Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Ad
    M Decimus Mattiacus Tribunus Cohortis Urbanae
    Castra Praetoria
    Roma
    Italia


    Salve Tribun, anbei der Bericht der Kerkerinspektion.


    A Flavius Piso


    Inspektion der Kerker der Cohortes Urbanae, Aprilis DCCCLX A.U.C.


    Durchgeführt von Tresvir Capitalis A Flavius Piso; Führung durch Tribunus M Decimus Mattiacus


    Die Kerkerführung setzte sich zusammen aus einem vorangehenden Gespräch über die Situation des Kerkers im Allgemeinen und erst danach der eigentlichen Kerkerführung. Die Zellen waren zu ungefähr zwei Drittel gefüllt, und zwar waren die Insassen fast ausschließlich Vagabunden, Randalierer und sonstige Kleinkriminelle, die mittels Exekutivmacht gemäß den 12 Tafeln und der Lex Aquilia festgehalten und abgestraft wurden. Trotz des Umstandes, dass die Verbrecher hier nicht lange leben, fiel die Sauberkeit der Zellen und die Absicherung des Kerkers sehr positiv auf.
    Die meisten Verbrecher bleiben höchstens 2 oder 3 Tage bei den Cohortes Urbanae, wenn sie länger bleiben, liegt dies daran, weil ihre Verwandten nicht zahlen können für sie. In jenem Fall werden die Gefangenen ausreichend verpflegt und sorgfältig überwacht, sodass Ausbrüche unmöglich werden.
    Obwohl der Kerker gut besetzt war, war er nicht überfüllt, und die Zellen machten einen guten, stabilen und hygienischen Eindruck. Alles in allem ist nichts Negatives über die Kerker der Cohortes Urbanae zu berichten.

    Inspektion der Kerker der Cohortes Urbanae, Aprilis DCCCLX A.U.C.


    Durchgeführt von Tresvir Capitalis A Flavius Piso; Führung durch Tribunus M Decimus Mattiacus


    Die Kerkerführung setzte sich zusammen aus einem vorangehenden Gespräch über die Situation des Kerkers im Allgemeinen und erst danach der eigentlichen Kerkerführung. Die Zellen waren zu ungefähr zwei Drittel gefüllt, und zwar waren die Insassen fast ausschließlich Vagabunden, Randalierer und sonstige Kleinkriminelle, die mittels Exekutivmacht gemäß den 12 Tafeln und der Lex Aquilia festgehalten und abgestraft wurden. Trotz des Umstandes, dass die Verbrecher hier nicht lange leben, fiel die Sauberkeit der Zellen und die Absicherung des Kerkers sehr positiv auf.
    Die meisten Verbrecher bleiben höchstens 2 oder 3 Tage bei den Cohortes Urbanae, wenn sie länger bleiben, liegt dies daran, weil ihre Verwandten nicht zahlen können für sie. In jenem Fall werden die Gefangenen ausreichend verpflegt und sorgfältig überwacht, sodass Ausbrüche unmöglich werden.
    Obwohl der Kerker gut besetzt war, war er nicht überfüllt, und die Zellen machten einen guten, stabilen und hygienischen Eindruck. Alles in allem ist nichts Negatives über die Kerker der Cohortes Urbanae zu berichten.


    Inspektion der Kerker der Vigiles, Martis DCCCLX A.U.C.


    Durchgeführt von Tresvir Capitalis A Flavius Piso; Führung durch Centurio L Eprius Seleucus


    Die Inspektion der Kerker der Vigiles fand statt zu einem Zeitpunkt, wo nur ein Centurio als Ansprechpartner zu erreichen war, wiewohl jener imstande war, die nötigen Informationen akkurat und zuverlässig zu geben. Die Insassen des Kerkers der Vigiles beinhaltet eine breit gestreute Auswahl – zum einen gibt es dort Kleinverbrecher, die ein paar Tage einsitzen, zum anderen auch Gefangene, denen sehr schwere Verbrechen vorgeworfen werden. Diejenigen, die Schwerverbrechen bezichtigt werden, sitzen bis zu 3 Monate ein, bis das Verfahren beginnen kann. Jedoch ist ausreichend für das Befinden der Gefangenen in den Kerkern gesorgt. Eine innovative Freizeitgestaltung ermöglicht es den Gefangenen, Bewegung zu erhalten und sinnvolle Arbeit zu vollbringen.
    Die Zellen sind zufriedenstellend hygienisch, jedoch sind manche mit Schmierereien überzogen, welche aber nicht auf das Verschulden der Vigiles zurückzuführen sind. Das Kerkerpersonal erscheint kompetent und diszipliniert.
    Allerdings scheinen die Vigiles an sehr starkem Personalmangel zu leiden. Der Umstand, dass der Präfekt nicht anwesend war, hatte die Vigiles, die derzeit kaum Tribune und keinen Subpräfekten haben, führungslos hinterlassen. Es ist unbedingt von Nöten, dass das Personal aufgestockt wird, sodass die gute Qualität der Kerker der Vigiles auch weiterhin gewährleistet bleibt.


    Er schaute sich die beiden Briefe an, die er nun in seiner Hand hielt. Er hatte sie gerade Bridhe diktiert, und sie sahen tadellos aus. Ja, er könnte sie abschicken, was er auch gleich tun würde. Zuerst noch musste er etwas dazuschreiben, dann ging es los.

    Piso war schon wieder froh, dass er aus den Kerkern hervorkommen konnte. Er hätte es dort nicht mehr länger ausgehalten. Wie gut, dass er sich nun an einem weitaus zivilisierteren Platz aufhielt als vorher! Irgendwie kam ihm jetzt sogar schon das Soldatenlager um vieles besser vor als vorher. Ja, wie gut es doch war, an der Oberfläche zu leben.
    Ihm wurde ein Platz, gar Wein angeboten. Piso musste da ernsthaft nachdenken. Er würde wirklich fürchterlich gerne. Allerdings hatte er heute noch einiges zu tun. Er musste sich für seine Arbeit entscheiden, so Leid es ihm tat.
    “Also, danke für dein Angebot, aber ich muss jetzt leider wirklich gehen. Die Sonne steht schon tief am Himmel, und ich muss unbedingt heute noch einiges an Arbeit vollbringen. Es tut mir wirklich Leid, aber es würde mich enorm freuen, wenn wir das mit dem Wein trinken später einmal fortsetzen könnten. Was würdest du davon halten?“, fragte er. Ihn selber würde es durchaus nichts ausmachen, im Gegenteil, er mochte den aufgeweckten Advokaten Mattiacus.
    “Auf jeden Fall, ich muss wirklich jetzt gehen. Danke vielmals für den Rundgang. Ich werde dir dann auch meinen Bericht darüber zuschicken, ja? Auf jeden Fall, ich muss jetzt unbedingt los. Vale bene, Decimus.“ Es zog ihn eigentlich schon wieder raus, so weit weg vom Kerker wie nur möglich.




    Auch der Centurio konnte keine befriedigende Antwort abliefern, also blieb Piso nichts anderes übrig, als seine Schultern zu zucken deswegen. Es war jetzt sowieso die Führung zu Ende, und kurz darauf erreichten der Vigintivir und der Centurio das Haupttor. Piso bedankte sich noch einmal recht herzlich, verabschiedete sich und ging ab.



    Inspektion der Prätorianerkerker, Martis DCCCLX A.U.C.


    Durchgeführt von Tresvir Capitalis A Flavius Piso; Führung durch Centurio L Quintilius Valerian.


    Die Kerkerführung erwies sich nicht zur Gänze als aufschlussreich, da sich zur Zeit offenbar keine Gefangenen bei den Prätorianern befinden, was sich im Sommer wohl aber anders verhält. Die leeren Zellen machten allerdings einen sauberen Eindruck, wiewohl er genug abschreckend ist, um den Verbrechern dieser Stadt ein Exempel zu bieten. Zudem schien die Bewachung gründlich und kompetent. Die durchschnittliche Zeit, die ein Gefangener in den Kerkern verbringt, liegt bei höchstens einem Monat, was sich im akzeptablen Zeitrahmen befindet.
    Was allerdings bemängelnswert ist, ist die Nahrungsversorgung. Als Anschauungsbeispiel wurde verdorbene Ware vorgezeigt, die jegliche Essbarkeit verloren hatte.
    Fazit: Ein ordentlich und straff geführter Kerker, der das erforderliche Maß an Hygiene erfüllt und dessen Bewachung beispielhaft ist. Verbesserungswürdig jedoch ist die Qualität des Essens, sowie die Auslese, welches als Musterbeispiel präsentiert wurde, repräsentativ ist.


    Balbus,
    ich erhielt von deinem Centurio Quintilius die Anweisung, dir eine Abschrift meines Berichts über die Prätorianerkerker zu liefern. Hier ist der Bericht, wie gewünscht.


    Mit freundschaftlichen Grüßen,
    Piso

    Piso fuhr sich mit der Hand, ein wenig gedankenabwesend, ans Kinn, und begann es zu knubbeln. Natürlich würde ihm das nichts bringen, aber wenigstens sah es halbwegs nachdenklich aus, verdeutlichte, dass er sich Gedanken machte. Vor allem um Archias. Seiana beteuerte zwar, dass er dies sicher nicht als nette Geste gemeint hatte. Und trotzdem, Piso war innerlich nicht wirklich überzeugt. Archias hatte hie und da enorm verrückte und zudem leicht abstruse Ideen, die auch verletzen konnten dann und wann – wie er es später noch erfahren würde, wenn Archias ihm erzählen würde, er hätte ohne ihn geheiratet.
    So blieb er regungslos, nachdem sie gesprochen hatte, verdeutlichte seine Gefühle nicht durch irgendeine Regung, egal ob negativ der positiv. Er blickte nur weiterhin auf Seiana, als diese begann, ihm ihren Blick der Dinge klar zu machen. Dass Politiker was anderes als Frauen waren, war ihm schon klar, sonst hätte er nicht gesagt, was er eben gesagt hatte. Er verstand ihren Standpunkt ja, aber er hatte keine Ahnung, ob ein Prätor es verstehen würde. Er dachte kurz an den Mann, der in ein paar Tagen zum Praetor Urbanus ernannt werden würde. Annaeus Modestus. Modestus hatte auf ihn einen guten Eindruck gemacht, es war ein angenehmer Zeitgenosse mit einem sehr scharfen Verstand. Nur, würde er Seiana verstehen? Piso wusste es nicht. Zwar war sie natürlich, was Juristerei anging, bei ihrem Onkel Mattiacus in guten Händen. Vielleicht würde er das Gesetz angemessen verdrehen können? Doch Beleidigung war für Piso eher, wenn man jemandem direkt etwas ins Gesicht sagte. Und üble Nachrede, nein.
    Er bemerkte eben erst jetzt, dass er unwillkürlich nicht mehr in Seianas Augen geblickt hatte, sondern seinen Blick sinken lassen hatte bei seinen Gedanken. Hastig blickte er wieder auf. “Was ich denken würde? Hmm, möglicherweise das selbe wie das, was du mir gesagt hast. Möglicherweise aber auch nur reine Wohltätigkeit gegenüber den Armen. Und, genau! Hat dein Onkel Livianus nicht als Consul kandidiert? Das ist es. Ich denke, am Ehesten hätte ich gedacht, dass du damit den guten Namen deiner Gens ausbauen wolltest, um damit Decimus Livianus zu helfen!“ Er hatte seine Stimme erhoben, als ihm der Gedanke gekommen war, nun ließ er sie wieder sinken. “Als Politiker zumindest. Als Politiker hätte ich das gedacht.“ Je mehr er darüber nachdachte, desto hoffnungsloser kam ihm ihr Fall vor, zumindest vor Gericht.
    Als er ihr sein Versprechen gegeben hatte, bedankte sie sich. Nicht nur das, sie verwendete auch seinen Cognomen. Piso lächelte leicht. “Gern. Gerne, Seiana.“ Natürlich würde er es nicht als seinen Lohn sehen, sie wieder lächeln zu sehen. Vielmehr wusch, wie immer in Rom, eine Hand die andere... doch Seiana musste von seinen Plänen nichts wissen.
    “Ich schätze, das war nun alles?“, machte er klar, dass er noch recht viel Arbeit hatte. Er musste noch zwei Berichte schreiben, und zwar schleunigst.




    [SIZE=7]EDIT: Sig[/SIZE]

    Ja, Piso versuchte, den Vorfall zu überspielen, aber wie sollte er das überzeugend tun, wenn jener ihm im Kopf herumgeisterte? Ständig fühlte er es in sich wieder und wieder auftauchen, dieses Gefühl, wundervoll, und traumhaft, Priscas Lippen... genauso abgehackt, wie Piso gesprochen hatte, nickte er, als Corvinus ihm den Termin bestätigte. Sein Kopf fühlte sich an, als ob er voll wäre mit lauter kleinen Glasscherben. Ob es sonst noch was gäbe? Piso schüttelte den Kopf. “Nein. Das war alles. Vale bene, Aurelius.“ Mit diesen Worten drehte er sich weg und begab sich fort, hinaus aus diesen verfluchten Garten. Ins Atrium. Und durch die Porta heraus.
    Der Sklave, der ihm bis zur Porta folgte, den hatte er überhaupt nicht bemerkt. Wie auch. Vor seinen Augen war alles nur noch wie ein Schleier von Rauch, der ihm die Sicht versperrte. Irgendwie war alles so schlecht, so schlimm gelaufen. Wie ein Betrunkener begann er zu taumeln, als er endlich die Gefilde der Aurelier verlassen hatte, durch die Massen Roms hindurch, hinweg nach Hause, wo er den Schatten, der sich statt der Sonne in sein Herz begeben hatte, irgendwie zu unterdrücken versuchen würde. Vielleicht würde er hierzu Wein verwenden. Ja, das mochte eine gute Idee sein, sich eingraben und Wein saufen, um das ganze verdrießliche Dasein seiner Person zu vergessen.
    Am nächsten Tag würde er dann auch schon der Venus opfern, sich aber nach ihrem angenommenen Opfer umso mieser fühlen. Aber das war auch schon wieder eine andere Geschichte...

    Kein Wein für Seiana? Oh. Na gut, dann halt nicht, dachte er sich. Wein gespart. So schlecht war das ja auch nicht, nachher hatte er also einen Becher mehr zu trinken. Warum aber befriedigte dieser Gedankengang ihn nicht zur Fülle? Er hatte keine Ahnung, vermutlich hing es damit zusammen, weil ihm Seiana wirklich von Herzen Leid tat, auch wenn er dies aus Loyalität zu Archias bei sich behalten würde. Er konnte sich vorstellen, wie es als Frau war, sitzengelassen zu werden, war es als Mann doch schon so schwierig. Das war wirklich nicht schön gewesen von Archias.
    Und doch, er konnte seine Neugierde nicht zurückhalten, und eben deshalb fragte er sie diese Fragen. Er wollte einfach eine Übersicht über die Faktenlage erhalten, und als die Decima anfing, zu erzählen, stützte er seine hand am Kinn auf und hörte aufmerksam zu. Ein Verlobungsgeschenk also? Komisch, Piso konnte sich nicht erklären, warum Seiana Geld dafür zahlen wollte. Nun, vermutlich, weil sie nicht wollte, dass Archias darin eine Art Kompensation sah für das, was er getan hatte. Und so hatte sie es ihm auch abgekauft.
    Und dann das mit den Broten. Piso runzelte seine Stirn. Das ergab jetzt gar keinen Sinn. Er konnte ihre Argumentation so halbwegs nachvollziehen, aber trotzdem fand er es recht eigenartig.
    “Äh... vielleicht war es ja als eine Art von versöhnlicher Geste gemeint? Vielleicht hat er gar nicht gedacht, dass es bei dir so ankommen würde, und hat gedacht, du würdest dich freuen?“, versuchte er seinen aelischen Freund zu verteidigen. Dann kratzte er sich am Kopf, als er nachdachte.
    “Was den rechtlichen Weg angeht... nun, ich kann dir persönlich nicht sagen, ob du damit weit kommen würdest. Es gibt eine Provision für Beleidigungen, ja. Und es gibt üble Nachrede. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Archias‘ Geste von irgendjemandem als Beleidigung gesehen werden würden. Die Prätoren sind Politiker. Sie beziehen ihren Erfolg daher, weil sie sich mit dem Volk gutstellen, und zwar auch oft durch Brotspenden. Ich denke nicht, dass ein Richter darin etwas Beleidigendes sehen würde. Viel eher wird er es mit Positivem verbinden.“ Er schüttelte den Kopf, und blickte Seiana in die Augen. “Ich verspreche es dir – ich werde mit ihm reden, und dafür sorgen, dass er dich von nun an in Ruhe lassen wird.“

    Zitat

    Orginal von Flaviana Brigantica


    Kaum hatte er seine Ausführungen beschlossen, fing er, was eigentlich keiner weiteren Erklärung bedurfte, wieder an zu pfeifen. Er liebte es, zu pfeifen, selbst wenn andere es nicht liebten. Er war fast so schlecht im Pfeifen wie im Singen. Mittlerweile, einer recht nachdrücklichen Mahnung von Lucius Furianus zufolge, ahtte er siene öffentlichen Auftritte aufgegeben. Doch im Privaten konnte er tun und lassen, was er wollte. Zumindest im Halbprivaten, welches dieses Officium durchaus darstellte, war es durchaus nicht so, dass man sich um die Öffentlichkeit scheren musste, zumindest, wenn man mit seiner Privatsekretärin alleine hier war. Bei der Überlgung konnte man fast schmutzige Gedanken kriegen... aber gut, dass Piso wohl erzogen war.
    So ließ er sie arbeiten. Er ließ das Gekratze der Feder auf dem Pergament in sienen Ohren widerklingen, während er derweil ein paar Pergamente sichtete. Plötzlich jedoch hörte er eine Frage. Mehr beslutigt als verärgert drehte er sich zu Bridhe hin und blickte sie an.
    “Löblich, löblich.“ Sein Lächeln wirkte ein bisschen undurchsichtig, nicht gehässig, aber leicht kurios. “Wie macht man es dann in Hibernien? Werden dort allen Verdächtigen der Kopf abgehackt, dass ihre Leiden verkürzt werden?“ So hielt man es ja in Parthien, wie er gehört hatte. Wie das auf der Nachbarsinsel der britannischen Provinz macht, vermochte er nicht einzuschätzen. Vermutlich auch nicht anders. Er war ja schon gespannt, wie die Antwort lauten würde – und zwar nicht nur als enthologisch interessierter Mann, sondern auch als Anwalt. Denn vielleicht könnte man was komplett Neues lernen. Wer wusste es denn schon? So engstirnig und uneinsichtig war Piso schon nicht. Aber er erwartete sich auch, dass man solch trotzige Ansagen auch mit Argumenten untermauern konnte. Eine Frage des Geschmack klarerweise war dies ja nicht, sondern eine Frage juristischer Dimension.


    [SIZE=7]Kleine Ausbesserung[/SIZE]

    Piso blickte Archias ein paar Sekunden lang kritisch an, als dieser noch mehr zusammenzuschrumpfen schien ob der Last der harschen Worte, die auf ihn aus patrizischem mund herabprasselten. Dann zuckte er einfach nur die Achseln, ein Ja unterdrückend. “Ist jetzt schon geschehen.“ Er hatte es jetzt satt, wollte es gut sein lassen für heute. Zumindets für die nächsten paar Minuten. Er wollte nicht mehr daran denken.
    Viel lieber dachte er an die Zukunftsaussichten, die Archias ihm prophezeihte, und dieses Mal lächelte er sogar. “Vielleicht, vielleicht... aber für eine Frau ist das alles ganz anders, glaube ich mal. Die will keine Leibsklaven und Wächter und Calatores, sondern ihren Spaß haben. Was glaubst du, weshalb es keine Frauen im Senat gibt?“ Zugegeben, die Argumentation war schwach, aber zu Hochgeistigem war der Flavier heute nicht mehr fähig. “Drei? Ja, klingt besser...“ Er zuckte abermals die Schultern, und runzelte die Stirne, als Archias zugab, schon eine Ehekrise gehabt zu haben. Noch bevor er irgendjemanden überhaupt von der Ehe erzählt hatte! Das war ja was! Insgeheim nahm sich Piso vor, die Tage zu zählen, bis die Ehe wieder in der Regia ausgetragen werden würde. Aber so etwas musste er ja nicht laut sagen.
    Er kniff die Augen zusammen, und hörte sich genau an, was Archias zu sagen hatte. Als der Aelier damit zu Ende war, ihm ins Ohr zu wispern, runzelte Piso seine Stirn. “Und das hilft? Na ja, vielleicht hilft es. Ein paar Tage lang. Und dann kommt er wieder damit! Ich meine... man muss ihn bestrafen dafür. Man muss ihn... erziehen. Wenn du ihm so kommst, denkt er, er kann sich alles erlauben!“ Piso hielt das nicht nur für eine schlechte Idee, sondern sogar für die ziemlich schlechteste, die Archias hätte erfinden können. Für ihn im Inneren war das Aushebeln des Ducciers noch immer die besten Lösung – solange man sich dabei nicht erwischen ließ. “Ich meine, er hat dein Kind getötet, oder halt töten lassen. Dein Kind! Denk mal!“ Er war besorgt um Axilla, ja. Und er war nicht fähig zu begreifen, warum sie zu doof war, um die Gefahr zu sehen.
    Wie das Gesprächsthema auf Prisca kam, sah Piso eindeutig, wie wenig enthusiastisch Archias darauf reagierte. Ihm schien das gesamte Gesicht runterzuhängen. “Ich weiß ja! Ich weiß ja! Aber ich kann nichts dafür! Und... ich meine, du kennst sie ja gar nicht. Sie ist so etwas von genial, und süß, nicht zu glauben!“ Er schüttelte ganz ungläubig seinen Kopf. “Du musst sie mal kennen lernen... na ja, du müsstest sie kennen lernen! Du wirst kaum glauben, das es eine solche Art von Frau heutzutage noch gibt!“
    Er nickte. “Ja, Seianas Patron, genau der. Also, was geschehen ist... nun ja... ich habe sie geküsst. Prisca. Und der Kerl hat uns in flagranti erwischt... so eifersüchtig war der, nicht zu glauben! Ich meine... das ist so eine Oberzicke! So eine blöde Kuh, dieser Aurelier!“ Dass er Schimfpwörter für das falsche Geschlecht anwendete, fiel ihm nicht weiter auf, gegenteilig kamen sie ihm am Angemessensten vor für diesen uneinsichtigen Stümper.
    Und wieder nickte Piso, als Archias nachfragte. “Ja, Archi. Sie ist zu mir ins Officium und... naja, ausgeheult ist ein bisschen stark. Aber sie hat unglücklich gewirkt. Sie hat mir echt Leid getan. Angeblich hast du einen Brotanbieter vor ihrem Haus stationiert, der ihren Namen rumgebrüllt hat. Also, ich habe folgende Bitte. Lass sie sein, habe nie mehr Kontakt mit ihr, scher dich nicht mehr um sie. Bitte. Denn wenn du das nciht mehr tust, dann wird sie wohl auch zu ihrem Patron gehen können, müssen, wie auch immer, und ihm erzählen, was für ein guter und seiner Nichte würdiger Mensch ich bin! Ist doch ein Plan, oder?“ Er würde in der Angelegenheit, wenn er es müsste, sowieso noch alles in Rom ins Rennen schicken, was er kannte und was laufen konnte. Es war gut, wenn man auch ein paar nicht komplett einflusslose Vetter hatte.

    Archias begann auf einmal sehr verwundert dreinzuschauen, als ob der Flavier ihm erzählt hätte, er wäre ein lustiges grünes Männchen in einer fliegenden Untertasse. Was war jetzt bitte so seltsam? Er hatte Archias doch lang und breit erzählt, was... äh, halt. Hatte er nicht. Aber der Aelier hatte doch gesagt, dass... was hatte er eigentlich gesagt? Piso konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Nur, das wusste Piso, er hatte Archias nie explizit erzählt, was zwischen ihm und Archias‘ jetziger Frau passiert war. Nun, es wäre ja nicht passiert, wenn Archias sie schon zureichend demarkiert hätte! Also halt verlobt. Aber damals war Archias ja noch mit Seiana verlobt gewesen... das hieß also... er hatte Seiana hintergangen und ihr dann den Laufpass gegeben? Sollte es nicht andersrum sein? In ihm erwachte eine Art anwaltliches Gefühl für Seiana. Er musste sich für ihre Interessen einsetzen. Dass dies nicht ohne Preis für Seiana sein würde, war klar. Aber es dürfte sich lohnen.
    So sagte er nichts. Er schwieg nur. Archias wusste, wie die Antwort lautete.
    Noch einmal versuchte Archias sich an einer Entschuldigung, und Piso entgegenete sie ihm mit einem langen Blick. Bevor er dann seufzte. “Was getan ist, ist getan, nicht wahr? Aber trotzdem, ich verstehe es nicht, kann ich einfach nicht. Ich meine... das war so was von unmöglich von dir, das kannst du dir kaum vorstellen!“ Der Patrizier schnaufte aus und schüttelte seinen Kopf. Für ihn war Archias‘ Aktion idiotisch gewesen. Aber seine Freundschaft wollte er jetzt doch nicht aufs Spiel setzen. Nicht einfach so. Also verbiss er sich einen weiteren Kommentar und blickte nur auf den Boden. Aufs Opfer ging er erstmal gar nicht ein.
    Das Thema kam aber nun auf etwas anderes, nämlich den Germanen. Längst schon hatte Piso jegliche vernünftige Zweifel daran, dass es der Duccier gewesen war, hinter sich gelassen. “Fünf? Fünf Leibwächter? Ist ja klar, dass sie das nicht will! Und sie scheint ja auch nicht einzusehen, dass der Duccier es wieder versuchen wird! Und nein, das kannst du echt nicht machen. Damit ist eine Ehekrise schon vorprogrammiert.“ Er beugte sich etwas näher zu Archias hin. Seine Stimme wurde leiser. “Das, was ich dir einmal gesagt habe... also, dass du diesen Vala einfach aus dem Spiel nimmst... hast du dir das nochmal durch den Kopf gehen lassen? Denn das würde die Wurzeln des Problemes lösen.“ Ein Flavier dachte nie sonderlich lange nach, bevor er solche Optionen erwägte, das mochte im familiären Blut begründet sein.
    Archias schien dann aber heillos überfordert mit den Informationen, die ihm Piso gab. Der Flavier seufzte. “Also. Zuerst mal, bin ich froh, dass ich bald mit meinem Vigintivirat zu Ende bin... das schlaucht vielleicht. Weißt du, dass ich mir jetzt eine Scriba genommen habe? Bridhe heißt die. Hibernierin. Jetzt komme ich also endlich mit meinem Papierkram vorwärts.“ Er schnaufte. “Und dann ist da noch das Priesteramt... muss ständig rumhetzen und opfern. Das macht mürb, sag ich dir. Zweitens, das mit der Verliebtheit. Hast du richtig gehört. Ich habe mich verknallt.“ Er senkte seinen Blick wiederum. “Wenigstens war ich dieses Mal nicht mehr so bescheuert, mir eine Plebejerin anzulachen. Ne... ist eine Patrizierin. Ihr Name ist Aurelia Prisca.“ Seine Augen bekamen etwas von einem warmen Leuchten, als er ihren Namen aussprach. “Findest du nicht, dass der Name klingt wie der einer Blume? Hach...“ Eine Sekunde lang grinste er zufrieden, dann verzog sich sein Gesicht zu einem Ausdruck tiefster Verzweiflung. “Aber sie hat da einen Tutor, und er hasst mich! Er denkt, ich bin nciht gut genug für sie, obwohl er selber eine Flavierin als Frau hat, ich könnte putzverrückt darüber werden! Sein Name sagt dir sicher was... Aurelius Corvinus. Genau der, in dessen Villa du mit deiner Grütze rumgeschmiert hast.“ Wenn er nur an den dachte, kam ihm ja schon der Ärger. Dieser sture Heini! Sollte eigentlich verboten werden, der!
    “Und dann... was Seiana angeht... nun ja... also... Archi, lass sie sein. Ist am Besten so. Sie ist schon im mein Officium gekommen und hat sich deswegen bei mir ausgeheult. Lass sie einfach sein, ich möchte dich darum bitten.“

    Archias schien nicht ganz so recht darüber erbaut zu sein, dass Axilla so herumnervelte, und Piso konnte das nachvollziehen. Es war eben deshalb, dass er sich konzentrierte, auf Archias zu blicken, und ihm zuzuhören. Und was jener sagte, trieb ihm den Schweiß auf die Stirne.
    “Nicht funktioniert?“, krächzte er. Das war ja... aber... dann wäre er Vater geworden, wenn nicht dieser Duccier gewesen wäre. Eigentlich sollte er froh sein, dass dieser Germane sich des Bastards angenommen hatte, und er sich jetzt nicht mehr mit einem ledigen Kind herumschlagen müsste. Also, was hieß herumschlagen. Es wäre an Axilla kleben geblieben. Und an Archi, der vermutlich es nie übers Herz gebracht hätte, das Kind auszusetzen, oder einfach in den Tiber zu werfen und es um sein Leben schwimmen zu lassen.
    Und dann kam der nächste Schlag. Axilla war schwanger seit... November. “November? Nein, nicht November, bei der Faun...“ Er brach mitten im Wort ab und stierte auf Archi. “Dann war das Kind... von DIR?“ Seine Augen wurden groß, als er über die Implikationen dessen nachdachte.
    Seine Erklärung, warum er Axilla geheiratet hatte, viel für Pisos Geschmack ein wenig zu dürftig aus. Er liebte sie? Bei Seiana hatte er das auch gesagt. Aber das sagte Piso nicht. Das wäre tief unter die Gürtellinie gegangen. Und trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, weiterzugranteln. “Hals über Kopf, ohne irgendjemanden was zu sagen... ich könnte niemanden genug lieben, als dass ich vergessen würde, dich herzuzitieren.“ Ja, er war noch immer eingeschnappt, aber er hatte keine Mordgelüste mehr. Womöglich rührte es auch daher, dass er mit Axilla heute einfach überhaupt nicht konnte. Es war fast so, als ob Piso eifersüchtig auf sie wäre.
    Archias schaltete sich dann auch ein, was den Duccier anging. Der Flavier hörte ihm aufmerksam zu, und ihm entfleuchte dann und wann ein “Mhm...“ und ein “Aha...“ Dann zog er die rechte Augenbraue hoch. “Schon seltsam, und so was läuft ungestraft herum!“ Er fragte sich, warum Axilla den Kerl verteidigte. Roch er da schon das nächste Anzeichen von Untreue? Auf jeden Fall, Archi hatte Recht, mit so einem Opfer könnte man niemanden verfolgen. Und außerdem war sie die einzige, die Anzeige erstatten konnte – und zu ihrem Glück konnte man sie leider nicht zwingen. Es war also auch für Piso jenseits aller vernünftigen Zweifeln klar, dass der Duccius da seine Finger im Spiel hatte.
    In diesem Moment drehte sich Axilla um, und lief fort, unter irgendeiner fadenscheinigen Ausrede. Piso blickte ihr kurz nach. Es war nicht so, dass er Axilla als Person nicht mochte. Sie war gebildet, ganz nett und gut im Bett. Aber... als Matrona? Als solche war sie komplett unfähig, dass sah er von weitem. Er dachte an seine Auserkorenen, wo der Gedanke an sie ihm schon einige Stunden seines Schlafes geraubt hatten. Prisca befand sich auf einem so höheren Niveau schon als Seiana, und Axilla befand sich da nochmals um einiges weiter unten. Dabei hatte sich Piso schon darauf gefreut, Seiana irgendwann als Pronuba zu haben – sie hätte dies mit der absoluten Perfektion durchgezogen, die er sich von einer Pronuba erwarten würde. Axilla würde vermutlich alles falsch herum machen, wenn sie denn überhaupt erscheinen würde, weil sie vorher noch einmal zum Duccier ins Liebesnest schlüpfte. Vielleicht speisten sich all diese Gedanken nur aus seiner Frust, dachte er sich, aber er hatte ein verdammtes Anrecht drauf, so zu denken. Die Gedanken sind frei!
    Es war aber schon ganz erleichternd, als Archi sagte, der Junggesellenabend wäre nicht abgeblasen. Aber trotzdem, ob Piso ihn mit dem selben Enthusiasmus begehen würde, den er normal gezeigt hätte? Na ja, er musste einfach genug Wein trinken, und dann wäre es schon erträglich. Ob man andere dazu einladen sollte? “Sicherlich. Zu zweit wäre es vielleicht ein bisschen langweilig. Schauen wir, wer denn sonst noch Lust hat.“
    Er seufzte und blickte gen Himmel, bevor er wieder zum Aelier schaute. “Echt, das war jetzt nur der Gipfel an dem, was mir widerfahren ist in letzter Zeit. Ist echt alles nur Kacke. Der ganze Schmarren mit den Ämtern... und ich verknalle mich hoffnungslos... und dann auch noch Seiana... uff...“, kam aus ihm zusammenhangslos heraus.

    Corvinus musste die veränderten Zahlen zu Kenntnis genommen haben, doch er sagte nichts dazu. Also würde Piso ihm auch sicher nicht sagen, wie die Zahlen zustande gekommen waren. Er hatte es nicht nötig, den Leuten aufzudrücken, wie toll er war. Das war doch schon so ersichtlich.
    Piso nahm die Schriftrolle wieder entgegen. “Und wird es auch“, bestätigte Piso, und warf mit einem eleganten Schubser die Schriftrolle nach hinten, sodass sie auf dem Haufen landete. Er machte einen Klocker, als sie auf den anderen aufkam.
    Der Ädil gab seine Anweisung, und Piso nickte. Dann wandte er sich ab und ging auf den Viator zu, ihm eine Anweisung dahingehend geben. Der Viator nickte und stieß seine Fackel in den Haufen von Schriften, während die anderen sich daran machten, zurückzutreten, damit sie nicht selber Flammen fingen.
    Der Stoß an Pergament begann schnell zu brennen. Allerdings nichts schnell genug für Piso, der das ganze Geschäft am liebsten so schnell wie möglich erledigt hätte.
    Sie weiteten sich aus, nach oben, Rauch entwickelte sich. Piso ließ es sich nicht nehmen, voll Ingrimm sich zur Menschenmenge zu drehen. “Seht hier, was mit Schriften geschieht, die gegen unser Reich gerichtet sind! Niemand entkommt den Zugriff des Gesetzes!“ Mit den Flammen im Hintergrund und seiner lauten Stimme mochte das durchaus dramatisch wirken, einmal bis Piso lächelte und sich zu den vorm Bücherhaufen Wartenden hinzugesellte.

    Sim-Off:

    Hupps, sorry, vergessen.


    “Ah, das tut gut zu hören“, machte Piso zufrieden und blickte sich noch ein letztes Mal im Kerker um und nickte, als Mattiacus ihm sagte, er fände sonst nichts mehr zu sagen. Der Decimer strahlte, was man am Rande anmerken musste, wie ein Honigkuchenpferd. Es war ja immer wieder nett, die Leute so glücklich zu machen.
    “Vielleicht fällt mir ja noch auf dem Weg zu deinem Officium noch was ein. Also, lass uns dorthin gehen.“ Denn dieser Ort erfüllte Pisos ästhetische Mindestanforderungen einfach nicht, so Leid es ihm selber tat.
    Er nickte noch einmal dem kerkermeister zu und wandte sich an Mattiacus. “Also. Gehen wir dann?“ Er blickte den Tribun fragend an.

    Er gab es ja zu. Die Frage, die er ihr gestellt hatte, mochte nicht den allerhöchsten Ansprüchen an rhetorischer Genialität entsprechen. Aber zweckdienlich waren sie gewesen. Denn sie drückten aus, was war, und was er wissen wollte. Was konnte man mehr verlangen? Seiana starrte ihn alleridngs an, als ob er ihr was getan hätte. Endlich, endlich begann sie zu reden.
    Und begann auch gleich mit dem Codex Iuridicalis. Piso verzog seine Augenbrauen zu einem konzentrierten Gesichtsausdruck. “Ähm...“ Was sollte er nun sagen? Ausreden ließ sie ihn eh nicht. Sie wirkte verzweifelt, ehrlich verzweifelt, und Piso konnte es sogar verstehen. Ein besonders fürsorglicher Teil in ihm begann, Mitleid mit ihr zu haben. Wie schlimm musste es für eine einst stolze Frau sein, zum besten Freund des Mannes zu gehen und ihn anzubetteln, etwas gegen Archias‘ Aktionen zu tun?
    “Also, also... ganz ruhig. Wein?“, fragte er und deutete auf eine Weinkaraffe, die er am Nachbarstisch stehen hatte – ja, Magistrat musste man sein.
    “Also, was genau ist geschehen? Archias hat jemanden dazu angeheuert, sich vor deine Tür hinzustellen und verleumderisches Zeug zu brüllen?“ Er runzelte die Stirn. Das sah Archi nicht ähnlich. Er konnte es kaum glauben. Er würde auf jeden Fall mit ihm drüber reden, so viel war sicher.
    “Ich werde mit ihm reden. Keine Sorge, ich werde das tun. Aber bitte, sag mir trotzdem, was ich denn bekrtitteln soll. Was genau hat er getan?“
    Er zwang sich, Seiana in die Augen zu schauen und nicht sonstwohin. Selbst jetzt, wo sie Scheiße aussah, war sie noch immer unglaublich hübsch. Unglaublich, wie Archi sich die durch die Lappen gehen lassen konnte. Für Axilla. Um Seiana auf jeden Fall machte sich Piso keine Sorgen – es würde sicher jemanden geben, der ganz fix auf den fahrenden Zug aufspringen würde, was sie anging. Er selbst würde es ja tun, wenn nicht ein paar Sachen dazwischen stehen würden, die allesamt nicht mir ihr zu tun hatten, wohlgemerkt. Vielleicht würde es Seiana ja gut tun,w enn er das aussprechen würde? Halt, nein. Er konnte sich dies nicht anmaßen. Vielleicht würde sie das nur als billige Anmache sehen (hüsche Frauen taten das gerne einmal, das musste so ein Syndrom sein). Wenn er da an jene Frau dachte, die er schon anvisiert hatte... die war noch einmal einige Stufen darüber, was das Niveau anging.

    Piso grinste, als sein Patron witzelte. Der Humor des Purgitiers tat immer wieder gut, stellte er fest, und fast schon erschien ihm am Horizont die Aussicht, dass dies ein besserer Tag werden mochte als die Tage vorher. Obwohl es ihm wohl bewusst war, dass Macer als Senator kaum Obmann der Vigiles jemals geworden wäre. Besonders das Wort frischer Ruhm gefiel ihm eigentlich sehr gut, und es entlockte ihm ein Schmunzeln.
    Doch all dies wurde zunichte gemacht, als sich Aurelius Corinus auf einmal seinen Weg durch die Menge bahnte. Und, Götter nocheinmal, der Kerl schaute aggressiv drein! Zumindest erschien es Piso so, der mittlerweile vor Corvinus schon ein wenig Angst hatte (wiewohl seine Furcht vor Corvinus durch seine höllische Angst vor Furianus zu einer Nichtigkeit relativiert wurde). Eigentlich sollte er froh sein, dass Corvinus da war, denn nun konnte das Werk beginnen. Zwar wartete schon ein Viator mit einer Fackel darauf, sein Werk zu tun, aber Piso war dem inneren Impuls widerstanden, jetzt schon alles in Flammen zu setzen. Die Bücherverbrennung ohne Ädil anzufangen wäre wohl auch ein ziemlicher Affront gewesen, und verfassungsrechtlich ungedeckt. Aber trotzdem... es war ihm nicht ganz wohl in seiner Haut, jetzt wo er den Aurelier ansah... doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
    “Salve, Aedilis Curulis“, schaffte Piso neutral hervorzubringen, während er eine Wachstafel sich von einem Sklaven reichen ließ, welche er wiederum an Corvinus reichte. “Hier steht eine Auflistung der Bücher, die wir gefunden haben, herinnen.“ Sie hier zu reproduzieren, wäre kontraproduktiv und langweilig gewesen, also ersparen wir mal dem Leser und auch dem Schreiber dies. Das einzige, was man wissen musste, war, dass die Anzahl durchaus beträchlich war. Die Utopische Ulpianie bewegte sich sogar im Hunderterbereich, denn das Lagerhaus, welches Piso ausfindig gemacht hatte, war in der Hinsicht unglaublich ergiebig gewesen. Eine Abschrift der Schundschrift wurde Piso ebenfalls gegeben, und er rollte sie vor Corvinus aus.
    “Du hast tatsächlich recht gehabt. Dieses Buch ist fürchterlich. Hier wird der Kaiser anhand seiner angeblichen sexuellen Praktiken bewertet. Besonders die plastische Beschreibung seiner – natürlich rein aus den Finger gesaugten – Analfixiertheit ist insbesondere jüngeren Lesern kam zuzutrauen. Und bei der Auflistung der Fetische waren auch ein paar grauenhafte Sachen zu sehen gewesen...“ Piso hatte recherchiert, und herausgefunden, dass es so etwas wie einen Maulwurffetisch tatsächlich gab (vor allem in abgelegenen Gebieten Skythiens, wo man jede Gesellschaft, die man bekam, dankbar annahm). Allerdings konnte nicht einmal der verbohrteste Republikaner so etwas dem Kaiser unterstellen.
    “Also. Sollen wir dann anfangen?“, wartete er auf das OK des Ädilen.

    Ja. Heulte er jetzt etwa? Gute Frage. Er fühlte sich noch um einiges elender als vorher, und das wollte was heißen. Es war einfach zuviel für ihn, ohne dass Archi noch mit irgendwelchem Quark kam. Von wegen Heiraten. Für Piso war eine Welt zusammengestürzt. Immer hatte er gedacht, das würde so sein, dass er bei Archis Hochzeit in vordester Reihe sitzen würde. Ihm war irgendwie schlecht. Am Liebsten hätte er sich umgedreht und in eine Vase hineingekotzt.
    Stattdessen aber hörte er sich an, wie ihm jetzt um alles in der Welt Archias das erklären wollte. Dabei blickte er noch immer so unglücklich drein wie das Krümelmonster, dem man die Kekse weggenommen hatte.
    Gar nichts hatte Archias also vergessen. Nur, wieso war dann das alles so gekommen? Was sagte er da? Sklaven umgebracht?
    Gerade wollte Piso aufbrausen, dass es ihm einen verfluchten Dreck interessierte, ob ein x-beliebiger Sklave abgespeckt worden war – dann kam ihm allerdings wieder, was der aelische Hochzeitseinladungsverweigerer ihm in der Villa Flavia gesagt hatte. Ein Germane. Duccius Vala. Er steckte dahinter. Er steckte hinter dem allen.
    Und dann kam was Unerwartetes. “Euer Kind? Ihr habt also... ihr habt... und ich... was war dann mit...?“ Die Faktenlage präsentierte sich ihm so – er hatte Axilla geschwängert, jene hatte Magna Mater sei Dank das Kind erfolgreich abgetrieben (schließlich hatte Archias ihm das so erzählt), dann hatte Archias sie gehirschelt und dann hatte der Duccius sie so verwundet, dass dieses gestorben war. Aber das war doch nicht möglich. “Nach so einer kurzen Zeit kann man doch nicht feststellen, ob Axilla schwanger war... oder... aber... hat die Abtreibung nicht funktioniert?“, brachte er heraus, mit bleichem Gesicht, und blickte unsicher zwischen dem frisch erkorenen Ehepaar hin und her. Deshalb hatte Archi Axilla geheiratet? Weil er sich Sorgen um sie gemacht hatte? Und weil er sie als Ehemann besser schützen konnte, oder wie?
    Irgendwie kam ihm Seiana in den Sinn. Für Piso war noch immer unverständlich, wieso Archi sie fallen gelassen hatte. Die Decima hatte alles, was eine Dame benötigte – patrizisch sollte sie sein, und sie wäre die absolute Perfektion. Axilla hingegen... er hatte das Gefühl, sie machte für alle die Beine breit, was ihr über den Weg lief und ein Gemächt zwischen den Beinen baumeln hatte.
    “Ne, ist nicht klar...“ Piso schüttelte zwar seinen Kopf, wirkte aber schon etwas ruhiger als vorher. Zu allem Überfluss kam noch Axilla hinzu und quatschte irgendwelche Verteidigungsreden über den Germanen, die fest gegen die Meinung gingen, die Piso, und auch Archi, schon in sich etabliert hatten.
    Er schenkte ihr einen verwunderten Blick. Jetzt war sie seine Frau, verdammt, auch wenn ihm das gegen den Strich ging! Da hatte sie mit ihm gemeinsam eine Meinung zu vertreten! Er mochte sie gar nicht mehr Ernst nehmen. Irgendwie war das ganze wie eine Posse, eine üble Farce, da konnte er jetzt auch gleich gehen, wenn das so weitergehen sollte. Aber er konnte nicht. Er hatte zwei Sachen zu deponieren. Nein, jetzt mehrere.
    Piso blickte auf Archi, mit undefinierbarem Blick. “Also, war es dieser Germane oder nicht?“ Er hatte diese Charaden satt. Er blickte dann auf Axilla. “Wieso hast du keine Anzeige erstattet? Hast du denn nicht einmal den Stadtkohorten etwas gesagt? Hättest wenigstens eine Denunziation bei mir abgeben können. Sachbeschädigung, Körperverletzung, und vielleicht hätte man Mord auch noch reinpacken können.“ Das hätte ein saftiges Gewette ergeben, stellte er konsterniert fest.
    Anschließend wanderte sein Blick wieder zu Archi. “Das bedeutet jetzt, alles, was wir uns einst vorgenommen haben, für die Katz.“

    Der Flavier war schon ohne dem Käse, den Archi abließ, bedrückt. Er war es schon vorher gewesen. Jetzt auch, als er bemerkte, dass Archi ganz komisch zu herumtun anfing. Was hatte er bloß? Archi wollte sich wohl dafür entschuldigen, dass er und Axilla sich verlobt hatten. Piso hätte da wohl all seine Toleranz, in Hinblick auf ihre alte Freundschaft, aufgebracht, und hätte Archi gesagt, er sollte stecken lassen. Schließlich war es ja keine Hochzeit. Auch wenn er innerlich ziemlich erbost gewesen wäre. Aber für Archi hätte er das gemacht.
    Und dann, dann kam das.
    Pisos Mund öffnete sich, einhergehend mit dem selben Gesichtsausdruck, den ein Pankrationgymnast hatte, den man in die Eier getreten hatte. “Du... was? Wenn das ein Witz sein soll, habe ich schon bessere gehört.“ Aber Archi redete weiter, überhäufte ihn mit Entschuldigungen, jammerte, flehte... “Das... ist kein Witz... oder?“ Piso wurde kalkbleich (er hatte ja schon einiges an Erfahrung darinnen). Er blcikte zuerst auf Axilla, dann wieder auf Archi.
    Das war der Moment, in dem Piso nicht mehr an sich konnte. “Aber...“ Wie sollte er jetzt reagieren? Was sollte er jetzt tun? Archi und Pi hatten sich ihre Zukunft schon in ganz frühren Jahren ausgemalt... die Hochzeiten. Die Opferungen. Dass die Frau vom ersten, der heiraten würde, die Pronuba beim anderen sein würde. Das riesige Bankett danach. Und natürlich ein legandärer Junggesellenabschied. Alles dahin. Alles beim Orcus.
    Er presste die Lippen zusammen. Seine Augen wurden wässrig, er drückte sie mit aller Macht nieder. “Wie... wie konntest du mir das nur antun? Wie nur...? Er blickte auf, atmete gehetzt, seine Augen weiteten sich. “WIESOOOOOOOO!?“, brüllte er auf einmal, wollte schon Archi packen und ihn rütteln – doch auf halbem Wege hielt er inne und blickte auf seine schon halb geballte Faust. Er zog sie zurück, und seine Mundwinkel erreichten ihren Nadir, was das Runterhängen anging. “Hast du all das vergessen, was wir einst ausgemacht hatten? All das?“ Aus seinen Augen strahlte plötzlich eine ungewohnte, beklemmende Leere, und er ließ die Schultern sinken. Wieso nur...?“, wiederholte er sich.

    Piso trat ins Tablinium hinein, nachdem ihm der Weg vom Sklaven bei der Porta hingewiesen worden war. Kummerumwolkten Gesichtes trottete er durch die Domus, bis er schließlich das Tablinium erreichte, schweren Fußes. Dort angekommen, versuchte er sich einen Ruck zu geben und halbwegs normal dreinzuschauen. Und trotzdem, die geradezu überquellende Lebenslust, mit der er, wenn nicht schon Fremden, dann immer Freunden, auftrat, die war dahin. Piso wirkte eher müde. Als hätte er 3 Tage lang kein Auge zugekriegt (wird auch wohl so stimmen, wenn man drüber nachdenkt).
    Er erblickte Axilla und Archias. Was für ein Bild des Friedens sie abgaben. War das eine Art pränuptiale Verunstaltung? War wohl so. Ein wenig Bammel hatte er davor, Axilla gegenüber zu treten, vermutlich genauso viel, wie sie es selber hatte. Obwohl, Angst war ein schlechter Ausdruck. Eher Unwohlsein. Obwohl, dieses gefühl wurde relativiert von all den anderen Gedanken, die in ihm ihr Unwesen trieben.
    “Salvete...“ Er rang sich mit Müh und Not ein Lächeln ab, das aber nicht bis zu seinen Augen hinaufreichte. Und trotzdem, durch seine Worte klang eine ganz kleine Spritze Angefressenheit durch. “Ähm ja.... herzlichen Glückwunsch zur Verlobung, euch beiden... schätze ich mal.“ Und an nichts besseres konnte er denken, zu sagen. Er war schon ein toller und ganz spitzenmäßiger Politiker, dachte er sich leicht selbstmitleidig. Eines viel ihm aber auch auf. Archi wirkte ebenfalls nicht glücklich. Bereute er es vielleicht, Seiana verlassen zu haben? War eine Möglichkeit.