Piso konnte sehr gut nachvollziehen, wieso Varus geschockt war. Schließlich war Piso, der bisherige absolutistische Herrscher des Officiums XXIII schon eine Institution geworden. Es gab keinen an der Kanzlei, der länger gedient hatte als er – mit der Ausnahme vom unbeliebten und ungehobelten Plennius Flamininus.
„Du hast richtig gehört, ich bin jetzt weg.“ Er lächelte verständnisvoll. „Ich weiß, Varus. Es kommt ziemlich überraschend, aber ich muss dem Ruf des Collegiums folgen. Wer wäre ich, wider dem Willen der Götter zu handeln?“ Wie schön, wenn man seinen Karrierismus hinter den Göttern verstecken konnte.
„Ich werde jetzt also nicht mehr dein Primicerius sein.“, stellte er fest. „Aber es würde mich freuen, wenn ich mich auch in Zukunft als dein Freund bezeichnen könnte.“, schlug er vor.
„Das stimmt, Gaius Numerius Urbicus – mir fällt kein anderer ein, der das machen könnte. Die anderen Notarii haben Respekt vor ihm.“ Welch Wunder? Urbicus war ein riesiger, muskelbepackter Klotz, dessen Schulterschlag zu einem ausgerenkten Arm führen könnte, der mit donnernder Stimme noch alle Notarii zum Gehorchen gebracht hat, und hinter dem man eher einen Gladiatoren als einen freundlichen, harmlosen Schreiberling vermuten würde.
Beiträge von Aulus Flavius Piso
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Schließe mich dem an. Ich kenne einen Witz dazu.
Treffen sich zwei Schneeflocken im Himmel. Die eine fragt die andere: „Wohin gehst du?“ „Ich? Nach Kitzbühel, zum Wintersport. Und du?“ „Ins Ruhrgebiet, Schneechaos verursachen.“
Aber die Deutschen sind da ja noch Wunderkinder, verglichen mit diesen britischen Waschlappen... ihr wisst ja gar nicht, was ich für einen Horror am Flughafen von Newcastle erlebt habe.
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Langsam erschlafften die Glieder des Tänzers. Seine Beinbewegungen wurden weniger ausgetüftelt und kreativ, vielmehr schien der Körper des Guten insgesamt zu erfaulen.
Keuchend schließlich ließ er sich auf einer Kline nieder und schnaufte erstmal aus. Puh, das war was gewesen. Er hielt immer noch seinen Zettel in der Hand und studierte ihn durch. Nochmal lächelte er, bevor er aufblickte, aus der Dachöffnung über dem impluvium hinaus, in den wolkenbehangenen Himmel hinaus, der sich über die ewige Stadt zog. „Danke, Iuppiter, Regenbringer.“, flüsterte Piso andächtig und erhob sich aus seinem Sitz. „Cassivellaunus!“, brüllte er und wartete, bis der treudoofe Sklave in einer der Türen zum Atrium erschien.
„Da gibt es noch ein freies, unbesetztes Arbeitszimmer, oder?“
„Ja, Heeeerr...“
„Meins!“
„Heeeeeerr?“
„Von nun an soll es mein Arbeitszimmer sein. Ich brauche ein eigenes Arbeitszimmer nun, und mein Cubiculum zur Gänze für meine Freizeit.“
„Aber Heeeeeerr. Du arbeitest doch in der Kanzlei, da...“
„Jetzt nicht mehr. Und sag nicht Heeeeerr.“, äffte er ihm nach. „Das ist Herr, mit kurzem e.“
„Ja, Heeeeeerr.“
Piso seufzte. „Wie dem auch sei. Einrichten. Hopphopp.“
Der Britannier nickte, und Piso ließ sich zurücksacken. Bald würde er ein eigenes Officium haben, wie gut.
Auch wenn es noch ein bisschen dauern würde, so wie er den langsamen Britannier kannte. -
Piso nickte nur als Zustimmung auf Lucianus‘ Einschätzung hin. Immerhin hatte ihm der Aurelier voller Selbstvertrauen gsagt, er würde einmal Consul werden, koste es, was es wolle. Und Piso schätzte nicht, dass der Aurelier es als Scherz gemeint hatte.
Die bereitwillige Zusage des Mannes, ihn zu unterstützen, kam doch etwas überraschend. Er hätte nicht damit gerechnet. Groß schaute er den Senatoren an, bevor er lächelte. Der Mann hatte es drauf, dachte er sich. Er erkennt ein großes Genie sofort, und ist sofort bereit, es zu unterstützen. Wundervoll. Pisos nicht unerhebliches Ego schwoll an und pompös verkündete er: „Ich danke dir, Senator Vinicius. Diese Tat wird dir nicht vergessen werden.“ Er meinte es durchaus ernst, jetzt hatte er schon wieder bei einem Mann etwas gut.
Er kam aber nicht umhin, den Sklaven zu beobachten, der ihn von gebührender Distanz hinweg beäugelte. Irgendetwas fand der Flavier am Anblick des Sklaven einfach gut, er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Beinahe hätte er Lucianus gefragt, wieviel er denn für den Sklaven wolle. Doch bei den Preisen, die heutzutage für Sklaven hie und da ausgegeben wurden, könnte er es sich eh nicht leisten. Später vielleicht einmal.
Er hätte jetzt am Liebsten noch ein bisschen herumpalavert, wie sehr er Lucianus‘ Reaktion schätzte, wie überaus er sie für nobel erachtete, allerdings wusste er aus Erfahrung – so was kam nicht immer gut an. Also blickte er nur Lucianus an. Vielleicht würde jener doch noch mit einer Bedingung herausrücken. Oder ihn einfach rauswerfen, schließlich war die Zeit eines Senators knapp und Pisos Frage schon geklärt. -
Piso nickte nur. „Ich bin mir sicher, die Inquisitio findet die optimale Lösung. Es war sehr nett, mit dir zu reden, hoffentlich sieht man sich wieder.“ Ziemlich sicher sogar, wenn Piso sein Versprechen einzulösen gedachte. „Also dann, vale bene, Aedilis Annaeus.“ Er nickte ihm nochmal zu, bevor er sich umdrehte und abging.
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Piso lachte höflich, als er wieder Platz nahm, wie angewiesen. „Ja, ich denke, zu Zeiten wie diesen ist es schwer, einflussreicher Senator zu sein.“ Doch immerhin hatte Lucianus Zeit gehabt, um Piso zu empfangen, was wollte man mehr?
„Da hast du ganz Recht.“, antwortete Piso auf die Feststellung des Viniciers. „Ich bin, als Einsteiger in die Politik, auf Hilfe und Unterstützung von angesehenen Senatoren wie dir angewiesen, und deshalb möchte ich dich auch darum bitten. Ich weiß natürlich auch, dass alles seinen Preis hat, und verspreche dir, wenn du mich unterstützt, wirst du dich der Dankbarkeit meiner Familie und meines Patrons, Purgitius Macer, gewiss sein.“, legte er ihm dar.
Die letzte Frage beantwortete Piso gelassen. „Senator Aurelius Ursus? Ich kenne ihn von zwei Gelegenheiten her. Ich traf ihn in den Thermen und schließlich, vor Kurzem, hatten wir ein langes und gutes Gespräch miteinander in einer Taverne am Forum Romanum.“, informierte er den Vinicier. „Ein sehr interessanter Mann, der mir auch einige gute Ratschläge verraten konnte.“ -
Puh, Corvinus bekam seinen Satz gerade eben nicht in die falsche Kehle. „Genau, das meine ich.“ Er fuhr fort, zustimmend zu nicken, als Corvinus die Wichtigkeit, einen Plan zu haben, hervorhob. „Das stimmt, doch eine gewisse Flexibilität ist nie schlecht.“ Zum Beispiel hätte er es sich früher nie denken lassen, dass er um ein hohes priesterliches Amt sich bewerben würde. Und da war er nun, ein Bittsteller, dessen Gesuch auch tatsächlich erfolgreich sein würde. „Ambition jedoch ist das wichtig. Und vor allem, er soll kein Banause sein.“, fügte er noch schnell hinzu. Er hatte durchaus eine Abneigung gegen Leute, die sich nicht mit Kunst auskannten (oder mit seinem Verständnis davon).
Aber jetzt würde in der Aurelius sicherlich rauswerfen aus seiner Villa! Doch nichts dergleichen geschah, vielmehr zierte ein amüsiertes Lächeln die Lippen des Senators. Wohl musste Piso erscheinen wie einer der vielen Männer Roms auf Brautschau. „Ach, gleich zwei Schwestern?“, fragte er nach. Auswahl schien es allerdings zu geben. „Was sind denn ihre Namen?“
Und nicht genug davon, Corvinus erwähnte noch ein unvesprochenes Familienmitglied. Piso lauschte. Würde es vielleicht... sie sein? Der Name fiel – sie war es tatsächlich. Piso schoss das Blut in seine Wangen. Er hielt sich für einen Mann, dem man Röte nicht gut ansehen konnte, doch vielleicht mochte dies nun nicht so sein. Zudem weiteten sich seine Augen ostentibel. „Prisca, hast du gesagt?“ Ja, ohne Zweifel hatte der Mann diesen Namen erwähnt. Langsam fühlte er seine Wärme im Gesicht weiten und seine Pupillen wieder schrumpfen.
„Ich... ich kenne sie. Ich habe sie getroffen, zweimal, bei deiner Hochzeit und kürzlich am Markt. Eine hochanständige, freundliche junge Frau.“, brachte er hervor. Und herausragend hübsch, verflixt noch eins. Unwillkürlich drückte er seinen Rücken durch, als wäre ihm daran gelegen, vorm Pontifex besonders formell zu erscheinen.
In dieser Liegeposition traf ihn auch die befriedigte Entgegnung des Aureliers auf seine Antwort hin. „Sehr vielversprechend, ja.“, meinte er. Hoffentlich würde er Senator sein, bis Minor in den Alter wäre, erste politische Schritte zu unternehmen. Vielleicht hätte er dann auch Lust, sich von seinem Onkel ein wenig in die Politik einweisen zu lassen. Er schmunzelte kurz.
Aurelius kam aber nun auf ein wieteres Thema zu sprechen, was den Nachwuchs anging. „Möge Dea Dia, die Göttin des Wuchses und der Fruchtbarkeit, dir in deinem... Unterfangen gewogen sein!“ Hoffentlich halfen die Glückwünsche eines Arvalbruders in dieser Hinsicht. -
Gut eigentlich, dass der Aurelier die Sache mit den Schiffen sein ließ. Über Geschmack könnte man sich stundenlang streiten, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, außer, sich zu verfeinden. Besonders die etwas exquisiten Geschmäcker, wie bei Piso, waren gerne mal eine harte Nuss.
Als die Rede auf Alexandria kam, dachte Piso kurz nach. „Also, mir ist es nicht ganz sicher erschienen. Scheint sich nicht viel daran geändert zu haben – hast du davon gehört, wie man die Archipyrtanin ermordet hat, auf offener Straße? Das ist fast so, als ob man bei uns den Consul umbringt. Nicht gut.“ Er schüttelte demonstrativ den Kopf.
„Oasen hingegen sind, wie gesagt, was ganz Feines. Aber im Norden gibt es auch sehr schöne Flecken.“ Hatten sie nicht schon darüber geredet? Fast kam es dem Flavier so vor.
Er hörte aufmerksam zu, als ihm der frisch gebackene Senator vor ihm etwas von seiner Meinung angedeihen ließ. „Weise Worte.“, machte Piso und nickte. „Ja, das klingt ziemlich wahrheitsgetreu. Danke für die Ratschläge.“ Ob das, was Patrone betraf, auch stimmte für andere Klienten seines Patrons? Nun ja, es handelte sich ja auch nur einen Mann, der ihm auch schon gesagt hatte, was er sich erwartete als Lohn dafür, dass er ihn unterstützte.
Hmm, ob Piso Ursus jetzt noch eine politische Weisheit abluchsen könnte? Sollte er ihn fragen, wie er seine Schulden bei Ursus abbauen konnte? Oder wäre das ein wenig zu aufdringlich?
Er enstchied sich dagegen, man konnte ja noch später fragen, oder es einfach herausfinden. -
Sim-Off: Wobei dies auch passen würde.
Piso lümmelte ein wenig auf seiner Kline herum, als er es plötzlich trapsen hörte. Wenn das nicht mal der Consular wäre! Der Flavier stand hastig auf und machte seinerseits einen Schritt auf den Mann zu. Er stellte sich nicht vor, wieso auch, es wäre selbst Blinden klar, wer dieser Mann, der voller Autorität und äußerlicher Gelassenheit auf Piso zuschritt, war. Vinicius Lucianus. „Salve! Du musst Senator Vinicius Lucianus sein.“, grüßte Piso respektvoll (ja, vor einem Consular konnte er gut kuschen). „Mein Name ist Aulus Flavius Piso. Ich bin hier, da du mir von deinem Klienten Aurelius Ursus empfohlen worden bist. Ich kandidiere heuer für das Vigintivirat und wollte mich dir vorstellen.“ Dass er wollte, dass Lucianus ihn wählte, müsste er wohl nicht extra erwähnen.
Ein schweigsamer Sklave betrat ebenfalls das Atrium, mit Trinkbarem in seinen Händen. Er sprach kein einziges Wort, was dennoch nicht heißen musste, dass seine Gedanken nicht von einem brillierenden Coleur wären. „Danke.“, meinte Piso abwesend erscheinend, als er seinen Becher bekam – wer bei jemandem um Stimmen warb, musste auch seine Sklaven halbewgs respektvoll behandeln, zumindest dachte sich der Flavier dies. -
Es dauerte tatsächlich nicht lange, und Piso bekam eine erste Frage. Es stellte sie Tiberius Durus, und sie war durchaus berechtigt, besonders vonseiten eines Mannes, dessen Konservativismus bekannt war.
„Diese Frage ist sehr berechtigt, Consul.“ Er fühlte sich schon ein wenig entspannter als vorher, obwohl noch immer sehr konzentriert. „Der Entschluss reifte in mir, nachdem ich in Rom ankam. Das tirocinium fori ist eine angesehene und ehrwürdige Einrichtung, die jungen Vigintiviratskandidaten schon oft sehr gut geholfen hat.
Ich fällte aber den Beschluss, einen anderen Weg auszuloten, der mir auch jene Erfahrungen verliehen hat, die ein tirocinium fori mit sich gebracht hätte – nicht zuletzt wegen der Fähigkeiten und dem Wissen, welches ich dank meiner Position als Untergebener des damaligen Procuratoren und jetzigen Praefectus Praetorio Prudentius Balbus erlangt habe. Mehr sogar als dies, denn die Arbeit in der Kanzlei ist wegen ihres hohen Anspruches, der Notwendigkeit, gewonnenes Wissen praktisch anzuwenden, und der Spanne an Arbeit unterschiedlichster Art und Weise ungemein lehrreich. Auch erlaubte dies mir, dem Staat zu dienen, noch bevor ich es unternahm, mich für den cursus honorum zu bewerben. Die anspruchsvolle Tätigkeit eines Primicerius bereitete, so denke ich, mich hervorragend auf meine jetzige Arbeit als Septemvir und auch auf meine angestrebte als Vigintivir vor. Es war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, auch wenn es vom Rahmen des Gewohnten leicht divergiert haben mochte.“
Jetzt war abzuwarten, ob sich die Senatoren mit dieser Antwort zufrieden stellten. Und ob es andere Fragen gab. -
Piso hatte keine Mühen gescheut, dass Arvalbruderlied auswendig zu lernen. Das befremdliche, alte Latein war ihm fremd und ungewohnt, aber dennoch hatte er es geschafft, sich die Worte einzuprägen, und harrte nun gespannt, als er den Sänften hinterherging, dem Zeitpunkt, wo er sie benutzen werden könnte.
Piso befand sich nicht allzu weit hinter Furianus. Er hatte sich schon auf den Tag gefreut, da sein Vetter zum ersten Mal den ehrbaren Zug anführen würde, und nun war es soweit. Magister der Arvalbrüder war er nun, und sicherlich stolz darauf. Er schien es zumindest zu sein.
Die meisten Männer der Gruppe mochten es nicht gewohnt sein, zu gehen, doch Piso war da die Ausnahme. Er, der es liebte, zu gehen, dem es auch nichts ausmachte, längere Strecken, zum Beispiel nach Ostia, zu gehen, ihm machte es nichts aus, und somit bot er einen deutlich besseren Anblick als viele der dicklichen, alten Herren rings um ihn.
Der Zug stoppte, als sie Bruderschaft den Concordia-Tempel erreichte, der Piso schon wohl vertraut war. Der Flavier blickte sich zaghaft um. Das Ritual müsste jetzt beginnen, sicherlich würde Furianus bald damit anfangen.
Hoffentlich würde es von den Göttern beschützt sein, denn ein gelungenes Opfer für die Gesundheit des Kaisers käme jenem sicherlich mehr als nur recht. -
Die Frage des Corvinus war durchaus interessant. „Sagen wir mal so: ich spreche für mich selber.“ Andere wünschten sich für ihn ja eine tiberische Braut. Nur, die Frage war, ob eine solche beschaffbar war. „Aber das soll nicht heißen, dass andere das nicht so sehen könnten.“, fügte er hinzu und bediente sich am Wein, schwenkte die Flüssigkeit aber nicht lange rum, sondern wurlte sie runter.
Jetzt aber konnte er es sich nicht mehr verkneifen, seine rechte Augenbraue hochzuziehen, ganz flavisch. „Andere aurelische Familienmitglieder?“, fragte er nach. „Du musst wissen, ich möchte gerne von der Qualität eines möglichen Ehemannes überzeugt sein, bevor ich meine Schwester weggebe.“ Er wollte nicht implizieren, dass die Aurelier keine anständigen Leute waren – nur, dass er das Beste als gerade gut genug für Vera wähnte.
Zu Corvinus‘ Aussage bezüglich der Aurelierinnen nickte er nur. „Etwas anderes habe ich nie gedacht.“ Bei seiner nächsten Frage kam er aber ins Stocken. „Öhm... gedacht ja...“ Sollte er die Frage überhaupt beantworten? Es war ja nichts dabei. „Wie du gesagt hast, man sollte heiraten, bevor man Senator wird.“ Er grinste verlegen. „Ich meine... ja, und ich habe mir auch schon Gedanken gemacht, ob ich vielleicht eine Aurelierin heiraten sollte. Gestattest du mir eine Frage, eine ganz unverbindliche? Ist zur Zeit ein weibliches Mitglied deiner... ähm... ehrwürdigen Familie ungebunden? Nur aus Neugier.“, schob er eilends nach. Eine Frage wie ein politischer Kamikazeflug war das gewesen, zumindest kam es Piso so vor.
Gut, dass man auf anderes zu sprechen kam. „Oh, Minimus geht es sehr gut. Er ist der Wonneproppen der ganzen Familie und kann schon wirklich gut gehen und sprechen.“, lächelte er. „Eindeutig ein sehr begabtes Kind!“ -
Unglaublich, aber Piso schien tatsächlich einen Staat machen zu können mit seiner Schmeichelei. Du bist halt ein großartiger Schauspieler, Aulus, lobhudelte er sich selber in Gedanken und lächelte den Parther gütig an. „Na, das ist ja was!“ Polygamie, auf so etwas können auch nur diese Parther kommen. Er nickte nur verständnisvoll. „Charax-Spasinu, wie schön!“ Er hatte keinen Plan, wo das denn liegen könnte, aber, zum Tartarus damit. „Ein mächtiger Führer, das glaube ich gern!“, lobte Piso und ließ seine Augen über des Parthers Krempel schweifen. Ein mächtiger Führer, klar, und Mithridates schlummerte wohl nur deshalb nicht in seines Vaters orientalischen Palast, weil er so menschenfreundlich war, die Wunder des Orients in Rom zu vermarkten. Das konnte er seiner Großmutter erzählen.
Da war es doch um einiges schöner, sich Prisca zuzuwenden und ihr Kleid anzufassen, als dem Parther halbwegs glaubwürdig zuzugrinsen. Genauso wenig wie Prisca seine Röte bemerkte, sah Piso etwas von Priscas immer gesünder werdenden Gesichtsfarbe. Er war nur auf ihr Kleid fixiert (und, er gab es ja innerlich zu, das, was es umschlungen hielt). Der Flavier blickte ihr aber doch in die Augen, als sie ihn ansprach.
„Eine Ehre und Freude? Ach...“ Er winkte lässig ab. „Ich mache das doch gerne.“ Er machte eine kurze Pause, in der er offenbar sich bemühte, einen Satz zusammenzustöpseln. Was herauskam, war: „Denn ich fände es eine große Schande, würde ich dich nicht wieder sehen.“ Es war ein wenig leiser und ein kleines bisschen stockender vorgebracht als sein vorheriger Satz.
Gut, dass sie den Anlass ansprach! „Ja, meine Familie, insbesondere ich, würden gerne meine Schwester in die römische Gesellschaft einführen. Du kennst sie sicher nicht, sie heißt Vera, und sie ist eine ganz wundervolle Person. Ich glaube, du wirst sie mögen.“ Wer könnte das nicht, dachte er sich, voller Stolz über seine Vera. „Und, ach ja, ich gedenke ein Gedicht vorzutragen, welches ich momentan am Schreiben bin. Ich hoffe, es zu gegebener Zeit fertig zu stellen.“ Das wäre eine feine Sache. „Ah, die Saturnalien. Nun, dieses Jahr ist bei uns kein großes Fest geplant. Niemand ist sonderlich scharf darauf.“, legte er offen.
„Meiner Familie?“, fragte Piso nach, als ob er nicht recht verstanden hätte und Bestätigung suchte. „Nun, es geht ihnen allen recht gut.“, vereinfachte er die Situation. „Gracchus...“ geht es immer schlechter, je mehr ich ihn sehe. Sollte er ihr das sagen? „...ist ein bisschen krank, es muss mit dem Winter zusammen hängen. Furianus...“ geht es auch nicht viel besser. „...ist jetzt wieder aus Aegyptus zurückgekehrt. Es hat ihm sehr gut gefallen dort, und ich glaube es ihm! Warst du schon einmal dort?“, fragte er neugierig. „Gracchus Familie befindet sich wohl. Minor ist ein Prachtbursche, er entwickelt sich sehr schnell und gut. Von Aristides hört man zur Zeit nicht so viel, er lebt jetzt in Baiae bei seiner Mutter. Angeblich aber geht es ihm blendend. Lucullus macht sich ohnehin gut, wie immer. Ach ja, und mein Onkel Manius Sabinus lebt jetzt ebenfalls bei uns. Und er ist ein sehr rüstiger alter Herr, wie man es sich vorstellt.“, meinte er lächelnd. „Und bei meinem Vetter Felix auf Sardinien ist auch alles in Ordnung, wie man so hört. Er ist ein begeisterter Rosenzüchter geworden.“ Auch nicht das schlechteste Hobby. „Und wie geht es deiner Familie? Hat sich eigentlich Celerina gut eingelebt in ihre Ehe, man hört und sieht nichts von ihr!“ Ein bisschen sonderbar war dies schon.
Zurück aber zum Händler. Als Piso sah, wie der Gute sich aufregte, unterdrückte er sich ein Grinsen. Ha, den hatte er jetzt! Und den Preis hatte der Händler auch wieder gedrückt.
„Mein Freund!“, rief Piso aus. „30 Aurei! Weißt du, was man damit kaufen kann? Dieser Preis ist doch viel zu hoch, viel zu hoch! Ich müsste jetzt eigentlich gehen! Aber weißt du was? Ich biete dir 20 Aurei. Das liegt zwar weit über dem Wert dieser Sachen, aber ich mache dir dieses Angebot, weil du mir so sympathisch bist!“, gab Piso an. Wie Schnecken war ihm der gierige Händler sympathisch, aber man brauchte ja wohl ein wenig Diplomatie bei Verhandlungen. „20 Aurei, damit kannst du monatelang in Saus und Braus leben!“, versicherte Piso dem Händler. „Und sicherlich würde ich wieder kommen, wenn du mir diesen Pries bietest. Also, angenommen?“ Piso streckte dem Parther seine Hand hin. Wenn er Glück hatte, schlug der Mann jetzt wirklich ein. Das wäre nicht schlecht. Ja, Piso hatte sich wirklich schon enorm in diesen Handel hineingesteigert, und war mit vollem Eifer dabei. -
Gracchus sprach die Wahrheit aus, als er meinte, Piso und er hätten in der Vergangenheit zu wenig Kontakt miteinander gehabt, dass er ihn wirklich gut kennen lernen hätte können. Welch Wunder? Gracchus war schließlich lange in Griechenland gewesen und hat auch in Rom bisher zurückgezogen gelebt. Piso derenthalben hatte in der Kanzlei gearbeitet, war von kultischen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen in Beschlag genommen worden, oder hatte einfach nur das Leben genossen. Wenn er daran dachte, musste er sich denken, dass es auch positive Seiten hatte, dass Gracchus nicht alles über Piso wusste. Sicher wäre er nicht sonderlich darüber erbaut gewesen, dass Piso sich in so diverse und ästhetische Freizeitvergnügungen einbrachte wie zum Beispiel ehrbare Patrizierinnen als billige Flittchen zu bezeichnen, osteuropäischen Tänzen vorzugreifen, Sklaven unter Lebensgefahr zu erstehen, ein Opfer an die Ahnen in einer stinkenden Sauerei enden zu lassen, Tabernae zu verwüsten, sich mit seinem Vater zu überwerfen oder einfach nur den Hypochonder heraushängen zu lassen. Und diese Aufzählung inkludierte nicht einmal die Sache am Markt... aiaiai... ja, Gracchus sollte wirklich nicht alles das wissen.
Nichtsdestotrotz lächelte Piso und entgegnete: „Ich würde diesen Umstand wirklich gerne ändern, Gracchus. Wirklich gerne.“ Sein Lächeln verlor sich und sein Blick wanderte hinauf an die Decke, als ob es dort etwas Interessantes zu bestaunen gäbe. Abrupt aber schnellte seine Blickrichtung zu Gracchus zurück. Es schien fast so, als wolle er den Mund öffnen und etwas sagen, doch dann tat er es doch nicht. Als ob er die Gedanken des Gracchus erraten hätte, wollte er etwas über Leontia sagen. Doch er konnte nicht. Sein Mund klappte wieder zu, sodass er sich in Ruhe anhören konnte, was Gracchus über Aristides (er sollte ihn in Gedanken nicht so nennen – es war Marcus, sein Vetter Marcus, und trotzdem, er konnte diese Angewohnheit nicht abschütteln) zu sagen hatte.
Es war eine längere Rede, während jener sich Piso zurücklehnte und analysierte. Ein untadeliger Patrizier, ja, wenn es überhaupt so etwas gab, könnte vielen Leuten etwas zum Vorwurf machen. Ansprüche seines Standes zu erfüllen war oft auch Piso zuwider. Lange dem Müssiggang frönen – ja, das hatte er auch gemacht (obwohl er dies weniger lange getan hatte als Aristides). Aber sich nicht in Studien zu vertiefen, das sah Piso nicht ähnlich, welcher in einem streberhaften Eifer Wissen schon seit einiger Zeit kontinuierlich absorbierte. Und das Militär? Nein, Piso konnte sich nicht damit identifizieren. Auch wenn er im Hinterkopf noch immer ein Jahr als Tribun hatte. Sich treu bleiben, zählte Gracchus auf. Piso dachte nach. War er sich treu geblieben? Konnte er dies sagen? Er musste sagen, er war in seiner Zeit in Rom reifer geworden. Erwachsener. Er war noch immer ein mächtiger Kindskopf, und würde es immer bleiben, doch es gab einige Sachen in seiner Vergangenheit, die Piso jetzt nicht mehr tun würde (einmal nicht öffentlich). Er strebte noch immer nach Ästhetik, wohin er auch ging, doch war sein Verstand davon nicht mehr komplett umwölkt. Er hatte seine Spiritualität gefunden. Er hatte seinen Ekel vor Blut abgeschüttelt. War er sich treu geblieben? Nicht im wahrsten Sinne. Er war erwachsener geworden, ja. War dies schlecht?
Gracchus machte eine kleine Pause und setzte wieder an, zu reden. Piso hörte weiterhin zu. An der Ende der Rede angelangt, schwieg Piso ein paar Sekunden, bevor er etwas erwiderte.
„Allfällig ist es dies...“, echote er die Formulierung des Gracchus. „Vielleicht.“ Kurz senkte er seinen Blick und sah dann wieder hinauf. „Ich möchte es nicht abstreiten, Vetter. Ich habe mich verändert. In manchen Dingen nicht ungewaltig. In manchen nur marginal. In manchen gar nicht.“ Er lächelte. „Und sei dir versichert, Vetter: es ist gut so. Es ist gut so.“ Er atmete schwer ein und wieder aus. „Vielleicht fragst du mich dies, weil ich ansuche um einen Platz bei den Septemviri, war ich doch ein komplett unspiritueller und wenig religiöser Mensch, als ich hier ankam. Dies ist eine von den Sachen, die sich geändert haben. Ich interessiere mich jetzt für kultische Angelegenheiten. Seitdem ich angefangen habe, den Göttern zu opfern und regelmäßiger zu beten, kann ich gar nicht mehr damit aufhören. Es gibt mir ein gutes, befreiendes Gefühl.“ Er lächelte kurz und wurde sofort wieder ernst. „Aber wenn du mich fragst wegen meiner Kandidatur zum Vigintivirat- dies habe ich schon immer geplant. Ich habe es schon immer wollen, mein Leben lang. Ich wollte höher hinaus als... als mein Vater. Der niemals auch nur sich interessiert hat für einen Platz bei den Decurionen Ravennas.“ Beim Gedanken an seinen Vater verdüsterten sich seine Gesichtszüge und er blickte weg.
Erst wieder hinblicken zu Gracchus konnte er, als jener auf die Musik zu sprechen kam. Seine Miene hellte sich auf einen Schlag auf. Aller Anschein von Ernsthaftigkeit war plötzlich abgefallen von ihm, und er grinste breit. „Musik, mein lieber Gracchus, ist destillierte Ästhetik!“, drosch er eine seiner Lieblingsphrasen. „Es ist die höchste Kunst von allen, sage ich. Sie ist ausdrucksvoll und berührend. Und es ist in jedem von uns drinnen, Vetter. In jedem.“
Seine Augen schienen aber schier überzuquellen, als Gracchus vorschlug, sie könnten einmal zusammen eine musikalische Sitzung abhalten. „Dies wäre einfach...“ Er rang nach Worten, fand aber keines auf die Schnelle und benutzte daher ein einfaches „...toll.“ Dankbar erstahlte sein Lächeln von einem Ohr zum Anderen. Vielleicht würde dies die Lethargie des Gracchus ein wenig auflockern, würde sie vertreiben. „Weißt du, ich glaube, du bist ein großartiger Musiker, anders kann es nicht sein.“ Er nickte begeistert. „Du solltest auch eine Lyra zur Hand nehmen. Glaube es mir, die Töne entströmen ganz alleine. Musikalische Schulung ist Humbug, lass deine Finger sprechen, das ist das Geheimnis!“ Dieser letzte Satz ließ schon Böses erahnen... doch es war schwer, von Pisos fast schon erdrückenden Enthusiasmus ob Gracchus‘ Ankündigung nicht mitgerissen zu werden.
Nein, Piso war sich unzweifelhaft treu geblieben.
Ob dies so gut war wie von Aristides propagiert, war eine andere Frage. -
Sim-Off: Und wieder mal: Verzeihung... ich komm zu gar nix mehr...
Piso hob seine rechte Augenbraue doch ein wenig, als sie seine Aufforderung, etwas zu trinken, gleich in eine Einladung auf einen Drink zusammen umdeutete. Aber nun, wieso nicht? Es gab sicherlich schlechtere Leute, mit denen man einen heben konnte. „Natürlich!“, erwiderte er also. „Ich lade dich gerne ein. Wenn du mir sagst, wo hier eine Schänke ist...“ Wenn es hart auf hart kam, mussten sie bis zum Tiber trotten. Dort gäbe es sicherlich Trinkgelegenheiten en masse geben (was vielleicht ein Grund war, wieso so viele Besoffene in den Tiber auf Nimmerwiedersehen fielen...). Demonstrativ blickte er sich in einer vielleicht übertriebenen Geste um, sein Blick fand jedoch überhaupt nichts (und es war ja nicht so, dass er ein Zwerg war).
Sie schenkte dem guten Piso wohl uneingeschränkt Glauben. Jener genoss natürlich das gefühl, für einen bedeutenden Künstler gehalten zu werden, und lächelte zurück. Dass die allgemeine Geste vielleicht ein bisschen anstößig aussah, das fand Piso nicht. Man sollte ja liberal und tolerant sein heutzutage!
Nochmals hob er seine Augenbraue, dieses Mal aber die rechte, als Axilla begann, ihren eigenen Gesang zu verdammen. „Ich bin sicher, du kannst singen. Jeder kann singen, manche haben gefälligere Stimmen und manche extravagantere. So ist das.“, meinte Piso im Brustton der Überzeugung. „Und ich singe dir gerne vor. Wenn du bereit bist, auch mal die eine oder andere ungewöhnliche Nuance zu hören. Aber - wenn ich dir was vorsinge, musst du mir versprechen, dass du mir auch was vorsingst.“ Darauf wäre er gespannt. „Ach ja, von diesen Spielen habe ich gehört. Ich wäre gerne gekommen, aber man muss halt arbeiten.“ Er zuckte die Achseln. „Aber ich glaube dir, dass es schön war. Die Ägypter haben so ein gutes ästhetisches Empfinden... die ägyptischen Griechen, sollte man sagen.“, korrigierte er sich. „Wer hat denn gewonnen?“, fragte er neugierig nach. Den Namen sollte er sich vielleicht merken.
Plötzlich bemerkte er, wie Axilla sich von ihm loslöste und irgendwelche seltsamen Vögel auf sie starrten, und zwar schon die längste Zeit. Er blickte auf und blickte entrüstst um sich. „Was soll das? Gibt es hier was Besonderes zu sehen, ha?“, fragte er ungewohnt provokant, woraufhin die Köpfe aber rasch eingezogen wurden.
„Komm, Axilla.“, schlug Piso vor. „Hier gibt es nichts mehr für uns. Suchen wir was, wo wir was trinken können. In welche Richtung sollen wir gehen?“, fragte er. -
Piso war schon froh. Er wusste jetzt immerhin bei diesem einen Senator, wie er seine Schulden abtragen konnte. Manchen könnten die Art von Modestus, seine Erwartungen so unverblümt preizugeben, nicht schmecken, aber Piso war doch recht froh über diese Offenheit. Klarheit war immer gut. Vor allem, ästhetisch; zumindest im weitesten Sinne.
„Nun, selbstredend.“, erwiderte Piso, mit der linken Hand nach links ein kleines bisschen affektierte Geste machend. „Die Inquisitio hat aber keinen allzu großzügig bemessenen Spielraum, oder?“, fragte er. „Wie dem auch sei, da ich dich sowieso bald wieder besuchen komme, wie abgemacht, können wir sicherlich bedeutsamer über diese Frage reden. Eine ordentliche Reform aber ist, denke ich, schon vonnöten. Mehr Beamte in die Provinzen zu schicken ist nicht unbedingt eine langfristige Lösung für das Problem.“ So war er sich einmal ganz sicher. Mensch, er würde schon einiges geben, um der Sitzung beizuwohnen. Das würde sicher spannend werden. -
„Hmm, es gibt halt die Ortsunkundigen, die Unvorsichtigen, und die Pechvögel.“, entgegnete der Flavier, bevor er einen Schluck Wein trank. „Und ich kann dich natürlich verstehen mit deiner Meinung, aber...“ Er lächelte. „Ich finde sie idyllisch. Man darf einfach nicht dran denken, was passiert ist, als das Schiffswrack entstand.“ Noch ein Schluck Wein. „Ja, das Meer. Es ist unheimlich, zu denken, was unterhalb schlummert. Und vor allem, was jenseits sich befindet.“ Ein bisschen Käse wanderte in seinen Mund. Er kaute bedächtig und schluckte, bevor er etwas zu den Oasenstädten sagte.
„Sie sind auch sehr einladend. In Alexandria muss man teuflisch aufpassen, dass man kein Messer in die Rippen bekommt. Aber in so einer Oase kann man sich ohne Furcht bewegen. Und ja, die Menschen sind sehr gastfreundlich.“ Für bare Münze zumindest. „Das Gute ist, du kannst dies auch als Senator erleben – Niederlassungen dieser Art gibt es auch zuhauf in Africa und in Mauretania. Wer weiß, vielleicht verschlägt es dich als Legat oder als Proconsul einmal dorthin.“ Er könnte sich eigentlich Ursus gut vorstellen in diesen Provinzen.
„Das erleichtert mich sehr.“, gab er zu und horchte hin. Ja, so viele politischen Gläubiger haben war wohl nicht ungewöhnlich. Auch er hatte ein Liste von diesen. Und er wusste noch nicht einmal, ob es etwas gebracht hatte. „Ich denke, als Senator solltest du ziemlich schnell deine Schulden abwerfen können – mitstimmen und beipflichten in Senatsdebatten und Abstimmungen ist da wohl das, was man tun kann.“ Das wusste er von seinem Patron. Er war ja aber noch nicht soweit. „Denkst du, das dauert noch lange?“ -
Der erste, der Piso begrüßte, schien ein echter Grantler zu sein. Piso zog ganz leicht seine Augenbraue hoch. Na, mit dem würde er noch seine Freude haben. Viel angenehmer war da die Vorstellung eines anderen. „Ja, so könnte man es sagen.“, meinte Piso mit einem leicht nervösen Lächeln. Sein großer Tag... zumindest für diese Woche. Er war schon glücklich, dass er karrieremäßig wieder so anzog, nachdem er so lange in der Kanzlei herumgammeln musste. Zwar würde er den guten Archias nicht mehr im Amt sehen, aber auch wurscht. Vielleicht war es sogar gut. Konnte es für gutes Blut sorgen, wenn ein Freund beruflich direkt über einen stand – auf einen Posten, den der andere schon immer wollen hatte, aber nicht erlangen konnte? Nun waren Piso und Archias wieder in verschiedenen Sparten untergebracht, die man so nicht vergleichen konnte. Was gut war.
Naso sprach ihn ebenfalls an. „Um ganz ehrlich zu sein“, entgegnete Piso ebenso freundlich, wie ihn der Magister ansprach, „ein wenig.“ Iuppiter konnte noch immer sein Veto einlegen. Auch wenn das ganz gemein wäre, hatte Piso doch noch nicht vor langer Zeit dem Iuppiter ein hübsches nettes Lämmchen als Opfer dargebracht.
„Salve, Pontifex.“, grüßte Piso dem Aurelier zurück. „Ich möchte dir noch einmal danken, ohne dich stünde ich nicht hier.“ Hatte er schon wieder jemanden, dem er einen Gefallen schuldete. Na ja, das war ja nicht ungewöhnlich, des Corvinus Neffe Ursus hatte ihm ja schon erzählt, dass er noch sein Säckchen an noch nicht zurückbezahlten Gefallen tragen müsste.
„Salve, Gracchus!“, erschallte es auch demjenigen. Piso war ziemlich froh, dass Gracchus ihm ein Lächeln schenkte (nur selten hatte Piso jemals Gracchus lächeln gesehen) und grinste frohen Mutes zurück. „Schön, dass du hier bist.“ Bleich sah er irgendwie aus. Piso fragte sich wirklich, was diese Kurpfuscher von Ärzten mit ihm anstellten. Bald würde er wohl einen Cursus Medicinae an der Schola absolvieren, zumindest hatte er dies sich vorgenommen, und dann würde er hoffentlich ein wenig mitreden können, was dies anging.
Nachdem er sich an den Auguren gewandt hatte, stellte sich jener ihm vor, in nicht allzu lautem Tonfall. „Freut mich sehr, Aurelius Orestes.“, kam es wispernd von Piso zurück. „Und, ja, ich weiß natürlich, wie diese Zeremonie verläuft.“ Er hatte sich am Abend zuvor noch einmal alles, was er darüber hatte, durchgelesen. Nur das verflixte Kapitel mit den Anreden hatte er auslassen.
Als das Spektakel dann begann, senkte Piso leicht seinen Kopf, als Orestes seine Hand auf denselbigen legte und sich daran machte, die Gebetsformel zu rezitieren. Er hörte ein Flüstern links, konnte nicht genau vernehmen, was gesagt wurde, aber wusste es dennoch. Die Geschichte mit dem Blitz auf der linken Seite.
Jetzt wurde es spannend. Piso traute sich nicht recht, sich umzublicken – würde vielleicht doch noch ein Blitz fallen, oder ein sonstiges schlechtes Omen geschehen, das seinem neuen Posten einen Strich durch die Rechnung machen würde? -
Dass Ursus seine kulinarischen Vorlieben nicht teilen konnte, hätte sich Piso denken können. Der Aurelier hatte halt noch nie solche Meeresfrüchte in Gallien gegessen, wie es schien. Es gab jedoch beileibe exotischere Speisen als Krabben und Muscheln. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, hieß es halt, und der (zumindest nach außen hin) liberale Piso wäre der letzte, der dies nicht einsehen würde.
„Die ansässigen Fischer wissen schon, dass sie gewisse Stellen meiden müssen.“, vermutete er mal und zuckte die Schultern ein wenig übertrieben. „Ach, Ursus, wieviele Schiffwracks ich schon entlang der Atlantikküste gesehen habe. Weißt du, irgendwie haben sie was Ästhetisches.“, teilte er ihm mit. Er lächelte, doch gefror es ihm leicht, als er darüber nachdachte, was sonst noch alles am Grunde des Meeres lag. Seine Mutter zum Beispiel. Und seine Schwester Leontia, die er doch hie und da vermisste... Blut war dicker als Wasser.
Er war froh, dass das Thema umschwenkte auf etwas Erfreulicheres. Aegyptus. „Oh ja, wahre Städte! Die Oase Siwa zum Beispiel! Laut den lokalen Legenden ist Alexander der Große dort begraben. Eine sehr schöne kleine Stadt, voller Tempel und Kultstätten. Oder aber die Oase Bahariya. Sehr rückständig, aber trotzdem schön. Oder Kharga und Dakhla. Neben Siwa ist aber die größte und schönste Oasenstadt Faiyum.“ Er lächelte, als er daran zurückdachte. „Eine echte Pilgerstätte, was Malerei angeht. Wunderschön malen sie dort...“ Er lächelte, an die Porträts denkend, die er dort gesehen hatte, und musste mit ursus mitlachen, als jener ihm zustimmte.
„Das ist also normal?“ Glück gehabt. „Bei wem hast du denn deine Steine angesammelt? Und hast du sie mittlerweile wieder abgetragen?“, fragte er nach. -
So sah also die Curia Iulia von innen aus, dachte sich der Flavier, als er nun zum ersten Mal in den heiligen Hallen des Senates stand. Verwunderlicherweise, ohne dass er sagen könnte, wieso (vielleicht hatten ihn ja die Ahnen unterstützt) hatte er gut geschlafen in der Nacht zuvor. Und somit war er ausgeschlafen, entgegen seiner Vermutung, er würde hier aufgrund akuten Schlafmangels, dessen Grund Sorgen und Aufregung wären, in den Hallen des Senates eine eher unheimlich-gespenstische als eine in irgendeiner Weise wählbare Figur machen. Doch nun, nach einer ruhigen Nacht und einem guten Frühstück, fühlte er sich durchaus bereit, den Stier an den Hörnern zu packen und seine Rede hier im Senat zu schwingen.
Durus rief ihn auf, und Piso erhob sich. Seine toga candidata war sorgsam um seinen Körper drapiert, weiß wie die Unschuld erstrahlte sie jedem, der sie anblickte. Sein linker Arm drohte, vor lauter Anspannung und unter der Last der Toga, anfangen zu zittern. Unter Aufbringung all seines Willens konnte er sich beherrschen. Gemessenen Schrittes – immer nur schön langsam, nichts überhasten - bewegte er sich zum Rednerpult hin und räusperte sich, als er dort angekommen war.
„Patres conscripti.“, fing er an, mit der selben festen und deutlich vernehmbaren Stimme, die er auch bei Opfern anklingen ließ. Er hätte selber darauf gewettet, dass er sich schon bei der Anrede der Senatoren versprechen würde, oder mit einem Frosch im Hals zu kämpfen haben würde, oder ihm sonst etwas widerfahren würde. Doch bisher klang alles recht gut. Bisher.
„Es erfüllt mich mit Freude, Stolz und auch enormer Demut, dass es mir erlaubt ist, vor dieser honorablen Institution, dem Senat, zu sprechen.“ Zum Zeichen seines Respektes vor dem Senat senkte er seinen Kopf (nur nicht zittern, Aulus, befahl er sich selber) und ließ seinen Blick zu jenem Senator wandern, der ganz links unten saß, als Ausgangspunkt. „Wie es schon der ehrenwerte Consul gesagt hat: mein Name ist Aulus Flavius Piso, Sohn des Gnaeus Flavius Aetius.“ Sein Blick begann langsam von links unten nach rechts oben zu schweifen, wobei er sich bemühte, mit seinem Blick so viele der Senatoren zu streifen wie möglich. Ein paar Gesichter kamen ihm vertraut vor, und ihr Anblick beruhigte seine innere Angespanntheit. „Und es ist mein Wunsch, dem Reich im cursus honorum zu dienen, so wie es schon meine Verwandten, die flavischen Kaiser getan haben, wie es die Senatoren Flavius Felix und Flavius Vespasianus taten, und wie meine Vetter, die Senatoren Flavius Gracchus und Flavius Furianus. Zu diesem Zwecke kandidiere ich heute, um Vigintivir zu werden. Dabei würde ich die Position eines tresvir capitalis anstreben.“
Er atmete tief ein und aus, bevor er weitersprach. „Nun aber ist eure Frage gewiss: Wieso, abgesehen von seinem Gentilnamen, sollten wir Flavius Piso wählen? Was sind seine Meriten?“ Sein Blick wanderte wieder durch die Reihen der patres conscripti.
„Patres conscripti, ich habe bis vor Kurzem für eine beträchtliche Zeit das Amt des Primicerius a libellis in der kaiserlichen Kanzlei bekleidet – somit wäre das Amt eines Vigintiviren nicht die erste Funktion, in dem ich dem Staat dienen würde. Die reichhaltigen organisatorischen und administrativen Erfahrungen, die ich in der Kanzlei im Zuge meiner Arbeit sammeln konnte, sind unschätzbar und würden mir ohne Zweifel auch als Vigintivir zugute kommen. Zudem kam mir auch die Ehre zuteil, in die Sodalität der Arvalbrüder aufgenommen zu werden.“ Er machte eine kurze Pause und schwenkte seinen Blick von der linken zur rechten Seite des Senates. „Schließlich wurde ich in das Collegium Septemvirorum kooptiert, eine weitere große Ehrung für mich. Das Vertrauen, das die Epulonen in mir bewiesen, bezeugt mein Engagement. Zu erwähnen wäre auch, dass ich, seitdem ich den Cursus Iuris bestanden habe, als Anwalt eingetragen bin und auch freiwillig die Bürde auf mich genommen habe, als Pflichtstrafverteidiger zur Verfügung zu stehen.“ Nur, dass das noch niemand in Anspruch genommen hatte. Er räusperte sich.
„Zu meinen zusätzlichen Qualifikationen gehören, dass ich die Architektur und das Wirtschaftswesen an der Schola Atheniensis studiert habe. Momentan studiere ich auch die Feierlichkeitsorganisation, wobei die Ergebnisse der Prüfung noch nicht veröffentlicht sind. Außerdem habe ich an der Academia Militaris meines verehrten Patrons Spurius Purgitius Macer...“ Er ließ die Information, wer sein Patron war, ganz kurz einsickern. „...die ersten zwei Examina abgelegt.“
Wieder wanderte sein Blick durch die Senatorenversammlung. „Die Erfahrung, die ich aus meinem vorherigen Berufsleben gewonnen habe und das Wissen und die Fähigkeiten, welche ich erworben habe aus meinen Studien, besonders aus den juristischen und militärischen, prädestinieren mich für den Posten eines tresvir capitalis. Ich betrachte es deshalb und auch ob meines Interesses am Strafrecht, an der Rechtspflege und der Aufrechterhaltung unserer Gesetze als meine Pflicht, mich für diese Position zur Verfügung zu stellen! Ich bitte euch darum: gebt mir die Gelegenheit, mich als Vigintivir zu bewähren. Bitte, schenkt mir euer Vertrauen und eure Stimme.“
Ganz, ganz langsam atmete er aus. Eine lange Verschnaufpause würde er nicht haben. Denn jetzt würden wohl die Fragen aus dem Senat auf ihn einprasseln.