Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Piso hatte sich schon einige Szenarien ausgemalt, in der er sich vorgestellt hatte, wie Nigrina auf seinen Anblick reagieren würde. Zornig vielleicht, weil er sich mit ihrem so heiß geliebten Vater überworfen hatte, und keine Schritte unternommen hatte, um den Streit zu glätten. Nun, es waren unverzeihliche Worte gefallen, und Piso wunderte sich schon scher, dass jetzt überhaupt sein Vater ihm einen Brief schrieb. Es musste einer der impulsiven Hüftschüsse gewesen sein, für die Aetius notorisch war und die Piso auch eindeutig von ihm geerbt hatte. Nicht, dass Piso vom Brief sehr erbaut gewesen wäre, aber brüderliche Pflichten wogen dann doch immer wieder recht schwer. Vor allem, weil er ja gar nichts gegen Nigrina selber hatte. Nein, er mochte seine Schwester sogar irgendwie, obwohl sie viele Seiten hatten, die ihm rein überhaupt nicht in den Kram passen wollten. Immerhin wusste sie Schönheit zu schätzen. Und sie war kein jämmerlicher Waschlappen, mochte sich in dieser Hinsicht vielleicht auch vom zimperlichen Piso, der von seiner calpurnischen Mutter die Empfindsamkeit hatte, unterscheiden. Nur war es ihre Zuneigung zu seinem Vater, der Piso nie wirklich nahe gestanden war, die ihm missfiel. Doch wer wäre er, ihr Liebe zu ihrem Vater zu verbieten?
    Sie erwiderte seine Willkommensworte, die durchaus als solche gemeint waren, wiewohl das Wort Willkommen eher implizit gewesen war, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich ein wenig zu verwundern über den leicht sarkastischen Tonfall, den man ihrer Stimme dabei anhören konnte. Nun, seine kleine Schwester war schon immer seltsam gewesen. Wie halt alle Flavier. So ignorierte Piso erst einmal den Tonfall, er konnte eh nur verlieren, wenn er es ansprach.
    “Nun, das ist schön zu hören!“, meinte er, als Nigrina ihm von ihrer langweiligen, aber sicheren Reise erzählte, wiewohl sie gleich weiter sprach. Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Dieser Punkt war wie Balsam auf seiner Seele. “Das stimmt, ich hänge jetzt nicht einfach nur mehr herum!“, sprach er aus, was sie sich schon gedacht hatte. “Vor die steht ein Septemvir und ein Tresvir Capitalis. Nicht zu vergessen, ein Mitglied der Arvalbruderschaft!“, meinte er stolz, und bei jeder Aufzählung von einem weiteren Titel wurde sein Grinsen breiter. “Wahre Ästhetik, Schwester, besteht doch nur dann, wenn man das Beste tut und hoch zielt!“ Befriedigt blickte er seine Schwester, die niemals politische Ämter erreichen werden würde, an. “Du wirst sehen, schon bald bin ich Senator Roms. Das hätte man sich wohl nie denken lassen, als ich noch damals in Ravenna herumgelümmelt bin, doer in der Welt herumgezogen bin.“ Er lachte kurz, bevor ebendieses Lachen verebbte.
    “Wenn du dich fragst, wieso Vera nicht hier ist... nun ja... es geht ihr sehr schlecht.“ Er ließ seinen Kopf leicht hängen. Nigrina würde sicher wissen, wieviel ihm an Vera lag, war sie doch der Mensch auf der Erde, den Piso am meisten und am tiefsten liebte. Schließlich war sie seine einzige volle Schwester, und ihm in vielem ähnlich. Zum Beispiel im Kunstgeschmack.
    Er erhob seine rechte Hand und tätschelte Nigrina linkisch an die Schulter. “Gut, dass du da bist, Nigrina, gut...“ Er dachte kurz nach, was nun? “Wie geht es eigentlich den unseren in Ravenna?“


    Sim-Off:

    EDIT: Die liebe Kosmetik ;)

    Pisos Grinsen wurde noch um einiges breiter. “Oh ja, das wäre geradezu wundervoll, danke!“, deklarierte er, als er sich niedersetzte, denn als Aufforderung zum Niedersetzen interpretierte er Marttiacus‘ Frage, ob er denn etwas trinken wollte. Der Decimus erinnerte sich offenbar an ihn. Ah ja, natürlich, Piso hatte schon auf jeden einen bleibenden Eindruck gemacht.
    “Es macht mir nichts aus, wenn die Kerkerinspektion langweilig wird. Im Gegenteil, über etwas Langeweile wäre ich ziemlich erfreut dieser Tage. Schließlich habe ich ziemlich viel um die Ohren in meiner Position als Tresvir Capitalis... ach ja. Du selber strebst wohl nun auch nach einer politischen Karriere, Decimus?“ Schließlich war der Gute ja jetzt senatorischer Tribun. Und eigentlich war Piso ziemlich froh, dass er an einen solchen gekommen war – sich mit Salinator herumschlagen hätte er unerträglich gefunden, obwohl er ihn bislang nicht einmal wirklich persönlich kannte, nur von der Weite.

    Der Zug war schon fast zu Ende. Den Göttern sei Dank, dachte sich Piso, der ein wenig nun zurückgefallen war und nun zwischem dem Fulvius und dem Aemilius ging. Der Tempel der Magna Mater erstreckte sich vor ihnen, es würde gleich soweit sein. Der Flavier hatte das Gefühl, in der letzten Minute war das Schlagend er Trommeln leiser geworden, und die Flöten lauter geworden, fast so, als hätten die Trommelschläger ihr Pulver verschossen und die Flötenspieler würden jetzt noch einmal richtig aufgeigen. Die drei Septemviri hielten vor dem Tempel, des Umstandes gewahr, dass nun die Ladung der Götter kommen würde.
    Es war an Fulvius Frugi, das Zeichen an die Cybelepriester zu geben, ihnen in den Tempel zu folgen. Würdevollen Schrittes stiegen die Epulonen die Stiegen hinauf, in den Tempel hinein. Die Galli, wie man die Cybelepriester nannte, folgten ihnen mit der zu bewirtenden Statue und den Opfergaben. Die Kuh musste draußen bleiben. Der Rest der Kultisten blieb draußen stehen, dudelte fröhlich weiter und sprang als Pausenclown für die Zuschauer, die in der frischen Luft warten mussten, ein, und bewarfen diese mit Narzissenblüten.
    Drinnen im Tempel war es ein wenig kühler als gerade vorhin, was Piso als angenehm empfand. Zusammen mit seinen zwei Mitepulonen nahm er die rituelle Waschung vor, und zupfte sich die Toga über den Kopf, bevor er sich zu dem Opferbecken begab, welches vor dem schwarzen Stein der Magna Mater stand, welcher diese Gottheit symbolisierte. Andächtig blickte der flavische Septemvir kurz auf den Steinblock, bevor er nach links griff, zu bereits dort auf einem Schemel platzierten Weihrauchstücken, und sie ins Feuer warf. Dann erhob er seine Hände.
    “Magna Mater, Cybele, Herrin von Ida! Dieses Mahl dir zu deinen Ehren. Gewähre uns die Gunst deiner Anwesenheit, Göttliche, sei unser Gast und lasse dich bewirten, wie es dir zu deinem Fest zusteht!"
    Er warf noch einige Stücke Weihrauch in die Opferpfanne, bevor er sich, im mittlerweile entstandenen Qualm, nach rechts drehte.
    Er nickte den beiden anderen zu, woraufhin alle 3 wieder in eilenden Schritten zur Tür hinschritten und hinaus traten, wieder ins Freie. Mit einigem an Zufriedenheit stellte Piso fest, dass einige Diener der Cybele bereits die Kuh am Altar festgebunden hatten. Auch die Dekorationen waren weg – das Opfer konnte beginnen!
    “Zur Seite!“, rief einer der Priester halblaut zu den anderen, als die drei Septemviri aus dem Tempel traten, und die Menge der Priester aus den Weg trat, um ihnen Platz zu machen. Nch einmal holte Piso tief Luft, bevor er es unternehmen würde, nach vorne zu schreiten, um die Kuh zu opfern, zu Beginn der Götterspeisung.

    Und Piso trat ein, ganz so wie vom Decimus angewiesen.
    Das Officium, dies fiel ihm sofort auf, hatte wenig soldatisches an sich. Fast fühlte er sich an seine Zeit in der Kanzlei zurück erinnert. Fast schon dachte er, gleich einmal würde Numerius Urbicus, oder Senilis, oder Acidinus um die Ecke biegen. Doch es war nicht so. Immerhin erinnerte ihn eines an die Kanzlei – der Decimus, der hier saß. Piso erkannte ihn wieder, nicht nur war er in der Schola Atheniensis gewesen, nein, er war auch Procurator a cognitibus in der Kanzlei gewesen.
    “Ah, salve, Proc... ich meine, Tribunus Decimus! Kannst du dich noch an mich erinnern? Ich bin Flavius Piso, einst Primicerius a libellis, nun Tresvir Capitalis. Habe einst meinen Cursus Iuris bei dir gemacht. Unglaublich, so läuft man sich immer wieder über den Weg.“ Er grinste und fächerte sich mit seiner Wachstafel etwas Luft zu.
    “Also, um es kurz zu machen, ich bin hier, um die Kerker der cohortes urbanae zu inspizieren. Ich hoffe doch, das lässt sich einrichten?“

    Die Göttin war der Prozession wohl wahrlich hold, wenn man dem Umstand, dass die Sonne freundlich vom Himmel lachte, Bedeutung zumessen wollte. Doch Magna Mater war keine Sonnengöttin, sie war eine Erdgottheit, also hatte sie wohl nicht soviel mit der Sonne zu tun, dachte sich Piso, als er, bekleidet mit strahlend weißen langen Gewändern, bei der die wallende Toga in der Sonne blitzte wie Metall schon fast, einherschritt, auf den Palatin hinauf. Vor ihm war niemand, hinter ihm aber, das wusste er, war ein enormer Haufen von Leuten. Zuerst einmal die beiden anderen Septemviri, die Piso in seiner nächsten Nähe wusste – denn insbesondere Fulvius schnaufte, als es darum ging, bergauf zu steigen.
    Dahinter eine lärmende Entourage. Es waren frohlockende, juchzende und auf ihren Zimbeln herumschlagende Priester der Magna Mater. Halbnackt waren sie, von einem grässlichen Geschmack ihre Kleider, und Piso drehte es eigentlich innerlich den Magen um, wenn er daran dachte, dass sie sich alle selber entmannt hatten. Für ihn war dies superstitio. Aber, jeder nach seinem eigenen Geschmack, dachte er sich, auch wenn er Fanatiker wie die Cybelepriester insgeheim verabscheute.
    In ihrer Mitte führten die Cybelepriester auf einer Bahre eine Statue der Magna Mater mit sich, die majestätisch auf ihrem Transportmittel thronte und für alle Zuseher weithin sichtbar war. So wusste man sofort, was denn los war. Diese Statue, die in ihrem Sessel saß, würde später im Tempel der Magna Mater bewirtet werden. Natürlich saß diese Statue auf ziemlich prächtigen Polstern oben, wie es sich für eine Götterspeisung gehörte.
    Ein paar weitere Cybelepriester führten eine Kuh mit sich. Piso hatte eine ordentliche Abscheu vor Kühen entwickelt, insbesondere als Opfertiere, doch da musste er nun durch, war es doch Tradition, eine Kuh vor einer Götterspeisung zu opfern.
    Die Kuh war ein enormes Tier, aber dankenswerterweise still. Sie kam aus Etrurien und hatte jetzt ein hübsches Deckchen an. Um ihren Kopf waren infulae gebunden, und die Hörner waren vergoldet. Wahrhaft ein treffliches Opfer. Doch Piso würde es zu seinem Leidwesen durchziehen müssen, schließlich war er hier an der Stelle des Magisters.
    Eine weitere Gruppe trug Speisen, vielfältige Speisen. Vorspeisen, Hauptspeisen, Nachspeisen, und nicht zuletzt Getränke. All diese würden der Magna Mater vorgesetzt werden.
    Der Rest der Cybelepriester war damit beschäftigt, Blumenblätter in die Menge zu werfen und dabei wild herumzuschreien. Piso hoffte selber, ihre Kehlen würden ihnen platzen. Hoherufe erschallten auch von den Zugbegleitern.
    Denn dero gab es einige. Solch ein Spektakel ließen sich viele ungerne entgehen, und außerdem war dies eine gute Gelegenheit, den kaiserlichen Palast aus der Nähe zu beobachten. Allerdings würde man dort nicht hineingehen, vielmehr würde sich der Zug zu dem großen Tempel der Magna Mater am Palatin begeben.

    Eines vorweg. Niemals war die Götterspeisung der Magna Mater jemals vergleichbar mit dem des Epulum Iovis. Schließlich ging es hierbei nicht um die Bespeisung der wichtigsten Götter des Imperiums, sondern nur um der der Magna Mater. „Nur“ in Anführungszeichen sollte amn sagen, denn Magna Mater, auch Cybele genannt, war mitnichten eine unbedeutende Gottheit, wenn auch keine römische. Ihr Ursprung war Orientalisch, phrygisch, so sagte man es sich, und sie war vor mehr als 300 Jahren nach Rom gebracht worden. Sie war eine Erdgottheit, eine Muttergöttin, die Göttin der Berge. Ihr Fest war die Megalesia.
    Der Pöbel kannte die Megalesia, weil es dort immer wieder Wagenrennen und Gladiatorenspiele gab. Doch die Megalesia war mehr als dies. Die Megalesia beinhaltete auch Opfer und dann und wann, wenn man Magna Mater seine ultimative Verehrung beweisen wollte, eine recht spektakuläre Götterbewirtung – hier zu sehen.
    3 Septemviri würden die Götterspeisung durchziehen – nicht mehr, schließlich war dies nur die Speisung einer Göttin. Zudem waren die restlichen 7 verhindert.
    Der erste war Aemilius Atimetus. Er war ein alter Freund des Aedilen, der die Spiele ausrichtete, und hatte sich somit auch bereit erklärt, die Megalesia zu übernehmen.
    Der zweite war Fulvius Frugi. Jenem war versichert worden, dass er nicht viel zu tun hätte, woraufhin er sich gemeldet hatte, um den Anschein zu rwecken, er täte etwas.
    Der dritte war Flavius Piso. Er leitete die Priesterschaft für diese religiösen Aktionen. Schließlich war der Aedil auf ihn zugekommen. Zudem war es wohl eine Art Bewährungsprobe für den noch relativ neuen Septemvir. Er führte die Prozession an diesem Tag; Opimius Naso konnte nicht, denn er hatte sich einen lästigen Spieß im Fuß eingefangen.


    Sim-Off:

    Ich hoffe, niemand hat etwas dagegen, dass ich das religiöse Drumherum zur Megalesia gleich hierher poste, ohne das ganze durch den Eingang zu lotsen. Schließlich ist die Megalesia das Fest der Magna Mater, und ich denke, keine Stadtwache wäre so dreist, sich diesem Zug entgegenzustellen und somit göttliche Unbill auf sich zu ziehen. :D
    Ach ja – die Sache spielt vor dem Debakel bei den Aureliern.

    Oh ja, Piso hatte sich glücklich gefühlt, so glücklich wie schon seit einer sehr langen Zeit nicht mehr. Das war das Leben gewesen, er hatte es gefühlt. Geküsst hatte er in der Zeit, seit der er in Rom war, was schon ziemlich lange nun war... nicht Serrana. Sie hatte ihn nicht ranlassen. Warum eigentlich, dachte er sich, als er noch immer Corvinus anstierte. Genau, Axilla. Aber war das echt gewesen? Sie waren beide in einem Rausch des Begehrens gefangen gewesen... jetzt eben nicht, fragte er sich, als er die Erregung, die er gerade noch gespürt hatte, komplett in sich abebben fühlte. War da mehr gewesen als nur Lust? War es?
    Doch er hatte keine Zeit, in sich hineinzuhorchen und nachzudenken. Priscas Worte kamen ihm an die Ohren... nein, rief sie. Es ist nichts passiert. Nicht schlimm. Nur geküsst...
    Nur. Piso schluckte abermals, als ob dies ein neuer Tick wäre von ihm. Er fühlte sich sehr unbehaglich in seiner Haut. Es mochte so erscheinen, dass Corvinus komplett überreagierte. Aber er vollzog den Zorn doch nach – schließlich erschien ihm Corvinus sehr dominant, ein wenig wie ein vielleicht ein wenig netterer Furianus. Naja, viel netter. Furianus hätte ihn in einer solchen Situation umgebra... nicht umgebracht, sondern ihm zuerst noch die Haut vom Leibe gezogen und sie vor Pisos Augen verbrannt. Oder so. Und die Erfahrung, die Piso mit Haustyrannen hatte, brachte ihn nun auch dazu, den Duckmäuser zu spielen. Es erschien ihm das intelligenteste in dieser Situation.
    Was war das? Prisca schluchzte. Sie weinte. Seinetwegen. Sie war besorgt um ihn. Um ihn. Sein Mund öffnete sich ein wenig, als er versuchte, hinter Corvinus etwas von ihr zu erhaschen. In seinem Herzen wurde es warm... für einen Moment... einen winzigen Moment lang war es greifbar, dieses L-Gefühl.
    Doch entzog es ihm sich wieder, fast wie von den Fingerspitzen weggleitend, als Piso wieder in Corvinus‘ Augen schaute. Sie sahen stählern aus. Sauer war der Aurelier auf jeden Fall. Piso hatte keine Ahnung von den interfamiliären Verschachtelungen und Arrangements innerhalb der gens Aurelia, doch musste es so sein, dass Prisca in irgendeiner Weise eine Protegée des Corvinus war.
    Na, das hatte er jetzt ganz fein gemacht. Jetzt bloß nicht fortrennen. Er nahm seine ganze verbliebene Courage (...erbärmliche Reste) zusammen, atmete ein und antwortete.
    “Äh.“ Eloquent Aulus, fast so eloquent wie die Hennennachmachung von grade eben. “Ich... nun ja... bin hierher gekommen, um dich zu sprechen... dann bin ich in den Hortus gegangen, als ich wartete. Dort habe ich Prisca gesehen, und wir haben uns angesprochen, und eines führte zum anderen, und...“
    Wie weiter? Was sollte er tun? Für einen winzigen Moment dachte er daran, Prisca die Schuld zuzuschieben, und zwar für alles, was geschehen war, sich irgendwie kompliziert rauszureden. Doch das würde in die Hose gehen. Also beschloss er, alles auf eine Karte zu setzen, machte ein verzweifeltes Gesicht und warf seine Hände leicht nach oben.
    “Es ist alles meine Schuld! Ich bin für all dies verantwortlich, nicht Prisca! Sie trifft keine Schuld, dass es soweit kam, sondern mich! Bitte, bestrafe sie nicht!“ Was war, wenn der Kerl sie in ein Loch warf, ähnlich wie das, welches man in der Villa Flavia hatte?
    Er duckte sich nieder, fast, als wollte er sich vor Corvinus zu Boden werfen und ihm die Füße, um Gnade für Prisca winselnd, abschlecken. Allerdings hob er etwas vom Boden auf... dem Himmel sei Dank war es noch nicht soweit, dass ein Patrizier einen Kotau machen musste.
    Es war die Schriftrolle, die unselige Schriftrolle. Die mit den zu verbrennenden Büchern oben drauf. Die, die mit Piso zu Boden gefallen war.
    Der Flavier umklammerte sie mit der rechten Hand wie ein lebensrettendes Seil. “Ich... ich habe hier Arbeit...“, krächzte er. “Verbotene Bücher... es ist die Liste, die ich dir bringen sollte, und die wir gemeinsam durcharbeiten sollten...“ Vielleicht hielt dies nicht nur als Erklärung her, was er hier ursprünglich machte, sondern auch ein passables Ablenkungsmanöver? Wäre doch schön; auch wenn die Hoffnung dünn war.

    Piso, der sich für die Kerkerinspektion fein herausgeputzt hatte, mit einer Toga bekleidet war und eine Wachstafel in der Hand hielt, in der ohne Zweifel ein Griffel schlummerte, bereit dazu, von Pisos flavischer Hand herausgenommen zu werden, um somit die Wachstafel zu beschriften, sowie er über die Kerker der cohortes urbanae Auskunft erfuhr, sowie seine Haare frisiert hatte, wiewohl er der Auffassung war, dass zerstrubbelten Haaren die einzig wahre Ästhetik inne wohnte, war es dem Menschen doch von Natur aus vorbestimmt, sich nicht mit Kämmen zu malträtieren, klopfte, nachdem er von den selben Wachen, die ihn noch am Tor gefragt hatten, ob er einen Termin habe, ihn jedoch trotzdem durchgelassen hatten, hierhergeleitet worden war, und nachdem ihm auch die Türe gezeigt wurde, an der der Name des Decimus groß stand, obwohl Piso sich nicht daran erinnern konnte, seinen Namen im Kontext des Cursus Honorum je gehört zu haben, obwohl der Name Mattiacus ihm von der Zeit in der Kanzlei, an die er sich noch immer gerne zurückerinnerte, noch ein Begriff war, sowie von damals, als er sein juristisches Diploma abgelegt hatte, obwohl er leider in dieser Zeit noch keine aufsehenerregende Fälle argumentiert hatte, wiewohl er durch seine künstlerischen Aktivitäten mittlerweile genug Bekanntheitsgrad haben sollte, und auch nachdem er seine Hand erhoben hatte, durchaus kraftvoll und auch recht gut vernehmbar an. :D

    An den Anschlägen des Forums wurde ein großer Zettel aufgehängt – und zwar von einem Sklaven, der verdächtige grüne Tüpfchen auf seiner Tunika trug. Schnell verzog er sich wieder, nachdem dies getan war, und allen Betrachtern sich folgender Anschlag erschloss.


    Wählt den ehrenwerten L. Flavius Furianus zum Consul der Republik! Es gibt keinen Würdigeren!

    Eine Wahlkampfschmiererei an einem Gebäude wie der Curia Pompeia war in den Zeiten eines Wahlkampfes mitnichten ungewöhnlich, und so reihte sich auch hier ein Schrfitzug neben einer Anzahl von weiteren. Was an diesem Schriftzug auffiel – er war knartschgrün und etwas größer als alle anderen.


    Wählt Annaeus Modestus zum Praetor – er wird gerechte Urteile aussprechen!


    Dieser Wahlspruch war aus flavischem Farbtopf gepinselt, und die Anweisung, ihn zu malen, war von niemand anderem als Flavius Piso an einen Sklaven ausgegeben worden (selbiger watschelte nun wieder heim, etwas bekleckst). Modestus hatte ihm immerhin seine Unterstützung bei den letzten Wahlen ausgesprochen. Und wie hieß es so sch:on? Manus manum lavat. Eine Hand wäscht die andere.

    Aaaaah.
    Das war wundervoll.
    Oh, ja, das war da direktgehend, Mensch Meier, fantastisch!
    Der Flavier dachte nicht an die Konsequenzen nach, die sein Handeln nach sich ziehen könnte. Seine Impulsivität war in ihm durchgekommen. Die Sklavin verzog sich, sah er aus seinen Blickwinkeln, doch das störte ihn nicht weiter. Schließlich war sie unbedeutend, klein, faselte Abstrusitäten, und war vor allem sehr störend durch ihre Präsenz. Er wollte sie nicht in seiner Umgebung haben.
    Was er wollte, war, das hier zu genießen.
    Zuerst hatte er sich ja gedacht, sie würde ihn schlagen, und eine dumpfe Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte, dass sie damit sehr wohl Recht gehabt hätte. Denn was er getan hatte, das war schon enorm frech gewesen. Aber auch enorm... hammer... ja, er fühlte sich, als ob man ihm einen Hammer an den Kopf gehauen hätte. Vor Pisos geistigen Augen bildeten sich Plüschgebilde, die lustig-flockig vom Himmel runterpurzelten.
    Er war noch immer dabei, sie zu küssen. Und dieses Mal... berührte sie seinen Kopf. Ein Schauer durchfuhr den Flavier, als er seine zweite Hand an ihren Rücken legte, ganz leicht, und bemerkte, wie sie ihm durch die Haare strich... über den Kopf... wie sie ihn an der Schulter berührte... wie fühlte es sich an, fragte er sich innerlich?
    Die Antwort war – guuuut. Enorm. Das war jetzt einmal etwas, was er bis zum Ende seiner Tage in seinem Herz behalten würde, hach ja, er fühlte, wie er aufblühte, wie die Musen ihn umschmeichelten, wie die...
    Huch, da trapste ja was hinter ihm.
    Ah. Sicher war es Amor auf leisen Füßen.
    Aah. Oder Venus, gekommen, sich zu entschuldigen für die Abweisung seines Opfers.
    Aaah. Oder aber die Musen, gekommen, um ihm ihre Aufwartung zu machen?
    Aaaah. Vielleicht auch die Parzen, gekommen, um ihn freundlich zu belächeln ob dieses Punktes im Schicksal, welches...
    AAAAAH! Es war Aurelius Corvinus!


    Wie in einem wahnsinnigen Zeitraffer zog sich das wundervolle Traumgebilde des Flavius Piso sich in Nichts zusammen. Weg war der Plüsch, weg die Wonne, weg das weiche Gefühl der Annehmlichkeit. Eine innere Implosion fühlte er in seiner Seele, als er sich ruckartig von Prisca löste, mit einem lauten Geräusch nach Luft japste, sich herumdrehte und dabei von der Liege fiel.
    Er kam nicht hart auf, schließlich war dort Wiese, und weiches Erdreich; trotzdem stieß er ein “G...g-ga!“ aus als Zeichen der Erschrockenheit. Immerhin hatte er sich mit beiden Armen noch an der Lehne festhalten können, sodass er sich sofort, noch immer in einem Schockzustand, hochziehen konnte. Mit ihm war auch die vermaledeite Schriftrolle heruntergepurzelt, fiel ihm auf, als er aufstand, schluckte und sich zu Corvinus hindrehte.
    Hinten an seiner Tunika befand sich nun ein grün-brauner Fleck, auch teilweise auf seiner Toga (welche er ja angezogen hatte). Die selbe war nun komplett zerknüllt. Das schlimmste aber war die sichtbare Beule, die sich unten an der Tunika am Stoff abzeichnete. Piso drapierte ungeschickt die Toga erst einmal so, dass dieser Makel unzulänglich verdeckt wurde.
    Ähh..., hub er dann zu sprechen an. Jetzt aber musste er knallrot sein, wenn er es noch nciht vorher gewesen war. “Nun... öh... ja... salve, Aedil, und es schaut alles ganz anders aus, als es ist! Ich kann alles erklären!“
    Oh, Magna Mater! Gib mir eine Eingebung!, dachte er, als er nochmals schluckte.

    Ein mildes Lächeln entschlüpfte pisonischen Lippen. “Termin? Oh, haha, nein! Bona Dea, Termin! Ich hätte doch eher gedacht, bei den ehrenwerten Cohortes Urbanae lässt sich schon etwas einrichten, was Termine angeht. Zumindest für Magistrate Roms.“
    Neugierig blickte er die beiden an, als erwartete er sich, dass die die beiden nun gleich Taten von geradezu spektakulär-epochalen Ausmaß begehen würden. Ein frommer Wunsch, insbesondere, was zwei Soldatensäcke anging, die sogar einen gewählten Vigintivir der Republik dreiste kommen wollten.

    Pisos Grinsen wurde grade noch ein Stückchen breiter, als er sah, wie sehr sich Bridhe offenbar freute. “Das hoffe ich doch!“, stellte er fest, als Bridhe ihm versicherte, sie würde lernen. Nun, jeder musste sich mal einarbeiten. Er dachte noch an seine Anfänge in der Kanzlei... schlimm... jetzt war er aber ein alter Hase, was Verwaltungskram anging, und das war auch gut so. Was ihm auffiel, sie nannte ihn schon wieder Herr. Nun gut, sei es drum, an so etwas konnte sich ein Flavier immer wieder durchaus gewöhnen.
    Dass die Villa Flavia keine Gaststätte war, wunderte Bridhe wohl ein wenig, und sie tat sehr überrascht, als Piso so eine Zahlung ablehnte. Nun gut, eigentlich war es ja so, dass Piso sich vorgestellt war, dass er ihr in Wirklichkeit eine größere Summe zahlen würde, aber gleichzeitig von dieser auch wieder Bridhes Unkosten abzöge, sodass am Ende sich 40 ergaben. Aber in so komplizierte Denkspiele wollte er die Flaviana nicht einweihen.
    Er nickte deshalb nur, hoffend, dass dadurch Bridhe ihm umso loyaler sein würde, und nicht so schnell um eine Lohnerhöhung betteln würde.
    Sie stand auf, als er zu ihr hinging, und er nickte, als sie sich bereit erklärte.
    “Dann gehen wir.“ Er ging voraus, in der Gewissheit, dass Bridhe ihm folgen würde. Bald würden sie schon in der Basilica Ulpia sein, im Officium der Tresviri Capitales.

    “Na, Bridhe? Gefällt es dir?“
    Piso hatte, ganz Kavalier (vielleicht auch nur beseelt von Affigkeit), vor Bridhe die Türe aufgemacht und winkte sie herein. “Das hier ist mein Reich! Alles meins! Naja, zumindest, wenn ich hier Dienst habe.“ Der Flavier trat zum Arbeitstisch hin und klopfte drauf, mit einem gewissen Stolz. “Beste germanische Eiche, die Architekten haben sich hierbei um nichts lumpen lassen!“ Beschwingt hüpfte er zu seinem Stuhl hin und ließ sich hineinkrachen. “So! Und dein Platz, der ist...“ Er deutete auf einen kleinen Tisch neben seinem großen Arbeitstisch. “...hier. Nimm ruhig Platz! Ich habe sowieso etwas gleich für dich zu tun...“ Er langte zu einer Wachstafel hin, die am Tisch lag, und klappte sie auf.
    Der Flavier brummelte, nahm einen Griffel und ritzte ein paar Sachen ein, bevor er zustimmend grunzte.
    “So, meine Liebe! Leg deine Wachstafel weg, es geht ans Eingemachte. Ich werde dir was diktieren, und du musst es auf Pergament aufschreiben. Diktieren deshalb, weil du mien Gekrakel wohl nicht entziffern können wirst...“ Es sah schlimm aus, mit lauter seltsamen Hieroglyphen und Schmierereien. “Und dann musst du noch einmal zwei saubere Abschriften dafür machen. Eine ist für mich, eine für den Prätor, eine für den Prätorianerpräfekten.“
    Er blickte auf Bridhe und hoffte, dass soweit erstmal alles klar war.

    “Nun, sicherlich, da gebe ich dir recht. Eine psychisch-medizinische Studie ins Hirn von Inkarzerierten wäre durchaus einmal interessant, doch hier muss ich doch leider den Experten das Feld überlassen.
    Piso war so ziemlich alles (vom Juristen überm Musikspezialisten und Militärtheoretiker hin zum Architekten), nur kein Mediziner. Er selber war kein großer Fan der Handlungen, mittels der man in die Inästhetik, die die Innereien des menschlichen Körpers darstellten, eindrang. Opferexaminationen waren ja schon schwierig genug zu bewältigen, aber damit konnte er sich gerade noch abfinden.
    Eine Frage stellte ihm der Eprier noch, und Piso überlegte kurz. “Ja, eine Frage habe ich noch. Sie hat nicht direkt mit den Kerkern zu tun, aber trotzdem. Ich muss zugeben, ich war etwas erstaunt, dass mir als Stellvertreter des Praefectus ein Centurio, und zwar du, vorgestellt wurde. Nicht, dass ich an deiner Kompetenz zweifle!“, säuselte er beschwichtigend. “Aber! Gibt es keinen Subpraefectus? Gibt es keine Tribune? Und insgesamt erscheint mir das Lager ziemlich ruhig. Meine Frage ist, was hat es damit auf sich?“ Er war ja schon gespannt.

    Als Phoebus Piso verständigt hatte, dass seine Schwester gekommen war, hatte sich dieser in seinem Arbeitszimmer aufgehalten und auf die Nachricht hin nur knapp genickt. Ihm gingen mehrere Dinge durch den Kopf, die er nicht recht in seinem Hirn einordnen konnte. Wie sollte er sie begrüßen, nach all dieser Zeit? Er wusste es nicht. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, hatte sie weit von sich fort geschoben, um unbeeinträchtigt von solchen Sachen in den Tag hineinzuleben, und sich um seine Arbeiten zu kümmern.
    Doch nun war die Stunde der Wahrheit angebrochen. Wie mechanisch erhob er sich von seinem Stuhl, blickte fast eingeschüchtert um sich, und sog dann tief Luft ein. Er würde jetzt seinen Mann stellen! Jawohl! Von der kleinen Schwester so beeindruckt werden... ne du, das kam ihm nicht in die Tüte! Er war ein Mann!
    Und beim Herausgehen dachte er sich, dass Vera dabei sein sollte. Doch sie war wieder in einen komatösen Zustand zurückverfallen, der ihm immer mehr Sorgen bereitete, von Tag zu Tag, auch wenn er diese Gedanken von sich fern halten wollte.
    Er schritt hinaus, und betrat das Atrium, endlich. Dort erkannte er sofort seine Schwester. Sie hielt einen Becher in ihrer Hand. Wein? Wasser? Er konnte es nicht erkennen. War ja auch nicht wichtig.
    “Salve, Nigrina.“ Er ging auf sie zu, gab sich einen innerlichen Ruck, breitete seine Hände aus und umarmte seine Schwester. Seine Halbschwester, schließlich war sie die Tochter der Genucia Triaria, dieser elenden Zicke, über deren Verschwinden sich dazumal der ganze Haushalt gefreut hatte. Zumindest er selber.
    “Wundervoll, dich endlich hier in Rom zu sehen!“ Er ließ endlich von ihr ab und setzte sich neben ihr nieder. “Ich hoffe, deine Reise ist gut verlaufen?“

    Einige Zeit lang hatte Piso sich gescheut, zu den CUlern zu gehen, hatte dies seinen Amtskollegen überlassen. Diese hatten bis jetzt die Aufsicht in den dortigen Kerkern übernommen. Doch eines Tages fiel es auch auf Piso, diese Amtspflicht wahrzunehmen. Er konnte es nicht länger vor sich hinschieben, nicht länger sich nur auf seinen Lorbeeren, die er bei den Vigiles und den Prätorianern womöglich erarbeitet hatte, ausruhen. Er musste. Er musste hin, wohl oder übel.
    Er ging ohne Bridhe. Einer Frau wollte er diese Unterwelt nicht antun
    Seine Schritte verlangsamten sich, als er zu der Castra Praetoria hinkam.
    “Salvete!“, begrüßte er die Soldaten, die Wache schoben. “Ich bin Aulus Flavius Piso, Tresvir Capitalis. Ich würde gerne die Kerker, die der Aufsicht der Cohortes Urbanae obliegen, inspizieren.“

    Oje! Falsch! Jetzt hatte er gesagt, dass er nicht ihretwegen hier wäre! Vielleicht hätte er das nicht tun sollen... aber alles andere wäre wohl eine Lüge gewesen. Piso hielt sich selber für einen guten Lügner (was er aber nicht wahr, das konnte man aus dem Blickwinkel einer unbeteiligten Person ziemlich gut sagen). Trotzdem hätte es enorme Komplikationen gegeben, wenn er nun wirklich so etwas behauptet hätte. Immerhin konnte er etwas tun, was vielleicht seine Intentionen besser rüberkommen lassen würde: er schüttelte den Kopf, als sie ihm die Frage stellte. Saba hieß die Sklavin also. Sie war, so fand Piso, ein kleiner Nichtsnutz, da war ja Semiramis ein echtes Goldstück dagegen. “Der Aedil muss ja jetzt nicht unbedingt gestört werden.“
    Sie stellte ihm eine Frage, bei deren Antwort er nicht lange überlegen musste. “Oh ja, das finde ich. Sehr viel Talent. Das erkenne ich sofort.“ Piso meinte das ehrlich. Ihm hatte das Harfenspiel gefallen (wie andere ihr Spiel sehen mochten, stand auf einem anderen Blatt Pergament). Und ja, er war sich ziemlich sicher, dass er Talente gut einschätzen konnte. Da waren zum einen Leute wie diese Aoide, oder Calvena, wie sie sich nun nannte – null Talent, null! Einfach nur Berieselung für die Massen! Er selber, er war da halt avantgardistischer... und vielleicht könnte er auch Prisca in diese Richtung lotsen.
    Als er sich auf der Liege zurücklehnte, futzelte er seine Schriftrolle leicht nach links, sodass sie hinter seinem Torso verborgen war. Ha, und Piso dachte tatsächlich, Prisca hätte das nicht gesehen. Weit gefehlt, doch dies würde sich erst in ein paar Sekunden herausstellen. Ein wenig Zeit hatte er also noch, um Priscas Körper, nur unzulänglich verborgen von ihrem Bademantel, einen tunlichst nicht allzu offensichtlichen Blick angedeihen zu lassen.
    Die Götter hatten Prisca mit einem wundervollen Körper und einem unheimlich hübschen Gesicht beschenkt, dies war klar. Wie sollte er sich gegenüber einer solchen Schönheit verhalten? Sicherlich leckten die Männer vor ihr scharenweise den Staub vor ihren Sandalen auf. Und sicher hatte sie zigtausende von Verehrern, unter denen Piso (wobei er sich selber nicht einmal sicher war, ob er sich dazu zählen sollte) nur einer wäre.
    Er musste kurz an das gründlich misslungene Opfer am Palatin denken, wo Venus sein Opfer abgelehnt hatte, wegen eines winzigen Flüchtigkeitsfehlers, eines Verhasplers. Kurz dachte er daran, was sein hätte können, wenn das Opfer gelungen wäre. Sicherlich würde er nun, da er nun befreit war von diesem Stein, welcher sein Herz umgab, schon Prisca umgarnen – obwohl, ob er damit erfolgreich war? Und außerdem – tat er das nicht schon?
    Der Flavier verstand sich selber nicht mehr. Irgendwie war die Situation eine ganz kuriose. Piso sah sich selber am Rande vor diesem Gefühl, welches mit L anfing. Doch er konnte nicht durch eine unsichtbare Mauer, die sich zwischen ihm und dieser erschloss.
    Es war zum Mäuse melken, dachte er sich innerlich, und beschloss, eben diesen Gedanken Abhilfe zu schenken, indem er sie nach dem Gedicht fragte. Ja, sie hatte es bekommen (hoffentlich nicht vermittelst der Hände eines Corvinus, eines Ursus oder eines Orestes, oder wie die Kerls in der Sippe sonst noch hießen). Und... sie hatte es wohl gemocht. Glück gehabt, dachte sich Piso und atmete ein wenig aus. Erleichterung durchströmte ihn. Er hatte eine ganze Nacht mit diesem Gedicht zugebracht, daran herumgefeilt und herumgetüftelt, und doch... eine vage Unsicherheit war geblieben.
    Diese war nun zerstreut, zumindest fürs Erste. Doch da war eine Frage... wie sollte sie sich dafür bedanken? Er zuckte die Achseln, unds chüttelte den Kopf sanft. Trotz seiner Geste, die verdeutlichte, dass ihm nichts an einem Danke lag, hatte er doch einen innerlichen Wunsch... mit einem Kuss, dachte sich Piso. Jawohl, den hätte er sich durchaus verdient! Und, Potzblitz, sie beugte sich vor! Ja, würde sie denn? Nein, sie hielt inne! Hatte sie sich anders entschieden? Piso brach der Schweiß aus, und umso mehr, als Prisca plötzlich die Schriftrolle ansprach. Und sich dabei noch weiter vorbeugte, Piso dabei einen unbeschreiblichen Blick in ihren Ausschnitt bietend. Der Flavier schluckte. Was nun, sprach Zeus?
    “Ein Geschenk? Äh... nein, ist was Berufliches.“ Er ließ die Rolle Rolle sein, hoffte, dass Prisca nicht weiter nachhaken würde, und beugte sich seinerseits ein wenig vor. “Ich... ich hätte dir natürlich etwas mitgebracht... wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist... ich hätte sicher...“ Der Redefluß stockte, seine Rhetorik versagte, als er festellte, dass sein Gesicht ganz knapp schon bei Prisca war. Ach, ohne diese nervige Sklavin als Beobachterin hätte er sich jetzt auch wohler gefühlt.
    “Ich...“ Wo war sein Schneid geblieben? Ach. Er erhob seine rechte Hand und fuhr ihr damit durchs Haar, ihren Nacken ertastend, wo sie ruhen blieb.
    Und dann, ja dann, dann tat Piso etwas unbeschreiblich Dämliches.
    Er brachte sein Gesicht nach vorne, spitzte seine Lippen leicht an und küsste sie auf den Mund.