Ah. Da kam wer. Ein Senator. War das Corvinus? Würde er sich jetzt dem Rachegeist des Aureliers stellen müssen? Innerlich spannte er sich an. Doch diese Angespanntheit währte nur eine Sekunde, denn statt dem Aurelier erblickte er seinen Patron. Piso atmete erleichtert durch. Noch nie war er so froh gewesen, Macer zu sehen. In der Gesellschaft des Purgitiers würde sich Corvinus vielleicht nicht erdreisten, voller Zorn ihn mit aufs Feuer zu werfen. Ein vertrautes, ihm wohl gesonnenes Gesicht. Auf einmal hatte er den komplett irrationalen Impuls, Macer zu umarmen und in seine Toga hineinzuheulen, er wusste selber nicht, wieso. Aber gut, dass er sich unter Kontrolle hatte.
Der Senator begrüßte ihn neckisch, und Piso lächelte. “Du gleichfalls, Patron! Ich wusste nicht, dass du den Anblick von Feuern schätzt, verzeih mir. Nun ja, zündeln ist halt schon eine feine Sache.“ Er blickte sich um, ebenso wie Macer, und warf einen Blick auf die Bücher. “Obwohl, schade ums Pergament. Ich bin doch noch froh, dass wir eine solche Menge von Büchern zusammensammeln konnte. Ein Tipp aus der Bevölkerung führte mich zu einem Lagerhaus, worin enorm viele von diesen Schundschriften eingelagert waren. Jenes habe ich mich ein paar Viatores ausgeräuchert.“ Es schwang durchaus Stolz in seiner Stimme mit.
“Wir warten jetzt nur noch mehr auf Aurelius Corvinus. Dann kann es losgehen...“ Seine Stimme sackte ab, und ein Seufzen der Wehmut entfuhr ihm. Aus dem Kontext war nicht ersichtlich, dass er hierbei überhaupt nicht den Büchern nachtrauerte... sondern etwas ganz anderem.
Beiträge von Aulus Flavius Piso
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Klopf, klopf, machte die Porta, als Piso anklopfte, in der Hoffnung, dass ihm ein Sklave, egal ob die ägyptische Tranktüte oder Katander, aufmachen würde, um ihn zur Cena zu bitten. Piso war extra ein wenig früher gekommen, so wie Archi es ihn angeboten hatte. So konnte er wenigstens mit Archi über alles reden, was ihm auf dem Herzen lag. Und das war viel, ohne dass er wusste, dass Axilla und Archi hinter seinem Rücken den Bund fürs Leben geschlossen hatten.
So wartete er, mit einem Gesicht, das zu einer gar betrüblichen Miene verzogen war, und bei der jede traurige Falte in seinem Gesicht eine seiner Sorgen repräsentierte. -
Es strömten die drei Septemviri, so gut, wie halt 3 Septemviri strömen konnten, in den Tempel hinein. In der Ecke hatte man eine Lyraspielerin platziert, deren Lyra den ganzen Schoss okkupierte. Mit sphärischer Musik wusste sie der Zeremonie die passende Musik beizusteuern. Piso blickte kurz auf sie. Sie musste eine Sklavin sein. Sie sah auch nicht sooo besonders aus. Aber ihr Spiel war doch gut – nicht zu anspruchslos auf jeden Fall. Er als Schöngeist konnte das sofort feststellen, sofort.
Mit einer dramatischen Bewegung wandte er sich zu Cybele hin, zu der Statue, die man vor einem Tisch aufgestellt hatte. Frugis Blick wanderte begierig über die Teller, fehlte nur noch, dass sein Magen krachte. Aber nein, er konnte sich beherrschen.
Die Götterspeisung würde in drei Gängen erfolgen, die die nur drei anwesenden Septemviri, jene Spezialisten in Lecisterniae, welche Cybele an ihrem Ehrentag ein Mahl gönnen würden, durchführen würden.
Nur die Septemviri und die Göttin, welche, schon vorher durch die Stadt getragen, nun vor einem massiven, breiten Tisch saß und fast schon begierig auf ihr Essen auf ihn starren zu schien, nahmen also am Ritual teil. Piso, als Mann der Ästhetik, begutachtete die Göttin kurz. Beziehungsweise ihre Statue. Nicht schlecht, Herr Specht, dachte er sich, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Göttin einst mit einem Penis in der Welt herumgelaufen ist (bevor der abgeschnitten wurde und Cybele Frau ward). Respektabel. Die überzeugensten Transvestiten fand man doch nur bei den Göttern, dachte sich Piso mit einem anerkennenden Blick auf den für sich sprechenden Vorbau der Statue.
“Flavius, wir beginnen“ Atimetus blickte ihn tadelnd an. Piso schreckte auf. “Oh ja. Ja. Ja. Äh, sicher, ja. Nun.“ Er räusperte sich und streckte seine Hände nach oben aus. “Magna Mater, sieh mit Wohlgefallen auf deine Vorspeise!“
Allerlei köstliche Sachen hatten die drei Priester nun aufzudecken. Atimetus stellte einen riesigen, ganz und gar gewaltigen Teller vor Cybele hin, und Piso und Frugi machten sich daran, Speisen in den Teller zu drapieren. Es war natürlich die Vorspeise. Frugi lud Eier auf, so schnell, als ob er damit einen Preis gewinnen könnte, während Piso bedächtig ein Eieromlett mit Gewürzen und Pilzen drinnen mit einer Schaufel auflupfte und auf den Teller platzierte. Ein zweites und ein drittes folgte, bevor Piso etwas Erbsenpüree nachschaufelte. Atimetus derweil hatte schon den Käse übernommen, den er sorgfältig zwischen die Essensstücke, welche Piso und Frugi schon hinaufgehieft hatten, hineinsteckte. Der Teller war kredenzt – oder halt, Frugi legte noch ein paar lukanische Würste und Schinken als Abrundung hinzu. Jetzt aber! Piso füllte etwas Wein ein und schob den Becher zu Cybele – der Becher war wohlweislich so groß, dass ein normaler Mensch, hätte er ihn ausgetrunken, danach ziemlich weg gewesen wäre. So aber blieb den drei Septemviri nichts mehr anderes, als treuherzig die Göttin anzusehen, um an irgendeinem Anzeichen sehen zu können, ob das Essen auch mundete. Hmm, der Schinken war dubios. Mochte Magna Mater Schinken? Sicher mochte sie Schinken. Wenn ein Septemvir sagte, sie mochte Schinken, dann hatte sie Schinken zu mögen. Es war ja nicht so, als ob man nicht althergebrachten Traditionen folgte – auch wenn man beim Collegium Septemvirorum erst seit vielleicht 100 Jahren andere Götter bediente als Iuppiter, der noch immer eine so überragende Bedeutung für das Collegium hatte, dass es sich fast schon als Iuppiter-Priesterschaft bezeichnen konnte. Aber wie gut, dass man über den Tellerrand schaute – wenn auch nur gezwungenermaßen, wenn einem die Götter und die Pontifices dazu drangen.
Am Ende war die Vorspeise auf jeden Fall doch perfekt, und stolz blickten sich die Männer an, als sie um den Tisch standen. Magna Mater sah ja ganz glücklich aus. Zumindest hatte sie kein Wort der Beschwerde eingelegt. Piso war sich nämlich sicher, dass es schon längst Hagel geregnet hätte hier im Tempel, wenn etwas falsch gemacht worden wäre.
Tempeldiener räumten die Vorspeisen weg, sodass die braven Septemviri sie später noch verspeisen konnten. So als Medium der Gottheit, die man gespeist hatte. -
Es begab sich, dass Aulus Flavius Piso auf den Palatin hinschritt. Er hatte eine Synthetis an, wirkte bedrückt und hatte eine Schriftrolle in den Händen. Er blieb vor den Wachen stehen, und blickte sie an. “Salve. Flavius Piso. Habe eine Einladung von Aelius Archias“, machte er seltsam monoton und streckte der Wache, die er zwar anblickte, deren Gesicht er trotzdem nicht wahrnahm, seine Einladung entgegen, schon darauf bewappnet, sich von den Soldaten umständlich untersuchen zu lassen. Hoffentlich ging das schnell...
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Es war schon alles bereitet worden. Der Bereich, in dem die Bücher verbrannt werden würden, war abgesteckt worden, in gebührendem Abstand zum Tempel der Minerva. Von Sklaven natürlich, einer Schar von Sklaven. Viatores hatten sich rund um die Absperrung aufgestellt. Niemand sollte auch nur ein Buch klauen können. Die Lieferungen der Schriftrollen waren nach und nach gekommen. Zuerst aus den Räumlichkeiten der Basilica Uplia, zuletzt fuhrenweise Bücher aus Transtiberim, aus jenem Buchladen, den Piso aufgespürt hatte. Seine beiden Kollegen waren noch einmal zu ihm hingegangen und hatten ihm auf die Schulter geklopft. Sie hatten leichtes Lachen. Sie hatten all die Exekutionen übernommen, da Piso keine Menschen hatte umbringen wollten. Tote Menschen waren unästhetisch. Der Tod war unästhetisch. Inakzeptabel für den Flavier, der bei den Gratulationen seiner beiden Mittresviri gelächelt und bescheidene Worte gemurmelt hatte, doch nun auf den Boden starrte, als wollte er durch die schiere Macht seines Blickes ein Loch hineinbohren. Piso war seit Tagen schon so drauf gewesen. Niemand außer ihm wusste, wieso. Vielleicht war er normal geworden, erwachsen halt, konnte man denken, doch diese Hoffnung war eitel.
Er blickte noch einmal auf die Absperrung hinter ihnen. Gerade wurden die letzten bücher auf den Stapel geworfen. Vor ihnen stand eine Menschenmenge, die begierig auf ein gutes Feuer war. Voyeure des Mordes an Büchern.
Bald schon war das letzte Buch auf den Stapel geworfen. Die Stunde hatte geschlagen für die Schmährufe an die Ulpier, die Sitten und die Armee, und die Belobigungen von Nero, Caligula und den Feinden des Reiches.
Das einzige, was jetzt noch Not tat auf diesem Platz, war die Präsenz des kurulischen Ädils. Piso schaute unwillkürlich am Platz herum. Kam er? Das wäre noch wirklich eine gute Geschichte. -
Piso war nach der schicksalshaften Opferung den Quirinal hochgefegt, durch das Eingangstür zur Villa Flavia gerannt und in sein Zimmer wie nichts. Er knallte die Türe zu, und begann in seinem Zimmer, auf und ab zu rennen. Dabei stieß er wunderliche Laute aus, die wie “Aiaiaiaiaiaiaiaiaaaaaaah!“ klangen. Dann und wann war auch ein Grunzen zu hören und ein “Uuuuuuuooooooommm!“. Der Flavier ließ sich aufs Bett fallen, hielt es dort gerade mal ein paar Sekunden aus, hüpfte auf und suchte dann sein Heil unterm Bett. Ja, er schlüpfte unters Bett hinein. Doch nachdem er eine halbe Minute lang unterm Bett gelegen war, schob er sich wieder raus und ließ sich zu ein paar ziegenbockartigen Sprüngen verleiten, in deren Folge er sich an seinem Schreibtisch mit dem Schienbein anhaute. “Ach du verdammte Schhhhhh...“ Er hielt sich am schmerzenden Bein und haute dabei mit der Linken auf seinen Schreibtisch, dass dieser nur so bebte.
Dann sprang er auf den Schreibtisch, und von dort aus aus dem Fenster heraus.
Ein dramatischer Flug von etwas mehr als einem Fuß erfolgte, und Piso fand sich im Garten stehend. Er ächzte und kletterte durchs Fenster zurück in sein Zimmer, wo er sich dann entgültig auf seinem Bett sinken ließ und tief ein- und ausatmete. Was würde er nun tun? Er hatte keinen Plan mehr.
Er hatte nur noch mehr IHR Gesicht vor Augen. -
Sim-Off: VENUS: Callipygos, also „Die mit dem schönen Hintern“, war eine deiner Beinamen. So wurdest du vor allem in Syrakus verehrt. Und es gibt einige sehr reizende Statuen, die dich als Callipygos darstellen. Also, mach mal halblang und mecker nicht!
“Litatio!“ Endlich, endlich war es soweit! Das Opfer war angenommen! Er konnte wieder lieben! Springen, jubeln, tanzen, in eine wundervolle Plüschwelt versinken, juchzen... aaaAAAAAAAAHHH! Piso wurde kalkweiß im Gesicht, auf einen Schlag. Er fühlte, wie sein Herz sich zusammenzog, sich zusammenschnürte, wie seine Adern in der Stirne zu pulsieren anfingen, wie er nach Luft japste. Er liebte wieder. Und hatte bei alledem vergessen, dass es hie und da ein ziemlich schlimmes Gefühl sein konnte.
Er fing an zu zittern. Die Vitalia rumpelten ordenlich auf seinem Tablett herum, als er es in den Kessel hineinschüttete. Zudem wies er noch hastig an, divserse Zugaben, wie den Kopf, den Hals, die Beine, und Teile vom Bauchfleisch hinzuzugeben. Wie auf Nadeln wartete er ab, bis alle diese Stücke der Kuh fertig waren, ließ sie herausfischen und in die Flammen des Opferfeuers legen. Nichts wie weg von hier. Er ließ sich nicht einmal eine Sportula geben. Er wollte nur noch verschwinden. Zur Villa Aurel... nein, er würde umgebracht werden, verdammt noch einmal! Der Flavier blickte sich mit einem gehetzten Gesichtsausdruck um – es hätte kaum verwundert, wenn ihm nun der Dampf voller Überschwall von Emotionen aus den Ohren gedampft wären.
Noch einmal blickte er sich um, dann raste er los, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden, die Popae und Aeditui und sonst alle verwundert dastehen lassend. „Ich glaube, das Opfer hat gewirkt...“, grinste einer der Priester, und alle lachten.
Bis auf Piso, der sich schon mit wahnwitzigem Tempo vom Tempel entfernt hatte und schon den Circus Maximus passierte, rennend wie ein Irrer, sich rücksichtslos und kopflos den Weg durch die Menge bahnend. Er musste jetzt erst einmal nach Hause. -
Der Buchhalter lag im Staub und brachte nichts mehr hervor als ein verängstigtes Wimmern. Das war schnell gegangen. Teuflisch schnell. Und unerwartet! Wie hatte das passieren können, fragte er sich. Dass seine Vermarktungsstrategien nicht einmal so großartig gewesen sein mochten, wie sie ihm erschienen waren, und ein Herausfinden leicht gemacht hatten, wollte eihm ganz und gar nicht aufgehen. Vielmehr hielt er dies für böse Hexerei.
Piso derweil schritt hinein in das Gebäuse, zusammen mit 3 Viatores. Der Lagerraum war menschenleer, wie die Viatores mit geübten Augen feststellten. Dafür aber enthielt er umso mehr Bücher. Bücher ohne Ende. Mit fassungslosem Blick schweiften die Augen des Vigintivirs und der Viatoren durch den Raum. “Leute... das hier ist eine Fundgrube“, schaffte Piso doch noch herauszustottern. “Das hier ist eine wahre Goldgrube. Wir... Schnell, gib her.“ Er ergriff eine Fackel, um im Halbdunkeln des Lagerraums besser sehen zu können, und ergriff ein paar Schriftrollen, die neben ihm auf einem kleinen Tisch lagen. Er entrollte sie nacheinander. “Utopische Ulpianie. Göttlicher Nero. Strahlende Größe des Caligula. Sentimentale Reise... und der Kaiser, ein Außerirdischer. Das liest sich wie die Liste von meinen verbotenen Büchern... und das hier ist alles voll davon... ich fasse es ja kaum.“ Er schüttelte den Kopf, Verwirrung war in seinen Augen zu sehen, vielleicht auch ein wenig Wahn. “Ich habe es geschafft. Ich habe es geschafft. Jetzt können die Bücher brennen.“ Das sollte Corvinus einmal sehen... vielleicht würde er dann einwilligen... aber vermutlich auch wieder nicht.
Nach einer kurzen Zeit – Piso wunderte sich selber, wie schnell dies gegangen war – war der Buchhändler zu den Prätorianern abgeführt worden, und einige Viatoren hatten vorm Lagerhaus Aufstellung genommen, um darauf zu achten, dass niemand reinkam. Das Material würde zum festgesetzten Termin zum Forum Nervae gebracht und verbrannt werden. Selbst wenn nicht alles verbotene Ware wäre, dachte sich Piso, der noch immer im Lagerhaus herumwandelte, so würde das Feuer umso größer und beeindruckender sein...
Nach ein paar weiteren hirnlosen Runden im Lagerhaus entschloss er sich endlich, heim zu gehen. Heim, ins Bett, wo er sich schon hinsehnte. Er konnte vielleicht doch noch zufrieden schlafen.
Oder auch nicht. -
Tja. Ich tue hiermit kund, dass meine Aktivität bis Mitte Mai graduell weniger wird, und dann komplett ausfällt. Der Grund sind Prüfungen. Ich werde meine Vigintiviratsaufgaben noch zu Ende bringen, und ausstehende Handlungsstränge weiterverfolgen. Sonst bitte rechnet nicht mit Kraftäkten von meiner Seite. Ich schaue dann sicher wieder dann und wann rein.
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Es begab sich nun also so am nächsten Tag, dass die Türe des Buchladens des Sextus Graecophilaeus eingetreten wurde.
Und zwar mit nichts anderem als brutaler Gewalt, die Piso zwar normalerweise als unschön verabscheute, jedoch hier genehmigt hatte. Er war noch immer mieser Laune. Acidinus, der Viator, der neben dem Tresvir stand, hatte schon begonnen, sich Sorgen zu machen. Odch er hatte fluggs auch wieder damit aufgehört. Er wusste, es machte keinen Sinn. Und überhaupt, was ging ihn der Vigintivir an? Er hatte schon viele Vigintiviri kommen und gehen sehen... und er würde das auch noch tun. Flavius Piso war nur einer in einer sehr langen Reihe.
Lartianus Acidinus stand knapp vor Piso, und somit zwischen dem Flavier und Chrysippos, dem griechischen Peregrinus, der gerade die Türe auftrat. Das Holz splitterte. Einige der Viatores, die Piso versammelt hatte, hoben ihre knüppelbewehrten Hände schützend vor ihre Augen, um keine Splitter abzubekommen.
Piso starrte nur auf die zerstörte Tür, und das, was dahinter lag. Es war eine weitere Türe, die nun aber aufgerissen wurde. Sextus Graecophilaeus erschien dahinter.
“Was zum...“ Weiter kam er nicht. Chysippos griff nach vorne, und packte den alten Buchhändler im Genick. Der Alte kreischte, als er gen Boden gedrückt wurde, doch das half nichts, denn der bullige Grieche drückte ihn vollends darnieder, sodass er nichts mehr tun konnte. Sein Gesicht wurde dergestalt in den Boden gepresst, dass er nichts mehr sagen konnte, nur noch grunzen vor Schmerz, als die Viatores samt Piso begannen, um ihn herum in das Lagerhaus einzudringen. -
Piso musste auch nicht besonders lange schauen, zog ihn an der Eingeweidenschau doch wenig an. “Litatio!“, verkündete er, froh, dass das Ganze jetzt aus seiner Hand ging. Er überreichte das Tablett Fulvius Frugi, der den Inhalt des Tablettes in einen Kochkessel, den man hastig herbeigeschafft hatte, hineinschüttete, während Aemilius Atimetus vortrat.
“Civites! Danken wir Aurelius Corvinus, dem Aedilis Curulis, der Mgna Mater diese Spende angedeihen hat lassen! Durch ihn wird die große Mutter uns auch im nächsten Jahr gewogen sein! Lassen wir ihn danken für seine Spende an Magna Mater!“ Derweil brodelten schon weitere Kessel im Hintergrund. Der Victimarius schnitt die essbaren Stücke des Tieres raus und schmiss sie ebenfalls nacheinander in Kochkessel hinein. Derweil holte Fulvius die Vitalia wieder aus dem ersten Kessel hervor, und legte sie ins Opferfeuer der Cybele, wo es fröhlich verbrannte. Es war gewisseermaßen der Gruß aus der Küche vor der eigentlichen Götterspeisung, die die 3 Septemviri jetzt noch zügig abzuwickeln vorhatten. Piso blickte ein bisschen um sich, um etwas spannendes zu erspähen, aber da war Fehlanzeige. Es geschah nur, dass die Popae die Felischstücke, nun gekocht, aus den Kesseln hervorzogen und in Sportulae legten. Die Sportulae wurden ausgeteilt an das gemeine Volk, und Piso konnte es sich dann doch nicht verkneifen, im Publikum nach der einen oder anderen hübschen Frau zu linsen. Wie wenig er darüber wusste, dass ihm schon bald das Begehren nach einer einzigen Frau die Seele verzehren würde!
Die Sportulae wurden verteilt, und der Aemilier, der Fulvier und der Flavier marschierten in einer Dreierreihe wieder in den Tempel, wo ja schon die Statue der Magna Mater aufgestellt worden war, samt Tisch, und mit Essen daneben, welches die Septemviri der Cybele servieren würden,w ie Sklaven einem Herren servierten. Gleich würde die Götterspeisung beginnen! -
Seine innere Anspannung löste sich langsam, als er sah, wie Bridhe den Tintenfleck wegkratzte. Innerlich atmete er auf, als er weg war und es Bridhe auch geschafft hatte, nicht ein Riesenloch ins Pergament zu fabrizieren. Hatte er sie doch nicht umsonst als Scriba angestellt. Er war ziemlich froh, als die Sache endlich vorbei war, doch nur, bis er von seinem Pfeifen durch Bridhe unterbrochen wurde.
“Huch? Äh...“ Er musste sich erst wieder sammeln, nachdem man ihn aus solch durchgeistigten ästhetischen Sphären gerissen hatte. Er hörte sich ihre Fragen sorgfältig an. Es entstand ein ziemlicher Zwang in ihm, Bridhe das Wort abzuschneiden und ihre Frage unbeantwortet zu lassen. Aber seiner eigenen Scriba gegenüber musste man das jetzt nicht unbedingt amchen. Insbesondere, wenn es sich dabei um eine hübsche Frau handelte – und solchen konnte Piso nur schwerlich böse sein. Ausnahmen bestätigten die Regel.
“Nun, es spricht eindeutig für dich, dass du dir solche Gedanken machst. Ich werde es dir auch erklären, zumindest versuchen. Zum ersten sind die Gerichte überlastet. Nicht jeder kann sofort drankommen. Wir haben keine endlos große Zahl von Praetoren, die sich damit befassen können. Es gibt einen Verhandlungsstau. Das bedeutet, die Gerichtstermine stauen sich an, es kann nicht alles gleich erledigt werden. Zweitens, die Prätorianer müssen Beweise finden. Man kann unmöglich einen Prozess beginnen, ohne dass die Faktenlage geklärt ist, und es unmöglich ist, einen Wahrspruch zu verkünden. Drittens sind die Allermeisten schuldig – die Prätorianer machen gute Arbeit. Viertens, selbst die, die für unschuldig erklärt werden, sind der Abschaum der Gesellschaft, und dem muss nichts geschenkt werden. Wenn sie nicht für Kriminelle befunden werden vor Gericht, so schrammen sie immerhin an der Kriminalität an, oder sind tatsächlich Kriminelle, nur, dass man ihre Schuld nicht feststellen kann. Glaube mir, unser Rechtssystem ist das fairste der Welt. Wenn du das bezweifelst, musst du nur nach Parthien gehen, wo die Leute ohne Gerichtsverhandlung, einfach nur, weil es dem Schah gefällt, zu Tode geschleift werden. Oder nach Germanien, wo auf diesen lächerlichen Things Zehen und Hände und weiß der Kuckuck was abgehackt werden. Und denkst du, auf Hibernien, gibt es gerechtere Justiz als hier? Also, geh jetzt arbeiten.“
Nachdem er seinen kleinen Monolog gehalten hatte, nickte er auffordernd. Sie sollte jetzt endlich beweisen, dass das Geld, das er in sie steckte, nicht aus dem Fenster geworfen war. -
Es war Abend. Der Wind zog durch die Gassen. Ein Käuzchen... nein, es war kein Käuzchen, das kreischte, es war wohl viel eher ein armer Passant, der ein paar Ecken weiter gerade ausgeraubt wurde. An eine Wand drückte sich eine Person, gehüllt in einen weiten braunen Mantel, hin. Man würde nicht von ihr erwarten, dass es sich hierbei um einen Patrizier, gar um einen Magistraten der Stadt handelte. Die Augen jener Gestalt – Piso, wenn man es noch nicht bemerkt hat, der vor Kurzem eine sonderbare Denunziation erhalten hatte – wanderten, wie unbeteiligt, herum, doch in Wirklichkeit waren seine Augen nach vorne gerichtet, zu dem Eingang zu einem angeblich leeren Lagerhaus, aus dessen obersten Fenster man jedoch ganz fahl ein Licht schimmern sehen konnte. Auf die Tür hin wandelte, vielleicht 150 Fuß vor ihm, eine Gestalt durch die dunkelen gepflasterten Straßen, blieb bei der Tür stehen und klopfte an. Es handelte sich um Lartianus Acidinus, einem Freigelassenen, der nun Viator war. Der Viator, getarnt in seinem Umhang, blickte sich kurz um und klopfte dann an. Nichts geschah. Der Viator klopfte abermals. Und abermals. Endlich ging die Türe einen Spalt auf. Ein zerrupfter Mann blickte missmutig heraus. “Passwort?“ Acidinus blickte ebenso mürrisch zurück, siene Freude, dass ihm doch noch geöffnet worden war, kunstreich verbergend. “Salve. Braucht man dazu eines?“ “Ja, braucht man. Was hast du überhaupt hier zu suchen? Das hier ist Privateigentum!“ Acidinus setzte ganz freundlich an. “Nun, ich habe eine Empfehlung von einem Freund. Angeblich gäbe es hier Interessantes zum Lesen.“ “Und wie heißt der Freund?“ Acidinus erfand einen Namen. “Aufidius Nero.“ “Noch nie gehört!“, schnarrte der Türsteher und wollte gerade die Türe wieder zuknallen, das stellte Acidinus seinen Fuß dazwischen. “Höre. Ich zahle gut. ich zahle das Doppelte.“ Innen wurde es kurz still, dann ertönte die Stimme wieder. “Das Dreifache!“ “Gut. ich will einfach an diese Bücher ran!“
Die Tür öffnete sich wieder auf und offenbarte einen Blick auf den hageren Körper eines betagten Buchhändlers. “Wehe, du versuchst zu feilschen. Komm rein.“ Er winkte Acidinus zu sich heran und öffnete eine zweite Tür hinter ihm, durch die er dann selber ging.
Und dem Viator erschloss sich ein wahres Bücherparadies. Es waren ein enormer Haufen an Schriftrollen, die hier herumlagen. Er beherrschte sich, um nicht in Staunen zu verfallen. “Entschuldigung, du hast nicht zufällig den göttlichen Nero?“ Acidinus nickte nur, beugte sich und holte aus einem Korb eine Schriftrolle hervor. Der Freigelassene staunte nicht schlecht, als er das Pergament entgegennahm, entfaltete, und darin das verleumdete Buch erblickte, welches Nero hochstilisierte. “Und du hast nicht zufällig die utopischen Ulpianien?“ “Aber sicherlich, das allerneueste diffamierende Buch! Sieh her!“ Er holte eine Kopie aus einem Regal. “Sieh her! Ich mag besonders die Stellen, in der beschrieben wird, wie der Kaiser sich tagtäglich in die Tunika macht und dann mit der Größe seines Fleckens prahlt! Oder aber, wie er aus seinem Bart die Flöhe rauspickt und isst... hihihi. Die Tresviri, diese Schusseln, würden staunen, wenn sie wüssten, was ich hier in meinem Besitz habe! Jetzt schon mache ich ein Heidengeschäft... aber lassen wir das. Du zahlst dafür 100 mal 3, also 300.“ Acidinus stockte der Atem, als er den Preis hörte. “Qualität hat ihren Preis!“, krächzte Sextus Graecophilaeus, der er unverkennbar war. Acidinus nickte. “Dann nehme ich nur die Utopischen.“ “In Ordnung! 150!“ Acidinus seufzte und zahlte. War eh nicht sein Geld, sondern das von Piso.
Der Viator nahm das Buch, und eilte aus dem Gebäude heraus. Zuerst schritt er nach links, bog zweimal um die Ecke und kam somit auf einem Umweg zu Piso hin. “Vigintivir? Wir haben ins Schwarze getroffen. Sieh hier.“ Er zeigte Piso die Schriftrolle. “Duzende, hunderte von denen befinden sich da drinnen! Es ist unglaublich!“ Piso blickte gebannt auf die Schriftrolle, ließ sie dann sinken und blickte auf Acidinus. “Sehr schön.“ Der Flavier wirkte ungewohnt grimmig heute. War das nur wegen des kalten Windes? Oder bedrückte etwas sein Herz, dachte sich Acidinus. “Morgen, um diese Zeit, hier. Ich werde vielleicht 10 von euch Viatores brauchen. Dann räumen wir hier auf.“ Der Viator nickte, bevor die beiden Herren sich schleunigst aus dem Staub machten – Acidinus, weil er um seine Sicherheit fürchtete, Piso, weil er sich in seinem ästhetischen Empfinden eingeschränkt fühlte. -
Ad
Caius Aelius ArchiasSalve Archi,
Mensch, danke für die Einladung. Ich komme natürlich gerne. Tut mir Leid, dass ich in letzter Zeit so wenig von mir hören habe lassen... aber du kannst mir glauben, ich habe [sim-off: unausgespielterweise :D] einige Male versucht, an dich ran zu kommen! Nur warst du nie da... und ich selber hatte auch alle Hände voll. Mensch, Archi, du wirst nicht glauben, was für dubioser Mist mir in letzter Zeit passiert ist... wenn du das hörst, wirst du nur mehr lachen. Aber, jetzt sag mal, ich habe gehört, du hast dich mit Axilla verlobt? Also ne, ohne mich? Als nächstes sagst du mir noch, du hättest sie ohne mich geheiratet, ohne mir was zu sagen... ach Quatsch, ist doch viel zu lächerlich, der Gedanke, dass einer von uns heiratet, ohne dass der andere dabei ist, oder?
Also, ich werde auf jeden Fall aufkreuzen... und dann werde noch mit dir reden müssen. Halt über einiges von dem, was mich umtreibt. Ist viel. Und ich komm dann erst, wenn das ist, denn sonst werde ich nur wieder von deinem Katander abgewiesen, der schnoddert, dass du weg bist.
Wir sehen uns dann! -
Ein Zug kam. Es war der zweite Zug, den Flavius Piso innerhalb einer nicht allzulangen Zeit aufgetrieben hatte. Der erste Zug war vor dem Debakel bei den Aureliern gewesen. Dieser hier, der Zweite, kam nachher. Es war wieder eine Prozession. Eine Prozession aus Musikanten, Priestern, Popae, alles, was man für Geld kaufen konnte. Vorne schritt Piso. Er war in Weiß gewandet. Er schritt vor der Kuh. Auch weiß. Eine Decke hatte sie an. Und Infulae hatte sie auf ihrem Kopf. Die Hörner waren vergoldet. Er mochte keine Kühe mehr als Opfertiere, aber da musste er jetzt durch.
Der Zug gelangte am Tempel an, nachdem er durch den Aventin gewandelt war. Ein Zug mit einem jungen Menschen, sei es einem Mann oder aber einer Frau, meistens aber einem Mann, war nichts Ungewöhnliches am Aventin, in der Nähe des Circus Maximus, beim Tempel der Venus, der Herzenswandlerin. Piso seufzte leicht, als er den Tempel vor sich sah.
Die Aeditui dort erkannten ihn wieder, lächelten ihm aufmunternd zu. Dem Besten konnte es passieren, dass ein Opfer in die Hose ging.
Piso beobachtete die Popae genau dabei, wie diese das Rind zuerst von den Aeditui absegnen ließen, den Schmuck dann entfernten, und sie dann am Altar befestigten, nickte dabei, und schritt dann, als dies getan war, in den Tempel hinein. Er schritt auf das obligate Waschbecken zu und plitschelte mit seinen Händen darinnen. „Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es.” Den Waschspruch konnte er jetzt auch schon auswendig.
Hernach ging er zu dem Altartisch vor der Statue der Göttin Venus, vor der einer seiner gewissenhaften Popae bereits die Opfergaben hingestellt hatte. Blumen, eine Weinamphore, Brot, eine kleine Statuette von Venus. Er schritt zum Altar hin, und vor dem Opfer natürlich warf er noch ein wenig Weihrauch in den Foculus, bis es schön rauchte. Erst dann erhob er seine Hände zum Voropfer.
“Große Venus, Herzenswandlerin! Nimm an diese Gaben! Nimm an diese Blumen! Nimm an dieses Brot! Nimm an diesen Wein! Nimm an diese Statue, dir zu Ehren! Mögen dir diese Gaben gefallen!“ Bei der Erwähnung je einer Gabe bückte er sich leicht und platzierte sie auf dem Tisch, sie somit der Göttin präsentierend. Er drehte sich hernach nach rechts. Soweit zum Voropfer. Doch nun ging es um die Wurscht!
Piso ging auf den Eingang zu, und trat hinaus. Wie auf ein Zeichen hin begann die Musik von den Tibicines zu dudeln. Der Flavier schritt, mit gesammelter Konzentration in seinem Gesicht, die Tempelstufen hinunter, hinaus auf den Vorplatz. Ein “Favete lingius!“ war zu hören. Unnötigerweise, bei diesem Krach konnte keiner gescheit reden. Er blieb dort vor der dem Tod geweihten Kuh stehen. Es galt, die Kuh (die übrigens sehr brav war – Kunststück, hatte man sie doch vorher mit Kräutern betäubt) zu weihen.
“Venus, Göttin der Liebe und der Leidenschaft! Dir weihe ich dieses Tier! Möge es dir gefallen!“ Diese kurze Formel dürfte ihren Zweck erfüllen. Piso wurde ein Gefäss voller Wasser gereicht, welches er nahm und sich dann am Mallum Latum, ihm ebenfalls von einem Popa gereicht, abtrocknete. Ein Popa derweil hatte schon begonnen, das Opfertier mit Mallum latum einzuschmieren, sodass das Tier auch richtig gut geweiht war. Der Victimarius gab Piso sein Messer. Der Flavier strich damit dem Tier über den Rücken, sodass es richtig schön beschmiert wurde, und gab es dem braven Opferstecher wieder. Dann endlich war die Zeit für das Gebet gekommen.
“Venus! Wandlerin der Herzen! Herrin von Eryx! Stammmutter Roms! Reinigerin! Glückliche! Oh Göttin mit dem schönen Hinterteil! Gnädige, Himmlische, Siegreiche, Göttin der Liebe! Ich, Aulus Flavius Piso, der dir ein schlechtes Opfer gebracht hat, rufe dich voll Reue an! Du hast schon viele Sühneopfer angenommen und die Bitten der Opfernden doch schlussendlich in deiner Güte gewährt! Du hast schon viele Herzen in uns Menschen gewandelt, nachdem wir dir mit einem guten Opfer gehuldigt haben, auch wenn wir vorher ein schlechtes Opfer gebracht haben!
Ich, Aulus Flavius Piso, habe dir schon immer gehuldigt, so wie auch jetzt! Ich opfere dir diese...“ Kuh! Kuh! Kuh! “...Kuh, weiß und weiblich, wie es dir gefällt!“ Puh. “Auch werde ich dir eine Augmenta geben vom Fleisch der Kuh. Im Austausch gewähre mir eine Bitte. Wandle mein Herz!
Venus! Lass mich wieder lieben! Venus! Verzeihe mein schlechtes Opfer, und lass mich wieder lieben, wie ich es einst früher tun konnte! Wandle mein Herz, lasse mich wieder zur Liebe fähig sein! Gewähre mir diese eine Gunst.
Wenn du dies tust, werde ich dir weiterhin Opfer bringen. Eine Statuette von dir werde ich erstehen zu deinen Ehren, sodass ich jener allmorgentlich opfern kann. Ich werde geben, so du gibst.“
Er drehte sich nach rechts, woraufhin ihm seine Patera gereicht wurde, voll mit Wein. Piso ergriff sie und schüttete sie aus, über dem Rücken des Tieres. Ein Trankopfer war es, ein Trankopfer an Venus.
Der schlächter bemerkte, dass das Opfer fertig war.
“Agone?“ Piso atmete durch. ”Age!”
Mite in wenig Genugtuung sah der Flavier dabei zu, wie dem Tier die Kehle durchgeschnitten wurde, und das Blut in einer Schale aufgefangen wurde.
Der Victimarius schnitt endlich auch den Bauch des Tieres auf, trennte geübt die Vitalia ab, platzierte sie in einem Tablett und übergab jenes Piso. Da war er ja schon gespannt, dachte er sich, als er das Tablett entgegennahm und die Eingeweide zu examinieren begann... -
Es war ein normaler Arbeitstag. Möglicherweise ein eher durchschnittlicher. Im Officium der Tresviri Capitales saß ein flavischer Vigintivir und blickte auf ein Pergament, aus dem er nicht schlau wurde. Es ging um eine komplizierte juristische Verwicklung, die sich offenbar aus einem komplizierten Rechtsstreit um Diebstahl ergeben hatte. Doch auch bei zweimaligem Durchlesen hatte er die Sache noch nicht durchschaut. Er seufzte, ließ das Schriftstück sinken, und blickte um sich. Das Officium sah nun weniger bedrückend aus wie am Anfang seiner sich nun zu Ende neigenden Amtszeit.E s mochte so sein, weil er sich schon daran gewöhnt hatte. Es mochte so sein, weil er mittlerweile ein wenig Ordnung ins Archiv gebracht hatte, nicht zuletzt mit der Hilfe von Bridhe. Es war doch immer wieder ganz nett, eine eigene Scriba zu haben, die zudem noch so hübsch war, dachte er sich versonnen. Doch es war nicht so, dass er jetzt großartige Sachen sexueller Natur mit ihr treiben wollte. Nein. Viel eher ging es ihm darum, dass er jene unwiderstehlich süße Aurelierin wieder sehen könnte... sie in die Arme schließen konnte, sodass all die Sorgen der Welt sich in plüschige Wölkchen auflösten. Doch das kam nicht. Zuerst einmal klopfte es. Und obwohl es nicht all seine Sorgen vertrieb, sorgte dieses Klopfen dafür, dass zumindest eine große Sorge von Piso sich in Luft auflösen würde.
Es schaute nämlich ein Mann herein, nachdem Piso herein gerufen hatte. Es war eher ein Männchen, klein und dürr, ein wahrer Denunziantentyp. Er fing zu sprechen an. “Salve, Vigintivir. Ich heiße Lucius Curius Rufus. Und mir ist etwas aufgefallen, was ich jetzt eigentlich nicht unerwähnt lassen wollte... nun ja... wie sollte ich sagen... es geht um eine Schriftrolle. Ich habe sie gefunden in jenem Hinterhof, wo ich lebe, direkt unterhalb von einem Fenster zu einem Lagerraum, im Transtiberim. Ich weiß jetzt nicht genau, was dort abging... aber vielleicht war es aus dem Fenster gefallen? Wie dem auch sei, ich habe es mir angeschaut. Die Schriftrolle hieß „Utopische Ulpianien“, und so etwas empörendes habe ich noch selten gelesen! Dort drinnen steht, dass der Kaiser in Misenum an die 65 Prozent seiner Zeit damit verbringt, sich ausgiebig an den Sackhaaren – ich zitiere nur! – zu kratzen, dass er sich am Morgen am Hintern berührt und dann seine Finger beschnüffelt, weil er den Geruch erotisierend findet! Zudem werden seine Künste im Bett als mäßig bis adäquat beschrieben... das geht doch nicht!“
Piso war unterdessen, aufmerksam zuhörend, auf seinem Stuhl gesessen und hatte zu Curius hingestarrt. “Ja... das ist ein Buch, welches wir verbrennen wollten. Du denkst, dass... “Ja... schaut mir nach einem Lager aus. Man hat uns immer gesagt, es ist leer... aber dort drinnen befindet sich etwas. Zwielichtige Gestalten gehen ein und aus, viele mit voll gefüllten Säcken. Und ebenso einer zwielichtigen Gestalt gehört das Lagerhaus. Sextus Graecophilaeus heißt er, ein Illyrer.“ Piso schluckte, als ihm dämmerte, was es bedeuten könnte, wenn die Informtionen stimmten. “Ich wollte es schon immer Anzeigen, aber erst jetzt habe ich diese Schriftrolle gefunden und...“ “Wenn das stimmt, Curius, wirst du fürstlich belohnt“, gab Piso tonlos von sich. “Oh! Wirklich? “Ja. Wo ist das gewesen?“Curius ließ sich auf dem Stuhl nieder und beschrieb dem Vigintivir genau, wo er lebte, und wo das Lagerhaus war. Piso nickte dazu, und schrieb sich etwas auf. “Wir werden der Sache nachgehen. Vielen herzlichen Dank, Bürger.“ “Immer wieder... gerne... vale!“
“Vale...“, murmelte Piso erst, als Rufus gegangen war, grübelte eine Sekunde, und stand dann zackig auf. Er musste etwas mit einem der Viatores bereden. -
Nein, Piso sagte nichts. Was hätte er auch tun können? Aufbegehren wäre die Wahl gewesen, die ihm eigentlich offen gestanden war. Doch – damit hätte er sich alle Chancen verspielt, jemals wieder anzukommen. Er mochte momentan noch aussehen wie ein Waschlappen, aber er ließ seine Geschütze derweil noch eingefahren. Derweil noch. Er musste noch abschätzen, wie das mit ihm und Prisca war... unbedingt musste er nochmal bei der Venus opfern. Unbedingt. Es duldete keinen Aufschub mehr.
Der Aurelius schnappte sich die Rolle, überflog sie und ließ luftig-lässig noch einen Namen fallen. Hortalus Macer. Utopische Ulpianie? Piso hatte davon noch nie etwas gehört, was Panik in ihm verursachte. Ob er und die anderen beiden Tresviri das übernehmen würden? “Ja. Aber du solltest dabei sein.“ Eben dies war eben auch eine der Verpflichtungen als Aedil, auch wenn es hauptsächlich den Tresviri oblag. Ob man viel zusammengetragen hatte? Hier musste Piso eine Halbwahrheit von sich geben. “Ja.“ Allerdings waren es nicht so viele, wie er es sich erhofft hätte. Ja, ein Wunder müsste geschehen, damit noch genug Bücher zusammengekarrt werden würden. “Der Termin ist anberaumt am 6. Tag vor den Kalenden des Maius.“ Der 24. April also. Es war nicht mehr viel Zeit bis dahin. Es gab noch so viel zu tun, auch wenn er diesem hartherzigen Menschen vor sich nicht mehr in die Visage glotzen musste. Piso schaffte es wieder, sich aufzurichten und seinen Rücken durchzudrücken. Es gab keinen Grund, vor diesem miesen Typen Schwäche zu zeigen. Keinen, verflucht noch mal. “Es ist am Forum Nervae.“ Man hatte sich gegen das Forum Romanum entschieden, dort war zu viel los. “Am späteren Nachmittag.“ Das war jetzt eigentlich schon alles gewesen, dachte er sich mit einer gewissen Genugtuung. “Ich hoffe, du wirst erscheinen.“ Es war nur eine Floskel, nicht ernst gemeint, Corvinus selbst würde das wissen. -
Piso legte seinen Kopf leicht, marginal, schief. “Denkst du, er tut das?“ Aber wenn er ganz ehrlich sein musste mit sich selber – gut möglich. Rom hatte ihn geformt. Ohne Rom wäre er nicht das, was er war. Ravenna als Stadt lud zum Faulenzen ein, Rom hingegen haftete der Duft der großen weiten Welt an. Rom war etwas Spezielles. “Womöglich.“ Er wollte das Thema nicht weiter elaborieren, wiewohl es ihm einen durchaus bemerkenswerten Denkanstoß gegeben hatte, den er ja noch ausfeilen konnte. Nur soweit, wer in Rom nicht graduell die Erfolgsleiter nach oben fiel, der konnte nicht recht ticken. Denn der Verschleiß an guten Leuten in Rom war hoch, und so wurden ständig immer wieder hohe Plätze oben frei. Gerade hatte ja wieder der Procurator ab epistulis seinen Platz geräumt. Ob Archi ihm nachrücken würde, fragte sich Piso in Gedanken.
Er war Nigrina dankbar, dass sie ihn ob seines Schmerzes nicht veräppelte. Er lächelte vage. “Ja.. Sie wird sich sicher sehr freuen... wenn sie es denn... bemerkt...“ Piso zwinkerte hektisch mit den Augen, er wollte nicht, dass Nigrina sah, dass seine Augen leicht feucht geworden sind. Er hatte ja noch, als er Nachricht bekommen hatte, dass Nigrina ankommen würde, große Bedenken gehabt. Er kannte sie halt nur als kleine Zicke. Doch Nigrina war zu einer echten Dame geworden, und je mehr er sich nun mit ihr unterhielt, desto mehr Ähnlichkeiten entdeckte er zwischen ihnen. Blut war eben doch dicker als Wasser. Was nicht heißen musste, dass die geschwisterliche Eintracht, die die beiden jetzt darstellten, nicht von einem heftigen Streit von einer Sekunde auf die Nächste wieder dahingemacht werden konnte. Doch momentan war alles gut, und Piso würde tunlichst vermeiden, den friedlichen Intervall durch eine unbedachte Aktion zu zerstören.
Es tat sehr gut, dass nun über etwas anderes als Vera gesprochen wurde. Pisos Vermutung wurde bestätigt, und auch er musste leicht grinsen. Das Walross, nicht nur wegen seines Bauchumfanges, sondern auch wegen seines enormen Schnurrbartes, der jedem, der es sah, immer wieder ein Schmunzeln auf die Lippen zauberte – es sei dahingestellt, ob jenes erfreut, amüsiert oder auslachend war. Aber sein Ruhestand war wohl verdient.
Nigrina erzählte auch von Furnilla, und Piso hörte dabei zu. Er nickte dann und wann. Unter ihrem Niveau geheiratet, das war traurig. Nun, dem alten Erutius war das zu zuzutreuen gewesen, dass er seine Tochter um ein Apfel und ein Ei verscherbelte. Und schwanger war sie auch, wie es ihm seine Schwester mit angebrachter Höflichkeit ausdrückte. Oh weh. Piso hatte schon oft von schwangeren Frauen gehört, die am Ende ihrer Schwangerschaft komplett unförmig zurückblieben. Er würde Furnilla mal besuchen, sollte er wieder mal nach Ravenna kommen. Ob sie ihn noch empfing? Sie war ja nie besonders angetan gewesen, wie Piso und Archi ihr immer Steine an die Wand gehauen hatten – ach ja, Archi!
“Du erinnerst duch sicher ncoh an Archias!“ Klar, Nigrina hatte ja im zerstörerischen Alter von 2 Jahren nie etwas besseres im Sinn gehabt, als Pisos und Archias‘ mühevoll aufgebauten Sandburgen zu zerstören. “Er lebt wieder in Rom. Ist jetzt Ritter geworden, und arbeitet in der Kanzlei, so wie ich es früher gemacht habe. Aber ich sage dir, ich bin doch froh, aus dem Block heraus zu sein. Mit der Zeit kriegt man dort seltsame Gehirndrehungen...“ Er machte eine verschwurbelte Geste, um ihr das Konzept zu verdeutlichen.
Er ließ leicht die Schultern sacken, als er hörte, dass Nigrina nichts über Sophonisba wusste. “Nun ja, auch egal...“, winkte er dann ab. Sophonisba hatte ihm sein ganzes Leben lang die wahren Umstände um den Tod seiner Mutter verschwiegen. Er hatte ein Recht darauf gehabt, es zu wissen. Natürlich wäre Sophonisba bestraft worden – aber er hätte das verfluchte Recht gehabt, es herauszufinden!
Er schob den Gedanken daran mit geradezu bewundernswerter Vehemenz weg und konzentrierte sich wieder auf Nigrina. [color=green]“Hmm. Nun ja. Wo hast du denn eigentlich deinen ganzen Reisekrempel hingebracht? Richtet man dir schon ein Cubiculum ein?“[color] Vielleicht würde es ja das sein zwischen dem seinen und dem von Furianus. Sodass eine gewisse weibliche Abgrenzung da wäre. Denn vor Furianus hatte er trotz allem noch immer ein wenig Angst – und dies war auch der einzige Mensch der Welt, vor dem er so etwas überhaupt verspürte. -
“Ähm, hmm, tja... klingt verlockend, vielleicht ein andermal, wenn ich nicht mehr so viel zu tun habe“, ließ sich auch Piso zu einem Witzchen herab und betrat die Zelle. Bei Weitem nicht so schlimm wie bei den Prätorianern. Bei Weitem nicht. Was war er froh. Es schien halbwegs sauber zu sein – halbwegs! Dass er dieses Wort in Gedanken verwendete, bezeugte, wie sehr seine ästhetischen Ansprüche gesunken waren! Deplorabel!
So schnell wie möglich begab er sich wieder raus, dankend dem Decimus zunickend. Er nickte dann auch weiterhin, als Mattiacus aufzählte, wie die Lage stand. Offenbar waren die meisten nicht länger als nur 2 oder 3 Tage hier, und so etwas war schon exzeptionell. Ausbrüche gab es auch keine – natürlich. Wenn man hier so schnell wieder freikam, dann lohnte es sich auch nicht. Ein paar Stunden schmoren halt einfach. Es war schon erfreulich, wie wundervoll geschmiert die Exekutive in Rom lief. Und wie schnell und präzise der Mann seine Fragen beantwortete.
“Nun – ich glaube, das war jetzt schon alles. Ich bin wahrlich verblüfft, wie schnell das verlaufen ist. Ich muss wirklich sagen – aber sag das bitte nicht weiter, Decimus! – von den Kerkern der Garnisonen hier in Rom hat mir der der Cohortes Urbanae am Besten gefallen.“ Ehre dem, dem Ehr‘ gebührt! Er nickte respektvoll. “Gibt es noch etwas Spezielles über den Kerker, was du mir noch sagen könntest, sodass ich es in meinem Officium zu Protokoll geben kann?“ -