Piso musste ebenfalls lachen, als Ursus seinen Witz zum Besten gab. „Das hast du wirklich können! Mein armes Herz!“ An seiner amüsierten Miene konnte man aber ohne Zweifel sehen, dass er dies nicht ernst meinte. Er war wohl wirklich ein wenig schreckhaft, vielleicht hatte der Anblick vom ganzen Blut seine Beine eingeweicht. Er musste ein wenig standhafter werden, sonst würde er, wenn er dereinst Tribun werden würde – was er vorhatte – kläglich versagen.
„Hmm. Ob die Taverne den Namen geändert hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich vor einiger Zeit schon dort gewesen war, und damals hatte sie schon den Namen. Sie ist halt eher klein. Aber sehr geschmackvoll.“, versicherte er Ursus. „Ich denke, sie wird dir gefallen.“
Ursus‘ Seufzen entging Piso nicht, jedoch deutete er es als nicht wichtig. Er konnte halt nicht Gedanken lesen, auch wenn dies hie und da schön wäre.
„Ja, genau, die Kanzlei, die lässt mich wohl überhaupt nicht mehr los.“ Er zuckte mit den Schultern. „Meine Karriere ist ziemlich verbockt, denke ich... na ja. Gehen wir erst einmal zur Taverne. Dort können wir uns dann weiter unterhalten.“, schlug er vor, und setzte sich dann in Bewegung, den Capitol hinunter gehend, zur Taverne hin.
Beiträge von Aulus Flavius Piso
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Piso war mit Ursus gerade eben bei der Opferung zur Amtsantretung von Durus und Marcellus gewesen, als der Kanzleibeamte nun, mit dem frisch gebackenen Senator im Schlepptau, die Taverne betrat. Es war eine angenehme Stube, bei der Piso – was wichtig war – kein Hausverbot hatte. Was man von anderen Kneipen, nach so mancher wilden Nacht, nicht sagen konnte – obwohl dies schon einige Zeit her war, und man in den entsprechenden Plätzen sicher schon darob vergessen hatte.
Der Wirt wies die beiden zu einem Tisch hin, wo Piso sich hinsetzte. Der Flavier blickte kurz zur Seite, wo eine Bedienstete gerade einen riesigen Krug voll mit Falerner an einen Nachbartisch brachte. Wie gut es war, endlich wieder einmal in eine Taverne zu gehen.
„Seid ihr bereit zur Bestellung, edle Herren?“, fragte der Wirt, dem die Halbmonde an Pisos und Ursus‘ Sandalen nicht verborgen geblieben waren. -
So wie das Gespräch voranschritt, hatte Piso mehr und mehr das Gefühl, als ob es nun darin bestehen würde, dass Furianus Gracchus mit einem Schwall an Worten übergießen würde, wobei Gracchus nur lapidar hie und da Antworten gab und Piso lediglich einen Beobachterstatus hatte. Und das nur widerwillig, weil Piso jetzt schon hier war und es nicht zum guten Ton gehören würde, ihn wie einen Sklaven aus dem Zimmer zu schicken.
Furianus war außerordentlich begabt darin, alles, was Piso sagte, zu ignorieren, und stattdessen seine eigenen Vermutungen zu verkünden. Piso blickte nicht sehr amüsiert zu seinem Neff... Vetter hin. War er ein Sklave, oder ein unmündiges Kind, dass seine Meinung so wenig zählte?
Er seufzte und legte sich jetzt doch noch auf der Kline hin, wo er bisher nur gesessen, nicht jedoch gelegen hatte. Ein Satz erregte seine Aufmerksamkeit. „Das muss ich zugeben.“, sagte Furianus. Zugeben wem gegenüber? Wohl ihm selber. Gerade wollte Piso sich freuen, als sich eine Stimme in seinem Gehirn meldete. Wieso, Aulus, fragte sie, bist du froh über einen winzigen Krumen, der dir zufliegt? Und das stimmte ja auch. Was er bisher geleistet hatte, wurde zertreten und ausgelacht. Seine Bemühungen wurden belächelt, und machte er einmal etwas, um Schwung in die flavische Politik zu bringen, wurde er beschimpft. War dies wirklich Familienzusammenhalt?
Er senkte seinen Blick, als ob er etwas am Boden suchte, in Wirklichkeit drückte der Frust seinen Nacken nach unten. Er erhob jedoch wieder seinen Blick, als Furianus urplötzlich einen Pakt mit Quarto aufs Tapet brachte. Als ob dies seine Idee gewesen wäre. Und nicht die seines Onk... Vetters.
Erstaunt nur blickte er jenen an. Er wollte mit Aelius Quarto kandidieren? Er, der nicht Consul hatte werden wollen mit seinem Freund Durus?
Er wartete brav das ab, was Gracchus sagte, und holte schon Luft, um zum Reden anzusetzen, da bemerkte er etwas. Den Blick des Gracchus, der auf ihm ruhte. Piso wandte seinem Kopf zu ihm hin und blickte zurück, mit einem leicht fragenden Gesichtsausdruck, sich allerdings mit Mühe eine direkte Frage, was den los wäre, verkneifend.
Wie dem auch sei, Piso stellte seine Beobachtungen in den Raum. „Wenn du mich gemeint hast – ich kandidiere bei der nächsten Wahl. Ich sollte bis dahin den ordo senatrius haben, der mir bisher fehlte. Und zwar würde ich vor allem die Position der Tresviri capitalis interessant finden.“ Er blickte nun auf Furianus, genau so, wie er auf Gracchus gerade geblickt hatte. „Aber... eine Frage habe ich. Wieso willst du mit Quarto kandidieren, wo du doch nicht mit Tiberius Durus kandidiert hast?“, fragte er, ganz vorsichtig, als ob er mit einem Amokläufer verhandeln würde.
Zu Gracchus wieder gewandt, legte er diesem seine unbedeutende Meinung vor. „Ich vertraue Aelius. Und es ist nicht so, als ob ich selber nicht den einen oder anderen guten Draht zu den Aeliern hätte.“, meinte er mit einem feinen Lächeln. „Er hat keinen krampfhaften Hass auf unseren Stand. Man kann ernsthaft mit ihm reden. Und... hast du nicht einst mir anvertraut, dass du ihn nicht als Feind sehen willst? Ich finde, er wäre als Freund nützlich. Aus diesem Grund denke ich, man sollte ihn einmal einladen in die Villa Flavia.“ Wiederholte er sich nicht? Nun, beim ersten Mal war er ignoriert worden. Er wendete seinen Kopf schnell zu Furianus hin. „Was denkst du?“ Er war mittlerweile schon an jenem Punkt angelangt, wo er die Entscheidung einfach an seine beiden Vetter devolvierte. Seine Stimme war sowieso nur, wie es schien, nicht einmal ein Zehntel wert von denen eines Gracchus oder Furianus. Er konnte höchstens als Zünglein an der Waage fungieren. -
„Ist ja auch egal.“, behauptete Piso und zuckte die Schultern. „Du weißt eh, wen ich meine. Wir brauchen leider einen nicht allzu einladenden Tüsteher, denn wir haben keine Prätorianer, die darauf aufpassen, dass keine zwielichtigen Elemente an unserer Türe klopfen. Dich hat er eh rein lassen, also, mecker nicht.“ Irgendwie mochte Piso Acanthus, auch wenn der Mann nicht immer freundlich war. Zumindest hatte er Grips im Hirn und er glaubte auch nicht, dass er ein kompletter Banause war.
„Möglicherweise stimmt das.“, meinte Piso nur knapp grinsend und schloss damit das Thema bezüglich Boote ab, er wollte seinen Freund nicht zu lange damit aufziehen. Er musste daran eh schon lange genug gelitten haben.
Als Archias frisch-fröhlich verkündete, er würde a memoria werden, kniff Piso seine Lippen eine Sekunde lang zusammen, als ob er sich immens ärgern würde. Er missgönnte seinem Freund den Posten nicht, nur brachte dies äußerst ärgerliche Erinnerungen zurück. Seine Gesichtszüge lockerten sich wieder von einer Sekunde auf die anderen, doch sein Lächeln sah nicht mehr ganz so gelöst aus wie vorher. „Na, da gratuliere ich dir!“, meinte er. „Jetzt kann ja das Geldscheffeln beginnen.“ Eigentlich nur eine weitere Stufe des Geldscheffelns, denn Archias hatte schon vorher mehr verdient als Piso.
„Na, sicherlich! Es wird sicher bald wieder Wagenrennen geben, und die lassen wir uns nicht entgehen! Nur, die Blauen... weiß nicht... ich denke, ich will mich einer factio anschließen, aber ob es die Veneta wird, kann ich nicht sagen. Die Weißen finde ich gut. Oder die Goldenen. Oder die Purpurnen.“ Er überlegte eine Sekunde. „Oder die Roten.“ Es war doch prima, wenn man wusste was man tat, dachte er sich, wieder mit unverwüstlicher Frohmut.
„Nun gut, halt dich bereit!“ Mit Elan sprang Piso hoch und brachte sich in Position. Er spreizte seine Beine außeinander, warf seinen Torso insgesamt ein wenig nach hinten, seinen Kopf noch ein bisschen mehr, holte tief Luft und begann zu brüllen, bevor er in einer ganz normalen Stimme mit seinem Gedicht anfing. Künstlerisches Geschrei als Einleitung zum Meisterwerk musste drin sein.„Woooooooooooaaaaaaaaaaaahört, oh Freunde, die Geschichte hier,
Die sich vor vielen Jahren zugetragen.
Sie bringt uns Kunde, wie als Römer wir
Die Tyrannei der Könige begraben.
Sodass wir eine Republik nun haben –
Welch Opfer dies jedoch getan hat Not,
Not und Kummer, durch Lucretias Tod.In Ardea beginnt die traurig Mär,
Hier sieht man Römer ge‘n die Feinde streiten.
Formidabel schlägt der Römer Heer
Die Feinde, Blut doch fließt auf beiden Seiten.
Man sieht die Helden dieser alten Zeiten,
Doch auch den, den man den Superbus nennt,
Den Kampf scheut er, indem er hinwegrennt.Von Ardea, dem Kampfe, so entflieht,
Auf Flügeln grauenhafter Gier getragen,
Tarquinius dem Heere lust-entglüht,
Mit Feuer nach Collatium zu jagen,
Das lichtlos, unterdrückt droht aufzuschlagen;
Den schönen Leib zu seh‘n in schmutz’gem Triebe,
Lucretias, Collatinus‘ keuscher Liebe.Der Keuschen; dieser Keuschheit wegen musste
Verschärfen seiner wilden Neigung Qualen,
Als Collatinus, unvorsichtig, wusste
Den holden Glanz mit Worten auszumalen,
Die an dem Himmel seiner Wonne strahlen,
Wo ihn allein zwei Erdensterne ehren,
So glänzend schön, wie die der Himmelssphären.“Er brachte seine Beine wieder in eine halbwegs normale Position und blickte Archias an. „Das ist der Anfang von meinem Gedicht. Wie findest du ihn?“, fragte er.
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Sim-Off: Au weia, und ich erst...
Piso nickte. „Sehr gut. Dann werde ich dies so machen.“ Er ging durch den Prozess innerlich und nickte zu sich selber. „Es wäre schön, wenn ihr dieses Mal das machen könntet. Ich will nicht, dass etwas schief geht...“, druckste Piso herum. Er wollte es aber wirklich erst dann machen, wenn er sich sicher war, dass er es konnte. Zuerst jedoch wollte er sehen, wie das Opfer hier ablaufen würde.
Er wandte sich an seinen Sklaven. „Du wartest hier. Wenn du siehst, dass ich bete, kommst du mit Opfergaben nach vorne. Du weißt, welche es sind, wir haben darüber gesprochen.“ Cassivellaunus war nicht sonderlich begabt, aber er wusste, was zum Opfern war. Eigentlich waren die Opfergaben die Gleichen für alle drei Götter.
Piso in der Zwischenzeit beugte sich zu der Kiste, die Cassivellaunus abgestellt hatte, und holte eine prachtvoll verzierte Büchse, einen Weihrauchaufbewahrer, hervor. Er räusperte sich, lang und geräuschvoll, und schritt dann, so würdevoll er konnte, nach vorne, zum Altar des Iuppiter hin. Dort entzündete er den Weihrauch, der schon innert einiger Sekunden hinaufrauchte, um im Himmel die Aufmerksamkeit des Optimus Maximus zu erwecken. Anschließend trat er zum Altar der Göttin Iuno, auch ihre Aufmerksamkeit sollte durch den Weihrauch auf Piso gezogen werden. Zu diesem Zwecke opferte er auch ihr ein Drittel des Weihrauches in seiner Büchse, eine nicht ungewaltige Menge. Schlussendlich trat er zum Altar der Minerva, wo er den verbliebenen Rest des Weihrauchs opferte. Sorgsam stellte er die Büchse am Boden ab und trat zum Altar des Iuppiter. Er nickte zu Cassivellaunus hin, welcher begann, die passenden Gaben aus der Kiste herauszuklauben. Gleichzeitig blickte er, durch den Weihrauchdunst, der schon ordentlich den Tempel zuräucherte, zum Priester hin. Bis jetzt hatte er doch alles richtig gemacht... oder? -
Als Piso seine Piroutte vollendet hatte, blickte er Archias neugierig an. „Ach komm, das ist doch Bockmist.“, entgegnete er und lachte, es im Raum stehen lassend, ob er Archis Kommentar bezüglich seines Äußeren, oder aber sein eigenes Verhalten gemeint hatte.
Erstaunt blickte er, als Archias wieder eine Anekdote hervorkramte. „Ach, komm schon, das war einmal! Und sie war eh nicht meine echte Mutter! Sondern meine Stiefmutter, und ich wollte sie ärgern!“ Piso hatte einige Stiefmütter gehabt, und manche hatte er so wenig leiden mögen, dass er alles daran gesetzt hatte, sie zu vergrämen. Und Archias hatte dann nur allzu oft in die selbe Kerbe geschlagen.
„Der Typ an der Türe? Das ist Acanthus. Ein wenig grimmig, aber er hat Qualitäten. Und er kann auch anders.“, versuchte Piso den treuen Türsteher zu verteidigen. „Er kennt dich halt nicht.“ Er zuckte die Schultern. „Er ist aber ein schlauer Kerl, in Gegensatz zu eurer Flasche. Wie hieß der nochmal? Nackiputz?“, fragte er.
Es war schon amüsant, wie Archias diese Erinnerung so gar nicht amüsierte. „Genau, du bist im Boot gekauert und hast gebetet, während ich uns zurück gerudert habe. Davon hätte man ein Gemälde machen sollen.“ Er musste noch immer grinsen.
Was Archi aber nun sagte, erfreute ihn. „Eine Stelle am Hof? Mensch, das ist ja toll? Wo denn? Wirst du Procurator a memoria?“ Eine Stelle, die er gerne gehabt hätte, die aber das niederträchtige Walross abgeblockt hatte. „Oder gar Procurator a rationibus?“ Das wäre genial, dann wäre der Herrschaft des Miesepeters ein Ende gesetzt. „Auf jeden Fall, ich bin mir sicher, du passt dann gut zu uns. Wir sind ein Haufen von Verrückten.“, grinste Piso.
„Und ja, ich dichte jetzt. Willst du ein bisschen hören? Ich kann es aus dem Gedächntnis.“, meinte Piso. Er war einigermaßen erpicht darauf, seinem Freund ein wenig vom Gedicht hören zu lassen.
Und seufzte. „Mensch Meier, du kommst ein wenig zu spät. Richtig gute Spiele, die hat es gerade jetzt gegeben, die Ludi Plebei. Aber du musst sicher nicht lange warten, bis wieder Spiele drankommen.“, versicherte er ihm. -
„Jawoll, da habe ich mich extra lange verschanzt, nur für dich!“, witzelte Piso zurück, während er fühlte, dass ob der deftigen Umarmung in seinem Rücken die einen oder anderen Rückenwirbel knacksten. Eine richtig schön männliche Umarmung war das, das hatte Piso vermisst.
Als Archi sein Gewand ansprach, grinste er erst einmal. Endlich fiel es jemandem einmal auf! Er breitete seine Arme theatralisch aus. „Du kennst deinen Piso, immer vorn dabei, wenn es um Mode geht!“ Egal, wie affig sie war. Und da wunderte man sich noch über Pisos notorisch leere Taschen. „Ist das nicht so bei euch gleichermaßen schnöden Rittern?“, grinste er Archi an. „Mensch, Ritter, wer hätte das noch gedacht? Was glaubst du, was ich gestaunt habe, als mir der Ernennungsbrief untergekommen ist? Gratulation. Jetzt kann das Scheffeln beginnen.“ Jetzt hatte Piso vielleicht noch jemanden, den er potentiell anpumpen könnte. Obwohl er nie die Traute haben würde, jemanden jemals anzusandeln.
„Schiff? Ich liebe Schiffe!“, merkte Piso an und lachte. „Du kannst dich sicher noch an unsere Bootsfahrt über die Lagune erinnern. Du warst danach so grün im Gesicht, dass wir das nie wieder gemacht haben.“ Der Anblick war allerdings köstlich gewesen.
Er lachte. „Archi, du störst niemals. Du unterbrichst höchstens, und wenn, dann nur angenehm. Tja, dann hau ich mich mal hin.“, meinte er und warf sich auf eine Kline hinauf. „Ja, die Musik, tja... du weißt, sie war schon immer ein bisschen kontroversiell.“, meinte er. „Bei der Acta hat sie jedoch auf Anklang gefunden. Daran sieht man, die oberen Schichten haben doch noch ein wenig Gespür für Kunst. Der Pöbel, pff, der will doch nur das Blut spritzen sehen. Ich sage dir, hier in Rom dreht sich alles um Blut. Spiele, Opfer, Verbrechensbekämpfung...“, zählte er auf. „Naja, wie dem auch sei, momentan konzentriere ich mich, so als... als kreativen Ausgleich, auf die Dichtung.“, vertraute er Archias an.
Er nahm einen Weinbecher und stieß mit ihm an. „Auf mich. Der nächste Schluck geht auf dich.“, grinste er. „Mensch, und ich erst, das sage ich dir. Wie lange bleibst du jetzt in Rom?“, fragte er. -
Pisomerkte, dass zu dem Thema nun wirklich alles gesagt war, und lächelte zurück. „Ich danke dir abermals. Und jetzt, genieße den Abend noch. Es ist deiner. Hundert Prozent!“, rief er, als er, rückwärts gehend, sich entfernte, und somit Platz für einen anderen Klienten machte, der mit einem anderen Geschenk andampfte, welches Piso zwar nicht sehen konnte, jedoch aber größer wirkte als das seine. Nun, vielleicht ein Paket voll mit Sauerkraut oder Erbsenpüree, dachte er sich, als er sich umwandte und sich wieder in die feiernde Menge mischte.
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Macer schnitt nun ein Thema an, welches durchaus ein wichtiges Streitthema war, insbesondere in patrizischen Zirkeln. „Nun, niemand streitet die Fähigkeiten von Plebeiern ab.“, meinte Piso, wohl wissend, dass sein Patron Plebeier war. „Und ich denke nicht, dass man Patrizier über Plebeier bevorzugen sollte, was die besetzung von Ämtern angeht. Ebensowenig denke ich aber, man sollte Patrizier benachteiligen.“, gab er zu bedenken.
„Und was Freigelassene angeht – nun, es gibt viele von denen in der Kanzlei. Fast alle Notarii sind Freigelassene, meistens Griechen. Sehr gute Arbeiter. Nur... was ihre Loyalität angeht, da wäre ich mir nicht sicher. Es gibt mehr als nur ein paar, die würden für Geld alles machen.“, vertraute er Macer an. Er wusste aus Erfahrung, wirf ihnen einen Denar hin, und sie lecken dir die Füße. Buchstäblich. -
Piso blickte von dem unglücklichen Zusammenstoß wieder nach vorne, wo der Haruspex sein Litatio röhrte - war das nicht etwas schnell? Nun, der Haruspex würde sicher wissen, was zu tun war.
Das Ritual war nun an seinem Ende angelangt. Die Menge schäumte vor Glück, auch Piso ließ sich zu „Hurra“-Rufen hinreißen. Diese waren natürlich zu allererst an Tiberius Durus gerichtet.
Er fühlte sich nun aber plötzlich von hinten angesprochen. Er fuhr, eine Sekunde lang ehrlich erschreckt, herum, und blickte Ursus an. „Hast du mir einen Schrecken eingejagt!“, gestand er und schaffte es zu grinsen.
„Sehr gut, dass dir das Tribunat gefallen hat.“ Piso, durch dessen Hände jeglicher Verwaltungskram floss, wusste, was Ursus im letzten Jahr getrieben hatte. Dessen Frage verriet ihm nun, dass der Aurelier noch nicht vergessen hatte, was er versprochen hatte.
Eine gute Taberna? Dero kannte er viele, und so musste er eine Sekunde lang nachdenken, bevor er eine aus dem Gedächtnis hervorkramte. „Das Forum Pacis, am Forum Romanum. Eine sehr angenehme Taverne. Ein echter Geheimtipp.“, meinte er. Dort war er ja mit Verus einst gewesen. Wie sie dort über ihre Zukunft philosophiert hatten... wie das glückliche Zeiten gewesen waren... er versuchte, den Gedanken, der omnipräsent schien, zu verdrängen.
„Ähm, ja. Nun, ich kann dich dorthin führen, wenn du willst. Dir wird es sicherlich gefallen.“, schlug er vor. -
Piso konnte sich nicht denken, wer es war. Solch seltsames Verschwinden war neuerdings des Öfteren auszumachen, und es betraf die Patrizierfamilien genauso wie die Plebeier, wenn man sich dies so anschaute. Wenn es ihn auch verwunderte, dass sie gar nicht einging auf das, was er sagte über Aquilius, den er persönlich nie kennen gelernt hatte. Immerhin lächelte sie ihm zu. Das war schon einmal etwas. Er versuchte, ein wenig trost in der tatsache zu finden, dass ihn einmal wieder eine Frau anlächelte, obwohl er den Gedanken nicht abschütteln konnte, dass es eher mitleidig war als sonst etwas. Und vor allem ein wenig verlegen. Na prima, dacht er sich, jetzt hatte er sie auch noch in seinen typisch pisonischen Strudel mit hineingezogen. Er sollte wohl überhaupt nicht auf die Menschheit losgelassen werden, dachte er sich in einem Anfall von Selbstmitleid.
Als er plötzlich was hörte, Prisca sprach. Sie bestätigte seine Vermutung, und er nickte nur. Es war zum aus der Haut fahren. Doch aus derselbigen konnte er nicht heraus. Durch seine Geburt alleine war ihm ein Schema aufgepresst bekommen. Werde Senator, werde reich, heirate eine Patrizierin. Gegen die ersten beiden hatte er nichts zu sagen. Doch beim dritten wollte es einfach ein Problem geben.
Und gerade, als er sich komplett gehen lassen wollte, spürte er eine warme Berührung auf seinem Arm. Prisca hatte es scheinends ob seines nicht ungewaltigen Kummers auch die Sprache verschlagen. Das konnte man von kultivierten Leuten auch wohl erwarten, dachte Piso sich, sich in seinem eigenen Schmerz schier suhlend. Nur leider gab es heutzutage nur so wenige kultivierte Leute... geradezu Mangelware waren sie. Er öffnete seine Augen vorsichtig, nur einen Spalt, als ob seine Augen herausfliegen würden, machte er sie nur eine Winzigkeit zu weit auf. Und auf seinen Lippen erschien ein Lächeln. Kein breites, vor Freude jauchzendes, auch kein verlegenes, oder höfliches... nur ein dankbares.
In jenen Sekunden hatte er das Gefühl, jemand, ein Mensch immerhin, würde ihn verstehen. Endlich einmal jemand. Er hörte ihrer dahergestammelten Frage zu und schüttelte dann den Kopf.
„Nein... nein, danke, Prisca.“ Verdammt, jetzt hatte er ihren Cognomen benutzt, fiel ihm ein, als er schon weiter redete, und er nur hoffen konnte, sie würde den kleinen Faux-Pas nicht bemerken. „Es ist schon gut. Ich meine... ich weiß nicht einmal selber, ob mir noch zu helfen ist.“ Er versuchte sich wieder in einem Lächeln, welches wohl auch ein wenig selbst-ironisch gemeint war. „Aber danke.“ Die Wärme ihrer Hand noch immer auf seinem Arm spürend, merkte er, wie sein Herz einen winzigen Takt schneller schlug. Sicher vor Aufgeregtheit, dass sich jemand seiner annahm, dachte er sich. Oder doch vielleicht einfach nur deshalb, weil sie ihn berührte? Sein Lächeln verging ihm, als er versuchte, seine komplett durcheinandergewirbelten Gefühle, die sein Gehirn, wie es aussah, komplett fertig machten, auszusortieren.
Jetzt standen sie also tatsächlich noch immer voreinander und hatten noch keinen Schritt getätigt. Piso räusperte sich. Er hatte das Bedürftnis, etwas zu tun. Und zudem wollte er sich auch nicht aus bereits gegebenen Versprechen heraushauen. „Du wolltest... einkaufen gehen, nicht wahr?“, fragte er. -
Das Aufatmen war Piso anzuhören. Nicht ganz schlecht, hatte Macer gesagt. Was Macer aber hernach sagte, deckte sich mit seinen Gedanken. „Ich denke nicht, dass dies mit dem Kaiser abgestimmt ist, um ehrlich zu sein. Der Kaiser ist immerhin selber ein Patrizier. Und die Patrizier sind kaisertreu... aber nicht unbedingt dem Vescularier ergeben...“, fügte er etwas leiser hinzu. „Obwohl das allgemein gelten mag. Vescularius ist, zumindest in Rom, einfach nicht beliebt.“ Am allerwenigsten bei mir, dachte sich Piso. „Aber, das stimmt. Wenn ich die senatorische Laufbahn einschlage, muss mich das nicht interessieren. Nur, diesen ordo, den muss ich erst erhalten...“ Und da ging eben kein Weg beim Vescularier vorbei.
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Mit einem Rumsen wurde die Tür zum Atrium aufgestoßen. Die Türschnalle der rechten Türe traf mit voller Wucht auf die Mauer auf, was ein wenig klirrte. Der linken Tür blieb das Schicksal erspart, sie berührte nur sachte ihre Mauerseite. Der Mann, der den Lärm verursacht hatte,vermittelst eines gewaltigen beidarmigen Schubses, trat mit einem dicken Grinsen in seinem Gesicht aus der Türe hervor. „Caius!“, brüllte der Mann, so laut er konnte. „Aelius!“ Seine Stimme schwoll an. „Archias!“
Vor Glück strahlend, schritt Piso, der ebendieser Mann war, zu seinem alten Freund hin. „Mensch, Archi, dass man dich mal wieder sieht!“, jauchzte der aufgewühlte Patrizier, nun wohl ein wenig heiser, und umschloss seinen alten Freund in einer herzlichen Umarmung. „Ich hoffe doch, du hast eine gute Reise gehabt!“ Er klopfte dem armen Aelier ungestüm auf den Rücken. Man konnte Piso seine echte Freude absolut ansehen. „Welch Überraschung, ich habe nicht gedacht, dass du jetzt schon kommst.“
Wie lange hatte er schon darauf gewartet, Archias wieder zu sehen. Jetzt war es endlich soweit! -
Piso folgte noch Cleomedes mit düsteren Blicken, bevor er sich wieder hastig seinem Gedicht zuwandte. Die Feder, die er zu Boden geschmissen hatte, ignorierte er, und nahm hurtig eine neue her. Jene tunkte er in Tinte, bevor er sie aufs Pergament ansetzte. Etwas eiliger als sonst schmierte er seine Zeilen aufs Papier, bis er eine Stanze fertig hatte. Danach setzte er sich auf, seinen Schreibtisch so stehen lassend, wie er ihn vorgefunden hatte, und eilte heraus aus der Türe, zum Atrium, wo ihn Archias schon erwartete.
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Oje, konnte man aus Macers Stimme gar Sorge heraushören? Piso schluckte. „Von meinem Vorgesetzten, Annaeus Varus, nachdem dies von seinem Vorgänger, meinem ehemaligen Vorgesetzten Prudentius Balbus, vorgeschlagen worden war.“, antwortete er.
Was würde nun kommen? War dies das Todesurteil für seine Karriere nun? Oh, Penaten der Gens Flavia, dachte er, als er aus seiner Stirne schon den Schweiß hervortreten spürte, steht mir bei. -
Piso stammte leider nicht aus dem Zweig des Vespasianus oder des Felix, sondern aus der Nachkommenschaft des Flavius Aetius. Den Piso verachten würde, selbst wenn jener Senator wäre. Aber sein Vater hatte sich niemals auch nur dazu herabgelassen, Decurio der Stadt Ravenna, wo Piso herstammte, zu werden.
Und so war seine Erleichterung um so größer, als Macer versprach, sich dessen anzunehmen. Seine Frage dazu aber war berechtigt. „Also... ich habe noch niemanden jemals um den ordo senatorius angefragt. Allerdings wurde ich vor nicht allzu langer Zeit vorgeschlagen für einen höheren Posten in der Kanzlei. Einen ritterlichen Posten. Salinator hatte dies abgelehnt – jetzt, wo ich von dir weiß, dass ein ritterlicher Posten einer Bewerbung zum Vigintivirat nur schadet, macht das auch nichts mehr aus. Übel ist es mir aber trotzdem aufgestoßen.“, meinte er etwas düster. „Denn, das möchte ich dir noch sagen, Vescularius Salinator hat keine Ahnung, dass Patrizier auch ritterliche Ämter übernehmen können. Diese Unkenntnis von verwaltungstechnischen Dingen verwundert mich zutiefst.“, vertraute er Macer an, bevor er sich räusperte.
„Wie dem auch sei, Vescularius hat die Möglichkeit einer Auszeichnung für mich in den Raum gestellt... und der ordo senatorius wäre, so denke ich, eine Auszeichnung, die ich mir wirklich verdient hätte.“, behauptete er. -
Piso war fleißig an seinem Gedicht dran. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich buchstäblich Haufen von zerkritzelten Pergamenten – denn Piso benutzte für so ein edles Werk keine Wachstafeln – und er war gerade daran, den 134. oder 135. Vers zu schmieden (er hatte nämlich den Überblick über die Zählung verloren), als es klopfte.
Unwillig drehte sich der Flavier herum. „Herein!“, rief er, seine Feder ebenfalls richtung Tür zeigen lassend, als ob sie eine Verteidigungswaffe wäre, woraufhin Cleomedes eintrat und Piso mit Wörtern überschwemmte.
Pisos Kinnlade klappterte nach unten, genauso wie die Feder, die er fallen ließ. Erst nach einigen Sekunden wich der leicht dämliche Gesichtsausdruck einem erfreut wirkenden Grinsen, welches nur Sekunden andauerte, bevor Piso den Griechen hart anblickte.
„Ihr lasst ihn sofort hinein. Und mit sofort meine ich SOFORT!“, blaffte er den Sklaven an. „Führe ihn ins Atrium oder sonstwohin. Ich werde dann gleich zu ihm stoßen.“ Diese eine Zeile musste er noch zu Ende bringen, bevor er Archi sehen würde, endlich, nach so langer Zeit wieder. -
Oho, das Gemetzel begann. Piso schoppte fuderweise Haferflocken in sich hinein, sie gar nicht richtig kauend, als er sie schluckte, der Schlacht gebannt zusehend. Die töteten sich ja! Piso verzog das Gesicht, was ihn aber nicht davon abhielt, den Mund weiter offen zu halten, als er seine Backwaren mampfte. Mittlerweile hatte er sich an das ganze Blut, von dem Rom getränkt zu sein schien, gewöhnt, und das Entsetzen, das er verspürt hatte, als er das Gemetzel anlässlich der Wahlen seiner beiden Vetter erlebt hatte, war mittlerweile einer milden Faszination gewichen.
Genau in den Moment, als die Spatha die Oceanus rammte, gingen Piso die Haferflocken aus. Er drehte sein Sackerl um und fluchte, als nichts mehr herauskam. Nach hinten wandte er sich, zu einem Verkäufer, wo er sich eine Riesenpalette an Essen bestellte. Und an Wein. Cassivellaunus würde in den Genuss einer lukanischen Wurst kommen.
Die Mannschaft der Oceanus hatte mittlerweile schon die Spatha geentert, als das Essen kam und Piso begann, es sich gedankenlos hineinzupampfen, ohne richtig darüber nachzudenken, was er denn aß, geschweige denn, es zu genießen. Seine Gedanken waren auf die Schlacht konzentriert, die sich vor ihm abspielte. -
Der Ianitor hatte doch schließlich ihn zum Cubiculum der Iunia Narcissa geführt. Die Casa Decima war ziemlich groß, auf diese Weise die Größe der Gens insgesamt wiederspiegelnd. Vor jener Türe stand er nun, holte tief Luft und klopfte an.
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Der Flavier hielt inne und blickte den Priester vor sich an, der schon wieder, wie es schien, eingeschlafen war. „Öhm...“, machte er und tippte den Priester auf der rechten Schulter an. Ob jener es bemerken würde?
Sim-Off: *hust*