„2500!“, keifte Piso, dieses Mal selber. Er schien diese Sklavin zu wollen.
Sorry für die Einsilbigkeit – keine Zeit!
„2500!“, keifte Piso, dieses Mal selber. Er schien diese Sklavin zu wollen.
Sorry für die Einsilbigkeit – keine Zeit!
„Pah? Was?“ Piso hatte noch immer keinen Tau, worauf Archias hinaus wollte. „Was meinst du? Was hab ich gemacht? Was finde ich gut?“ Erstaunt blickte er, als Archi ihm einen Finger in den Leib trieb. Und dies auch wiederholte. „Aua!“, machte er wehleidig, und seine Sorge wandelte sich langsam in Erbostheit. „Was zum Henker ist los mit dir, hä? Was ist in dich gefahren?“ Er hielt dem Blick stand mit der Sicherheit von jemandem, der überzeugt war, sich nichts zuschulden gekommen haben zu lassen. Weniger als 2 Zoll war das Gesicht von Archi entfernt von seinem, und Piso hob abwehrend die Arme. „Beruhig dich erst mal! Bona Dea! Hast du schon wieder getrunken? Oder hast du irgendein Kraut in dich hineingepfiffen?“, fragte er nach. Er trat zurück, um sich aus der Reichweite von Archis Finger zu bringen. „Also! Ganz ruhig. Erzähl mir, was los ist. Es gibt nichts, worüber wir nicht reden könnten.“, meinte er, um Frieden bemüht.
Das Lächeln fiel von Piso von einer Sekunde auf die andere herunter, genauso wie seine Arme. Dem flavischen Gen folgend, hob er eine Augenbraue – die rechte – stark an und blickte skeptisch auf Archias. Was führte sich Archias so sonderbar auf? Was war geschehen? Sein Gesicht, aus dem alle Anzeichen von Extravaganz und von Kindereien gewichen waren, musste an ein Fragezeichen erinnern.
„Was hast du denn? Wieso schaust du so grantig drein?“, fragte er, bass erstaunt. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Wollte Archias Streit mit ihm, aus irgendeinem Grund? Er trat einen Schritt auf den Aelier zu, auf seinem Gesicht zeichnete sich plötzliche Sorge ab. „Ist etwas passiert?“, fragte er. „Kann ich dir helfen?“ Archias konnte schnell mal eine Leber über die Laus (nein, andersrum) laufen. Da war etwas im Gange, nur, piso konnte sich keinen Reim draus machen.
Er sagte jetzt besser einmal gar nichts, denn Imperiosus hatte auf Archias‘ Frage hin schon längst das Wort ergriffen. Was er da erzählte, stimmte zwar, aber trotzdem hatte Piso das Gefühl, er müsste im Erdboden versinken. Gerade jetzt wurde das Gespräch gelenkt auf einen der zahlreichen Ausraster in seiner Vergangenheit – vor seiner Schwester! Piso hätte sich in den Hintern beißen können vor lauter Ärger, dass er das Gesprächsthema aufflackern hatte lassen. Nun galt es, das durchzustehen! Archi wollte auch sofort wissen, welche Taverne es gewesen war... und der Flavier blickte sich hastig um. Kein Fluchtweg! Er musste da durch.
„Es war die... Taberna... Apicia...“, flüsterte er. Nun würde auch Vera wissen, wieso er sich damals so seltsam benommen hatte, als sie gemeinsam in der Taverne gewesen waren. „Aber ich glaube, jetzt ist wieder gut... der Wirt sollte meinen Namen vergessen haben... ist ja schon eine Zeit her.“ Damit war das Thema hoffentlich vom Tisch, aber vermutlich gab es da sicher jemanden, der versuchen würde, nachzubohren.
Als Archi aber auf seine Gesangskünste zu sprechen kam, blickte er ihn kurz scheel an. „Verkannt zu sein ist das Schicksal eines jeden Künstlers.“, behauptete er und blickte Archi mit gespielter Brüskierung an, bevor er wieder grinste. Es konnte ja nicht jeder ein Kunstkenner sein.
Als Archias aber darauf zu sprechen kam, dass Imperiosus sich eine Frau suchen sollte, entschloss sich Piso, die selbe Schiene zu fahren. „Genau! Eine Frau brauchst du! Ein Haus ohne Frau ist ein Lager, kein Heim.“, stimmte er Archias zu. „Hast du da noch niemanden in Aussicht?“ Er beugte sich vor, grinste und liess seine Augenbrauen in wahrlich bewundernswertem Tempo auf- und ab-schnellen.
„Genau, frag uns was!“, gab Piso Archi recht. Wollte Imperiosus etwas über die Familie wissen? Die halbe Flaviersippe (welche nicht so groß war) war eh schon bei ihm eingefallen (und alle von jenen, die entweder nicht noch Kinder oder schon jenseits von gut und böse waren).
Trotz der Aufmunterung, die ihm der Vitellier und Naso angedeihen ließen, trotz der zuversichtlichen Worte von Corvinus, Piso atmete schwer, als er die Last von Orestes‘ Hand auf seinem Kopf spürte.
Und es passierte... es passierte.... ES PASSIERTE...
...nichts.
Rein gar nichts.
Kein Schwall von toten Vögeln kam vom Himmel hinuntergepurzelt. Iuppiter shcickte nicht erbost Blitze, um den Flavier von seinem Amt abzuhalten. Nichts passierte. Nach einer Weile begann es langweilig zu werden.
Und schließlich begann Orestes wieder zu sprechen. Doch Piso wagte es erst zu lächeln, als ihm Orestes mit einem Namen ansprach, mit dem er wohl oft noch angesprochen zu werden verlangen würde. Septemvir Flavius Piso. Hach, das musste von der Zunge rollen – der Flavier würde es sicherlich noch einige Male in der Abgeschlossenheit seines Zimmers ausprobieren.
„D... danke.“, hörte er sich sagen, als er sich stehend umdrehte und in die Mienen der Gesichter schaute. Er widerstand der Versuchung, sich den Schweiß von seiner Stirn zu wischen, und lächelte nur ehrlich erleichtert und glücklich in die Runde der versammelten Priester, zu denen er jetzt auch gehörte.
„Na also! Geht doch!“, freute sich Piso. Hatte er doch wieder jemanden breit geschlagen zum Ausprobieren von Musik! Und außergewöhnliche Stimmen waren doch immer wieder die Schönsten, dachte er zumindest, und lächelte befriedigt. Dass sie sich wunderte, wann er zum Senator berufen werden würde, oder ihre Sorgen, was ihre Gesangsstimme betraf, bekam er nicht mit. Wieso denn auch? Er konnte ja keine Gedanken lesen, und was er gedacht hätte, wenn er dies tun hätte können, war wohl müssig. Vielleicht hätte er einfach nur gelacht vor lauter Gaude. Jung benehmen, besonders über diesen Ausdruck hätte sich der geborene Kindskopf Piso zerkugelt.
Was er aber mitbekam, war, dass sie rot anlief. Wieso denn das? Hatte er etwas falsches gesagt? Piso war sich natürlich der Tatsache bewusst, dass es Leute gab, die schnell erröteten – nicht jeder konnte so schneidig, so toll und so gut sein wie er, und nur so schwer rot anlaufen wie er, dachte er sich übermütig und erhöhte die Schnelligkeit seiner Schritte.
Sie sprach davon, dass sie das Glück hatte, mit ihm zusammen zu sein? Ah, sehr gut. Sie erkannte, dass es nichts Besseres gab, als mit ihm zusammen zu sein, das war doch was! Und nicht nur, weil er ein Weinkenner von erlesenster Qualität (wenn schon nicht von Rang und Namen) war. Um ganz ehrlich zu sein – gallischer Wein war gar nicht so schlecht, aber für den Luxus liebenden Piso war das Beste gerade gut genug. Er gab also gar keine Antwort, sondern lächelte nur und nickte mit dem Kopf.
Das Lächeln verging ihm aber, als sie sich plötzlich seltsam benahm. Fuhr sie ihn an, oder wie? Er blickte erstaunt auf die Iunierin, die plötzlich zusammenknickte und sich entschuldigte. Was? Er kam jetzt gar nicht mehr mit. Ehrlichkeit, das hatte er auch einmal als Ideal empfunden. Aber wer in der Politik ehrlich war, kam nicht weit. Wie sollte jemand vorm Senat stehen, sich bewerben und dabei unangenehme Sachen nicht verschweigen? Man musste ja nicht lügen. Aber die Wahrheit war nicht immer die Lösung. Er entschloss sich also zu einer diplomatischen Lösung.
„Nein, Axilla! Ich muss mich entschuldigen! Ich habe impliziert, ich würde deinen Vater nicht für einen hervorragenden Mann halten. Wo sind meine Manieren geblieben? Es tut mir Leid.“ Er blickte sie mit einem verknitterten Gesichtsausdruck an wie ein alter Molosserhund mit faltigem Gesicht. „Du hast schon Recht, schon Recht...“ Auf das, was sie gesagt hatte, ging er aber nicht mehr ein.
Er wandte sich stattdessen zur Taverne hin. „Gut, gehen wir hinein!“ Er betrat die Taverne und blickte sich um. Es sah eigentlich ganz ordentlich aus. Die Wände waren rot angekieselt. Es war recht voll, was Gutes versprach, doch nicht zu geschäftig. Zweier- oder Dreiergruppen von Leuten saßen an ihren Tischen herum und unterhielten sich halblaut. Es war recht hell, dafür sorgten mehrere Fenster, durch die tageslicht durchdrang. Es roch gut aus der Küche. Ein Kellner wieselte sofort zu ihnen hin. „Bitte, Herrschaften, nehmt Platz!“, bat er sie und wies auf einen Tisch. Piso setzte sich. „Worauf hättest du Lust, Axilla?“, fragte er.
Unwahrscheinlich war es schon... aber auch nicht unmöglich. Furianus hatte es ja auch geschafft, von der Kanzlei eine gewisse Zeit in Aegyptus zugestanden zu bekommen. Wer unbedingt nach Aegyptus wollte, der würde es auch schaffen, selbst wenn er Senator wäre.
„Ah, einen Cursus soll es geben, hier in Roma? Interessant! Sehr interessant! Für so etwas wäre ich zu haben!“, verlautbarte Piso. „Du musst wissen, am Thema Musik bin ich sehr interessiert.“ Er nickte bedeutungsschwanger.
Er war schon am Aufstehen, als ihm Ursus noch alles Gute wünschte. „Ich danke dir. Ich wünsche dir auch alles Gute, und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Vale.“ Er nickte dem Aurelier nochmal zu, bevor er aus der Taverne sich bewegte und raustrat in das langsam abdämmernde Licht des Tages. Ein wenig unstet machte er sich auf den Weg in die Kanzlei... ja, so ein Falerner haute schon tüchtig rein. Daran erkannte man ja auch seine Qualität. Gut, dass er nicht mehr so viel in der Kanzlei zu tun hatte. Leider nur war es unaufschiebbar... er hatte eine Antwort auf die Anfrage eines Provinzialpontifex zu schreiben. Solche Leute warteten ungern.
“Also, nicht, dass ich jetzt hoffnungslos bescheuert wäre. Aber... wie bitte? Hinken?“
Piso blickte scheel zu dem Sklavenhandel hin, der sich da abspielte. Er selber hatte eigentlich gar keinen Sklaven ersteigern wollen dieser Tage. Aber, hübsch war die Kleine (na ja, so klein war sie auch nicht) schon. Obwohl, eine Germanin. Was wollte er mit so einer? Schreiben und lesen konnte sie nicht, nicht einmal Latein.
„Inken... glaub ich maaaaaal...“, erwiderte Cassivellaunus, Pisos von Grund auf hässlicher britannischer Sklave, der sich angesprochen fühlte.
„Unken. Unkenruf? Also nein, Ideen haben die, diese Germanen...“ Piso schüttelte den Kopf.
Er und Cassivellaunus standen am gegenüberliegenden Teil der Menschenmenge, die sich um Titus Tranquillus scharte, und somit gab es keinerlei Möglichkeit, dass er Calvena, Septima oder Macer sehen konnte, oder sie ihn. Sonst hätte er bald schon größere Probleme am Hals gehabt, als nur die Frage, ob er sollte oder nicht. Mitbieten natürlich.
Piso seufzte und wandte sich zu einem Mitbieter hin. „Was war das letzte Gebot?“ „400, glaube ich.“, antwortete der Mann, ein untersetzter Kerl mit schwarzem Haar. „Danke... 400. Ist sie das wert?“ Cassivellaunus zuckte die Achseln. „Mich kannst du das nicht fragen, Heeeeerr.“
Der Flavier seufzte. „Recht hast du wohl. Also dann. Ruf was aus. Irgendwas. Sagen wir, 653. Nette Zahl – das Geburtsjahr von Caesar ab urbe condita.“ Cassivellaunus blickte erstaundt drein. „Ja meinst du, ich rufe es auch? Ich bin Künstler! Sänger! Ich muss meine Stimme schonen für würdigere Anlässe! Also, mach schon!“
Cassivellaunus seufzte, trat dann vor, stellte sich auf die Zehenspitzen und krähte wie ein zerrupfter Hahn: „553 Sesterzen!“ Er fühlte sich, kam dass er das getan hatte, mit brachialer Gewalt zurückgezerrt. „653 habe ich gesagt! Ach ihr Götter, du bist wirklich dumm.“ „Das stimmt, Herr, empirische Forschungen haben gezeigt, dass meine Dummheit so groß ist, dass...“ „Lass stecken. Aber wenn wir die Versteigerung verlieren, bist du Schuld!“
Piso wandte sich von seinem Sklaven ab und blickte sich um. Sicher gäbe es noch mehr Bieter als nur ihn...
Ah! Man stimmte das Carmen Arvale an! Piso hatte auf diesen Moment gewartet. Er holte tief Luft, sehr tief, und ließ das ganze dann mit einem Schlag herausschmettern.
"enos Lases iuvate
enos Lases iuvate
enos Lases iuvate
neve lue rue Marmar sins incurrere in pleoris
neve lue rue Marmar sins incurrere in pleoris
neve lue rue Marmar sins incurrere in pleoris
satur fu, fere Mars, limen sali, sta berber
satur fu, fere Mars, limen sali, sta berber
satur fu, fere Mars, limen sali, sta berber
semunis alterni advocapit conctos
semunis alterni advocapit conctos
semunis alterni advocapit conctos
enos Marmor iuvato
enos Marmor iuvato
enos Marmor iuvato
triumpe triumpe triumpe triumpe triumpe"
Als Piso sang, inbrünstig und voller Überzeugung sicherlich, jedoch schräg, viel zu laut und mit einfach nur hässlicher Stimme, geschahen mehrere Dinge.
Die Menschen, die voller Bewunderung um den Arvalbruderzug gestanden waren, blickten erstaunt und drückten sich teilweise die Ohren zu. Tauben und sonstige Vögel flatterten erschrocken auf. In den Casae rund um den Concordia-Tempel fingen einige Säuglinge an zu schreien vor Wut und Angst.
Die Glasbecher in einer nahe gelegenen Taberna vibrierten. Eine schwangere Frau bekam die Wehen. Ein Mann übergab sich auf der Straße. Ein Fass voller Düngemittel hinter der Bruderschaft zerplatzte, und der Inhalt ergoss sich bis hin zu den Sandalen des letzten Arvalbruders.
Am Palatin hielten die Sklaven kurz in ihrer Arbeit inne, bevor sie sich weiter daran machten, die Böden des Kaiserpalastes zu putzen. Am Aventin fingen die Katzen an zu jaulen, und die Hunde zu bellen. Am Kapitol lehnte auch zu genau dieser Sekunde Iuppiter ein Opfer ab.
In Veii, Ostia und Lavinium drehten sich ein paar sensible Leute nach Rom, da sie von dort einen Lärm zu hören glaubten. Selbst in Reate bestand jemand darauf, dass er einen Krawall gehört hatte, aus dem Südwesten, aus Rom, kommend.
Na ja, sooo ganz schlimm war es auch wieder nicht. Einiges ist übertrieben (obwohl, das Fass, das fiel wirklich auseinander – und die Zuseher waren auch nicht zu begeistert). Aber trotzdem, es war ein fürchterliches Gesinge.
Vielleicht hätte Piso doch... ein wenig... leiser singen sollen?
Eine ein wenig bessere Version als die von Piso gibt es übrigens auf Youtube.
„Ja, das mag stimmen...“, pflichtete Piso bei. „Doch viele sind von diesen kleinen Positionen aus sehr schnell nach oben gestolpert. Ich stecke schon lange in meiner Position fest, und der Weg heraus aus der Kanzlei ist der einzige, den ich gehen kann.“ Er blickte Sabinus eindringlich an. „Primicerius a libellis! Das ist eine Position für...“ Er suchte das passende Wort, dabei mit seinen Händen ringend. „...für Geringere! Für Leute, die sich begnügen, einfach so zu arbeiten, ohne einen Unterschied zu machen! Für Leute mit beschränkter Intelligenz! Ich will das nicht, ich will mehr. Ich will, dass sich die Leute meiner erinnern. Vor meinem Grabstein dereinst sollen sie stehen und sagen: Ja, Flavius Piso, Sohn des Flavius Aetius und der Calpurnia Fausta. Da habt ihr mal einen großen Mann, dessen Grabstein ihr anschauen könnt.“ Erhielt inne und ließ seine Schultern sacken. „Ich muss dir vorkommen wie... ach Götter. Wie ein frustrierter Waschlappen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich will einfach mehr werden wie mein Vater. Ich strebe danach, bei allem, was mein Vater tut, das Gegenteil zu tun, bei allem, was er ist, das Gegenteil zu sein.“ Er wurde leicht emotional. Seine Art war es eigentlich nicht, Fremden gegenüber sein Herz auszuschütten – aber Onkel Manius war kein Fremder! Er, die Geschichten von ihm, hatten ihn durch seine Kindheit begleitet. Onkel Manius, das war so etwas gewesen wie ein Actionheld. Die Vertrautheit mit seinen Namen, zusammen mit dem großväterlichen Äußeren seines Gegenübers, lösten da einiges aus. Er schnaubte aus und wandte seinen Kopf leicht weg. „Ach.“, brachte er nur hervor, bevor er wieder seinen Onkel anblickte.
„Sicherlich kannst du bei uns bleiben, so lange, wie du willst, Onkel. Das Zimmer, das dir momentan gerichtet wird, kann auch permanent das Deinige bleiben. Alle Familienmitglieder haben das Anrecht, bei uns zu leben.“ Das mit der Familie betonte er. Severus konnte nicht für immer hier bleiben, und das würde jener auch wissen.
„Sag, hast du eigentlich Familie? Hast du eine Frau? Nachkommen?“, fragte er interessiert. Vielleicht schlummerte da, unerwarteterweise, in den Abruzzen, oder in Asia, oder auf einer verdammten kleinen Insel im Mittelmeer oder an der Nordsee, eine Familie, ein weiterer Zweig der patrizischen Flavier...
Hmm, ja, das war ein gutes Gefühl, als sie seine Hand ergriff, geradezu FANTASTISCH, wollte man direktgehend sagen. Piso blickte angestrengt nach vorne, als ob er dort etwas sähe, und verbiss sich ein Grinsen. Nur aus seinen Augen heraus konnte man ein Leuchten sehen, das Leuchten aus den Augen eines Menschen, der sich der Tatsache bewusst sein schien, dass es gut lief mit den Mädels.
Ihre Hand fühlte sich samtig an. Ein wenig, als ob man in den Sand griff und sich diesen durch die Finger rieseln ließ. Oder als ob man in einen Stoffballen hineingriff und dort herumwühlte. Ja, vielleicht könnte man sagen, ihre Hand fühlte sich stoffig an. Was war das für ein seltsamer Gedanke? Er hielt ein, schüttelte den Kopf und zog Axilla weiter. Keine Zeit verlieren.
„Na ja, wann gibt es denn wieder so einen Wettbewerb?“, fragte er. „Sicher einige Zeit nicht mehr. Vielleicht bin ich bis dahin schon Senator. Kannst du dir das vorstellen?“ Er lachte glucksend. „Ich weiß nicht, aber ich weiß nicht, ob ich noch nach Aegyptus komme. Vielleicht in einem anderen Leben. Nun ja, vielleicht machen sie so einen Wettbewerb mal in Rom, wie gesagt.“ Er zuckte die Schultern und schlängelte sich vorsichtig weiter durch die Menschenmenge durch.
Er blickte sich nur kurz um, um zu zeigen, wieso sie kein Instrument spielte. „Das ist doch Unsinn.“ Er hatte zwar durchaus lange, dünne Uhrmacherfinger, aber davon hängte das nicht ab, war er sich sicher.
„Jeder kann Instrumente spielen. Axilla, nimm einfach einmal ein Instrument zur Hand, und klimpere darauf herum. Die Musik wird zu dir kommen, du wirst dem nicht widerstehen können.“ Er blieb stehen und blickte sie wieder an. „Die Musik ist in jedem von uns. Du musst sie nur finden. Probiere es einfach einmal aus.“ Große Worte! Doch ob sie wahr waren? Piso hielt sie für goldrichtig, drehte sich wieder um und schleppte die Iunierin weiter.
„Gerne zuhören? Oh sicher, das lässt sich einrichten!“, meinte er und blinzelte freundlich zu ihr zurück. „Es freut mich, in dir habe ich sicher eine gute Zuhörerin!“ Nochmal lachte er. „Du bist nämlich keine Banausin, das sehe ich gleich.“ Wenn so etwas von Piso kam, war das ein sehr großes Kompliment, dass konnte man gar nicht wirklich schätzen, wenn man ihn nicht gut kannte.
„Gallischer Wein!“, kam er dann auf etwas anderes zu sprechen, als sie die Schenke passierten. „Der absolute Abschaum ist das! Grausam! Fürchterlich!“ Es schüttelte ihn. „Es ist, als ob man aus einer Kloake trinkt. Jedes Mal, wenn ich gallischen Wein trinke, denke ich, da hat jemand in letzter Sekunde noch einem Löffel aus einem Jauchenfass dazu gegeben!“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Und die Aegypter, die panschen ihre Weine? Hätte ich mir auch denken können. In Aegyptus kannst du sowieso nichts Gescheites trinken außer Bier, so barbarisch das Gesöff auch ist. Sag, wieso zählt der Wein deines Vaters nicht?“, fragte er erstaunt und bekam sogleich die Antwort. „Hmm. Dann muss das schlechter Wein sein. Aber ich frage mich, wieso man die eigenen Produkte so runterzieht. Man sollte stolz auf das sein, was man erreicht.“, war er sich sicher. Dass Axilla sich fragte, wieso sie ihn so zulaberte, verstand Piso nicht. Er mochte den Klang seiner eigenen Stimme und verstand es auch, wenn andere Leute das taten.
„Sicher mache ich das!“, versicherte er ihr. „Zum Beispiel hier!“ Sie blieben wieder stehen, und er deutete auf einen Laden. Ein normales Gasthaus, zwischen zwei Insulae hineingebaut, doch die Ziegel schienen ein wenig dunkler als die der Häuser rundherum. „Taberna Fenicularia“ hieß sie. „Die Fencheltaverne. Da frage ich mich, was es damit auf sich hat.“, meinte er befriedigt. „Und da! Kampanischer Wein. Das beste vom Besten.“ Er deutete auf das Schild vor der Taverne. „Versuchen wir das?“
Axilla hat das so gut formuliert, dass ich kein einziges Wort mehr dazu sagen kann, ausser: richtig. Einen Gladiatoren zu spielen ist am Anfang toll, aber irgendwann ist auch alles durch, der Reiz ist weg, und man verliert die Lust. Dies passierte in der Geschichte oft, und es wird auch im IR passieren.
Variante 2 finde ich aber gut. Das Aussimmen kann man dann auch mit NPCs machen.
Piso blickte zuerst ein wenig verblüfft seinen Onkel an, als dieser so selbstbewusst zu seinem bisherigen Beruf stand. Erst dann begann er, zu grinsen. „Ach, was wäre das Leben ohne ungewöhliche Karrieren? Mir könnte man dies ja auch nachsagen, schließlich bin ich Kanzleibeamter. Nicht gerade etwas, was sich für einen Patrizier ziemt, aber mir ist das egal.“ Er machte eine wegwischende Bewegung, als ob er damit „Schwamm drüber“ ausdrücken wollte. Es war ja eigentlich egal, als was sein Onkel gearbeitet hatte. Schafszucht war sicher nicht schlecht – mit Hirtenflöte und Lämmchen im Arm, das war sicher nicht schlecht, ästhetisch wertvoll sicher.
„Was ich vorhabe in meiner Zukunft? Nun, ich will von der Kanzlei wegkommen, ich habe dort schon zu lange gearbeitet.“ Tatsächlich würde es ihm bald gelingen. „Ich hoffe, in einem städtischen Collegium einen Platz zu bekommen. Und ich will in die Politik gehen. Ich möchte bald als Vigintivir kandidieren, es wäre sehr schön, wenn ich das sein könnte.“, vertraute er seinem Onkel an. Es waren nicht gerade kleinliche Pläne, aber auf jeden Fall solche, die er unbedingt erreichen wollte. Senator wollte er werden, ja, das wäre schön.
„Es sind also die Fußstapfen meiner Ahnen und Verwandten, in die ich zu treten gedenke. Und, das möchte ich dich fragen, du?“ Niemand würde es einem so alten Mann verübeln, wenn sich jener nun zur Ruhe setzte. „Ich hoffe, du gedenkst nicht, allzu bald wieder von hier wegzugehen?“, fragte er nach. So ein alter Opa-Typ wäre sicher schön zum im Haus haben.
Belobigungen hörte man immer gerne, besonders, wenn man Aulus Flavius Piso hieß und sich gerne den Bauch pinseln ließ. So lächelte er nur fein, als Quarto seinen Vorschlag für gut erachtete. Er hörte Quarto aufmerksam zu und nickte dann und wann.
Was Quarto sagte, war richtig, auch wenn die subtile Nennung des Namens der Legion ihn dann doch dazu veranlasste, ein ganz klein wenig seine linke Augenbraue hochzuziehen. Diese Augenbraue wanderte noch etwas empor, als Quarto den Namen derer erwähnte, die damals so viel Schande gebracht hatten über die Familie. Hispanier. Man konnte ihnen nicht so weit trauen, wie man sie werfen konnte, dachte sich Piso und schüttelte leicht den Kopf. Wieso erwähnte Quarto dies auch? Es war sehr unsensibel gewesen.
Er suchte den Blickkontakt mit Archias, der irgendwie daneben zu stehen schien. Archi schien nicht gerade glücklich, und Piso wusste auch, wieso. Es war keine Versöhnung, was angestrebt war, sondern nur eine Vorstufe zur Versöhnung. Er würde mit Archi darüber reden, wenn die cena vorbei war. Natürlich wollte er eine Versöhnung, genauso wie sein aelischer Freund. Doch diese konnte nicht von heute auf morgen gehen. Und beinhaltete Elemente, die nur öffentlich zu verlautbaren waren – die Aufhebung der Damnatio Memoriae und die Eingestehung der Nichtigkeit von Domitians und Longinas Ehe. Viel zu viel für jetzt, was auch Piso eingesehen hatte, als er mit Furianus und Gracchus darüber geredet hatte.
Natürlich gab auch Furianus seinen Senf dazu, und Piso entgegnete ein wenig erstaunt den undeutbaren Blick des Furianus. Was hatte jener vor? Was würde er sagen? Ah, bei den lieben Göttern, ein Gegenschlag, als ob ein solcher nötig wäre.
Er legte den Kopf auf sein Kissen nieder und hörte den Wortschwall an, den Furianus da zu mitteilen hatte. Manches würde dem Aelier nicht gefallen. Doch er hatte sicherlich recht. Wie lange Furianus sein Mundwerk bewegen konnte, er musste seine Krankheit schon hinter sich gebracht haben, wie es Piso erschien.
Zu den letzten Worten von Furianus brachte er auch noch etwas ein.
„Ich habe nie in der Kanzlei etwas gehört über eine derartige Verständigung zwischen Veturius und Vescularius.“, brachte er seine Meinung ein. „Doch perfide genug halte ich Vescularius. Ich habe ihn schon ein paar Male in der Kanzlei gesehen. Ein unsympathischer Mann von vorne bis hinten. Es kam durchaus vor, dass er durch die Flure polterte und ohne zu Klopfen in ein Officium eindrang.“ Er hüstelte kurz. „Er hat weder Manieren noch ein Gespür für Diplomatie.
„Was die Legionen angeht – sie mögen nicht viele sein, doch Caesar eroberte Rom mit nur einer Legion. Was hält Vescularius davon ab, Rom mit 8 davon zu erobern? Besonders, wenn die Veteranen der Cohotes Urbanae zu ihm stehen. Langfristig mag er verlieren, doch nicht, bevor er schreckliche Verwüstung ausgelöst hat.“ Er seufzte. Ein zerstörtes Italien, welch unästhetischer Gedanke!
„Ich würde aber der Verwaltung in der Kanzlei vertrauen. Ich kenne Annaeus Varus, er ist ein vertrauenswürdiger, guter Beamter. Iunius Silanus kenne ich zwar nicht gut, doch ist er als gnadenlos korrekt und gewissenhaft bekannt. So einer lässt sich nicht bestechen. Zudem ist da noch sein Primicerius Pompeius Imperiosus, den ich als meinen Freund sehe. Plennius Flamininus schließlich ist einer von der ganz alten Garde. Grantig und verbittert zwar, aber alles andere als ein Freund von Salinator, denke ich.“
Und schlussendlich machte er noch einen Kommentar zu den Germanicern. „Die Germanici. Kennt ihr den Namen Octavius Macer? Er ist Klient des Germanicus Sedulus, und ist kürzlich von Salinator selbst ausgezeichnet worden. Sedulus ist ihm auf jeden Fall noch einen großen Gefallen schuldig. Dies mag nichts heißen, aber verdächtig ist es schon. Doch gelichzeitig, ich habe noch nie einen Germanicer in die gleiche Kerbe schlagen sehen wie Salinator.“ Die Sache war ziemlich undurchsichtig.
„Vinicius Hungaricus ist, so denke ich, sehr kaisertreu, und er ist auch sicherlich nicht glücklich darüber, dass er einst als Praefectus Urbi abgelehnt worden ist. Terentius hingegen ist ein Klient meines Patrons, Senator Purgitius, und ich denke, jenem kann ich sehr wohl vertrauen.“, warf er noch ein, bevor er seine Hände hob und klatschte.
Wieder erschienen 5 Sklaven, die den nächsten Gang aufdeckten. „Zweite Vorspeise: Fasanspieße an pikanter Pfeffersoße!“, verkündete einer der Sklaven. Sie waren noch nicht einmal zum Hors-d’Oeuvre gekommen, lustig.
[Blockierte Grafik: http://img232.imageshack.us/img232/9697/acanthusmj4.jpg]
Acanthus, wie stets in tiefsinnige Gedanken verstrickt, wachte aus seinen Gedanken auf, als es klopfte. Mit einem Seufzen erhob er sich, ging zur Tür, machte auf (immer wieder dasselbe Lametta!) und erblickte draußen jemanden, der ihm bekannt vorkam. Mit zusammengekniffenen Gesicht beäugelte er den Mann. Wer war dies? Gleich hatte er es heraus! Es war... Aelius Archias! Grr. Wieso sprach der Mann seinen Namen aus, noch bevor Acanthus ihn erraten hätte können. Er hätte doch sicher nur noch ein paar Sekunden gebraucht, um es festzustellen.
„Zu Piso.“, reiterierte der Türsklave des Aelier Worte. „Warte kurz.“ Er drehte sich um und balaverte irgendetwas, was Archias wohl nie erfahren würde, ins Vestibulum hinein, bevor er sich wieder vor ihm aufbaute und Archias kritisch anschaute.
Endlich jedoch kam der Sklave, den Acanthus losgeschickt hatte, wieder, und murmelte irgendetwas zurück, was kein Mensch verstehen konnte. Acanthus nickte schneidig und trat beiseite. „Herr Piso erwartet dich im Atrium.“, schnarrte er. „Man wird dir den Weg dorthin weisen.“
Er blickte auf seine zwei Hände und führte sie langsam zusammen. Die Finger verschwanden ineinander und ballten sich zum Handrücken hin. Seine Daumen derweil ließ er gegenseitig um sich herum kreiseln. Soooo machte Meditieren Spaß, dachte sich Piso glücklich, der seinen Weg auf eine Kline im Atrium gefunden hatte und mit einem seligen Lächeln (welches man nur bei Verliebten und Wahnsinnigen antraf) ebendort herumsaß. Er wartete, wartete auf seinen Freund Archias, und konnte sich den Grund des Kommens fast vorstellen. Ein Krügerl Wein hatte er parat gestellt, es sollte nicht an Alkohol fehlen (und fehlte es daran, war der Tag verloren).
Er goss sich ein wenig ein, trank ein Schlückchen und stand auf, als er hörte, wie jemand das Atrium betrat. „Ah, salve, Archias!“, begrüßte er mit salbungsvoller, durch und durch vergeistigter Stimme, fehlte nur noch der Heiligenschein. Mit einem Lächeln breitete er die Arme aus, als ob er Archias schon seit Äonen nicht mehr gesehen hätte. „Setz dich doch, setz dich doch!“ Er verkniff sich die Frage, ob Archias denn den ätherischen Klang der Himmelsphären vernahm, andere könnten das sicher nicht hören.
Mit anderen Worten, Piso war wieder mal kräftig am Spinnen.
Herrje, fast übersehen!
Dieser Ursus musste schon ein Kerlchen sein, dass ihm sein Patron so vertraute. Nun, schlecht war dies sicherlich nicht – er hatte jetzt immerhin eine Stimme, und das war auch gut so. Sofern er es nicht versaute.
Er nickte also dankbar. „Nein, das war alles. Ich danke dir vielmals. Vale.“, verabschiedete er sich und blickte im Abgang noch einmal verstohlen zum Sklaven. Seine Gedanken waren sicherlich von prächtiger Couleur, auch wenn er nichts sagte. Fast hätte sich der Flavier umgedreht und hätte den Vinicier nassforsch gefragt, wieviel denn der Preis des Sklaven wäre. Doch nicht jetzt. Es könnte ihm seine Stimme kosten. Später, vielleicht. Oder auch nie.
So verblieb es bei einem freundlichen, fast unbemerkbarem Nicken in die Richtung des Sklaven, bevor er gen Ausgang strebte, eifrig bemüht, nicht in einen tänzlenden Schritt zu verfallen, dessen Rhythmus der lustigen Musik entsprach, die in seinem Kopf nun anhub zu spielen.
Eine Stimme gefangen, den Ehrentitel Stimmfänger ruhmreich und im Schweiße seines Angesichts verdint, bislang keine schlechte Bilanz für den Tag.
Piso lächelte, als Prisca ihrer Freude, Vera kennen zu lernen, Ausdruck verlieh. Er war immens stolz auf seine Schwester, und glaubte insgeheim, wenn er ihr sagen würde, wie sehr er seine Schwester liebte, würde er sich hoffnungslos lächerlich machen. Dabei fiel ihm ein – wann würde dieses Fest stattfinden? Womöglich erholte sich Vera gar nicht so rasend schnell von ihrer schweren Krankheit. Au weia! Womöglich würde es ewig dauern, bis er Prisca wieder sähe... oder aber er ließ sich etwas einfallen, um ein Wiedersehen eher zu machen. Doch wer sollte in die Zukunft sehen? Was sein wird, wird sein. Also beließ er es dabei – es war vielleicht sowieso viel interessanter, diesem Lächeln nachzusinnen. Was wollte sie damit ausdrücken? Sie hatte nichts erwidert auf seine Ansage, dass es ihn freuen würde, sie wieder zu sehen. Doch sie teilte ihm keine Ohrfeige aus, ließ keine Schimpftirade über ihn ergehen - wobei, wenn sie so eine wäre, hätte sie das schon früher gemacht – in Piso erwachte die Lust, auszuloten, wie weit er gehen könnte. Doch er war vielleicht ein Mann mit Zivilcourage, jedoch war das mit Frauen eine ganz andere Geschichte. In der einen Sekunde lächelten sie einen noch an und machten einem schöne Augen, dann nahmen sie plötzlich Reißaus. Doch... die Aurelierin hatte das bisher nicht gemacht.
Vielleicht gab es doch Frauen, die du mehr verdient hättest als deine kleine Decima, wurde eine Stimme im Flavier laut. Standhaft ignorierte er sie, doch auslöschen konnte er sie nicht. Vielleicht verschießt du dich in die falschen Frauen. Ein sicherer Weg, sich unglücklich zu machen, ein guter Pfad in die Unbefriedigtheit war das.
Überdies wurden seine Gedankengänge wieder auf Erfreulicheres gelenkt, als sie ihn auf sein Gedicht ansprach. Ein stolzes Lächeln zierte seinen Mund genauso wie nun seine Ringe seine Finger. „Gedichte? Um ehrlich zu sein, Gedicht – dies ist mein Erstlingswerk, wenn man diverse poetische Irrungen meiner Jugendzeit außer acht lässt.“ Ja, und es würde ein Werk werden, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte – im schlechten oder im guten Sinne, war noch nicht absehbar. „Mein Gedicht handelt vom Sturz des Königtums und der Errichtung der Republik. Von Lucretias Schändung und der Verbannung von Tarquinius Superbus.“, verriet er jetzt schon im Vorhinein. Ein zeitloses Thema.
Sein Gesicht verzog sich leicht bekümmert für eine Sekunde, bevor er abwinkte. „Ach. Er wird sich wieder erholen, es ist nur etwas Vorübergehendes.“ Dies würde er kurz später auch dem Magister Septemvirorum erzählen. Eine weiße Lüge zur Wahrung der Privatsphäre. Und nicht zuletzt glaubte Piso an die Chance, dass Gracchus sich wieder erholen würde, dass er wieder mit vollem Elan einsteigen würde in alles Mögliche, sodass er Flamen Dialis oder Rex Sacrorum werden würde... doch momentan sah es nicht danach aus. „Aber natürlich werde ich das machen. Selbstverständlich.“, versicherte er Prisca.
„Ägypten ist sehr schön, das solltest du dir einmal ansehen.“, meinte er, während seine Augen einen leicht verträumten Ablick annahmen. „Ich war dort schon einmal. Wundervolles Land. Pyramiden! Oasen! Der Nil!“ Nirgendswo fehlte es an Ästhetik, wie Piso bei Aegyptus anerkennen musste, egal ob man den Kameltreibern bei ihrer Arbeit zusah, Teppiche in Läden bestaunte, im Museion studierte, eine Nilfahrt unternahm oder in einer kleinen Seitengasse nach landesüblicher Art beraubt wurde. Stets Authentik pur!
„Oh ja, Epicharis lebt auch bei ihm.“, warf er ein. Er kannte sie kaum, und hatte sie nicht erwähnt. Nun ja, eine Claudia. Ob sie sich schon von der Entführung durch ihre Sklaven erholt hatte? „Das wird wohl auch der Grund sein.“, meinte er als Erwiderung auf ihre Vermutung. „Seit er weg ist, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er hinterließ mir aber einen sehr netten Brief, bevor er ging. Ein großer Mann.“, meinte er voller Wertschätzung.
Dass sie mit den anderen Namen nichts zum Anfangen wusste, war klar. Schließlich war Felix schon sehr lange weg aus Rom. Sabinus war gerade erst angekommen. Und Lucullus verbrachte seine meiste Zeit sowieso am Liebsten in seiner Villa in Oberitalien.
„Das ist sehr schön!“, freute sich Piso. Er hielt Celerina für eine leichte Zimtzicke, aber trotzdem, einem Mitglied seiner Familie würde er nichts Schlechtes wünschen. Davon, dass etwas nicht im Lot war, würde er nur merken, wenn er dereinst bei ihrem Onkel vorsprechen würde, um um seine Stimme zu bittstellen und dabi noch über die eine oder andere interessante Sache zu reden.
„Oh, das ist schön! Ich mag ebenfalls Blumen!“, rief Piso mit ehrlicher Begeisterung aus. Allerdings eher in ihrer floristischen Schnittvariante. Blumenzucht war nicht etwas, was ihn sehr interessierte. Aber so ein Blümelchen hie und da, da und dort... was könnte es Netteres geben? Je mehr er über diesen Corvinus hörte, um so sympathischer wurde er ihm.
„Dienst im Ausland? Meinst du in den Provinzen, oder in Parthien?“, fragte er ein wenig entsetzt nach. Er hatte viel über die Gräuel des Krieges in Parthien gehört... unästhetisches Blutvergießen... na ja. Orestes sagte ihm schon etwas, ebenso wie Avianus, aber von Cotta hatte er noch nie etwas gehört. „Es freut mich zu hören, dass sie wohlauf sind!“, meinte er froh. „Ich habe ja gehört, einige von deinen Verwandten wollen sich auch dieses Jahr zur Wahl stellen?“ Als Kanzleibeamter bekam man das eine oder andere mit.
Doch was wollte der Parther jetzt? Ach, den preis weiterverhandeln. Mit einem leisen Seufzen wandte er sich wieder an den Mann hin.
Geduldig ließ er die Meckerei über sich ergehen. Natürlich war es ein enormer Unterschied, ob man in einer luxuriösen Domus lebte, mit Sklaven und nur dem Feinsten vom Feinsten zu Essen – oder aber in einer Insula und am lokalen Markt einkaufen ging. Natürlich wäre so etwas für den pompösen Piso nie in Frage gekommen. So lebten andere, doch nicht er! Parthern aber musste man nicht eben die wundervollsten Lebensumstände an den Hals wünschen.
Was für eine Sprache der Orientale benutzte! Piso war gerade dabei, ein wenig säuerlich zu werden, da sah er urplötzlich einen Sklaven in den Ort des Geschehnisses hineinplatzen. Etwas unrund blickte der Flavier auf zu ihm. Was sollte das? Die Störung sollte sich aber als Glücksfall erster Güte erweisen. Es handelte sich um die Ankunft einer Frau. Ihren Namen hörte er nicht heraus, jedoch schien der Parther mit einem Mal sehr agitiert und aufgewühlt. Was sollte das jetzt werden? Der Parther verabschiedete sich und überließ dem baffen Piso all dies für 20 Aurei.
„Öhm... wirklich? Oh...“, erwiderte er ganz schrecklich eloquent. Was wollte der Parther damit erreichen? Piso wäre bereit gewesen, auch mehr zu zahlen als diese Summe, doch, kaum hatte er es sich versehen, verschwand der Parther. Kaum konnte ihm der Flavier noch ein verblüfftes „Vale...“ hinterherrufen, schon war er weg.
Wer konnte diese Frau sein, dachte er, als er auf seine neuen Ringe herunterblickte. Entweder hatte sie ihm ordentlich den Hals verdreht... oder aber sie zahlte immer die Preise, die der Parther ihr ursprünglich anbot.
Noch ein paar Sekunden saß er da, verwundert in die Richtung schauend, in die der Parther verschwunden war, als endlich Prisca etwas sagte. „Das kann man laut sagen.“, bestätigte er ihre Worte und machte sich daran, umständlich aufzustehen. „Na, sicher, geh nur...“, meinte er, ein wenig konfus, und schielte ihr nach, als sie davonschwebte.
Sein Blick wandte sich abrupt an den Sklaven, der noch immer mit einem fordernden Gesichtsausdruck vor ihm stand. „Jaja, ich weiß, 20 Aurei.“, machte Piso leicht genervt, griff sich an seinen Gurt, holte seinen Geldbeutel (den er vor Kurzem gerade erst vorm Zugriff des Flittchens gerettet hatte) heraus und zählte 20 Aurei daraus herunter. Mit einem würdevollen Gesichtsausdruck drückte er die Aurei dem Sklaven in die Hand, bevor er sich wieder daran machte, seine Finger anzuschauen. Wie schön, damit könnte er sich nun Eindruck verschaffen. Die Zeit des armen Vetters war endgültig vorbei – er hatte sich genug Geld erarbeitet, von Betrieben verdient und zusammengeschnorrt, um als wohlhabender Mann nun zu gelten.
Endlich kam Prisca zurück und bedankte sich. „Keine Ursache, das habe ich gern getan. Schließlich war ich dir noch was schuldig, von eben.“ Er hoffte, die Sache war nun beglichen. Doch er hoffte gleichsam nicht, dass der Nachmittag jetzt schon vorbei sein würde. Er verspürte einen tiefgründigen Blick von ihr, und blickte zurück.
Bei manchen leuten war es ja so, dass man, wenn man ihnen tief in die Augen blickte, nur das Innere des Hinterkopfes erblickte. Und es gab welche – Frauen vornehmlich – in deren Augen konnte man sich verlieren. Sie hatte blaue Augen. Wunderschön. Wie das adriatische Meer. Es mussten wohl ein paar Sekunden vergangen sein, in der sie sich gegenseitig anschauten, bevor er anfing, zu grinsen. „Ähm. Ja. Gut. Wohin sollen wir jetzt gehen? Es gibt einen guten Bücherhändler hier, gleich um die Ecke. Was denkst du davon? Wenn du wo anders hingehen willst, ist es mir Recht.“ Und fiebernd heiß fiel ihm noch ein: „Und wenn du anderswo noch zu tun hast, lass dich bloß nicht aufhalten.“ Er hätte eigentlich noch Arbeit in der Kanzlei... pfeif drauf.
Schau mal in die Wi-Sim
„Das Museion ist durchaus einen Besuch wert.“, warf Piso ein. „Und es liegt auch in einer guten Gegend. Es ist nur so, dass man manche Gegenden meiden soll – die Rhakotis zum Beispiel. Dagegen ist die Subura eine Luxusvillengegend.“ Und das würde er wohl wissen – jeden Tag wandelte er schließlich durch die Subura, zu seiner Arbeitsstätte hin und wieder zurück.
Er hörte Ursus‘ Worten zu und pflichtete bei. „Es wird wohl so sein, wie du es beschreibst.“ Eigentlich war er schon ziemlich erleichtert, dies gesagt zu bekommen. Doch vielleicht würden bald schon andere Leute bei ihm Schulden anhäufen, und dann wäre er aus dem Ärgsten heraus.
Auch er bediente sich noch am Wein, schüttete ein wenig in den Becher... doch er bekam ihn nicht voll. Das Getränk füllte den Becher nur höchstens zur Hälfte, und sogar, als Piso den Krug auf den Kopf stellte, kam nichts mehr raus.
„Ursus, ich glaube, wir haben gerade so eben den ganzen Wein weggebracht.“, meinte Piso ziemlich baff. „Es muss schon ziemlich spät sein... und dabei wollte ich noch in die Kanzlei. Muss dort noch etwas erledigen, und die Arbeit verschwindet nicht gerade, wenn man sie nicht macht. Ich fürchte also, ich muss jetzt gehen. Es tut mir Leid, es war ein sehr vergnüglicher Nachmittag. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Spätestens, wenn ich mit einer Falerneramphore vor der Türe bei euch Aureliern auftauche, um meine Ernennung zum Senator zu feiern.“ Er grinste fröhlich, und erhob sich langsam. „Also dann, vale. Und noch einmal, vielen Dank für die Einladung, sehr großzügig.“
„Alleine in einer Schenke, das ist nie gut, da kann ich dir zustimmen.“, machte Piso freundlich. Tatsächlich hatte er sich schon das eine oder andere mal in der Taverne angesoffen, ganz alleine, ohne Unterhaltung, allenfalls mit Cassivellaunus, den er zwang mitzutrinken. Sein britischer Sklave erinnerte ihn immer wieder daran, dass er es schlechter hätte treffen können, dass er dümmer, hässlicher, unsympathischer sein könnte, als er es war. Und doch, hie und da fühlte er sich so alleine, wie er es hie und da in Tavernen war. Weil seine Decima nicht da war. Er verzog kurz das Gesicht, bevor e nach oben schaute und in ihm ein Plan reifte. Möglicherweise gab es da eine Art und Weise, wie er seinen Liebeskummer abschütteln konnte. Er müsste dafür sich noch erkundigen, was für ein Opfer am Angemessensten wäre für Venus. Doch er hatte schon eine Ahnung... ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, und er wirkte auf ein Mal noch fröhlicher.
„Sicher. Vor dir steht ein ausgemachter Tavernenexperte. Wir finden sicher was.“ Wo ich nicht schon Hausverbot habe – ach, die Geschichte würde ihm wohl ewig nachhängen. „Und ich freue mich schon auf deine Gesangskunst.“, machte er in froher Erwartung der Töne, die schon bald Rom durchschwirren würden.
Als Piso den Kerlen rund um sich seine Meinung kund getan hatte, blickte niemand mehr zu ihnen hin. Erstens war der Flavier ein Patrizier, und dann war er auch nicht so elend schmächtig. Er sollte wirklich schauen, ob er ein Tribunat bekommen würde, dachte er sich. Er mit soldatisch gebundenem, klirrendem Gürtel, mit wildem Blick und Bartstoppeln durch Rom schreitend – das wäre mal was anderes. Da würde ihm niemand mehr dumm kommen. Ha! Wenn er daran dachte, wie oft er als Kind ob seiner merkwürdigen Neigungen von den Straßenbengeln verprügelt worden war. Die würden noch schauen.
Er bemerkte gar nicht, dass Axillas Bewegungen nun wohl ein wenig seltsam wurden, er blickte nur rund um sich. „Da lang.“, beantwortete er Axillas Frage und deutete in die Richtung, wo sich wohl der Tiber befinden mochte. Fast schon hätte er nach Axillas Hand gegriffen, um sie mit sich zu zerren, da fiel ihm ein, dass das möglicherweise auf Widerstand stoßen konnte. „Öhm... Axilla? Soll ich deine Hand nehmen? Damit wir uns nicht verlieren?“ Er blickte nach hinten zu ihr, ein bisschen länger als nötig, aus seinen silbrig-farbenen Augen, ohne dass er wusste, was für einen Effekt gerade diese Augenfarbe auf Axilla hatte.
Als sie sich endlich daran machten, durch die Menschenmenge zu gehen, hörte er doch endlich noch die Antwort auf seine Frage. Er blickte neugierig zu ihr hin, um ihr sein Interesse zu signalisieren. „Penelope Banthotakis. Hmm. Ich muss mir den Namen merken.“ Er fühlte sich aber nun doch mit dem Wortschwall, dem ihr Axilla angedeihen ließ, etwas überfordert. „Mensch, ich hätte nach Aegyptus geschickt werden sollen, und nicht Imperiosus. Borks.“, meinte er. „Ich hätte da vielleicht auch noch eine Aufführung gemacht, ganz sicher sogar!“ Mit seiner linken Hand fuhr er sich stolz an die Brust, mit seinen Fingerspitzen gerade einmal seinen Brustkorb berührend. „Aber das Schicksal meinte es anders. Vielleicht gibt es auch einmal einen solchen Wettbewerb in Rom.“ Für Piso müsste man hoffen, das niemand in Rom jemals auf solch eine Idee käme.
„Du hast da aber nicht teilgenommen?“, fragte er, nur um sich ganz sicher zu sein.
Genau in diesem Moment schien er aber etwas zu erblicken, genau in dem Moment, in dem sie aus dem Viehmarkt herauskamen. „Ah, schau einmal da vorne, Axilla! Das...“ Er blickte auf eine Taberna, die er entdeckt hatte, und rümpfte seine Nase. „Oder nein, doch nicht. Schau einmal, was sie dort anbieten. Gallischen Caecuber. Gallischen, stelle dir das einmal vor! Die Gallier können niemals einen guten Wein machen.“, war er sich sicher. „Bald einmal müssten wir beim Tiber sein. Dort gibt es sicher Besseres als das.“ Eine Taberna sollte doch gewisse Anforderungen erfüllen. Doch er wollte jetzt sicher nicht mit Axilla den ganzen Weg zum Forum Romanum gehen, wo sein Lieblingslokal stand.