Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Piso hörte sich an, was Balbus zu sagen hatte, und nickte knapp. Gut, ein Problem weniger. „Sehr gut!“, freute sich der Flavier, als ihm gesagt wurde, ihm würde der Weg frei stehen, und blickte vergnügt seinen ehemaligen Chef an. Er kam sich mächtig mächtig vor, dass sogar ein Prätorianerpräfekt vor ihm kuschte. „Ach ja... ich kenne mich leider nicht so gut aus in den Kerkern.“, musste er allerdings zugeben. Es war ja immerhin das erste Mal, dass er überhaupt hier war. „Könntest du vielleicht irgendinen Soldaten herbeordern, der mich herumführen könnte?“ Er musste ja nicht alles zeigen – nur genug, um den nervigen patrizischen Magistraten, der vor Balbus hier stand, zufrieden zu stellen.

    Piso wiegte den Kopf hin und her. „Nun, ich würde dir schon glauben, aber trotzdem müsste ich den Kerker inspizieren. Vorschriften. Ich bin dafür gewählt worden, dass ich das tue.“ Piso glaubte nicht ernsthaft, dass Balbus einen Magistraten in der Ausführung seines Amtes behinderlich sein würde. Es war zwar bedauerlich, dass er Balbus auf den Keks gehen musste, aber er wollte nicht, dass man ihm nachsagte, er wäre seiner Pflicht, ein Aufsichtstschappel gegenüber den Kerkermeistern Roms zu sein, nicht nachgekommen. „Und auch, dass ich die Klappe darüber halte, wer sich in diversen Kerkern aufhält, im Interesse des Staates. Das muss niemanden interessieren!“, fügte er rasch hinzu, die Worte des Prudentiers wohl ein bisschen missinterpretierend.

    „Haha, genau dasselbe könnte ich auch sagen!“, grinste Piso. „Ich darf mich doch setzen?“, fragte er, als er genau ebendies tat.
    „Ich danke dir viemals.“ Er freute sich durchaus über die Gratulation, was sich in einem erfreuten Funkeln in seinen regen Augen offenbarte. „Ja, Kerker, das stimmt. Ich bin Tresvir Capitalis, und als solcher zuständig für die Kerkerüberwachung... und zudem auch noch für die Hinrichtung von gerichtlich Verurteilten.“ Er verzog angeekelt das Gesicht. „Und ich müsste fragen, welche Hinrichtungen wann angesetzt sind. Ich komme dann wieder vorbei... mit einem meiner Viatoren, die können dann die Drecksarbeit erledigen.“ Er senkte den Blick und blickte wieder auf. „Heute aber will ich mir nur die Kerker ansehen.“

    Als der Knabe seinen Protest laut äußerte, und Piso ihn aufklärte, war erst einmal alles ruhig. Piso hatte den Blick, dem die junge Frau ihm zugeworfen hatte, durchaus registriert. Er lächelte kurz zurück. Sie hatte wohl verstanden, dass ihre Geheimsprache in seiner Gegenwart nicht funktionierte.
    Sie schien ohnehin kurz vor den Tränen zu stehen. Nur mit äußerster mühe, so schien es, gebot sie ihren Tränen Einhalt. Sie bat Gracchus um Verzeihung, und bestätigte, dass sie die Klientin seines Vetters war. Das war also der Anknüpfungspunkt zwischen ihr und den patrizischen Flaviern. Piso lehnte sich leicht zurück und harrte dessen, was nun noch kommen mochte.
    Gracchus schien die Bitte nach Verzeihung zu ignorieren, und tadelte sie ob ihrer Verschwiegenheit gegenüber ihres Sohnes. Was die ohnehin schon komplett aufgelöste junge Frau von sich gab, das veranlasste ihn, den Kopf leicht schief zu legen, jedoch nicht die berühmte flavische Augenbraue hochzustellen. Seinem Gesicht war nicht zu entnehmen, ob er dem Ansinnen gewogen oder abgeneigt war. Ihre Verteidigungsrede ließ er unkommentiert. Eigentlich tangierte es ihn nicht im Geringsten, was für eine Mutter sie war, und was sie ihm beigebracht hatte.
    „Sag, Flaviana Brigantica – als was hast du denn all diese Jahre hindurch gearbeitet?“, wollte er wissen. Die Beschäftigung war wichtig, dessen war er sich sicher. Es gab ehrbare und unehrbare Tätigkeiten, und anhand der Beschäftigung der Leute konnte man schon sehen, was für Charaktere man da vor sich hatte. Die Hibernierin würde ihm aber wohl nicht sagen, dass sie sich in einem Lupanar verhurt hatte, selbst wenn sie dies getan hatte. Trotdem war er durchaus gespannt auf ihre Antwort.
    Er lehnte sich leicht zurück in seinem Stuhl. Derselbe knarzte leicht. Fragend blickte er die Keltin an. „Also, damit ich dich nicht falsch verstehe. Du willst uns, einem von uns zumindest, die Fürsorge über deinen Sohn überlassen? Dass jemand von uns die Tutela über Caius übernimmt? Und dass du somit auch die Verantwortung, die du über ihn hast, ablegst?“ Ein bisschen gemein war diese Frage formuliert, doch er wollte etwas über die wahren Absichten der Keltin herausbekommen. „Und selbst wenn einer von uns bereit wäre, dies zu machen - und du willst nicht betteln gehen, sowie ich das verstanden habe – was kannst du uns im Austausch bieten?“
    6 Jahre, das war ja schon eine Zeit her, dachte er sich und beugte sich wieder weiter nach vorne, wo er seine Hände auf dem Schreibtisch aufstützte. Er wollte gerade verstehend nicken, da platzte der Sohn der Hibernierin dazwischen.
    Er war schon hier gewesen? Was? Und... Minimus? Piso wandte seinen Kopf ruckartig nach links, zu seinem Vetter Gracchus hin, und bedachte ihm mit einem komplett verwunderten, verständnislosen Blick. Was um alles in der Welt ging hier vor? Brigantica wies ihren Jungen zurecht, doch es war schon zu spät. Sein Blick fixierte sie wieder. „W... wie?“, brachte er nur noch mehr hervor und schüttelte den Kopf voller Ungläubigkeit.

    Mit einem Lächeln nahm Piso die Rüge hin. Das konnte gut und gerne sein, doch er wollte vor allem erst einmal Balbus sehen. „Danke!“, antwortete er ihm auf die Zusage des Schreiberlings hin. Als dieser im Officium des Praefecten entschwand, lehnte sich Piso an eine Wand hinan und verschränkte die Arme. Lange musste er nicht warten, bis der Schreiber wieder herauskam und ihn hineinbat. Piso grinste ihm mit einem gewinnenden Lächeln zu, bevor er ins Zimmer des Prudentiers eintrat.
    „Salve, Balbus!“, rief er voller Freude aus, als er seinen ehemaligen Vorgesetzten sah. „Wie schön, dich wieder zu sehen! Wie ist es dir denn so ergangen?“, fragte er neugierig und blieb vor ihm stehen, seinen Blick herumschweifen lassend. „Schön hast du es hier.“ Schöner eigentlich, als Piso es sich vorgestellt hätte. Sein Blick ruhte wieder auf Balbus, und er lächelte leicht. Er wusste, Balbus hatte all das erreicht, was er jemals erreichen wollte. Er war nie ganz ein Kanzleimensch gewesen. Bevor er zur Kanzlei gekommen war, war er im Militär gewesen, und jetzt, nachher, war er es wieder. Er atmete aus. „Du siehst... ich bin jetzt auch nicht mehr in der Kanzlei. Vigintivir und Septemvir bin ich jetzt.“, informierte er den Prudentier versonnen, wieder seinen Blick herumschweifen lassend.

    „Vale!“, juchzte er ihr fröhlich nach, als sie grußlos davonsauste. Das Benehmen hatte diese Germanica eindeutig aus der Gosse. Er sah ihr nach, verschränkte die linke Hand hinter seinem Rücken und ballte sie zur Faust. Endlich hatte er ihr eins reinwürgen können. Endlich Gerechtigkeit. Er würde nicht zulassen, dass der Cultus Deorum, und vor allem das Ansehen des Cultus Deorum, von solch einer Frau beschmutzt werden würde. Niemals.
    Er lockerte die Faust wieder, und betrachtete aus den Augenwinkeln, wie sich die ehemalige fahrende Schauspielerin zu einer Freundin begab, wohl, um sich über den pösen, pösen Septemvir auszuweinen. Piso unterdrückte sich ein zufriedenes Lächeln, tra hinter der Säule hervor und nickte einem vorbeieilenden Tempeldiener ernst, aber freundlich, zu, bevor er langsam, mit betont gelassenem Schritt, sich vom Tempel des Vertumnus fortbewegte. Ein letzter Blick zurück, das war es, was er vollführte, bevor er sich langsamen, betont langsamen Schrittes, auf eine der zahlreichen Gassen, die in den Platz mündeten, hin den Weg bahnte, um dort drinnen zu verschwinden. Er würde die Subura überqueren, um wieder nach Hause zu kommen, und um dort befriedigt sich wieder seiner Muße zu widmen. Doch vorher würde er seinem Calator, Lollius Tubulus, noch die eine oder andere Anweisung geben.

    Sie wurde bleich wie Kreide, wobei Piso von einem großen Gefühl der inneren Befriedigung durchströmt wurde. Er leibte es, sich reden zu hören, und bei solchen Gelegenheiten umso mehr. Mit dieser Frau konnte er sich spielen wie mit einer Wachspuppe, es war herrlich. Hätte er gewusst, dass sie Mordgedanken hegte, wären diese Glücksgefühle in ihm doch stark beeinträchtigt worden. Gut für ihn also, dass er sich in der Sicherheit wiegen konnte, dass nicht einmal solche Leute wie die da es wagen würden, das Pomerium mit der Anwesenheit von Waffen zu besudeln.
    Noch viel mehr befriedigt war er, als sie ziemlich verwundert wirkte, als er davon sprach, dass sie einen Schutzengel hatte. Piso war fest dazu entschlossen, sie im Dunkeln tappen zu lassen, was dies anging. Er würde sich nichts herauskitzeln lassen. Und er war bereit, gegebene Versprechen zu halten.
    Er erwiderte ihr Lächeln, als sie ihm antwortete, sie würde es ihm nicht sagen. Er hatte sie gebeten, und sie schlug es ihm aus... sowas nannte man unhöflich, zumindest dort, wo er herkam. Aber schön. „Gut. Ich kann es nicht aus dir herauspressen. Ich sehe meine Theorie bestätigt.“ Er ruckelte mit seinem Kopf effeminiert herum, bevor er fortfuhr: „Vielleicht hast du auch Recht, ich würde dir nicht glauben.“ Lügen würde sie, wie gedruckt. Pah. So was ging wirklich nicht.
    Das mit dem Rang schien nicht den gewünschten Effekt zu haben, doch damit hatte er irgendwie schon gerechnet. Er grinste also, als sie ihm patzig erwiderte, sie würde nun gehen. Ob er was dagegen hatte? Oh ja.
    „Ich habe tatsächlich was dagegen. Denn ich will dir noch was sagen.“ Er machte eine ausführliche Geste, dabei ihr wie zufällig den Weg um ihn herum versperrend. „Ich werde dich beobachten. Bei jedem Schritt, den du als Priester tätigst, werde ich dich beobachten... beobachten lassen, natürlich. Wenn du auch nur einen winzigen Fehler machst, wenn deine Natur hervorbricht, werde ich dafür sorgen, dass du fliegst.“ Er grinste und senkte seine Arme wieder. „Wenn du nach Germanicus Avarus gerätst, machst du das sicher, früher oder später. Du weißt hoffentlich, wie er damals, vor Jahren, eine Nota Censoria vom Kaiser Iulianus einkassiert hat. Wie er seines Consulats enthoben wurde, und fast aus dem Senat geflogen wäre. Weil er gegen die göttlichen Gründer unserer Stadt Beleidigungen ausgesprochen hat, weil er gegen die Götter gefrevelt hat.“ So, das hatte er ihr noch reinwürgen wollen. „Pass bloß auf, dass du nicht in seine Fußstapfen trittst. Das würde ungute Konsequenzen für dich haben, denn mir... mir wird das nicht entgehen.“
    Noch ein letztes selbstbewusstes, geradezu süffisantes Grinsen machte er, bevor er zur Seite trat. „Das war jetzt alles. Fürs Erste. Pass auf dich auf, Aoide. Oder, wie man dich jetzt wohl nennt, Aeditua Germanica Calvena.“

    Nein, er nahm sie nicht wirklich für voll. Wie könnte er auch? So keifig, wie sie daher kam – ganz klar hatte der schlechte Umgang auf sie abgefärbt. Schockiert schien sie auf jeden Fall zu sein, stellte Piso mit einer inneren Genugtuung fest. So schockiert, dass sie ihn nicht einmal fragte, woher er wusste, dass Aoide und Germanica Calvena ein und die selbe Person waren. Um so besser, da musste er auch diese Frage nicht abblocken.
    Mit einem Lächeln, welches einwandfrei zeigte, wie grenzenlos überlegen er sich ihr gegenüber fühlte, stützte er sich mit der linken Hand an der Säule ab. „Wieso, fragst du?“ Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen. Ich will nichts von dir. Ehrlich, was kannst du mir schon bieten? Eine kleine Aeditua?“ Er musterte sie, seine Blicke schienen ihre Kleidung förmlich zu durchdringen. „Obwohl...“ Er nahm die linke Hand wieder von der Säule runter, bevor er wieder lachte, falsettlastig und schier vor Heiterkeit platzend. „Ach was.“ Da hatte er sich einen Moment tatsächlich vorgestellt, mit ihr im Bett zu sein... nicht schlecht. Allerdings könnte er eine Sklavin überrumpeln, wenn es ihn überkam. Oder diversen plebejischen Damen einen Besuch abstatten.
    Er schüttelte den Kopf. „Ich erhoffe mir nichts von dir, und ich wäre schlecht beraten, einer Gauklerin in irgendetwas zu vertrauen. Nein. Sagen wir mal so – du hast einen Schutzengel.“ Vergnügt grinste er, bevor er wieder ernster wurde. Er hatte ein Versprechen gegeben, es niemandem zu sagen, ein Versprechen an Germanica Laevina, welches er nicht zu brechen gedachte. Denn sonst müsste er ja auf ihre salbungsvollen Schmeicheleien in Zukunft verzichten.
    Ihre nächsten Fragen amüsierten ihn immens, krampfhaft unterdrückte er einen Lachschwall. „Oh doch, mich interessieren die Gründe.“ Er kriegte sich ein und wurde wieder ernster. „Ich frage aus reiner Neugierde. Versuchen wir es mal so – ich bitte dich, mir den Grund zu verraten.“[color] Er lächelte sanft. „Aber ich kann es mir eigentlich denken. Du versuchst, ein respektables Mitglied der Gesellschaft zu werden. Du versuchst, dich von deinem ungöttlichen Lebenswandel reinzuwaschen. Und vor allem... du willst Macht. Denn das ist der Cultus Deorum – Erlangung von Macht mittels der Götter, und ueber die Götter!“, verkündete er ein wenig kryptisch.
    [color=green]„Und, damit das klar ist – Vertumnus hat dein Opfer angenommen, weil es gut gemacht worden ist – es war ein fehlerfreies Opfer. Er hat dich nicht aufgenommen in den Cultus Deorum, Pontifex Aurelius hat das getan, weil er nicht weiß, was ich weiß. Und zweitens, wer ich bin... ich habe mich zweimal vor dir vorgestellt. Unter meinem richtigen Namen. So, wie man es unter zivilisierten Menschen tut.“
    Ein tadelnder Blick traf Aoide. [color=green]„Ich bin der Septemvir Flavius Piso, der momentan und zu dieser Sekunde von einer Untergebenen unangemessen angesprochen wird.“[/color] Hach, es war richtiggehend narrisch gut, solche Töne spucken zu können. Ich Chef, du nix. So etwas ließ sich der Flavier gefallen.

    „Ich finde das ziemlich lächerlich, das ganze.“ Fulvius Frugi drehte sich zu ihm, mürrisch blickte er drein. „Du, Flavius, du junger Senkel, beschuldigst uns...“ „Ich beschuldige niemanden! Ich finde einfach, so geht das nicht. Wenn wir nichts tun, keine Zeichen setzen, untätig verweilen, wie sollen wir uns dann rechtfertigen?“ Fulvius biss die Kiefern zusammen, bevor er losblaffte. „Was rechtfertigen?“ „Unsere Existenz. Wenn wir nur zweimal im Jahr, bei den Ludi Romani und den Ludi Plebeii, in Aktion kommen, ist das tragisch. Wir haben auch andere Aufgaben! Wenn du diese nicht wahrnehmen willst, wenn nur Opimius und Vibullius sie wahrnehmen wollen, tja, dann finde ich das traurig.“ Er blickte um sich. „Ich schlage vor, ich, Opimius und Vibullius, begeben uns zu den Quellstuben der Aquädukte, und nehme die obligaten Opfer an Magna Mater vor. Der Rest kann sich derweil hier ausruhen.“ Er blickte Fulvius herausfordernd an. Der mieselsüchtige Epulone blickte Piso groß an. „Natürlich wird das nicht sehr gut aussehen, wenn sich die Pontifices darüber mit uns unterhalten wollen. Umso mehr würden wir drei den Ruhm abbekommen.“ Vibullius‘ Augen weiteten sich. Er wollte politisch vorankommen, von den anderen Epulonen in irgendwetwas ausgebootet zu werden, konnte er sich nicht leisten. „Ist ja gut, ist ja gut! Ich komme mit.“ Vergnügt blickte Piso hoch. „Sonst noch wer?“ Begeistert schaute keiner der Übrigen drein, aber immerhin begannen sie, untereinander zu brummeln und dann mit den Köpfen zu nicken. „Sehr gut. Dann können wir ja gemeinsam zu den Brunnen... wie die Tradition es vorschreibt.“ Er blickte zu Opimius hin. „Magister, schreibe bitte einen Termin vor.“ Naso grinste, und beugte sich dann hastig in seine Tafeln hinunter, um etwas hervorzukramen.

    Die Germanica fragte ihn, was er wollte, er lächelte nur als Antwort. Sie würde schnell genug erfahren, worum es ihm ging. In ihrem Blick erblickte er die eine Mischung von Gefühlen, hauptsächlich Negativen. Er hatte bei diesem gehässigen Subjekt damit gerechnet, ehrlich gesagt. Wortlos folgte er ihr zur Säule, wo sie dann begann, ihn mit Worten zu überschütten. Hasserfüllte Worte, die Abscheu ausdrückten, in Diktion und in Aussprache. Was für Sachen sie ihm da unterstellte, war nur noch kurios, und Piso ließ seine flavische rechte Augenbraue hochwandern. Nicht nur die Germanica schaute ihn nun merkwürdig an, nein, Piso schaute merkwürdig zurück.
    Doch er ließ sie ausreden. Was sie ihm unterstellte, war lächerlich. Nun, es mochte ein Funken Wahrheit darinnen liegen, vor allem, was anging, dass er sie am Liebsten hätte versagen sehen. Ja, das hätte ihn um einige Sorgen ärmer gemacht. Aber damit konnte er auch leben.
    Am Ende schwieg er eine Weile. Dann begann er zu lachen, und schüttelte den Kopf.
    „Armes Mädchen. Du hast keine Ahnung, keine Ahnung. Du weißt so viel nicht. Wenn ich dich fertig machen hätte wollen, wärst du niemals bei dieser Prüfung dran gekommen. Ich wäre einfach zu meinem Vetter Gracchus, oder Aurelius Corvinus, oder Tiberius Durus, gegangen, und hätte ausgeplaudert, was ich über dich weiß. Deine Karriere wäre schneller dahin gewesen, bevor du bis drei hättest zählen können.“ Frauen und Logik, pah. „Beweist dir vielleicht das, dass du mit deinen Worten dich einfach nur lächerlich machst? Vielleicht denkst du auch darüber nach, was für ein Unheil ich über die Germanica hätte bringen können, wenn ich das, was ich weiß, meinem Vetter Furianus anvertraut hätte. Das habe ich alles nicht gemacht.“ Warum, das sagte er ihr nicht. Sie musste nicht alles wissen. „Und ich bin hierher gekommen, nicht um dich zu demütigen, nicht um anzugeben, und auch nicht, um mich so rüde beschimpfen zu lassen. Nun ja, ich denke, ich kann dir das verzeihen. Nichts anderes kann das Resultat der Erziehung von irgendwelchen Spielleuten sein.“ Er grinste, bevor er fortfuhr.
    „Ich bin gekommen, um dir eine Frage zu stellen. Was suchst du hier? Warum wird eine vom fahrenden Volk zur Priesterin? Was suchst du zu erreichen, Gauklerin?“ Er fixierte sie mit seinen Augen. „Vertumnus hat dein Opfer angenommen, aus welchem Grund auch immer, aber du verstehst hoffentlich, dass ich die ganze Geschichte mehr als nur als nicht ganz koscher empfinde?“ Er verschränkte die Arme. „Und, ach ja, um dein Gedächtnis aufzufrischen – du bist mich angegangen wie eine Furie, nachdem ich mich entschuldigt habe. In Schutz nehmen nenne ich das nicht. Und es tut mir noch immer Leid, dass ich der Verursacher dieses Missgeschicks war – schon seltsam, das du noch immer nicht drüber hinweg bist, Aoide.“ Er schüttelte den Kopf amüsiert. „Ach ja, du liest die Acta Diurna? Meine Sangeskunst wurde dort weitaus positiver dargestellt, als du sie empfunden hast.“ Er grinste. „Doch lassen wir uns davon nicht von meiner ursprünglichen Frage abbringen. Was zum Henker hat so eine wie du, eine Spielfrau, aus dem niedrigsten Abschaum der Gesellschaft, im hehren und heiligen Cultus Deorum zu suchen?“

    Hmm. Tatsächlich war er im Nachhinein verwundert, wie dogmatisch sich seine Worte angehört hatten. Doch er gefiel sich in dieser Rolle, als Musikgelehrter! Ja, der kleine Besserwisser, der in jedem Menschen steckte und bei Piso doch leider ein bisschen stärker ausgeprägt war wie bei anderen, erstand in ihm auf. Alleine seine Sturheit würde dafür sorgen, dass er den bereits eingeschlagenen Kurs konsequent fortfuhr, wenn auch nur als Teufelsadvokat. Er hatte aufmerksam zugehört, dann und wann genickt, gelegentlich auf eine Notiz auf der Wachstafel vor ihm gemacht. Auf Seianas Worte hatte er nur die Achseln gezuckt und dann beistimmend genickt – er wollte es sich mit der Verlobten seines besten Kumpels dann doch nicht verscherzen. Auch, weil sie einen Punkt, den er gemacht hatte, quasi reiterierte.
    Als er wieder aufschaute, stockte er kurz. Das da vorne, war das nicht sein Saufkumpel Saturninus? Leider saß jener vor ihm, sodass Piso sich jetzt nicht bemerkbar machen konnte. Er würde warten, bis dieser Kurs zu Ende war, um mit dem Iulier zu reden.
    Hmm!“, machte der Gernegroß-Pythagoreer, als die Frage gestellt wurde. Er fühlte sich auf einem etwas schwerem Stand. Die Frau vor ihm hatte sich gerade wohl als überzeugte Anhängerin des Aristoxenos entpuppt. Aber für einen Anwalt sollte das doch zu schafen sein! „Man kann sagen, dass beide Parteien valide Ziele haben. Aristoxenos sagte, die Wissenschaft der Musik kommt ohne Töne nicht aus, Pythagoras sagte, man kann sie komplett abstrahieren. So kann man mit Pythagoras‘ Methode quasi musikalisch sein, ohne Musik zu machen...“ Das war geradezu genial, wieso war ihm das noch nicht gekommen? Musik auf dem Papier machen... großartig. „Tatsächlich, meiner Meinung nach, könnten einige die Theorie dieses göttlichen Tones auf eine Frage des Geschmackes reduzieren.“ Er hielt inne und grübelte weiter. „Doch so kommt man nicht weiter. Es bedarf einer sorgfältigen Überprüfung der Musik als ästhetische Disziplin. Wieso nicht durch die Mathematik?“ Piso war der Meinung, es gab nur eine Ästhetik, und zwar zufälligerweise die, die er kannte. Alles andere, das waren die Abweichungen von Banausen. Dieser Kurs hatte ihm jetzt den Floh ins Ohr gesetzt, dass seine Vorstellungen auch einer mathematischen Überprüfungen stand halten würden. Ha, denen würde er eine mathematische Formel unter die Nase halten...
    Konzentrieren, Aulus, konzentrieren. Er atmete tief durch. „Ich bin mir sicher, ein Blick in die Abstraktion würde ein brauchbares Resultat erreichen. Doch, wie man damit beginnen sollte, da bin ich mir nicht sicher.“ Dazu müsste er länger nachdenken. Er war ja nicht Superma... Verzeihung, Hercules, dass er alles auf Anhieb konnte.

    Piso hörte zu, wie der Aurelier der jungen Frau versicherte, er würde sich ihrer Präferenz annehmen, und sich dran machte zu gehen. Ob er bleiben wollte? Und ob! „Ja, doch, Pontifex, es gefällt mir hier sehr gut... warum also nicht noch in der Ästhetik dieses Plätzchens schwelgen? Also, vale, und man sieht sich gewiss wieder.“ Freundlich blickte er dem Aurelier und dem Durmier hinterher, bevor er sich in einer geradezu unglaublich schnellen Bewegung zu der Germanica hindrehte und sie anstierte. Keine Freundlichkeit mehr lag jetzt in seinen Augen. „Also. Ich schlage vor, wir sollten in eine ruhige Ecke gehen, um uns zu unterhalten.“ Er erhob seinen linken Arm und deutete auf eine äußere Säule des Tempels, wo sich niemand aufhielt, und wo Piso und Calvena in Ruhe ein Gespräch führen könnten. „Oder aber willst du, dass hier bei dem Gespräch, das ich mit dir zu führen gedenke, deine ganzen kleinen dreckigen, sorgsam vergrabenen, Geheimnisse ans Tageslicht kommen... Aoide?“ Nein, er hatte ihren alten Künstlernamen nicht vergessen. Schmerzhaft hatte er sich in sein Gedächtnis gebrannt. Demütigung und Schmerz verband er damit.
    Sein Arm war noch immer in die Richtung der Säule gerichtet. Er lockerte die Hand ein wenig, öffnete sie und deutete auf seinem Gesicht ein Lächeln, kein Richtiges natürlich, an, als er ihr zunickte. Es sah nun viel weniger als ein Zwang, als vielmehr wie eine freundliche Einladung aus. Tja, der Schein, der Schein – etwas, auf das ein Jungpolitiker und hochgestellter Priester immer bedacht sein musste.

    Auch seine letzte Frage verneinte Macer. Er hatte offenbar keine Lust mehr, sich mit Aquädukten und Kanalisation zu beschäftigen. Piso konnte es ihm nicht verdenken, gab es doch kaum unästhetischere Arbeiten, als Aufseher der stinkenden Seiten Roms zu sein. Und auch war Curator Aquarum wohl nicht gerade der angesehenste Posten unter allen, die ein Senator, ein Prätorier, bekleiden konnte. Piso hätte seinem Patron vielleicht noch eine Stelle im Cultus Deorum empfohlen, als Augur vielleicht, aber er merkte, dass Macer wohl nicht gerade mehr die größte Lust hatte, seine Zukunft weiter zu erläutern. Nun, Piso hatte Vertrauen in seinen Patron, da war es sicherlich unangemessen, jenen weiter auszuquetschen.
    Also konzentrierte er sich auf den ehemaligen Liktor, der seinen Namen gekannt hatte. Er nickte, als der Quintilier die Ehrenhaftigkeit des Cursus Honorum (der seinen Namen wohl nicht umsonst hatte) bestätigte. „Ah, ein Ritter!“ Piso hielt viel von den Rittern. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Macer wusste sicher noch, wie Piso damals versucht hatte, ein ritterliches Amt zu bekleiden, und damit eine Bruchlandung hingelegt hatte. Also würde der Quintlier ein Homo Novus werden, wenn er es schaffte, in den Senat zu kommen – doch mittlerweile blickte man darauf nicht mehr so hinab wie noch zur Zeiten der späteren Republik. Homines Novi schafften es heutzutage oft sehr weit hinauf – wie zum Beispiel Vescularius Salinator. Oh ja, der Mann regte ihn auf, hoffentlich würde der Quintilier – jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, wie er im Cognomen hieß, Sermo – einen anderen Menschenschlag repräsentieren. Nun, ziemlich sicher sogar, denn schließlich hatte er einen Patron, der so etwas nie zulassen würde.
    Ein wenig überrascht war er dann aber doch, als ihm die Hand hingehalten wurde. „Ähm, oh, danke!“, meinte er und grinste, als er die Hand des Mannes ergriff. Sich gratulieren lassen zu diesem Erfolg tat er gerne, schließlich zählte er sich selber zu den wenigen Patriziern, die auch wirklich, da nicht keinem senatorischen Zweig entspringend, selber sich ihren Stand im Schweiße ihres Angesichtes erarbeiten mussten. Doch er hatte es geschafft. Jetzt hielt ihn nichts mehr auf. „Wie es sich anfühlt? Hmm... großartig.“ Was sollte er sonst noch dazu sagen? „Gewaltig. Es ist ein erhebendes Gefühl, diese Ehre innezuhaben.“ Er blickte seitlich zu Macer hin, der sich aus dem Gespräch ausgeklinkt hatte. „Sollen wir vielleicht ein paar Schritte gemeinsam machen, Quintilius? Unser Patron scheint beschäftigt...“

    Jetzt aber, jetzt wirst du was erleben, Freundchen, dachte er sich selber. Jetzt war er zu weit gegangen. Sie würde ob der Berührung seine Hände wegklatschen, weggehen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden! Das war es jetzt! Er war zu weit gegangen. Kurz musste er sich vorstellen, was gewesen wäre, wäre er ein Mädchen, und ein Kerl würde sich so an ihn als Frau heranmachen. So einem Saubartel hätte er doch schon lange Feuer unterm Hintern gemacht! Gleichzeitig kam ihm dieser Gedankengang absurd vor. Er, eine Frau, da lachten die Hühner. Auch wenn Piso die eine oder andere weibische Anwandlung manchmal an den Tag legte – er war njoch immer ein Mann! Und dies beeinflusste offenbar auch die Art und Weise, in der er dachte. Prisca schien da duldsamer, als er es gewesen wäre. Sie lächelte ihn sogar noch immer an. Jetzt aber, dachte er sich, jetzt würde sie eine austeilen, tschack, mitten ins Gesicht, und...
    Komisch, dachte er sich selber. Genau diese Gedanken hatte er in den vergangenen Minuten mehrere Male gehabt. Und es war nichts passiert. Vielleicht hatte er eine Glückssträhne? Denn bis jetzt war auch noch nichts geschehen – aber Prisca fing wieder an, zu sprechen, ein wenig stotternd, als ob Piso durch sein Auftreten ihr die Sprache verschlagen hatte (dem war wohl auch so). Gleichzeitig fühlte er, kaum dass er damit fertig war, bei ihren Händen auf Tuchfühlung zu gehen, ihre Finger über die seinen streichen. Es war ein prickelndes Gefühl, wie Quellwasser aus den Appenninen, wie wie ein Plantsch ins eiskalte Frigidarium, nachdem man aus dem Dampfbad, halb verbrüht, herausgestürzt war.
    Bei dieser Berührung hätte er fast darauf vergessen, hinzuhören, als Prisca wieder ihre Sprache gefunden hatte. Mit Mühe konzentrierte er sich. Seine Kehle fühlte sich rauh an, wie Schmirgelpapier. Unangenehm. Wie konnte man mit so einem Sandbollen im Gaumen antworten? Vor allem auf so eine Frage, wie die Aurelierin sie stellte?
    Denn die Frage war... ein wenig seltsam, wenn auch nicht unberechtigt. Ja, was würde er mit dieser Feststellung anfangen?
    „Ich...“ Seine Stimme, welche unzweifelhaft die des begnadetsten Sängers in Rom war, klang nach Rauch. Wie eine Staublawine, wie ein Stück rostiges Eisen, welches lautstark über eine Schiefertafel gezogen wurde.
    Er räusperte sich. „Ich...“ Schon besser. Nur, was sagte er? Viel Zeit zum Nachdenken hatte er nicht, doch viele Optionen erschlossen sich ihm ebensowenig. Was könnte er damit anfangen, was denn? Nichts zu antworten, wäre der Situation nicht wirklich angepasst. Er sollte etwas sagen, etwas, was halbwegs ankam. Nur was?
    Es fiel ihm nichts ein, mit einer Ausnahme – dort, wo sich der Ästhet in ihm einschaltete. Gut beraten war er nicht, so etwas zu sagen... doch Alternativen waren inexistent. „Ich...“, begann er zum dritten Mal, „könnte es als Motiv nehmen für... ein Gedicht. Ja, ich könnte ein Gedicht darüber schreiben. Über deine Hände.“ Unsicher blickte Piso Prisca an, jeder Unzulänglichkeit dieser Antwort eingedenk. Er horchte kurz in sich hinein, ob vielleicht ein besserer Vorschlag nachkäme. Doch da war Leeranzeige. Seine Antwort würde ziemlich sicher Hohn und Spott nun ergeben, aber da musste er durch.
    Oder halt, erklang eine Stimme in ihm. Bis jetzt war Piso noch in keinen Watschenbaum hineingerannt. Vielleicht würde er das in Zukunft auch nicht tun? Vielleicht durchlief er gerade so etwas wie eine Glückssträhne? Vielleicht endete alles gut, und Friede, Freude, Eierkuchen würden Einzug halten? Ja, es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als auf sein Glück zu vertrauen – denn so kam er sich vor, als ob er mit seiner Antwort Würfel in einen Würfelturm hineingeschoben hätte, welche unten in allen möglichen Konstellationen hinauspurzeln könnten.
    „Würdest du das... wollen? Überhaupt?“ Mit einem ein wenig beklommenen Blick schaute er sie an. Vielleicht hatte er jetzt gerade ins Wasser gehauen. Vielleicht aber auch nicht. Vor lauter Spannung, die die Erwartung auf Priscas Antwort mit sich brachte, musste er fast zittern, doch er beherrschte sich. Ein Flavier zittert nicht, vor allem nicht vor einer Frau! Ein Flavier zeigt keine Angst! Ein Flavier bleibt stets stoisch... Bona Dea, mach, dass meine Blase hält, dachte er sich und blickte tapfer Prisca weiter an, lächelnd wie immer, in seinen Augen aber Gespanntheit und Konzentration erahnen lassend.
    Und, was ihm auffiel – er hiel ihre Seidenhände noch immer. Doch sie loszulassen, wäre etwas, was er nicht wollte.

    Es war nicht nur das Collegium Pontificorum, welches zur Ferialia eine Contio hielt, nein, auch das ehrenwerte Collegium der Septemviri hat es für angemessen erachtet, eine Versammlung einzuberufen. Opimius Naso hatte diverse Calatores Schreiben an alle Septemviri in Rom ausgeben lassen, und natürlich war auch Piso einer derjenigen gewesen, die einen Brief erhalten hatten.
    Und so hatte er sich auch zur Domus Opimia begeben. Mit wenig Enthusiasmus, schließlich wurde er mitten in seinem Vigintivirat hierher gerufen. Wie alle Epulonen betrat er das Gebäude mehr oder minder pünktlich. Die Versammlung war im Atrium des Hauses, wo sich auch Piso auf einer der Klinen, die hier standen, nieder ließ. Das Haus konnte sich durchaus sehen lassen, schließlich verdiente Naso als Magister Septemvirorum nicht schlecht.
    Es war Pisos erste Contio, nachdem er einberufen worden ist. Am Anfang, als er damals einberufen worden war, hatte es natürlich eine riesige cena gegeben, welcher er beigewohnt hatte, und bei der alle ziemlich beschwipst wurden. Dies aber war nun der volle Ernst. Es gab Arbeit zu erledigen.
    Nachdem alle Septemviri sich versammelt und gegenseitig begrüßt hatten, erhob Opimius Naso das Wort.
    „Epulonen...“ Er versuchte, sich Gehör zu verschaffen, ein widersinniges Unterfangen, denn es hörte ihm jeder mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit zu. „Ich habe euch einberufen, weil es einiges gibt, was ihr wissen solltet. Allem voran – es ist Zeit, sich der Sache mit den Aquädukten anzunehmen.“ Fulvius Frugi stöhnte. „Aber das haben wir doch erst vor ein paar Monaten gemacht!“ Vibullius Rufio mischte sich ein. „Ja, haben wir, und sonst? Was haben wir sonst gemacht, außer auf der faulen Haut zu liegen? Ich wäre auf jeden Fall dafür! Opfer müssen regelmäßig gebracht werden!“
    Piso verstand zuerst einmal nur Bahnhof, doch konnte er das eine oder andere gehaltvoll sich zusammenreimen. Er beugte sich nach links, wo Aemilius Atimetus auf seiner Kline Platz genommen hatte. Leise meinte er zu ihm: „Geht es um die Opfer, die wir der Magna Mater an den Aquäduktquellen zu bringen haben?“ Der Aemiier nickte. „Ja. Es ist scheinends wieder soweit.“ Piso dachte schnell nach. Man musste alle Möglichkeiten nutzen, um sich einen Namen zu machen. Und Steine im Brett selber anzusammeln.
    Er holte tief Luft und sprach selber. „Welches sind die Aquädukte, an welchen geopfert werden müsste?“ Naso schaute auf. „Nicht viele! Nur 3! Es sind die Aqua Iulia, die Aqua Claudia und die Aqua Alsietina.“ Der Flavie runzelte die Stirne. „Das ist doch kein Aufwand...“ „Aber die Reisen!“, warf Fulvius ein und verzog das Gesicht zur Veranschaulichung seiner Qualen. Piso unterdrückte ein Seufzen. Was für Drückeberger. Archi hatte Recht gehabt – alles Togamännchen! Also nein.
    Er beschloss, etwas zu unternehmen, und fing an, zu sprechen.

    DAS also war der Vertreter des verdammten Präfekten!? Ein Centurio!? Pisos linke Augenbraue fuhr in einem nicht gerade unschnellen Tempo empor, als er, nachdem er dem Wachhabenden, wie angewiesen, gefolgt war, vor der Türe stand, auf der fröhlich der Schriftzug Centurio prunkte. Centurio! Piso hätte sich erwartet, dass man ihm zum Subpräfekten führte, zumindest zu einem Tribun. Aber zu einem Centurio? Piso verstand das nicht. Sein Blick glitt über das Namensschild. Eprius Seleucus hieß der Kerl. Noch nie gehört, doch er mochte wohl die eine oder andere Merite haben, wenn man ihn als Centurio zum Vertreter des Präfekten gemacht hatte. Centurio musste ja nicht unbedingt heißen, dass man ein kompletter Versager war. Sein Vetter, Aristides, war schließlich Centurio gewesen in der Prima...
    Ein wenig zögerlich womöglich erhob er die Hand, um dann mit ihr dreimal in schneller Folge an die Türe des Officiums zu pochen. Er hoffte, zumindest der Eprier war zugegen, und nicht ebenfalls ausgeflogen wie dieser eine Präfekt.

    Jawohl, die Anrede mit Magistrat ließ er sich gefallen. Man könnte sagen, Piso wäre diese Ehre zu Kopfe gestiegen, jedoch würde der Flavier selber eine solche Unterstellung brüsk von sich abweigen. So nickte er nur huldvoll, als der Soldat keinerlei Anstalten machte, ihn abzuweisen, oder ihn auch nur zu durchsuchen – bei den Vigiles wusste man offensichtlich noch, dass man Magistrate Respekt gegenüber bringen sollte – und folgte dann dem Vigilen hinein in die Castra, um diesen sogenannten Vertreter zu sprechen. Schon merkwürdig, dass der Präfekt nicht hier war, aber das sollte mal nicht seine Sorge sein.

    Piso lachte ebenfalls, als Macer zu scherzen geruhte. Ja, so eine Frau war doch immer wieder ein bisschen lästig. Irgendwie beruhigte es Piso, dass Macer nicht nach Mantua gehen, sondern in Rom bleiben könnte. So würde der Flavier seinen Patron weiterhin in unmittelbarer Nähe haben. Nur, dass der Purgitier auch nicht vorzuhaben schien, so schnell Consul zu werden, war doch ein bisschen bestürzend. Macer war zu hundert Prozent zum Praetor gewählt worden – sicherlich würde ihm niemand das Consulat verweigern! Er selber hätte das schon gerne, einen Consuln als Patron. Aber, Macer war eben noch ein fahrender Zug – andere Senatoren ruhten sich nach dem Consulat auf ihren Lorbeeren aus. "Was dann? Gednkst du, wieder Curator Aquarum zu werden, Patron?", fragte er neugierig nach, bevor er zu Sermo schaute.
    Werter Flavius, so nannte der Quintilier ihn, was Pisos mitnichten ungewaltiges Ego enorm aufblies, wie ein Blasebalg eine Glasblase. Er war offenbar so wichtig, dass die Klienten ihn alle kannten. Tja, sein unvergänglicher Ruhm verbreitete sich schnell! Das dachte er sich im vollen Ernst, man stelle sich das vor.
    Seine stolzen Gedanken verbarg er aber nur in einem Lächeln, dass um eine Winzigkeit breiter war als das des Quintiliers, und nickte. „Die Stadtverwaltung! Nicht schlecht!“ Ostia war ja als Sprungbrett für diverse Politikeinsteiger sehr beliebt, dachte er sich, als er dann auch noch hörte, dass der Quintilier sich politisch betätigen wollte. „Der Cursus Honorum also – ein ehrenwertes Ziel, das ehrenwerteste von allen überhaupt!“ Er malte eine Geste in die Luft. „Trittst du in jemandes Fußstapfen, oder bist du der erste in deiner Familie, der den Cursus Honorum anstrebt?“, fragte er, eigentlich relativ unverfroren – nun ja, er war ja auch der erste aus seinem Familienzweig, der sich an der Politik versuchte.