichtig, schließlich geht es um eine staatliche Angelegenheit. Ich hoffe, du kannst mir einen frühestmöglichen Termin verschaffen“, fügte er hinzu.

    Der Flavier schritt selbstbewusst, nachdem man ihn beim Tor durchgelassen hatte, in die Regia hinein. Die Schritte hallten durch den Vorraum, als er zum Scriba ging und sich vor ihm aufstellte. “Salve, guter Mann!“, rief Piso lautstark und mit einem dicken Grinsen. “Mein Name ist Aulus Flavius Piso, Septemvir und gewesener Quaestor Principis. Ich würde gerne einen Termin mit Vescularius Salinator ausmachen, bitte.“ Erwartungsvoll blickte er den Schreiberling an.

    “Daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanke“, zog Piso die erste Silbe des Wortes in die Länge, bevor er sich wieder leicht tänzlend in Bewegung setzte. Mochte der Soldat doch denken, was er wollte! Piso ging, um seinen Fahrschein in den Senat abzuholen! Mit einem großen Juhu im Hirn, welches fast bildlich er vor sich sah, wobei er sich beherrschen musste, es nicht laut auszurufen, schritt er beschwingt in die Principia.

    Flaccus verstand, sonst gab er nichts mehr zu der Causa von sich. Puuhhh! Wenn der Junge Piso das nicht abgenommen hätte, wäre diese Sache ihm wohl ewig nachgehangen! Und das wäre nicht so gut gewesen. Wiewohl er kurz an Cocceia Maior denken musste, die Frau, die Septemmulier werden wollte, und die Piso so nachhaltig beeindruckt hatte... sie bei den Septemviri, das wäre schon eine Sache gewesen. Vor allem, weil eine Frau bei dem Männerverein eine sehr ästhetische Sache gewesen wäre, auch mal etwas zum Anschauen – denn obwohl Maior eines fortgeschrittenen Alters war, war sie nicht hässlich, eher schien sie eine Frau zu sein, die mit dem Alter besser wurde, wie ein guter Rotwein.
    Piso gefiel sich selber als Liberaler und Fortschrittlicher. Und freilich als Ästhet. Und trotzdem war es so, dass manchmal diese Sachen seinen als Patrizier wohl mehr oder minder inhärenten Konservativismus übertünchten. Nun, manchmal. Hie und da vertrat Piso auch genuin zukunftsweisende Gedanken, doch die Betonung lag hier auf hie und da, denn zwischen dem objektiven und Pisos subjektiven Verständnis von Fortschrittlichkeit lag eine tiefe Schlucht.
    “Prima“, machte Piso betont kollegial. “Wenn es so weit ist, schnei bei mir rein, und wir gehen zum Magister Septemvirorum. Es wäre ja so etwas von gelacht, wenn wir dich nicht in unseren Chaotenverein hineinbekommen würden!“ Er lachte belustigt, als ob sein kleiner Scherz ein wirklich guter Witz gewesen wäre.
    Dann jedoch kam das Gespräch auf ein Thema, das Piso weniger Schmähseligkeit entlockte. “Ah. Germanicus Sedulus, der Name ist ein Begriff...“ Schon zwei Darstellungen dieser Person hatte er gehört. Verus, sein Freund Decimus Verus, hatte ihm gesagt, Sedulus wäre ein perfekter Römer, ein edler Mensch, ein wahrer Freund. Furianus, sein „Vetter“, hingegen, hatte ihn gewarnt vor jenem frivolen und vulgären Geschöpf, das sich da Sedulus nannte. Piso war also in der Hinsicht etwas verwirrt.
    Die Frage nach Axilla kam, und Piso zögerte eine Sekunde lang, bevor er nickte. “Ja. Sagt dir der Name Aelius Archias etwas? Er war Procurator a memoria, und mein bester Freund. Wir haben uns schon seit dem Sandkasten gekannt. Tja... er hat sich in den Tod geworfen, vom tarpeischen Felsen. Depressionen“, fügte er hintennach, denn das klang wenigstens plausibel. Und er hoffte, seinem Neffen nicht erzählen zu müssen, woher diese Depressionen stammten. “Axilla war seine Frau. Ich kenne sie durch Archias.“ Was eine kleine Lüge war. Piso hatte sie schon kennen gelernt, bevor Archias sie ihm vorgestellt hatte, durch einen seltsamen Zufall, und durch einen noch seltsameren Zufall waren sie kurz darauf zusammen im Bette gelandet. Es war unglaublich gewesen, wie toll sie im Bett war... nur heute war, aus diesem Grund und noch vielen anderen, es den beiden wohl unmöglich, sich unverkrampft gegenüber zu stehen.

    Hinten im Atrium, da trappelte etwas. Es war Piso. Dem Flavier hatte man über die Ankunft seiner Schwester berichtet. Zuerst hatte man es ihm so gesagt, deine Schwester ist da. Nigrina, dachte sich Piso zuerst. In einem Anfall von Wahn kam ihm sogar Vera in den Sinn. War seine Schwester hier, auferstanden von den Toten? Damit alles wieder so werden würde wie früher? Nein, Herr, antwortete ihm der stämmige kleine Sklave, der ihm die Nachricht mitteilte. Domitilla.
    Domitilla. Lange schon hatte Piso diesen Namen nicht mehr gehört. Ja, da war so eine Halbschwester von ihm. In Aquileia. Nur, ihm selber war sie bisher keine Schwester gewesen. Hatte er sie gesehen? Vielleicht zwei- oder dreimal in seinem gesamten Leben. Ja, Schwester. Wenn auch nur biologisch und wohl auch juristisch. Und selbst da nur halb. Das Produkt einer weiteren Liebschaft seines Vaters. Eine Hortensia, die er nicht umgebracht hatte, sondern ihm nur weggelaufen war, weise, würde Piso annehmen.
    Die unbekannte Schwester... könnte man nicht Ähnliches sagen von Nigrina? Nigrina... jaja, sie. Er sollte sie mal besuchen gehen. Und ihr ein Entschuldigung abliefern. Das wäre vielleicht ganz angemessen. Für Nigrina... Nigrina, die er als Veraersatz wollte. Nun, er würde bald heiraten, und Prisca würde sicher auch gut die Rolle einer Vertrauten einnehmen. Sehr gut sogar. Aber sie war halt keine Schwester.
    Im Gegensatz zu Domitilla übrigens, und so schloss sich der Gedankenkreis des Flaviers wieder.
    Fast wäre er jedoch umgekehrt, als er seinen Vater sah. Natürlich war sein Vater hier, es war irre gewesen, ewas anderes anzunehmen! Sein Vater war hier mit seiner Tochter, welch wunderbare Familie. Nur ins Bild passte es, dass Piso die Angst, vor seinen Vater zu treten, seinen Vater, den er einst von sich gewiesen hatte, den er geschlagen hatte, den er nie wieder Vater nennen wollte. Seinen Vater, der ihm seiner Mutter beraubt hatte. War das alles Geschichte und begraben? Es wäre schön, wenn. Nur leider war das Leben selten so schön. Viele unästhetische Dinge gab es, Dinge, die Piso ausbügeln wollte. Aber es doch nicht schaffte.
    Er atmete tief Luft und stellte sich zu seinem Vater hinzu. “Salve, Vater“, machte er. Er nannte ihn Vater, ja, im Widerspruch zu dem, was er Aetius damals gesagt hatte. Widersprüchlichkeit, das war aber ein Wort, das auf Piso, das auf die Flavier allgemein gut zutraf.
    “Salve, Domitilla“, machte er dann auch zu seiner kleinen Schwester. Sie war ein hübsches junges Ding. Noch zu jung, um zu heiraten. Vielleicht war sie netter als Nigrina. Vielleicht würde sie ihn verstehen, ihn, Piso, der sich danach sehnte, dass man die Brillianz seiner Gedanken erkannte.
    “Weißt du, wer ich bin? Ich bin dein Bruder. Aulus. Aulus Flavius Piso“, fügte er hinzu, nur als Erklärung. “Willkommen in der Villa Flavia in Rom.“ Der künstlerische Wirrkopf lächelte seiner Schwester zu, während seine Gedanken sich schon längst um die Implikationen ihres Erscheinens hier in Rom kreiselten.

    Piso kam nicht umhin, wieder zu Prisca zu schielen, wie schon vorher. Er erhaschte einen Blick ihres Schmunzeln, als Piso seine durchaus großzügig angelegte Forderung stellte. Und ihren Blick. Er entgegnete ihn mit einem frechen Augenzwinkern, das er, wie er hoffte, Ursus nicht sehen würde, schließlich machte er es mit dem dem Aurelier abgewandten Auge.
    Hach, war sie wunderbar. Sie war die Personifizierung von Ätshetik, sowohl innerlich wie auch äußerlich. War das Liebe, wenn man an nichts anderes mehr denken konnte, wie wunderbar und schön und absolut toll das Objekt der Begierde war? Prisca hatte wirklich alles. Sie war schön. Sie war intelligent. Sie war gebildet. Sie war lieb. Und sie war obendrauf noch eine gute Partie. Was Pisos vormalige Angebetete, die Decima, die in seinem Hirn immer blassere Konturen annahm, nicht gewesen war. Und wenn man danach ging, was Verus sagte, war sie ohnehin nichts gewesen, was es wert gewesen wäre zu heiraten. Doch Prisca, Prisca war genial. Wie viel Spaß würde er mit ihr haben, mit der Holden, mit der Schönen, mit der Wundervollen! Sie begann jetzt auch schon, ein Gespräch mit Gracchus anzufangen. Gracchus selber schien durchaus angetan von Prisca, aber Piso würde sich, ohne die gut kaschierten Neigungen seines Vetters zu kennen, nicht im Traum daran denken, dass dieser Römischste aller Römer sich an seiner Frau vergreifen konnte. Hach, Piso bezog sich in Gedanken, was Prisca anging, bereits schon auf seine Frau. Und was für eine Frau sie werden würde!
    Sein Blick wanderte, als Gracchus auf ihre Fragen antwortete, zu Ursus, und lauschte in sich selber drinnen sein Herz pochen, als Gracchus über Priscas Einzug in die Villa Flavia sprach. Priscas Einzug... er würde sie auf Rosenblätter betten. Es würde wunderbar werden. Es war diese Sekunde, da ihm einfiel, dass er das Wort wunderbar beziehungsweise wundervoll schon zum geschätzten zwanzigsten Mal verwendete im Gedanken an Prisca. Ja, Piso konnte sich mehr als nur gut vorstellen, was für einen Schatz er mit ihr bekommen würde.
    Wovon sprach Ursus da? Schriftlich? Ach ja. Dokument. Piso hob den Arm und schnippste. Antiochos, ein hoch aufgeschossener und hagerer Grieche Mitte 40 stakste mit einem Pergament in seinen Schreiberhänden ins Triclinium.
    Schweigsam rollte er die Schriftrolle aus. Piso hatte tatsächlich schon etwas vorbereiten lassen. Antiochos legte Piso das Pergament vor, jener krakelte dort etwas hinein. Dann kam ein Handwink des Flaviers, woraufhin der Grieche die Schriftrolle an Ursus weiterreichte. Es war ein ziemlich standardisierter Heiratsvertrag*, in welchen Piso mit seiner Handschrift noch die Menge der Mitgift und die Heiratsmodalitäten hingeschrieben hatte.
    “Ich hoffe, es ist so in Ordnung“, sagte er. “Das müssten wir nur noch unterschreiben... bei der Sponsalia.“ Welche ziemlich bald über die Bühne gehen würde, wenn es nach Piso ging.


    Sim-Off:

    *da ich keine Ahnung habe, wie der aussehen soll, habe ich ihn mir erspart. ;)

    Pisos Schweigen entwickelte sich zu einem Summen, das klang wie „Hmm“. Dann schüttelte er den Kopf langsam, während ihm langsam, aber enervierend, die Einsicht ins Gehirn tröpfelte, dass er wohl kein geborener Lehrer war. Er spürte Schweißperlen auf seiner Stirn, die er sich mit einer lässigen Handbewgung abwischte. Das war alles viel schwieriger, als er es sich gedacht hatte! Iuppiter noch eins! “Nein, man kann mehr als zweimal Iudex sein. Man kann so viele Male Iudex sein, wie der Iudex Maior es will. Man...“ Er unterbrach sich in seinem legalistischen Geschwafele, denn eine Idee war ihm gekommen. Er würde einfach Beispiele geben! Vielleicht konnte mit denen Minimus besser einsehen, was der Stand des Rechtes war.
    “Also. Weißt du was? Wir machen es anders. Sagen wir, Lucius ist Iudex Maior. Gaius und Marcus sind zwei Senatoren mit dem Cursus Iuris. Klar soweit? Sagen wir, Gaius wird von Lucius zum Iudex für einen Fall gemacht. Wenn der Fall zu Ende ist, ist auch Gaius kein Iudex mehr – denn er hört auf, Iudex zu sein, wenn der Fall zu Ende ist. Aber sagen wir, eine Woche gibt es einen anderen Fall. Lucius kann dann wieder Gaius zum Iudex machen. Einmal, solange, wie der Fall dauert.“ Er nickte suggestiv. Jetzt konnte er auch was anderes erklären.
    “Sagen wir, Gaius stiehlt gleich nachdem er Iudex war einer alten Frau ihr Geld und wird erwischt. Meinst du, Lucius sollte Gaius in Zukunft dann noch einmal zum Iudex machen?“ Neugierig blickte er Minimus an, hoffend, dass seine Erklärung des Wortes Integrität hatte gegriffen.

    Wenn es nicht Gracchus‘ Erscheinen war, das Piso aus seiner schlaftrunkenen Dämmrigkeit weckte, so war es sein überaus fester Blick. Sein Blick, der im Übrigen Piso tatsächlich Böses ahnen ließ. So einen Blick schoss man doch nur ab, wenn man sauer war? Oder? Unsicher beäugte Piso Gracchus, und innerlich atmete er schwer aus, als Gracchus ihm versicherte, dass er nicht gekommen war, um ihn zu bekritteln. Nein, seine Arbeit schien sich gar herumgesprochen zu haben, zumindest vermittelte Gracchus das ihm. Das hörte man doch gerne. Wobei das nicht heißen musste, dass er nun wusste, weshalb Gracchus zu ihm gekommen war.
    Die Erkenntnis, die wurde Piso erst zuteil, als sein Vetter weitersprach. Er blinzelte. Das war nun einmal eine... interessante Frage. Er räusperte sich gewichtig.
    “Vescularius Salinator? Ich weiß nicht...“ So oft hatte er jetzt nicht mit ihm geredet. Eine Meinung aber, die hatte er sich trotzdem gebildet. “Er ist ein furchtbarer Mensch, Gracchus. Ein Barbar.“ Angewidert verzog er sein Gesicht. “Ich mag ihn nicht sonderlich. Was für ein Mensch, fragst du, ich sage dir, ein Antiästhet erster Güte...“, murmelte er und runzelte seine Stirn. Er war sich ganz sicher, dass Gracchus mit dem Konzept des Antiästheten etwas anfangen konnte. “Fürchterliche Manieren. Also nein.“ Und das sagte der Mann, der seinem Vorgesetzten in der Kanzlei damals etwas Mittagessen abgeschnorrt hatte. Nun, das war ja was anderes. Das war nicht Politik gewesen. “Nun... wie ich es sehe, ist seine Arbeit folgendermaßen. Er hat mehrere Günstlinge, allesamt Plebejer aus nicht allzu angesehenen Geschlechtern. Ihnen macht er den Aufstieg sehr leicht, und ihnen vertraut er auch, was Arbeit angeht. Patriziern gegenüber, und Plebejern aus respektablen Geschlechtern, ist er negativ eingestellt. In anderen Worten – was Vescularius betreibt, ist eine fürchterliche Günstlingswirtschaft.“ Er hüstelte kurz.
    “Insgesamt also kann ich dir sagen, ich bin kein großer Freund von ihm. Nun frage ich mich jedoch, ob du überrascht bist, das zu hören.“ Er legte seinen Kopf schief und blickte Gracchus neugierig an. “Nun... warum fragst du mich denn das?“

    Mit einem Grinsen, dass so breit war, dass es vom Aventin bis hinein ins etrurische Hügelland zu reichen schien, tauchte Piso beschwingten Schrittes vor den Castra Praetoria auf. Er begutachtete die Soldaten, die hier auf Wache waren, kurz, bevor er losschmetterte.
    “Salvete! Ich bin Aulus Flavius Piso, gewesener Quaestor Principis. Ich bin hier, um mir einen Termin mit dem Praefectus Urbi geben zu lassen. Ich schätze, ich muss durchsucht werden? Nur zu!“ Nachdem er seine fröhlichen Worte herausgekräht hatte, hob er seine Arme, schloss die Augen und wartete mit einem genüsslichen Lächeln darauf, dass der Typ ihn abtastete.

    Schwatzen? Seine brillianten, spruchreifen Worte waren Schwätzerei? Das hatte ihm ja noch niemand gesagt... bevor er sich aber am Kopf kratzten konnte wie ein unverständiger Affe, kam ihm, was sein Patron meinte. Das Lächeln, welches er schon verloren hatte, kam wieder, und manifestierte sich als breites Grinsen, vom rechten zum linken Ohr. Ja, Piso wusste, was vor sich ging. Der Tag, auf den er jahrelang gewartet hatte, er war gekommen. Es würde auf in den Senat gehen. Endlich. ENDLICH!
    Schwer, oh wahrlich schwer und mühsam war es, den Drang zu unterdrücken, aufzuspringen wie ein kleiner Junge und Purzelbäume zu schlagen. Ja, nicht einmal mit den Fäusten triumphierend in die Luft boxen konnte man, man hatte vor den Mitklienten ja ein Gesicht zu verlieren. Aber Emotionsausbrüche gehörten einfach dazu, nur hatte Piso in seiner Zeit in der Politik gelernt, sie aufzuschieben. So ballte er nur unwillkürlich seine Hände zu Fäusten, schlug seine Augen nieder und grinste, als ob es einen Wettbewerb zu gewinnen gäbe.
    “Oh, Götter, Götter, Götter. Danke, Patron. Danke, danke, danke. Ich werde den Göttern opfern, als Dank, dass ich einen solch großartigen Patron habe.“ Er riss seine Augen wieder auf und man konnte es ihm wohl ansehen, dass er sich nur mühsam davor zurückhalten konnte, Macer zu umarmen, oder alternativ ihm vor die Füße zu fallen und diese abzuküssen. Irgendwie hatte er das Gefühl, er sollte noch was sagen, aber er war nun wahrlich sprachlos.

    Und wieder mal begab Aulus Flavius Piso sich auf die Salutatio seines Patrons Spurius Purgitius Macer. Wenn er daran dachte, wie er damals aufgekreuzt war... als kleiner Hofbeamter. Nun war er jemand. Er war jemand, den die Sklaven vorließen. Er marschierte also vorbei an anderen Klienten, kleinen Duckmäusern, die politisch nichts auf die Reihe brachten, einmal dachte sich Piso das, und reihte sich ein hinter den Senatoren, knapp hinter ihnen.
    Die edlen Herren brauchten unterschiedlich lange, Zeit, die Piso benutzte, um über die wahre Taxonomie der Schönheit nachzudenken. Bis er, bevor er es sich versah, vor seinem Patron zu stehen kam. Piso grinste breit.
    “Salve, Patronus! Der Segen der Götter sei mit dir! Auf den Straßen hört man ausgezeichnete Sachen über dein Consulat. Die Leute schient es ziemlich zu freuen, dass du von den Curatoren mehr forderst... es geht ja schon lange das Gerücht herum, einige von ihnen ruhen sich auf ihren Posten nur aus...“ Der Patrizier zuckte die Schultern, ohne sein Lächeln zu verlieren. Nach Vescularius Salinator und der Sache mit der Aufnahme in den Senat fragte er nicht, er hatte es sich fest vorgenommen, so sehr es den ambitionierten und von Natur aus sehr vorwärtsstürmerischen Flavier, der alles wollte, und zwar möglichst plötzlich, auch in den Fingern, besser gesagt, im Gaumen juckte, darauf Macer anzusprechen.

    Piso war am Rande der Schläfrigkeit. Nein, um ehrlich zu sein, den Rand hatte er schon überschritten. Er war am Rande des Schlafes, ja, diese Formulation traf es besser. Seine Äuglein waren dran und drauf, zuzuklappen, als er ihren Blick über mehr als nur langweilige Dokumente schweifen ließ. Seitdem er nicht mehr Quaestor war, musste er das aufholen, was er damals vernachlässigt hatte. Namentlich, seine Betriebe und seinen Landbesitz. Ja, sie waren relativ verkümmert. Geld spuckten sie noch immer aus, aber nie mehr so viel wie früher. Piso würde wohl wieder mal Werbung machen müssen für sie. Wenn er sich dazu aufraffen musste.
    Er war gerade drauf und dran, seinen Kopf auf seinen Tisch sacken zu lassen, da ging die Türe auf. Piso blinzelte und schielte hin zu der Richtung, aus der ein Gruß ertönte. Und ein hinaus. Wer hinaus? Was hinaus? Ach so, nicht er. Nur die Sklaven, Antiochos und der andere, dessen Namen Piso vergessen hatte, zwei Scribae, die ihm sein Leben erleichterten. Un nicht zuletzt Cassivellaunus, der sohässlich war wie eh und je, und in dessen direkten Vergleich Piso sich umso schöner und ästhetischer fühlte.
    Der Flavier gähnte expressiv, sich gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund halten könnend. Gracchus hatte seine Sklaven herausgeschickt? Na, durfte er das? Piso kam da freilich die Erleuchtung. Natürlich durfte er das. Gracchus war der Hausherr. Er war älter, und er war Senator, was Piso nicht war. Noch nicht, musste man dabei betonen, denn der Flavier sah die Toga Praetexta, die er als Senator-Septemvir tragen durfte, schon vor seinen Augen herumschwenken. Zum Greifen nahe. Er musste nur die Hand ausstrecken... ja, fein war das Leben. Der Gedanke alleine daran war so ergötzlich, dass Piso aus seiner Schlaftrunkenheit herausfand. Dass Gracchus unterbrach, war eh willkommen.
    “Ah, mein lieber Vetter“, grinste Piso. Ich hätte dir ja einen Platz angeboten, aber den hast du dr ja schon genommen, dachte er sich in Gedanken, aber er hatte doch eine gewisse Scheu davor, Gracchus einen besonders flapsigen Kommentar zuzuwerfen. So atmete er nur kurz ein und aus, während er heimlich die Kanten seines Tisches ergriff, um mit seinen Fingern fest zuzudrücken und wieder loszulassen.
    “Über meine Quaestur willst du sprechen?“ Und schon runzelte Piso seine Stirn. Was konnte Gracchus wissen wollen? Ob er auch ordentlich gearbeitet hatte? Piso bereitete sich innerlich schon auf eine Verteidigungsrede vor. Ja, Gracchus, ich war beim Kaiser. Ja, ich habe ordentlich gearbeitet. Ja, ich habe getan, was der Prafectus Urbi von mir verlangt hat. Ja, ich war schön brav. Aber er harrte jetzt erst einmal der Dinge, die kommen würden aus Gracchus eminenten Mund.

    Piso runzelte die Stirn, dann glättete er sie wieder, und nickte. Obwohl er wirklich nicht so dachte. Natürlich, das war ein Dilemma. Einen Menschen zu töten war eine unästhetische Angelegenheit. Doch hie und da musste man Antiästhetik und Antiästhetik miteinander aufwiegen. Was wäre mieser und unschöner, Valas Eingeweide über den Boden zu verstreuseln, oder aber ihn mit seinen Schandtaten weitermachen zu lassen? Piso war sich ziemlich sicher darin, dass das mit den Eingeweiden vorzuziehen wäre. Diese könnte man immerhin zu einem ansprechenden Muster auf einen teppich umgestalten... und rot war ja eine schöne Farbe... doch diese Gedanken führten zu wenig. Um ehrlich zu sein, zu nichts. Also ließ sie Piso, auch, weil sie die Perimeter der Ästhetik doch verließen. Er wollte sich um Vala einfach keine Gedanken mehr machen. Er würde nur horchen. Und schauen, ob er was Neues hörte. Der Duccier würde wohl nach Mantua gehen, nun gut, sollte er. Vielleicht murkste ihn ja ein anderer ab. Sollte ja vorkommen.
    Verus redete davon, Valas Ruf zu zerstören. Pisos Stirn runzelte sich. Vala in Schach und Ruhmlosigkeit herumvegetieren zu sehen wäre durchaus nett. Allerdings wäre ein Vala, der in Ruhmlosigkeit und Schmach lebte, noch immer ein Vala, der Verus und Piso einen Doclh in den Rücken jagen könnte. Nein, Korrektur. Würde. Piso kam konsequenterweise das, was Verus sagte, etwas dubios vor. Denn Piso gefiel die Vorstellung eines Duccius Vala, der am Grunde des Tibers vor sich hin gammelte. Archias hätte Vala umbringen sollen, das hätte er tun sollen. Damals wäre es noch nicht aufgefallen. Doch nun... nun würde es auffallen. Auf jeden Fall. “Fälschung? Titus, das kann nach hinten losgehen. Das kann stark nach hinten losgehen... hmm... ich es im Senat präsentieren?“ Er blickte Verus zweifelnd an. Das war nicht gut. Gar nicht gut. “Das, Titus, bedeutet, ein Risiko einzugehen. Ein Risiko für dich, ein Risiko für mich. Ein Risiko für die Katz. Aber bevor ich das total abstemple, sage mir, wie stellst du dir diese Fälschung vor? Hast du das Siegel von Valas Vater und kannst du seine Unterschrift kopieren? Der Vater des Erzschurken, der ist ja Quaestor gewesen irgendwann, nicht wahr?“
    Dann musste er grinsen, als Verus über seine Dulcinea sprach. “Octavierin? Das ist ja nett. Klingt sogar sehr nett. Gratulation, Mann." Er hielt inne. "Aber sag... war es nicht ein Octavius, der vor Kurzem Decimus Livianus, deinen Verwandten, verklagt hatte? Erfolgreich? Ich habe mir ja gedacht, eure Familien stehen im Gegensatz zueinander. Wie man hört, ist Octavius Macer, der Kläger, ein Speichellecker und Arschkriecher des Vescularius Salinator. Wobei das natürlich nur gespielt und vorgegeben sein könnte.“ Wie das auch ohne Zweifel auch bei Pompeius Imperiosus, seinem alten Saufkumpan, der Fall war.

    Hmm. Hmm mal zwei. Das schien jetzt nicht so gut angekommen zu sein. Natürlich, denn jede Gens hockte auf ihren Grundstücken wie eine Henne auf ihrem Nest. Piso zupfte sich an der Tunika herum, als er sich entschloss, jetzt nur noch ausschließlich das brave Lamm zu spielen. Jetzt war zurückrudern angesagt. 5000 Sesterzen waren jetzt nicht so extrem, aber besser als nichts. Damit konnte man schon was anfangen. Besonders, da man keine Steuern zu zahlen hatte. Piso entschloss sich, einzulenken.
    “Eine formidable Idee ist das!“, machte er, dabei etwas machend, was er sehr gut konnte: suggestiv nicken. Natürlich ging es bei Mitgiften darum, den Mann reich zu machen, einmal in Pisos Paralellwelt. Aber gut, nach außen hin musste man das anders formulieren. Und es war ohnehin so, dass Piso, selbst ohne Mitgift, für Prisca sorgen würde. Aber mit 5000 Sesterzen würde er sicher auch weit kommen können. Man musste sich nur den Mann auf der Straße anschauen, für ihn war das ein unvorstellbares Vermögen! Vor noch nicht allzulanger Zeit wäre es dies auch für Piso gewesen. “Damit wäre ich einverstanden. Machen wir es so.“ Neugierig blickte er nun Ursus an. War das jetzt auch alles? Wenn, dann würde er gleich mal anständig und manierlich fragen, ob er Prisca zur Regia zur Verlobung schleifen könnte. Hach ja, Corvinus würde sich im Grab umdrehen.
    Recht geschah es ihm, dem, der darin versagt hatte, Celerina zu schützen, so wie ein Mann seine Frau schützen sollte. So, wie Piso Prisca schützen würde, jederzeit und immerdar.