Piso zuckte die Achseln, als Flaccus die Verwandtschaftsverhältnisse ansprach. In der Villa Flavia nahm niemand das allzu genau. Hier nannte er auch Furianus seinen Vetter, obwohl er in Wirklichkeit sein Neffe war. Allerdings war der Altersunterschied dergestalt, dass Furianus leicht und locker ein Onkel sein könnte, aber nicht unbedingt ein Vater, von Piso. Er hörte sich aufmerksam das an, was Flaccus ihm über sich selber erzählte, und lächelte ebenfalls leicht, als er ihm sagte, dass sein Verhalten manchmal unangepasst erschien. Das war eigentlich ziemlich normal für einen Flavier, dachte Piso sich in einem Anflug von Selbstironie, und wollte schon auf die von seinem Neffen, Vetter, was auch immer gestellte Frage antworten, da trat Gracchus auf. Piso wandte seinen Kopf in dessen Richtung. “Salve, Gracchus!“
Gracchus freilich ließ er gerne reden. Piso hatte ein riesiges Ego, aufgebläht wie ein Schweinemagen, aber dennoch war er der festen Meinung, es gäbe einen Mann auf dieser Welt, der ihn in allem überlegen war – Gracchus. Das dachte er nicht einmal von Furianus, obwohl dieser jener war, der bei Piso am meisten ein Gefühl von Respekt, wenn nicht gar Furcht erzeugte.
So beschied er sich erst einmal mit der Rolle des Zuhörers. Flaccus erzählte von seiner Mutter – wenn Piso sich richtig entsann, eine Aemilierin, eine Angehörige eines uralten Geschlechtes, von dem man heutzutage aber nicht mehr allzu viel hörte im Senat, auf der Rostra oder im Götterkult.
Was Flaccus bei Piso schon vorher angedeutet hatte, machte er nun deutlich: er wollte Karriere machen. So war der Grund, vom Tode seines Vaters zu berichten, wohl nur ein vordergründiger Vorwand, um nach Rom zu kommen. Aber es war verständlich – ein junger Mann von noblem Blut wollte unter Garantie nicht in der Provinz versauern. Piso nickte dazu, als Gracchus Flaccus versicherte, dass ihn alle Flavier unterstützen würden.
Gracchus sprach die Möglichkeit eines Tirocinium Fori an, und Flaccus schien gut darauf anzusprechen. Jetzt sah Piso die Möglichkeit gekommen, wieder etwas zu sagen.
“Ich glaube, dass solltet ihr beiden nun doch erfahren: ich selber habe vor, bei jenen Wahlen, die Gracchus angesprochen hat, als Quaestor zu kandidieren. Eine Quaestur ist der letzte Schritt zum Senat, einmal für einen Patrizier... also kann es wohl sein, dass ich in etwas mehr als einem Jahr schon Senator bin.“
Piso grinste, während er an diese Möglichkeit dachte. “Ich wollte es heute noch Furianus sagen...“ Aber bislang war dieser noch nicht aufgekreuzt. Tja.
“Ich weiß jetzt nicht, wie nützlich ein Tirocinium Fori ist, bevor du den Ordo Senatorius hast. Allerdings kannst du es machen bei jemanden, der dir zur Belohnung für deine Dienste zum Weg in diesen Stand verhilft.“
Nun entschloss sich Piso, konkret auf die Frage des Flaccus einzugehen. “Deine nächsten Schritte... ich würde sagen, es liegt an dir. Ich selber habe meine ersten Schritte in meiner Karriere an der Kanzlei gemacht, also in einer Ritterdomäne. Man hat mir diesen etwas unüblichen Weg doch etwas übel genommen, fürchte ich, ich habe mich deswegen auch vorm Senat verteidigen müssen.“
Er überlegte. “Was also in Frage käme, wäre ein Tirocinium Fori, beziehungsweise, eine Sekretärtätigkeit – oft ist beides verknüpft miteinander – bei einem einflussreichen Senator. Ich könnte dir ja, wenn du willst, einmal meinen Patron vorstellen, Purgitius Macer, er verhalf mir auch in den Ordo Senatorius. Er ist ein Plebejer, aber sehr mächtig, und durch seine Heirat mit einer Tiberia mit den patrizischen Gentes verbunden. Andere sehr einflussreiche Senatoren wären zum Beispiel Tiberius Durus, Annaeus Modestus, Vinicius Lucianus...“ Er kam ins Stocken, als er überlegte, ob er Aurelius Corvinus inkludieren sollte. Diese präpotente Flasche? Nein. Und würde er die Germanicer vorschlagen, würde er wohl von Furianus ermordet und in kleine Stücke zerhackt werden – nicht einmal notwendigerweise in dieser Reihenfolge.
“Eine andere Art und Weise, wie du ins Gesellschaftsleben einsteigen könntest, das wäre natürlich der Cultus Deorum, der Götterkult... Gracchus als Pontifex, und ich als Septemvir, wir könnten dir sicherlich einen Einstieg in die Materie vermitteln!“