Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Ich fühle mich ziemlich schuldig, dass ich euch so lange hinhalte und mich jetzt noch total abmelden muss... es geht aber nicht anders, sorry. Aber nur, dass ihr es wisst, Gracchus, Flaccus, Phaeneas, Domitilla, Axilla, Verus, Minimus, Prisca, Ursus – ich habe euch nicht vergessen. ;)


    Ich bin am Sonntag wieder da. Hoffentlich komme ich DANN zu etwas!

    “Flavius?“, war das erste, was Piso von sich gab, nachdem er relativ ungläubig auf die vor ihm stehende, stur die Wand neben ihn anstarrende Axilla ihre Rede hindurch taxiert hatte. Und auch noch 2, 3 Sekunden hernach. “Häh?“, krächzte er. Nun gut, es gab wahrlich Intelligenteres, was man sagen konnte in einer solchen Situation. Piso als Künstler von Schrot und Korn hätte sicher etwas, nun ja, Äthetisches sagen können. Aber er fühlte sich überrumpelt. Anstatt dass sie wenigstens ihm, der sich die Mühe gemacht hatte, ihren Ehemann abzufackeln, ohne dass dadurch der Sauhaufen entstand, der sich normalerweise dort auszubreiten pflegte, wo Axilla herumkurpfuschte, sein Lächeln entgegnete, benahm sie sich wie ein Bock.
    “Axilla! Wieso nennst du mich so? Ich bin’s, Piso!“ Sein Blick war die Verständnislosigkeit an sich, komprimiert auf zwei graue Augen. “Mensch, setz dich doch!“ Er formte mit seiner Hand einen anachronistischen Fußball in der Luft. Ja, er hatte es wohl vergessen, ihr einen Sitz anzubieten... aber er hatte sich erwartet, dass sie sich einfach hinsetzte. Natürlich war Piso nicht der größte Freund von Axilla. Er fand, sie war ein dubioses Frauenzimmer. Unterbelichtet und recht unfähig. Für einen heißen Abend im Bett genau richtig. Aber nichts zum Heiraten. Im Gegensatz zu Seiana, die Piso von Grund auf sympathisch war.
    Und dennoch. Der Witwe seines besten Freundes gegenüber fühlte Piso eine Verpflichtung. Warum, würde er selber kaum beschreiben können. Vielleicht, weil Axilla außerordentlich hübsch war – wäre sie hässlich, wäre sie wohl kaum an Acanthus vorbeigekommen, dann hätte sich der Ianitor mit ihrer Wüstheit herumschlagen müssen. Dem war aber nicht so. Und außerdem, er hatte das Gefühl, dass Archias gewollt hätte, dass er sich um Axilla kümmerte nach seinem Tod. Gewiss war dies das gewesen, was er ihm in seiner Wachstafel, die Piso verschlampt hatte, mitteilen wollte.
    Es galt also, Augen zu und durch. Vor allem, da jetzt, wo Piso mal seine Gedanken frei machte für das, was sie gesagt hatte, auch in sein Gehirn ihre Worte durchsickern lassen. Samt dem ziemlich antiklimaktischen Ende.
    “Ah...“, entfleuchte ihm eine weitere hochgeistige Äußerung. “Du hast... dem Kaiser geschrieben?“ Er legte seine Hände nach vorne. Und begann, seine beiden Daumen aneinander kreiseln zu lassen. “Dem Kaiser...“ Dem Flavier schoss das Bild des Kaisers durch den Kopf. Krank. Vor seinem Tisch. Während Pisos Ausführungen einschlafend, verdammt noch mal! “Ich... hmm...“ Man musste ja ein Kavalier sein. Oder so. “Ich muss dir danken, dass du das getan hast, Axilla. Auch wenn es nichts genützt hat“, machte er, absichtlich abermals ihren Cognomen benutzend. Dann kratzte er sich am Kopf.
    “Vescularius Salinator. Ein schrecklicher Mensch. Stur wie ein Ochse. Und ungehobelt wie ein germanischer Bauer.“ Er blickte sie, nach Worten ringend, an, bevor er aus sich herausstotterte: “Muss ich selber jetzt wirklich zu ihm gehen? Selber?“ Denn das, so dachte er sich, war wohl das, was Axilla von ihm erwartete. Wieso war sie sonst hier? Pisos Gesicht konnte man wohl ansehen, dass er kaum erbaut war, diesen Banausen wieder zu sehen.
    Er blinzelte kurz und seufzte dann tief. “Ach ja, weil du schon hier bist, ich wollte dir noch was sagen. Tut mir Leid. Wegen der Sache mit Flaccus.“ Betrunkene Ideen stellten sich gerne am Abend danach als besonders beschissen heraus. Und so lächerlich, zwar wirklich nicht hassenswert - es gab da echt komplett andere, für die Piso seinen Hass aufsparte -, aber trotzdem einfach nur doof und wohl auch herabschauenswert Axilla Piso vorkam, es war jetzt nicht die tollste Idee des Jahrhunderts gewesen, seinen Frust über Nigrinas Verlobung gerade an ihr auszulassen. Was hätte Archias da bloß gesagt? Er wäre nicht sehr erbaut gewesen. Ne, das war vielleicht nicht so toll gewesen. Während in seinem Schädel eine Stimme hochmütig trompetete, dass ein Patrizier sich niemals bei einer bloßen Plebejerin entschuldigen sollte, und eine andere aber zurückfauchte, dass Pisos Mutter selber Plebejerin gewesen war und er sich für seine Nettigkeit nachher auf die Schulter klopfen sollte, redete sich Piso selber ein, dass es das Ästhetische gewesen war, dies zu tun.

    “Eine Frau, ja...“ Er erinnerte sich zurück an Cocceia Maior, mit der er geredet hatte. Piso hatte, sich selbst gegenüber seine Freundlichkeit schwer erklären könnend, ihr Bestechungsgeld für die Relatio an sich, wieder an sie zurückgegeben. Maior hatte ihn durchaus fasziniert. Und beeindruckt. Eine Frau um die 40, Witwe, noch sehr gut erhalten, ohne den geringsten Zweifel eine sehr fähige Aeditua. Eine Kunstkennerin, wie er feststellen können hatte. Sie hatte Besseres verdient, als als eine bloße Tempelverwalterin zu vergammeln. Mal sehen. Vielleicht konnte er sie ja doch noch als Pontifex Minor einschmuggeln... denn der Bericht der Septemviri hatte sich ja nur auf die Collegien an sich bezogen, nicht auf deren Anhängsel.
    Er zuckte also nur die Achseln und meinte “Der alte Propertius Secundus hat schon obskure Ideen, aber die Relatio habe ich ihn trotzdem lassen, weil mich die Angelegenheit aus einem rein juristischen Standpunkt heraus interessiert hat“, fast, als ob er nicht einer derjenigen gewesen wäre, die ganz Feuer und Flamme für diese revolutionäre Idee waren. “Die Antwort war voraussehbar, aber nun herrscht Gewissheit, sodass eine solche Idee nie wieder auftauchen wird. Das Dumme ist... wäre die Relatio ausgegangen, hätten wir sofort jemanden gehabt, mit der wir die Stelle besetzen hätte können. Aber nun haben wir keine Ahnung mehr. Trebonius Seius war letztens im Gespräch, aber dieser hat abgelehnt... zu gebrechlich. Nein, wir brauchen einen jungen Mann, der Ahnung von der Angelegenheit hat.“ Er räusperte sich.
    “Wenn du also in deiner Ausbildung so weit vorangeschritten bist, dass du dich dazu fähig fühlst, will ich dich gerne Opimius Naso vorstellen, auf dass wir uns unter 6 Augen über eine Aufnahme unterhalten können.“ Dann hielt er inne mit seiner Redseligkeit, und starrte Flaccus konfus an. Nur 2 Sekunden, aber lange genug, dass es Flaccus auffallen musste. “Serrana?“, stammelte er hervor und schluckte. “Ah... Iunia Serrana... mhm... ah. Iunia.“ Falsche Serrana. Ein leises Seufzen entfleuchte Piso, dessen alte Flamme ihren Namen natürlich nicht ihren Namen für sich allein gepachtet hatte.
    “Iunia... ist sie eigentlich verwandt mit Axilla?“, fragte er nach. “Du weißt schon, der jungen Frau, der auf der Verlobung?“ Natürlich würde Flaccus es wissen... Axilla war keine, die man so schnell vergaß. Piso konnte ein Liedchen davon singen.

    Wunderbar. Wun-der-bar. Nun, Gracchus sah nicht so aus, als empfände er dies ebenfalls so. Aber für den Flavier änderte sich wenig in seinen Gedankengängen. Freilich, freilich... Rex Sacrorum wäre mal nett. Aber das konnte Piso sich schon im Vorhinein abschminken. Es war eine bedauerliche Tatsache, aber zumindest in der Politik war Piso dazu fähig, diverse Sachverhalte halbwegs vernünftig zu sehen (realistisch wäre ein zu starkes Wort).
    Er nickte zur Bestätigung. Ja, dann würde es so sein. So und nicht anders. Ganz und gar toll. Am Liebsten wäre Piso nun aufgesprungen und wäre wie ein Gummiball durchs Zimmer gehüpft. Doch, wie immer, musste man acht geben auf den Anstand und darauf, was andere von ihm denken konnten... ach, wie dröge das war!
    Noch einmal ein vorsichtiger Blick zu Gracchus. Zornesfalten auf der Stirn? Geschwollene Adern im Gesicht? Nein, nichts dergleichen. Nur Zerstreutheit, einen Zustand, den Piso durchaus kannte von seinem Vetter.
    Also, Blick wieder zurück zu Ursus. Was sagte er nun? Mitgift?
    Interessant.
    Blick zu Prisca. Ahhhh, dachte er sich. Mitgift. Er würde für sie zahlen, und zwar nicht zu wenig. Mitgift zusammen mit ihr, das war noch das Sahnehäubchen auf der ganzen Angelegenheit.
    Blick wieder zu Ursus. Er hatte die Usus-Ehe abgenickt. Da konnte man sich schon ein Entgegenkommen erwarten. Oder? Piso beschloss, die Sache auszureizen.
    “Ich glaube mich erinnern zu können, dass Corvinus als Mitgift für Celerina Grundbesitz bekam“, formulierte er. “Es wäre sehr schön, könnte die Ehe durch den Besitzerwechsel eines Grundstückes besiegelt werden. Schließlich ehrt Grund und Boden den Mann, sein Besitz ist ein Zeichen für Wohlstand und Glück. Wie recht hatten unsere Ahnen, als sie Grundbesitz als höchstes Gut anpriesen.“ Er musste sich zurückhalten, um sich nach der Ansprache nicht sichtlich zu brüsten und zu grinsen. Ja, Prisca zusammen mit Grundbesitz... zwei Fliegen mit einer Klappe, hieß das. Ohne auch nur den geringsten Zweifel.
    Erwartungsvoll blickte der Flavier den Aurelier nun an. Hatte er den Bogen überspannt? Hatte er sich zuviel herausgenommen? Hoffentlich nicht, denn wenn ein Aurelier Grundstücke einsacken konnte, konnte er sie auch rausrücken. Quid pro quo.

    Gracchus sagte plötzlich etwas, was Piso ins Grübeln brachte. Es stimmte schon, so eine Confarreatio brachte schon diverse Vorteile. Ursus hingegen beeilte sich, Piso zuzustimmen. “Hmmmm...“ Piso überlegte. Krampfhaft. Viel zu lange. Prisca schaltete sich ein und machte ihre Meinung von denen ihres Tutors und ihres Zukünftigen abhängig. “So eine... hmm...“ Er räusperte sich und begann wieder von vorne. “Eine Confarreatio wäre natürlich schon eine prächtige Angelegenheit... schon eine prächtige Angelegenheit, um ehrlich zu sein...“ Er blickte sehr unsicher von Ursus zu Gracchus, und dann auf Prisca. Wieso musste er jetzt wankelmütig werden? Kurz dachte er nach. Eine Confarreatio war altmodisch. War Piso das? Nein. Und wollte er als flatterhaft erscheinen, vor allem jetzt, da Prisca schon ihre Meinung gegeben hatte? Es wäre jetzt natürlich die Möglichkeit, Prisca den schwarzen Peter zurückzuhändigen, und zu sagen, wenn Prisca eine Usus-Ehe wollte, dann sollte sie sie haben. Aber was für eine Art von Mann wäre Piso dann gewesen? Ein Antiästhet! Ein Duccius Vala, nicht weniger! Er räusperte sich also abermals.
    Obwohl Piso sich schon dachte, eine Confarreatio wäre schon eine prächtige Sache... Prisca hatte ja nicht gesagt, dass sie eine Usus-Ehe wollte. Sie hatte nur gesagt, sie würde sich dem fügen, worauf sich Piso und Ursus einigten. Sollte er nicht doch noch einen Schwenk machen? Nun, er könnte mal schauen, wie weit er mit I-Punkt-Reiterei kam. “Hmm. Die Confarreatio. Das ist eine Manus-Ehe... Manus...“ Er blickte zu Prisca. Dann zu Ursus. Dann wieder zu Prisca. Dann zu Gracchus. Herrje. Lange blickte er auf Gracchus. Verzeih mir, Gracchus, aber ich lasse mir nicht vorwerfen, ein Flattermann zu sein. Er wandte sich zum Aurelier.
    “I wo. Ursus. Du weißt, was das Beste für Prisca ist.“ So, jetzt war nur noch einer mit dem schwarzen Peter unterwegs. Und es war nicht Piso. Fein.
    Was hatte er jetzt für sich geblockt? Das Amt des Rex Sacrorum. Das musste ohnehin nicht sein. Auch, weil Piso, was er natürlich nicht gerne herumerzählte, der Sohn einer nicht standesgemäßen und somit nichtconfarreatischen Ehe war. Auch wenn die Gens Calpurnia extrem einflussreich war – der Statthalter von Asia war ein Calpurnier – sie waren doch nur Plebejer. Somit konnte sich Piso den Rex Sacrorum ohnehin abschminken. Ein Amt, das er eh nicht wollte. Flamen Martialis wäre schön, aber da herrschte ja mehr Kulanz bei den Formalitäten, genauso, wie es sich bei den Vestalinnen eingeschlichen hatte. Und wenn das nicht funktionierte, dann war es auch kein Weltuntergang.
    “Machen wir es so. Keine Manus.“ Hauptsache, der Quargel war so bald wie möglich zu Ende.

    Piso, der so, wie er jetzt tat, eigentlich auch war, wenn stocknüchtern sein Zustand war, hatte, das nebenbei noch immer Phrima am Rücken hocken, die aber nicht mehr wie bisher weitermassierte, sondern innegehalten hatte, um das Spektakel sich anzuschauen. Phrima war durchaus erschrocken gewesen, als der Curatier so hastig nach Semiramis gegriffen hatte. Die etwas unlockere Räterin kam nicht umhin, Semiramis für ihre Lässigkeit und ihre Nonchalance zu bewundern, auch wenn diese Eigenschaften die Syrerin bei dieser Begebenheit nun wahrhaftig verlassen hatten. Astrate hingegen, auf Pulchers Rücken, war durch wenig zu erschüttern, unverdrossen massierte sie weiter, und Piso musste erst einmal die Hand heben, um ihr zu bedeuten, aufzuhören mit ihrer Massiererei. Der Flavier sah, wie Semiramis ihm zustimmte durch ihr Nicken. Sie tat gut daran. Generell, ihm zuzustimmen, und in dieser partikulären Situation ebenfalls, denn vielleicht wäre es Piso noch eingefallen, wenn sie nein gesagt hätte, sich es anders zu überlegen und sie zurück zu Curatius zu stoßen.
    Aber so sah er sich bestätigt. Er grinste. “Was habe ich dir gesagt? Wirst du dich benehmen?“ Pulcher sah ihn kläglich an, bevor er nickte. “Ja...“, maunzte er. Piso blickte höchst zufrieden drein. “Fein. Sehr fein. Sehr, SEEEEHR fein. Dann weiter frisch ans Werk. Und erinnere dich, Pulcher, schauen ja, aber grabschen, nein. Wenn jemand grabscht, dann ich. Haltest du dich daran?“ Pulcher nickte. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er war knapp entgangen, sich mit Piso zu verscherzen, und das würde bedeuten, nie mehr ein luxuriöses Mahl zu zweit in der vol;len Entfaltung der patrizischen Dekadenz bei Piso!
    “Fein. Sehr fein. Sehr, SEEEEEHR fein.“ Vielleicht sollte er diese Ansage zu seinem Markenzeichen machen, dachte sich Piso, der den Gedanken dann aber verwarf und lieber nochmals dem Wein zusprach. “Aber zum Anschauen ist eine bekleidete Sklavin schon dröge... um ehrlich zu sein. Semiramis, bevor zu mit deinen Trauben weiter machst, sei ein Schatz und zieh doch erst einmal deine Tunika aus.“ Er grinste. Semiramis nackt war eine wahre Pracht, und damit wollte er auch ein bisschen bei Curatius Pulcher protzen. So schöne Sklavinnen hatten die Curatier unter Garantie nicht. Unter Garantie! Denn Semiramis, so was wie sie gab es selten zu kaufen. Piso umgab sich gerne mit solch schönen Sahcen wie sie, denn, um ehrlich zu sein, sie war eine Sache. Auch wenn Piso sie fast schon mochte, dann und wann, denn Semiramis verstand es, auf eine ansprechende Art und Weise kratzbürstig zu sein. Und sie war herzallerliebst anzuschauen. Also zeigte er ise gerne her. Solange der Typ ihm nicht seine Ware mit seinen schmutzigen Fingern bekrabbelte! Darauf reagierte Piso, wie zu sehen war, allergisch.

    “Denkst du? Nun ja. Ich weiß nicht. Ich persönlich werde nur wieder ruhig schlafen können, wenn der Typ erst einmal im Tiber liegt. Unten. Wo die Fische sind. Mit einem Stein um die Füße gebunden. Das wird ein Freundentag sein. Ich werde ihn feiern. Mit einer Flasche Wein. Und einem gewaltigen Opfer an die Götter.“ Er grinste vor sich hin. “Wenn Vala erst einmal von der Bildfläche verschwunden ist, ja, dann soll Iuppiter einen Ochsen bekommen. Einen Ausgewachsenen. Das wäre es mir wert. Hmm. Wir könnten ihn ja verfluchen.“ Er kratzte sich am Kopf. “Aber wundern würde es mich nicht, wenn er das abblocken würde durch germanische Zauberei und Hexerei... Götter, Titus, dieser Mann bringt mich um... er hat sicher Geheimtricks auf Lager, um unsere Pläne zu zerstören.“ Er atmete tief durch.
    “Nun. Es wird sicher nichts dadurch gewonnen, wenn wir nun überhastet Pläne machen, wie Vala aus unserer Welt zu schaffen ist, egal, ob er wieder in seinem Sumpf in Germanien abgesetzt wird oder, wo ich ihn leiber sehen würde, im Tartarus, wo er neben Sysiphus und Tantalus vor sich herschmoren muss. Ja, genau. Ich würde ihn gerne bei Pluto sehen... beim Orcus... es würde mich freuen.“ Er schnaufte aus.
    “Aber nun ja. Wir müssen unsere Gedanken sammeln. Wir müssen uns sammeln, bevor wir wissen, wie wir mit diesem Narren umgehen. Wir brauchen Pläne.“ Er stierte in das Wasser des Impluvium herein, als ob er es beschwören wolle, es soll sich über Duccius Vala ergießen und ihn ertränken.
    “Sag, Titus... bis wir aber soweit sind, sollten wir aber über anderes reden. Wir verderben uns die Laune, indem wir Vala so ausführlich besprechen.“ Er seufzte. “Nun, ich habe dir ja schon ausführlich berichtet über mein Liebesleben... wie schaut es da bei dir aus?“ Ein wahrer Römer sollte ein Weib haben, das war einfach nun einmal so!

    Ah. Interesse. Interesse war schon einmal sehr gut. Interesse erfreute das Herz, zumal es Piso in seiner Ansicht verstärkte, dass mit Flaccus kein Faulpelz sich in die Villa Flavia eingenistet hatte. Nein, Flaccus war ein guter Mann. Beziehungsweise Knabe, denn ein sonderlich alter Bube war er nicht. Er hatte noch seine politische Karriere vor sich. Sowie auch den vermaledeiten Ordo Senatorius, für den Piso übrigens in der Kanzlei hatte stucken müssen, bis er diese Auszeichnung bekommen hatte. Wenn er früher einen Patron sich genommen hätte, wäre das nicht passiert. Aus diesem Grund würde auch Piso es jedem nahelagen, sich einen verlässlichen Patron zu suchen – was er ja auch tat mit Flaccus nun.
    “Ein Platz bei den Septemviri? Ja, der ist frei. Die Stelle des Ceionius Petro ist noch immer vakant.“ Er seufzte im Andenken an den nunmehr seit schon geraumer Zeit toten Ceionier. “Der Gute ist gestorben, als ihm schon vor geraumer Zeit ein Betonblock auf den Kopf gefallen ist. Anschließend hat irgendjemand den Vorschlag gemacht, eine Frau aufzunehmen... das wurde aber in einer Relatio von den Pontifices abgeblockt.“ Irgendjemand, ja. Jetzt, da die Schlacht verloren war, versuchte Piso sich so zu positionieren, als wäre er eh immer dagegen gewesen, obwohl er dazumal ein Unterstützer der Idee gewesen war.
    “Aber zuerst einmal beendest du dein Studium, oder?“, fragte er nach, nur sicherheitshalber.

    Eine Einladung zur Saturnalia bei den Tiberiern? Bei Tiberius Durus? Piso war bass erstaunt gewesen, als er davon gehört hatte. Hmm. Er schien es geschafft zu haben. Sicher wurden zur Saturnalia beim Consular nicht die Gossenmenschen eingeladen. Sondern nur die Größen von Rom. Und dazu gehörte er nun? Nicht schlecht, überhaupt nicht schlecht. So machte er sich auf. Die Saturnalia bei den Flaviern konnte mal warten, er war eingeladen bei einer anderen! Bei einer anderen Gens, und zwar eine der Angesehnsten des Reiches – auch wenn sie, wie Piso sich dachte, wenn er daran dachte, nur einen Senator hatte. Wenn Durus starb, wen hätte die Tiberia dann, um sich aus der Bedeutungslosigkeit befreien zu können? Das war die Preisfrage des Tages.
    Und so machte Piso sich seinen Weg. Hindurch durch das Getümmel der Straßen Roms, in seiner Sänfte. Obwohl Piso das Gehen früher bevorzugt hatte, und es eigentlich noch immer tat, konnte er den Freuden der Sänfte immer mehr abgewinnen. Sie war fein. Sie schaukelte so ästhetisch. Ganz und gar wunderbar. Und er musste nicht einmal ein Ohrläppchen bewegen.
    Die Sänfte setzte sich vor der Villa Tiberia ab, und Piso entstieg ihr, eingehüllt in einer künstlerischen Aura – oder zumindest etwas, was er dafür hielt. Vor Kurzem hatte er das Rosenwasser für sich entdeckt, und es wohl ein bisschen damit übertrieben, denn er duftete ziemlich blumig. Dessen ungeachtet, trat er in die Villa ein mit seiner exquisiten Tunika und seinen frosch geölten Wildledersandalen.
    “Io Saturnalia!“, krähte er überschwänglich in die Gesellschaft hinein, die sich versammelt hatte mittlerweile. “Tiberius Durus, schön, dich zu sehen!“ Hatte er jemals schon ungezwungen mit dem Mann gequatscht? Nein? Zeit wurde es! Er wandte sich kurz zum Zweiten hin. “Ah, wenn das nicht Claudius Lepidus ist. Salve!“ Was für ein prächtiger Glatzkopf. So einen Schädel konnte man auch als Waffe verwenden.
    Erst jetzt aber bemerkte er die junge Dame. Konnte sie Prisca das Wasser reichen? Nein, auf keinen Fall. Keine konnte das. So Brünette, die waren eh nicht sein Jagdrevier. Trotzdem, man musste ein Kavalier sein dieser Tage, etwas anderes wäre barbarisch. Galant platzierte er ihr einen Kuss auf die Hand, allerdings so, dass der Mund nicht die Hand berührte. “Holdeste, salve! Aulus Flavius Piso mein Name, ich bin ent-zückt!“ Die beiden Silben des letzten Wortes besonders betont ausgesprochen, zusammen mit einer linken, schwurbeligen Handgeste, um den Inhalt seiner Worte zu betonen.

    Auch Piso setzte sich, sowie Durus Flaccus aufforderte, Platz zu nehmen. Kurz entspann sich ein kurzer Wortwechsel zwischen dem Claudier und dem Tiberier, bei welchem der Claudier über das Leid der Welt klagte – nun, was wusste der schon davon? Er war ja schließlich in den Ordo Senatorius hineingeboren worden! – und beschloss, nachdem Durus seinerseits sein Herz ausgeschüttet hatte, die Initiative zu ergreifen. Und so räusperte er sich kurz dignifiziert.
    “Vescularius Salinator...“ Wie hatte Durus ihn genannt? Aufgeblasen? Das mochte gut stimmen. “Ist nicht unbedingt ein Mann, dessen Anwesenheit ich heute sehr vermisse. Besonders, weil er nicht zu schätzen weiß, was es heißt, Patrizier zu sein; welche Mühen wir Patrizier auf uns nehmen, um die Pax Deorum zu erhalten. Das bringt uns wohl auf den Punkt dieses Abends. Ihr habt ja schon Quintus Flavius Flaccus kennen gelernt. Wie es der Brauch bei uns Arvalbrüdern ist, würde ich vorschlagen, dass er sich einmal bei uns aufstellt und eine Kandidaturrede hält.“ Er nickte Flaccus freundlich zu. Als nächster Verwandter des resigniert habenden Magister Arvalium fühlte er sich irgendwie verpflichtet, jetzt einmal kultischere Saiten aufzuziehen. Denn sie waren ja hier, um sich darum zu kümmern, dass die Arvalbrüder nicht zu dem verkamen, als das Salinator sie sicher sah – ein Haufen von zahnlosen alten Tattergreisen! Frisches Blut musste her! Und Flaccus war der richtige Mann dafür.

    Piso überlegte kurz, oder tat zumindest so, als würde er überlegen. Tatsächlich war ihm schon vor etwas längerer Zeit klar geworden, dass es für einen aufstrebenden jungen Politiker nur zwei Patrone geben könnte. Entweder Purgitius Macer, der Piso in all der Zeit, in welcher er schon mit ihm verbandelt war, ein astreiner und vorbildlicher Patron gewesen war, ohne den, wie Piso es sich dachte, er wohl noch immer der Kanzleischreiber von einst wäre, der Primicerius, am kaiserlichen Hof ein Begriff, ansonsten aber kaum irgendwo. Oder aber eben Tiberius Durus, Pontifex pro Magistro und Consular, auch wenn jener keinen so großen Einfluss auf Vescularius Salinator zu haben schien wie Macer. Natürlich käme Salinator selber noch als Patron in Frage – aber das wäre wohl eine Spur zu antiästhetisch. Nein, so etwas konnte Piso niemanden vorschlagen. Vor allem keinen Patrizier, der sich, anscheinend, zu gut dafür war, einem Purgitius Macer unterzuordnen, wiewohl jener nun wirklich die Creme de la Creme der römischen Plebs darstellte. Auch, weil er mit einer Tiberierin verheiratet war.
    Dann, endlich, nickte er. “Eine gute Wahl erscheint mir das. Auf der Contio kannst du es ja ansprechen.“ Er nickte dazu begleitend, wieder mal, um seine Worte zu bekräftigen. “Ach ja, eines wollte ich noch wissen. Wenn du als Discipulus abgeschlossen hast, was hast du als nächsten Schritt im Cultus Deorum vor? Natürlich werden die meisten Discipuli Aeditui, Tempelverwalter. Nur weiß ich nicht recht, ob das ein angemessenes Amt für einen Patrizier ist. Wenn du nach deiner Zeit als Schüler deine Erfahrung als so herangereift siehst, dass du es dir zutraust, würde ich dir schon vorschlagen, dass du um die Aufnahme in ein Collegium versuchst. Vielleicht nicht unbedingt bei den Haruspices...“ Egal, was man sagte oder wie sich die Wirklichkeit darstellte, Piso hielt die Haruspices ein kleines wenig für Hiwis. Nun ja. “Natürlich könnte ich mich ja für eine Aufnahme deiner Person bei den eminenten Septemviri stark machen...“ Je nach dem, wieviel Flaccus von der Idee hielt, eine Statue zu füttern.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Acanthus‘ Kopf, voll mit Überlegungen bezüglich des Sinn des Lebens, erhob sich gleichsam mit dem dazugehörigen Körper, als ein Klopfen zu hören war. Acanthus hustete kurz, klopfte sich die Tunika ab, und hustete abermals, als hätte er einen Husten. Allerdings war die nicht der Fall, der Schreiber dieser Zeilen versucht nur, den Post ein wenig künstlich zu verlängern. :D
    Nachdem er die Strecke zwischen seinem Schemel und der Türe erfolgreich überwunden hatte, machte er sich auch daran, unbenommen seiner noch immer in seinem Hirn sich gegenseitig jagenden Gedanken, die Türe aufzumachen. Die makellos geölten Angeln quietschten nicht, als die Türblätter aufschwangen und Acanthus sich der Anblick eines Sklaven erschloss.
    Eines Sklaven, der ihn auch sogleich vollquatschte. Iunia Axilla? Der Name sagte ihm was. Flavius Piso? Dieser Name umso mehr. Aelius Archias, auch den Namen hatte er schon gehört. Also alles schon fast alte Kamellen. Er nickte und rief Phoebus etwas zu, was Axilla draußen aber kaum verstehen würde, da genuschelt und undeutlich. Phoebus zischte ab... und ließ nicht lange auf sich warten, bevor er zurückkam und devot etwas flüsterte.
    Acanthus wandte sich wieder mit all seiner ianitorischen Würde der Frau und ihrem Sklaven zu. “Der Herr Piso erwartet dich in seinem Officium, Domina. Phoebus wird dich dorthin geleiten.“ Phoebus stand auf, verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze fast den Boden berühren wollte, und eilte von dannen, bestrebt, der Dame das Arbeitszimmer zu zeigen.

    Die Türe zeichnete sich nicht nur durch ihre schöne Maserung im Holz, sondern auch durch das Klopfen aus, welches Piso aus seiner Arbeit – es ging um Kultisches – heraufschrecken ließ. “Herrrrrrein?“, rollte er das R. Wie aufgefordert, stolperte Phoebus hinein. “Herr, die ehrenwerte Iunia Axilla.“ Mit einem Wat-willn-die-hier-Gesichtsausdruck starrte Piso auf Phoebus, dann nickte er. Sie soll reinkommen.
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Axilla, nachdem sie eingetreten war. Sie hatte sich heute was Passenderes angezogen als an jenem destaströsen Abend. Nun, es war nicht so, dass er Damenkleidung nicht risqué schätzte. Aber Axilla als Witwe seines besten Kumpels war ein Sonderfall. Die hatte gefälltigst in Sack und Asche zu erscheinen! So! “Salve, Axilla!“, machte Piso nach einem kritischen, aber dann doch noch befürwortenden Blick über Axillas Aufmachung. “Wie kann ich dir behilflich sein?“, machte er freundlich. Ja, freundlich. Denn obwohl Piso Axilla für einen leicht schlampigen und doofen Charakter hielt, hatte sie doch etwas Ästhetisches in ihrem Erscheinungsbild an sich, etwas Ästhetisches, das ein Flavius Piso nicht übersehen konnte.

    Piso presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und nickte dann bedeutungsvoll. Er hatte heute erreicht, was er erreichen wollte. Sein Neffe hatte nun sein Tirocinium Fori, und sogar das Thema Ordo Senatorius war etwas angesprochen, auch wenn Piso sich im Nachhinein wünschte, er hätte die Sache etwas weniger plump angesprochen. Nun ja, es war aber jetzt überstanden.
    “Vale, Patron.“ Er nickte, in die Richtung von Flaccus, zur Seite hin, um ihm zu bedeuten, zusammen mit ihm wegzutreten, um Platz zu schaffen für die nächsten Klienten, die Anliegen hatten, die für sie selber durchaus nicht unwichtiger waren als jene des Piso für ihn selber.