Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Piso zuckte die Schultern. Der Praefectus Urbi hatte wohl keinerlei Lust mehr, sich darob zu äußern, und Piso hielt es nun doch ein wenig unweise, nachzufragen, schließlich war der Vescularier ja in ganz gemeiner Typ. Der würde ihm doch eh nur das Senatorenpurpur verweigern, wenn Piso sich nun querstellen würde.
    Die Frage des Salinator hingegen konnte er mit einem Nicken beantworten. Ja, das hatte Salinator! Als der Praefectus Urbi fragte, was das Ergebnis war, zog Piso geschwind seine zweite Schriftrolle hervor, rollte sie jedoch nicht auf – er hatte sich seine Worte zurechtgelegt, sodass er die Aide-Memoire, oder die Gedächtnisstütze, wie weinger durchgeistigte Mitglieder der Gesellschaft als Piso es nennen würden, nicht mehr brauchte – und hub an zu sprechen.
    “Mir schienen die Tresviri Capitalis gute Arbeit zu machen. Einer von ihnen, Genucius Rufus, hat erfolgreich eine groß angelegte Bücherverbrennung organisiert, so wie ich damals.“ Selbstbeweihräuerung war lustig. “Auch die anderen beiden haben erfolgreich die Kerker durchsucht, die Gesetze vollstreckt und Berichte erstattet. Ähm, ja. Dann die Tresviri aere argento auro flando ferunde. Ich kann nichts beanstanden an ihrer Arbeit, die Münzen sind sorgfältig und in angemessener Anzahl geprägt. Dann... genau. Die Quattuorviri viis in urbe purgandis. Ich muss sagen, von ihrer Arbeit war ich etwas enttäuscht. Die Ausrede war, dass einer der Viermänner, Fufilius Longus, krank war das ganze Jahr hindurch – aber es ist doch, finde ich, ein Armutszeugnis, dass sie keinen Stellvertreter einsetzen konnten.“
    Er holte tief Luft. “Besondere Unterschiede in der Qualität der Arbeit gab es bei den Decemviri litibus iudicandis. Ich würde sagen, alles in allem war die Arbeit solide. Besonders hervorgetan hat sich Calpurnius Siculus. Ich muss diesen jungen Mann ganz besonders loben für seine tüchtige Arbeit. Er hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Allerdings gibt es auch leider nicht so schöne Beispiele. Sehr schockiert hat mich ein gewisser Duccius Vala.“ Piso seufzte voller Leiden. Sie waren nicht einmal vorgetäuscht. “Sein officium war ein einziges Chaos. Als ich ihn fragte was das soll, antwortete er mir ganz frech, er sei Germane und liebe es, zu verwüsten. Er gab selber zu, dass die Zustände in seinem Officium grässlich wären. Ich war sehr erschüttert.“ Er schluckte. “Tja...“ Ein dumpfes Seufzen entfleuchte ihm.

    Hmm, vielleicht war es doch nicht die beste Idee gewesen, sich zuerst Priscas anzunehmen statt des Legaten und nunmehr ranghöchsten Mitglieds der Aurelier. Aber was konnte Piso tun? Venus selbst hatte ihm die Liebe gegeben – böswillig konnte man sagen, sie hatte sie ihm mit dem Bratspieß eingeimpft. Denn das Piso erst darum vor Venus‘ Tempel darum gebeten hatte, dass sie es zuließ, dass sein Herz sich wieder erweiche, das behielt er als Geheimnis in seinem Herzen. Selbst gegenüber Prisca. Denn sie sollte eigentlich nicht erfahren, dass er es nicht selber und aus eigenem Antrieb zurande gebracht hatte, sich in sie zu verlieben.
    Wie konnte Piso also so tun, als ignorierte er Prisca? Denn sie sah so wunderschön aus. Vor allem dieser Ausschnitt. Huiuiuiuiuiui. Ein wahres Fest fürs Auge – auch wenn Piso sich nicht in seinen krampfhaften Bemühungen, Prisca ins Auge zu blicken, beirren ließ. Sicher würde es Ursus nicht goutieren, wenn er seinem ultimativen Ziel so offensichtlich zur Schau stellte.
    Prisca aber brachte gar nicht einmal viel heraus auf seine Begrüßungsansage hin – ja, was sie antwortete, ließ sein Kompliment fast schon eloquent erscheinen! Aber es wahr ehrlich. Und es war zum Hinwegschmelzen süß! Ein schmachtender Blick zu ihr hin, bevor er sich endlich, fast schon ein wenig widerwillig, zu Ursus hin – wohlweislich nicht, weil ihm Ursus auf die Nerven ging, sondern viel eher, weil es so unendlich schwer war, die Augen von Prisca zu lösen.
    Ursus sprach von weitaus schwerwiegenderen Dingen als jenen, die Piso im Kopf herumgingen, und zwar von den interfamiliären Angelegenheit der Aurelier. Und schon wieder einmal fragte sich Piso, was so aufregend an diesem Corvinus gewesen sein soll, dass ganz Rom sich in Trauer über ihn ergoss. Wer hat getrauert, als Vera starb? Nicht ein einziges Schwein (außerhalb der Villa Flavia). Und bei einem Corvinus hatte ganz Rom Trauer zu heucheln.
    Nichtsdestotrotz nickte er grave. “Sei dir versichert, die Gebete unserer Gens sind mit euch.“ Er seufzte tief, als Ursus nach dem Befinden seiner Gens fragte. Natürlich war dies nur eine floskelhafte Frage, ebenso, wie es seine gewesen war, aber auch hier gab es etwas zu jammern.
    “Die Tode von Flavia Vera und Flavia Celerina waren schwere Schläge für uns. Doch es bleibt uns nichts weiteres übrig, als das Schicksal zu ertragen und weiterzumachen. Ich bin mir sicher, die Verstorbenen hätten genau das von uns gewollt.“ Hach ja, ein bisschen schwülstige Töne schwingen war doch immer wieder schön. Labsal für die Seele, und es klang auch noch höflich, und das war im Umgang unter Patriziern das Wichtigste.
    Gerade wollte Piso sich auf die Kline hinauflegen, da kam Gracchus hinzu. Piso blickte zu seinem Vetter. “Salve, Gracchus“, machte er, während ein dankbarer Ausdruck in seinem Gesicht sich zeigte. Gracchus war hier! Sein Vetter war zur Unterstützung herangeeilt, sodass Piso hier nicht alleine war. Der jüngere Flavier war durchaus froh, dass der Ältere hier war, vielleicht konnte er ihn ja auch als Souffleur benutzen?
    Aber jetzt musste er sich wohl damit begnügen, selber zu reden. Piso legte sich ziemlich umständlich auf die Kline hinauf, wäre fast tollpatschigerweise von ihr auf der anderen Seite heruntergefallen, erfing sich, und lächelte dann Ursus freundlich an.
    “Nun gut, wie du weißt, würde ich gerne deine Cousine heiraten“, begann er in media res. “Ursus, ich liebe Prisca. Vom ganzen Herzen“, breitete er dem Legaten aus. “Ich werde bald zum Senator ernannt werden und, wenn die Götter es wollen, zum Pontifex. Aus diesem Grund kann ich garantieren, dass Prisca bei mir gut versorgt ist. Wenn ich Prisca heiraten kann, dann werde ich ihr der beste Ehemann sein, den sie sich vorstellen kann!“, beteuerte er. “Prisca wird sich bei mir wohlfühlen. Ich schwöre bei Iuppiter dem Stein, ich werde ihr treu sein und sie lieben“, setzte er noch eines drauf.

    Mit kritischem Blick nahm Piso wortlos die Wachstafel an und studierte sie ausgiebig. So, der alte Menecrates wollte wissen, wer der Magister Septemvirorum war? Nicht, dass Piso je besonders viel mit ihm zu tun gehabt hatte. Tatsächlich wusste er von ihm nur, dass er kurulischer Ädil werden würde und auf mannighaftige Art und Weise mit den Flaviern versippt war.
    Er räusperte sich bedeutsam, sich sehr intellektuell vorkommend. “Sklave, der Name des derzeitigen Magister Septemvirorum ist Publius Opimius Naso. Wobei du das auch in der Regia erfahren hättest können, dort steht eine öffentliche Listung der Ämter.“ Nochmals räusperte er sich. “Der Magister Septemvirorum lebt in der Domus seiner Gens am Quirinal, nicht weit von hier.“
    Hochnäsig-überheblich blickte der Flavier, der sich für den größten Ästhet aller Zeiten hielt, den kleinen Sklaven an. “War das alles? Wenn, dann richte auch bitte deinem Herrn den Segen der Götter aus“, machte er, mit seiner rechten Hand eine ausholende Gestik in den Raum beschreibend.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Acanthus blickte Linos mit strengem Gesichtsausdruck an, als dieser ihn aber betont freundlich ansprach, lockerte sich jener und machte einem neutralem Blick Platz. Er griff nach der Wachstafel, die Linos dem Ianitor hinhielt, und studierte sie aufmerksam. Dann nickte er und drehte sich um, zu Phoebus etwas Unverständliches hinmurmelnd.
    Kurz darauf kam Phoebus wieder zurück und nickte Acanthus zu. Dieser blickte wieder zu Linos. “Komm rein, der Herr Piso erwartet dich im Atrium“, machte er knapp angebunden, bevor er dem Privatsekretär Platz machte. Phoebus nahm es auf sich, den Sklaven hineinzuführen.

    Im Atrium gekommen, würde Linos wohl feststellen müssen, dass Piso ihn gar nicht erwartete. Nichtsdestotrotz parkte Phoebus gekonnt den Sklaven hier, indem er auf einen Punkt am Boden zeigte. “Nicht weggehen, bis der Dominus kommt“, raunte er dem Mann zu.
    Es dauerte nicht mehr lange, bis auch wirklich Piso auftauchte. Für seine Verhältnisse war er sehr wenig prunkvoll angezogen, obwohl seine Tunika durchaus von guter Qualität war. Claudius, hatte Piso sich gedacht, was hatte er mit dem zu schaffen? Aber trotzdem hatte er sich aufgerafft. Immerhin war er weitläufig mit dem Mann verschwägert. Ob es damit etwas zu tun hatte? Ob man ihm eine Claudia andrehen wollte? Piso war schon vergeben, aber schauen konnte man ja noch.
    “Salve, Sklave“, grüßte er, ohne nach dem Namen des Boten zu fragen. “Ich bin Flavius Piso. Eine Botschaft hast du für mich?“ Fragend blickte er Linos an und legte seinen Kopf neugierig schief.

    Piso hatte sich aufgeputzt für diesen Besuch. Natürlich achtete er immer sehr auf sein Aussehen, war er doch sein Leben lang bestrebt, alle Perimeter der ansprechenden Ästhetik zu treffen, ja, gar zu überbieten – aber er gab es sich selbst gegenüber zu, er war im Vorfeld schon ziemlich nervös gewesen. Es ging nun ums Eingemachte! HEIRATSVERHANDLUNGEN! Piso konnte nicht glauben, dass doch noch, endlich, nach so langer Zeit dieses Wort mit ihm und Prisca in Übereinstimmung gebracht werden würde.
    Und als er sich nun die sicher schon zehnte Toga überwerfen ließ in seinem Cubiculum, ereilte ihm von einem Sklaven die Mitteilung, die Aurelier seien schon eingetroffen. Prisca und Ursus waren hier! Er konnte es kaum glauben! Seine Augen weiteten sich, als er hektisch mit seinen Armen rumwirbelte.
    “Wie steht mir das?“ “Perfekt, Herr“, näselte Cassivellaunus, der ihm beim Anziehen half. “Wie rieche ich?“ “Wie ein Blümelchen.“ “Das hört man gerne“, machte Piso befriedigt, aber machte dann doch leicht beunruhigt weiter. “Rasiert? Kein Mundgeruch? Hände gepflegt? Füße auch? Sitzen die Schuhe? Passt die Toga? Harmoniert sie zur Tunika? Ist...“ Cassivellaunus unterbrach ihm mit einem Seufzen. “Heeeeerr? Deine Verehrte wartet unten. Willst du, dass sie sich die Beine in den Bauch steht?“ “Neinneinneinneinneinnein!“, rief Piso, entsetzt über die Vorstellung, und wandte sich um. Die Toga sauste, und schon eilte er zum Triclinium. Vor der Türe zum Triclinium blieb er stehen, atmete tiiiiiiiiiiief durch, legte seine Hände an die Türe, zog sie zurück, rückte sich die Toga zurecht, atmete nochmals durch, und öffnete die Türe, wo die Gäste schon warteten.
    Ursus und Prisca. Sehr gut, sehr gut, sehr gut. “Salvete!“, begrüßte er die beiden und räusperte sich. Prisca war so bezaubernd schön, er könnte sich direkt an sie ranschmeißen. Fürs Erste musste aber der liebesentbrannt-feurigste Blick, den Piso auf Lager hatte, für Prisca reichen, und ein freundlicher für Ursus, bevor er zu Prisca hinschritt und sich zu ihr hinbeugte. “Prisca“, machte er halblaut, “du schaust so wundervoll aus“ dass ich dich gleich packen und mit dir die unanständigsten Dinge direkt hier am Boden anstellen könnte! Aber nein, das wäre undiplomatisch, das erkannte sogar Piso. “dass ich es unmöglich in Wort fassen kann.“ Ein warmes Lächeln für sie, bevor Ursus auch sein ihm zustehendes anerkennendes Nicken bekam. “Ursus, es tut sehr gut, dich zu sehen. Wie geht es der Gens?“, fragte Piso unverfänglich.
    “Hmm. Nun. Ähm, legen wir uns doch hin. Wein!“, rief er an einen beliebigen nutzlosen Sklaven, der im Weg rumstand, woraufhin dieser buckelte und entschwand.

    Piso hatte sich zurückgezogen, nachdem er sogar in seinem betrunkenen Zustand bemerkt hatte, dass er sich nicht sonderlich beliebt gemacht hatte. Am nächsten Morgen würde er sich sehr bescheuert für seine Aktionen vorkommen, aber momentan war ihm der Alkohol ein bisschen zu sehr zu Kopfe gestiegen dafür. Der Flavier blickte sich um, bevor sein Auge auf Vinicia Sabina verweilte. Die Tussi, die mit Vala gekommen war mit Scheißduccius Scheißvala, ein Fall für die Kanäle Roms. Wer wusste, vielleicht war Piso einmal fad und er würde einen Meuchelmörder engagieren. Einzig und alleine nur dazu, um dieses antiästhetische Geschöpf aus Rom zu tilgen. Ja, wenn es um Ästhetik ging, da schossen Piso Gedanken durch den Kopf, die im diametralen Gegensatz zu seiner nicht allzu männlichen Schöngeistigkeit standen. Die Schönheit dieser Welt aber wurde durch Subjekte wie diesen Duccius bedroht. Es war ein Grausen.
    Doch dann passierte was. Axilla ging zu Vala hin. Piso machte einen stolpernden Schritt nach vorne. Axilla sollte das nicht tun. Der Typ wollte sie doch ermorden, das war sonnenklar – Archias hatte es ihm gesagt! Doch ein Mord würde an diesem Tag in der Villa Flavia wohl nicht mehr geschehen, aber etwas anderes geschah, was Piso bemerkte durch seine flatternden Augenlider hindurch.
    Vala ergriff das Hasenpanier! Er packte sich seine Tussi und trollte sich! HAHA! HIHIHI! Er ging einfach, lief davon... er musste Piso gesehen haben und Angst gekommen haben! Ganz einfach, so war das! Der Duccius verschwand einfach! Den Geruch der Angst konnte man spüren, es war ganz und gar herrlich. Piso liebte es. Er kicherte kurz und schüttelte den Kopf. Die Furcht, die er vor diesem Typen verspürte, sackte plötzlich ab, von einem recht hohem Niveau auf ein Minimum. Flüchtete einfach, dieser Trottel...
    Von einem plötzlich aufkeimenden Brechreiz ergriffen, wandte sich Piso auf einmal um, im Augenblick seines Triumphes. Er spürte, wie ihm die Galle hochkam. Hastig bahnte er sich durch die Gäste hindurch und entschwand auf dem Vomitorium.

    An
    Quintus Claudius Lepidus
    Villa Claudia
    Roma
    Italia


    A Flavius Piso et M’ Tiberius Durus Q Claudio Lepido salutem dicunt.


    Anlässlich der Amtsniederlegung des letzten Magister der Arvalbrüder, L Flavius Furianus, laden wir dich am ANTE DIEM XIV KAL DEC DCCCLX A.U.C.* in die Villa Tiberia zu einer Contio der Arvalbrüder ein, um zu besprechen, wer der neue Magister werden soll, und über die Aufnahme von neuen Mitgliedern zu beratschlagen.
    Vale.


    Sim-Off:

    *Fantasiedatum

    Der Flavier nickte beflissentlich. “Das scheint mir eine feine Idee zu sein. Bei dir zu Hause, sagst du? Ja, sicherlich, wenn es dir nichts ausmacht.“ Durus steckte wohl seinen Claim ab. Piso, nicht Gedanken lesen könnend, fand sich schon mit dem Gedanken ab, dass Durus seine Kandidatur zum Magister der Arvalbrüder mit großem Trara in seiner Villa verkünden würde. Wenn nicht, dann würde sich vielleicht Piso selbst dran versuchen. Aber mal schauen, was so passierte.
    “Deinem Adoptivsohn werde ich wohl nichts schreiben müssen – er wohnt ja bei dir. Und meinem Neffen sage ich es selber... dann bleiben... mhm... gut... ja, sicher, das mache ich. Am besten lade ich ein zum ANTE DIEM XIV KAL DEC DCCCLX A.U.C.*, damit kannst du hoffentlich leben.“


    Sim-Off:

    *kleines Fantasiedatum

    Piso lachte höflich. “Vielleicht hast du ja recht. Ja, es ist schon enorm viel vorangebracht worden unter ihm, und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn man sich mit momentanen Gesetzen behilft. Aber ich werde die Gesetze, wenn ich Zeit habe, noch einmal durchgehen. Wenn mir ein besonders frappantes Versäumnis auffällt, werde ich es an dich herantragen.“ Er hustete kurz. “Nun denn. Ich werde mal den Platz frei machen, ich sehe gerade, es gibt da wohl an die Duzend weitere Leute, die die gratulieren wollen. Auf jeden Fall, man sieht sich vielleicht etwas später, und wenn nicht, spätestens morgen auf der Salutatio“, verkündete Piso, nickte Macer zu, ließ sein “Vale“ erklingen, und hoppelte seitlich hinfort – denn anders konnte man sich in diesem Menschenknäuel wohl nicht recht bewegen. Denn in aller Fairheit, Piso hatte Macer schon viel zu lange in Beschlag genommen mit seinem Extrawünschen, und andere Klienten hatten auch noch viel, was sie selber vom Consul Electus wollten!

    Piso grinste vergnügt auf das Danke des Quintiliers hin. “Ich muss dir danken, dass du mir die Behandlung der Sklavin angedeihen lässt“, sagte er mit gänzlich zufriedendem Gesichtsausdruck. Auch, weil er sich vor seinem inneren Auge bereits vorstellte, wie das abschnuddeln auszusehen hätte. Ja, hie und da pflegte Piso eigenartige Phantasien, die er selber für ausgesprochen ästhetisch hielt, aber er hatte kaum je die Traute, diese Phantasien auch umzusetzen. So lag er manchmal stundenlang im Bett und ergötzte sich daran, an die Realisierung dessen zu denken, aber in die Wirklichkeit umgesetzt werden würde manches leider nie.
    “Das klingt doch mal gut, Sermo“, machte Piso mit einem noch breiteren Grinsen. “Fette Früchte wären mir sehr recht. Apropos Früchte, hast du Hunger? Ich könnte ja schon mal was auftragen lassen.“ Es wäre ja keine Einladung zu Cena, wenn keine Cena kommen würde. Logisch, oder?
    “Prima“, gab Piso dem Quintilier seine Freude über das baldige Ende des Census zu verstehen “Ich freue mich schon darauf.“ Er konnte wohl hoffentlich annehmen, dass die Qualität tipptopp werden würde.
    Die Massage derweil genoss Piso sehr. Ah ja, er musste sich beherrschen, um nicht anzufangen zu schnurren wie ein fetter Kater, dem am Bauch gekitzelt wurde, denn was die Keltin da machte, das war vorzüglich. Ganz und gar phänomenal! Er schloss vor lauter Erquicklichkeit die Augen.
    “Sermo, Sermo, ganz und gar genial ist das. Solche Massagen muss ich häufiger machen.“ Damit meinte er nicht unbedingt Caelyn, aber er war sich sehr sicher, dass er andere Sklavinnen in der Flavia hierzu heranziehen konnte.
    “Hmmja. Etwas weiter unten. Und fester!“, machte er zu Caelyn nach hinten, sie sich ganz ungeniert in seinem Kopf nackt vorstellend – huiui, wenn Prisca das wüsste! Aber das tat sie ja nicht. Deshalb war es ja gut. Piso war ja auch nur ein Mann. Selbst wenn er sich dann und wann nicht allzu mannhaft gab, sondern eher den Eindruck eines Weicheis vermittelte. Wobei Eindrücke gut und gerne täuschen konnten.

    Durch den Flur, der durch die ehrwürdigen Gemäuer der Villa Flavia führte (ja, hier war alles so richtiggehend ätzend EHRENWERT und ANSTANDSVOLL und WAHRLICH RÖMISCH, dass sogar die Ziegeln, mit denen die Villa erbaut worden war, majestätisch sein mussten und einen Haufen von Würden und Titeln tragen mussten), hallten Fußschritte. Ein lauer Geruch von Rosenwasser erfüllte den Gang. Die Figur, von dem der Geruch und die Geräusche stammten, ja, an ihr lag etwas entschieden Künstlerisches. Sie atmete Ästhetik (zumindest dachte die betreffende Person das). Groß, aber nicht sonderlich athletisch, kein Muskelprotz also, sondern von fast schon zartem Körperbau.
    Unverkennbar, wer da durch die Villa trabte, das war Piso. Mit einem ein bisschen peinlich berührt aussehendem Gesichtsausdruck. Die Schritte, die er tat, lenkten ihn hin zum Gemach seines Neffen, der aber abentteuerlich jünger war als er. Piso hatte Flaccus‘ Alter vergessen, aber mehr als 10 Jahre Unterschied waren da nicht. Also konnte man sich in einer Gens, die noch nie sonderlichen Wert auf familiäre Verbindungsbezeichnungen gelegt hatte (schließlich war Furianus für ihn immer ein Vetter gewesen, von ihm als Neffen zu denken erschiene Piso dämlich), getrost Vetter nennen gegenseitig. Wobei, das war jetzt nicht Pisos Hauptsorge.
    Ebendiese war gänzlich anders beschaffen. Er hatte... tja... eine Entschuldigung abzugeben, nagte doch das schlechte Gewissen an ihm. Es war wohl typisch für ihn, haarsträubenden Unfug zu begehen, und danach sich vom Gewissen zerfressen zu lassen. Aber immerhin kam er nicht mit leeren Händen. Er hatte ein Schmankerl für Flaccus. Nein, sogar zwei.
    Vielleicht würde es Flaccus‘ Zorn – jener müsste wohl existent sein, hatte Piso doch ein wunderbar klassisches Beispiel an Mädelblockierung betrieben – besänftigen, wenn er das vorbrachte. Nun gut, er könnte sich auch sagen, er hatte vermieden, dass Plebejer und Patrizier sich vermischten... aber aus seinem Mund heraus würde das arg hypokritisch klingen. Er dachte noch immer dann und wann an Serrana. Sie hatte es nicht verdient, dass er es tat, das wusste er, und er sollte sich lieber auf anderes konzentrieren, zum Beispiel auf seine zukünftige Gemahlin, die von der Sache zwar wusste, aber sich in der Sicherheit wiegte, dass er darüber komplett hinweg war. Ach was, sagte er sich innerlich, es würde schon werden. Spätestens bei der Hochzeitsnacht.
    Und so stand er nun vor der Tor zu Flaccus‘ Zimmer. Er hob die Hand und klopfte an. Als Alibi. Dann stubste er sanft die Türe auf.
    “Flaccus? Bist du hier? Ich bin’s, Piso...“, machte er.

    Piso runzelte die Stirn. Verus überwältigte ihn fast mit einem enormen Schwall an Worten. Doch Piso ließ den Mann ausreden. Nichts gegen Monologe, jedem seine Volksrede. Verus liebte es sowieso, solche zu schwingen und dabei deprimierende Philosophie einzustreuseln. Er schilderte auch gleich einmal ein Bild davon, wieso Salinator die Politik verfolgte, die er verfolgte. Piso dachte nach.
    “Ich kann mir vorstellen, dass es jetzt schon Kriese gibt, die ihn absetzen wollen. Aber ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht will er wirklich so viel Macht wie möglich, ohne dass der Mob dann gleich einmal nach seinem Blut lechzt. Ja, kann mir schon vorstellen, dass Salinator das will. Schließlich sind die großen Tyrannen auch gefallen. Obwohl sie auch große Künstler waren, das wirst du zugeben müssen“, machte er zu Verus mit suggerierendem Nicken. “Nero und sein ästhetisches Empfinden war astrein. Und man sagt sich, Caligula konnte interessant tanzen. Sein Nicken wurde ausgeprägter.
    “Ach, es gibt viele, die herrschen können. Salinator aber ist der, der sich auf die Cohortes Urbanae stützen kann. Und den Kaiser. Der Kaiser segnet alles ab, was Salinator tut.“ Piso schüttelte seinen Kopf. Er horchte aber weiter zu und nickte dann wieder. “Natürlich braucht Rom einen starken, gesunden Kaiser. Den haben wir aber nicht. Wir müssen schauen, was wir daraus machen, dass wir keinen gesunden, starken Kaiser haben.“ Er wackelte leicht effeminiert mit seinem Kopf. “Es wäre nur zu schön, wenn man einen Vorteil aus der Krankheit des Kaisers schlagen könnte. Das kann man aber nicht! Pech für uns.“ Er zuckte die Schultern. “Römer sind wir, und so müssen wir wissen, solche Zeiten mit erhobenem Haupt zu tragen!“, machte er wie ein Echo auf Verus‘ patriotischem Reden.
    Seine Augen glühten auf. “Aurelia Prisca, ach, sie ist wundervoll. Ganz und gar wundervoll.“ Er hatte das zwar schon gesagt, aber er wurde nicht müde, dies zu wiederholen. “Wundervoll...“ Seine Augen bekamen etwas Entrücktes, fast, als ob er träumte von einem göttlichen Zauberwesen. Nun, Prisca war das für ihn. Für ihn war sie perfekt, und es machte ihn irre glücklich, von solch einer Frau geliebt zu werden.
    “Welch Glück, dass es passt“, machte er, und er meinte es. Schließlich war Piso Patrizier und Prisca Patrizierin. Die Heirat würde also standesgemäß sein. Ein Traum!
    Zu den Todeslamentierungen nickte er nur grave. Eigentlich wollte er nicht mehr viel dazu sagen. Er hatte viel zu sehr unter dem Tod seiner Schwester gelitten, als dass er das jetzt noch einmal auswalzen wollte. Denn dies wäre unschön. Piso wollte sein Leben wieder aufnehmen. Vielleicht würde es gelingen. Es wäre wünschenswert, würde es gelingen.
    “Ach, die Kanzlei ist ganz lässig. Du wirst es dort sicher mögen. Es gibt dort keinen übertriebenen Stress... die Leute sind lustig... die Arbeit ist ganz lax. Wirklich entspannender als der Cursus Honorum. Du musst nur genau das tun, was dir gesagt wird, und schon hast du ein schönes Leben.“

    Aufmerksam, mit der aufrichtigen Intention, nichts von der Zeremonie zu verpassen – schließlich wäre es vielleicht doch ein bisschen peinlich, wenn er seinen Vespasianus verschwitzen würde – stand Piso nach der rituellen Vorbereitung seines Opfers da und horchte zu. Durus begann mit seinem Gebet an Iulius Caesar, und Piso fiel auf, dass der Mann verschlief, was der Augustale ihm vorsagte. Wobei Piso sich schon fragte, wozu man einen Augustalen brauchte. Er selber hätte das Gebet ja schon auswendig gelernt – soviel Verehrung für den, der zu den Größten aller Augusti zählte, und zwar Vespasian, den Piso ja in der Form einer Marmorbüste auch in seinem Arbeitszimmer stehen hatte, müsste schon drinnen sein.
    Durus brachte das Gebet doch noch ohne Fehler zu Ende, und es war nun an... wie hieß der Typ noch mal? Genau, Bradua oder so... auf jeden Fall, wie auch immer, der spulte nun sein Gebetchen an Augustus runter. Der Unterschied zwischen seiner Vortragung und der von Durus war deutlich. Der Flavier vertrieb den Gedanken aus seinem Hirn.
    Mittlerweile spürte auch er schon den Schweiß auf seinem Rücken. Oh, welch unschöne Schweißflecken das hinten auf seiner Tunika fabrizieren würde! Ein besonders niedriger Punkt in der Ästhetik des Piso! Aber da musste er nun durch, da gab es nichts. Denn schließlich wollte man ja wie ein gewissenhafter Priester erscheinen.
    Also machte er würdige Miene, und verpasste dankenswerterweise auch nicht seinen großen Moment. Übereifrig begann er , den Text, den ihm der Augustale vorlas, besonders laut zu intonieren. Sicher würde der gute Vespasian ihn erhören – es blieb ja innerhalb der Familie.


    "O Divus Vespasianus, Schutzherr der Res Publica und des Imperium Romanum und aller Imperatores Caesares Augusti!


    Als Du noch auf Erden wandeltest hast Du die Res Publica gut geführt, die Grenzen unseres Imperium erweitert, unser Reich von den Wirren blutiger Bürgerkriege befreit und die Finanzen des Reiches wiederhergestellt! Auch vom Himmel herab schenkst Du unserem Staat Huld und Segen und mehrst unsere Macht!


    Nimm unser gerechtes Opfer, diesen makellosen, weißen Stier an, das wir Dir, die wir Dir stets makellose und gerechte Opfer darbringen, am heutigen Tage anempfehlen! Segne unseren geliebten Princeps, den Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus! Schenke ihm Weisheit, Kraft und Stärke um seine Aufgabe zu erfüllen! Steh ihm bei als himmlischer Ratgeber und schenke ihm ewigen Sieg, wie er auch Dir zuteil wurde, aufdass der Staat gedeihe und wir Dir auch in Zukunft gerechte Opfer darbringen mögen zu Deiner Ehre und Nahrung!"


    So, geschafft! Ohne auch nur den geringsten Fehler. Na, was sagte man denn dazu? Das bewies doch nur, wie eh schon immer, das Piso der Größte war. Mit einem unglaublich selbstgefälligen Gesichtsausdruck sah er hinüber zu seinem Nebenmann, der nun Titus anrief – gut, dass er zu beschäftigt war mit dem Gebet, um Pisos aufgeblasenes Geschaue zu sehen.

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Acanthus, für den es sehr normal war, Leute anzuschnauzen, und bei dem Nettigkeit gegenüber Besuchern die Ausnahme war – mit der Ausnahme von Kindern, Kinder mochte Acanthus, der hinter der Fassade des grantigen Türwächters eigentlich ein sehr umgänglicher Mensch war – verdaute die Worte des Sklaven kurz, bevor er zu der jungen Frau, die, wenn er sie so anschaute, doch ein bisschen weniger herausgeputzt erschien als eben noch vorhin, hinblickte. Er nickte. Tatsächlich, Termin. Das stimmte sogar. “Domina, tritt ein. Rechter Fuß zuerst, wenn ich bitten darf.“ Schließlich brachte es unbeschreibliches Unglück, wenn man mit dem linken Fuß zuerst eintrat, das wusste jedes Kind in Rom! Nicht zuletzt dazu war der Ianitor da, nämlich um dazu zu schauen, dass die Besucher nicht mit dem falschen Fuß ins Haus traten. “Phoebus hier wird dich zu Herrn Piso führen.“ Ein kleiner Knabe erhob sich wortlos, verbeugte sich und führte Corona ins Haus.

    Das Arbeitszimmer des Piso, welches man wohl als Tablinium bezeichnen konnte, wiewohl er selber das Wort Officium bevorzugte – es klang so schön offiziös – war ein Zimmer, in dem ein wenig Ruhe eingekehrt war. Die Liste war ausgearbeitet, die in letzter Sekunde nachgeschickte Liste aus Ostia war integriert worden, und Piso hatte wieder ein bisschen Luft zum Atmen. Das zelebrierte er folgenderweise: indem er überkanditelte Kleidung trug, sich jeden Morgen seine Frisur pingeligst genau machen ließ, ausführlich den Laren und Penaten opferte, sich regelmäßig mit einer kleinen Brise von Duftwässerchen einsprenkelte, und nun wieder vermehrt Wein trank, das Lieblingsgetränk aller Römer, war es doch viel besser als Essigwasser – schließlich gab es kaum Wasser, das man so an sich trinken konnte.
    So saß er in seinem Officium hinter seinem prunkvollen Schreibtisch, die Füße hatte er seitlich auf einen Hocker hochgelagert, und auf seinen Stuhl zurückgelehnt, schwenkte er in seiner rechten Hand einen Becher Wein herum, während er hie und da anerkennend der Monumentalbüste des Kaisers Vespasian zunickte, welche in seinem Arbeitszimmer stand. Endlich wieder Ruhe. Keine Hektik mehr. Seine Amtszeit ging zu Ende. Er hatte seine Aufgaben gemacht, und musste sich jetzt nur noch mit jungen Plebejern und Peregrini herumschlagen, die unbedingt in die Tempelverwaltung gehen wollten.
    Auch jetzt erwartete er wieder eine Frau, eine Iulia. Ob sie wohl hübsch war, dachte sich der Schöngeist, als er sich einen minimalen Schluck von seinem Wein gönnte. Irgendwoher kannte er den Namen, nur war er sich nicht recht sicher, wo er ihn gehört hatte.
    In diesem Moment ging die Türe auf, und Phoebus trat ein. Eine Verbeugung. “Herr, die ehrenwerte Iulia Corona!“ Er verzupfte sich und schloss die Türe hinter sich. Piso hob seine rechte Augenbraue, bevor er auf seiner Stirn wieder ein Äquilibrium herstellte. Hübsch war sie schon. Niemals so sehr wie Prisca, aber trotzdem. “Salve, Iulia. Setz dich doch. Wein?“ Er beugte sich nach vorne, die linke und freie Hand auf dem Tisch aufstützend, und musterte die junge Dame. “Sag, ich kenn dich doch. Hmm. Du warst doch auf der Bücherverbrennung damals, oder?“

    [Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpgAcanthus


    Acanthus fuhr auf, als jemand laut an die Porta klopfte. Eilig rannte er zur Porta hin und riss sie auf. “He du!“, blaffte er den Jüngling an, der vor der Türe stand. “Pass doch auf! Mach die Tür bloß nicht kaputt!“ Wobei Acanthus, und das musste er sich selbst gegenüber zugeben, übertrieb. Schließlich war dieser junge Hüpfer da wohl kaum in der Lage, einen Strohhalm zu biegen mit seiner zarten Erscheinung
    “Was willst du hier?“, fuhr Acanthus also mit einem ein kleines bisschen versöhnlicheren Brummeln fort. Denn sicherlich war der Typ, ein Sklave wohl, nicht hierher gekommen, mit der expliziten Absicht oder Anweisung, die Tür zu Kleinholz zu verhacken.

    Piso zuckte die Schultern. “Natürlich nicht. Aber bei dir hat die Arvalbruderschaft die Gewissheit, dass du normalerweise involviert bist.“ Der Kaiser würde einen weiteren Titel bekommen, das damit verbundene Amt weiterhin nicht ausüben, und damit würde die Geschichte sich erledigt haben. Wobei, natürlich war es nett, einem elitären Zirkel anzugehören, wo auch der Kaiser dabei war...
    “Eine Contio käme mir gelegen, wann auch immer du bereit wärst. Sagen wir, heute in einer Woche? Es fragt sich nur, wer das Organisatorische übernehmen soll. Du hast das ja das letzte Mal gemacht...“ Bis jetzt war Durus ja immer der Vize bei den Arvalbrüdern gewesen.