Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Die Schlacht bei Actium also. Soso. Das würde der Annaeer, der Verwandte seines Vorgesetzten, und Klient seines Patrons, der blutrünstigen Menge also nun bieten. Piso war kein großer Freund von Spielen. Es war so blutrünstig, einfach nur noch mehr ein Gemetzel. Es hatte nichts auch nur im Entferntesten Ästhetisches an sich, im Gegensatz vielleicht zu einer guten Schlachtstrategie. Doch auch dort floss Blut – und Piso wurde beim Anblick von Blut doch immer etwas lau, wenn er auch keine panische Furcht davor hatte wie viele andere.
    Piso war vielmehr hier, um die Kunst des Brotes und der Spiele zu studieren. Es gab ja einen Kurs darüber in der Schola Atheniensis. Vielleicht würde er den später machen, spätestens, wenn er dereinst Aedil werden würde. Doch nun wollte er einfach einmal sehen, wie denn die ganze Sache organisiert war. Vielleicht konnte er sich eine Scheibe davon abschneiden, wenn er solche Sachen einmal machen müsste.
    Er betrat, mit seinem guten alten Cassivellaunus, die Arena und ließ das Augenmerk herumschweifen, auf der Suche nach bekannten Gesichtern. Hm, war das da drüben nicht sein Patron? Genau, das war er. Doch Piso fühlte sich zu faul, um den ganzen Weg dorthin zu gehen, und sowieso wollte er dem nunmehrigen Praetor nicht über Gebühr auf den Geist gehen.
    So wanderte sein Blick also über die Schiffe, die unten schon im Wasser munter herumplätscherten. Die meisten von denen würden am Abend dieses Tages wohl nur noch Schrottwert haben. Nicht einmal das, denn als Brennholz konnte man bereits verbranntes und dazu noch nasses Holz nicht verkaufen.
    Er ließ sich nun also, Gedanken nachsinnend, irgendwo nieder, wo er hoffte, einen guten Ausblick über das Spektakel zu haben.

    Piso hörte sich die Überlegungen des Furianus an und musste ihm innerlich Recht geben. Tatsächlich war Quarto alleine auf weiter Flur. Zwar war Vescularius Salinator unbeliebt, doch nicht so unbeliebt, dass der Hass auf ihn die Senatoren,und schon gar nicht die wichtigsten, einen konnte. Zwar wurde er mit Misstrauen benutzt – doch dies würde niemanden dazu verleiten, alte Angewohnheiten, ausgetretene Pfade, zu verlassen, und sich mit bisherigen Konkurrenten zusammen zu setzen.
    Genau dies musste Piso nun wieder sehen, als Furianus zwar von Vescularius mit Verachtung sprach, jedoch sich nicht so anhörte, als ob er ernsthafte Schritte unternehmen werden wollte, sich diesem miesen Charakter entgegen zu stellen. Vielmehr schien es so, als ob er seine miese Laune nun gleichsam an Gracchus – der es gewagt hatte, einen scherzhaften Kommentar, was Furianus anging, zu machen – und Piso – der die Frechheit besessen hatte, zu versuchen, etwas für die politische Involviertheit der Gens Flavia zu tun – auslassen wollte – an ersterem nur implizit, aber an Letzterem, der ja ganz unten in der flavischen Hackordnung stand, ganz offen und direkt. Als er dazu überging, schwieg Piso stoisch. Furianus hatte da etwas missverstanden, doch er wollte nicht noch mehr Unmut auf sich ziehen, indem er widersprach. Piso schaffte es, den Blick seines Vetters zu entgegnen (eine Aufgabe, die ihm noch immer sehr schwer fiel, obwohl er schon seit Jahren krampfhaft sich angewöhnen wollte, blicken nicht auszuweichen, wie er es jahreland getan hatte). Und dann – Jüngling. Das setzte dem ganzen die Krone auf. Als ob Piso namenlos wäre. Was wäre dann Furianus? Der Ältling? Piso hätte losgelacht, wäre ihm danach gewesen. Wenn er Geheimbund erwähnte, dann meinte er auch Geheimbund. Aber dies würde er erst erklären, wenn Gracchus fertig war mit seiner Rede.
    Er hörte ihm zu und war ziemlich glücklich darüber, dass er nichts zum Trinken zur Hand hatte. Er hätte sich unweigerlich verschluckt. Die damnatio memoria tangierte ihn gar nicht? Sie ließ ihn kalt? Dem Piso zog es die rechte Augenbraue hoch. Dies war eine ungewöhnliche Ansage. Und er hatte irgendwie ein sehr schlechtes Gefühl, diese im Raum stehen zu lassen.
    Er räusperte sich, bevor er sprach. „Ich verstehe eure Einwände, aber ich möchte etwas dazu sagen. Ihr redet, als ob ich schon ganz alleine mit Quarto kontraktiert hätte. Als ob ich euch, gewissermaßen, einen schon geschriebenen Vertrag unter die Nase halte. Das stimmt nicht. Haltet ihr mich für so verwegen, dass ich für die Familie vor Aelius zu sprechen wage? Das tue ich nicht. Worüber wir in der Kanzlei geredet haben, lässt sich so zusammen fassen.“ Er machte eine kurze Pause. „Wir haben über die politische Lage philosophiert, darüber geredet, wie womöglich der alte Konflikt gelöst werden könnte, und ich habe ihn eingeladen auf eine cena hier in der Villa.“ Er atmete aus. „Nichts mehr. Was ich im Prinzip getan habe, ist, eine Gesprächsbasis mit dem Aelier aufgemacht zu haben. Mit jener cena. Es muss gar nichts passieren, außer, dass Aelius in den Genuss der Kochkünste von unserem Koch kommt.“ Er blickte die beiden an. „Wieviele andere Möglichkeiten würdet ihr, Lucius Furianus, Manius Gracchus, sonst noch haben, mit Aelius Quarto hier, ungehört, geschützt, reden zu können? War eine Unterredung nicht immer euer Wunsch?“ Piso atmete tief ein. „Lasst mich Quarto einladen. Wenn nichts dabei heraus kommt, auch gut. Auf jeden Fall würde das euch die Gelegenheit bieten, mit ihm zu reden. Und dabei vielleicht etwas Konstruktives zu erreichen.“
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Was ich gesagt habe von verborgenen Händel, war nur eine Möglichkeit, die ich mit Aelius diskutiert habe. Wie auch die Aufhebung der damnatio memoriae. Er hat sie nur in Aussicht gestellt. Nicht als fixes Angebot präsentiert. Und zudem wäre es, wenn eine Einigung in der Richtung erzielt werden würde, natürlich so, dass man mit der Offenlegung eines solchen Handels wartet, bis das Ziel eines solchen Bündnisses erreicht werden würde.“ Und er wandte sich an Gracchus. „Apropos, Aelius Quarto war ziemlich explizit, was die Entschuldigung angehen würde – die leidige Sache mit Domitia Longina.“ Piso würde hoffentlich nicht ausführen müssen, was mit Longina, Laemia und Domitianus geschehen war. Jedes Kind kannte die Geschichte. „Und, Manius Gracchus... mich tangiert die damnatio memoriae. Ich fühle mich schuldig, dass ich, wenn ich mich ansehe, jemanden sehe, der es bisher zulassen hatte, dass seine Ahnen durch den Schmutz gezogen werden.“, setzte er leiser, bedrückter, hinten nach.

    Es gab unangenehme Situationen, und es gab Situationen, die eindeutig Steigerung von solchen waren. Situationen wie jene, in die sich Piso nun, geschickt wie eh und je, hineinmanövriert hatte. Wieso hatte er die Beherrschung verlieren müssen? Wieso hatte er unbedingt glauben müssen, die Hure hätte ihn eingeholt und würde nun versuchen, ihn zu ermorden? Nun, unwahrscheinlich wäre es nicht gewesen. Aber trotzdem, einen Blick hätte er schon riskieren können, als er sich in den Händen einer Mörderin wähnte. Und so hatte er jetzt einer jungen Frau aus einem der angesehensten Geschlechtern Roms einen direktgehend unglaublichen Affront angedeihen lassen. Wenn ich das jemandem erzähle, wird mir das keiner glauben, dachte er sich selber. Wenigstens hatte er der Aurelierin nicht die volle Palette seines unflätigen Vokabulariums zugemutet. Wenn man der Sohn eines Mannes wie Flavius Aetius war, lernte man zwangsläufig mehrere schlimme Schimpfwörter. Hie und da waren sie ja nützlich, aber nun gereichten sie ihm absolut zum Nachteil. Der vorhin wie ein Fuhrknecht fluchende Patrizier war absolut verstummt, er grinste aber noch immer wie ein kleiner dummer Junge, der etwas Schlimmes getan hatte. Nun ja, so war es ja auch ein wenig.
    Innerlich musste er sich aber dazu beglückwünschen, dass die beiden Leibwächter sich nicht auf ihn gestürzt hatten. So, wie die aussehen, hätten sie ihn, ohne groß nachzudenken, zu Hackfleisch verarbeitet. Der einzige Grund dafür war wohl, dass die Aurelierin ihnen Einhalt geboten hatte. Und zudem hatte er Glück in der Art und Weise, wie Prisca die unverhoffte Begegnung aufnahm. Piso hätte sich nicht gewundert, hätte sie reagiert wie eine veritable Furie. Aurelische Unbill hätte er sonder Zweifel verdient. Stattdessen reagierte Prisca aber... in einer seltsamen Art und Weise amüsiert, als ob das ganze ein gelungener Scherz gewesen wäre.
    Er musste noch immer seinen dämlichen Gesichtsausdruck drauf haben, als sie seinen Namen nannte – sie hatte ihn also nicht vergessen – und tief Luft zu holen schien. Ja, Piso hatte sich nicht geirrt, hierbei handelte es sich um die Aurelierin, die er damals am Schiff kennen gelernt hatte, wo er von seiner Eskapade mit Serrana jedoch abgehalten wurde, sie näher kennen zu lernen. Genau, Aurelia Prisca, Verwandte des Aurelius Corvinus, dem Ehemann der Celerina. Welche ja die Hochzeit auf diesem verfluchten Schiff gehabt hatten. Irgendwie schien ihn die Sache wohl auf ewig zu verfolgen. Was hatte er falsch gemacht, um die Götter so dermaßen zu erzürnen, dass sie ihm ständig sein persönliches (denn das war es, war er sich mittlerweile sicher) Versagen vorführen mussten?
    Und dann noch diese ungeschminkte Katastrophe hier, die er angezettelt hatte. So eine Frau dermaßen anzufahren, wie er es getan hatte, kam einem gesellschaftlichen Kamikazefluges gleich. Um seinen Ruf musste er sich jetzt nicht mehr sorgen.
    Doch war jener erst ruiniert, lebt es sich, wie das Sprichwort sagt, sowieso gänzlich ungeniert. Piso grinste gleich ncoh ein wenig breiter, sodass es weniger vertrottelt und vielmehr erfreut aussah. Doch als sie ihren ironisch formulierten Vorwurf auf ihn herunterfahren ließ, wie Veiovis seine tödlichen, vernichtenden (aber durchaus nicht böse gemeinten, sondern im Gegenteil gnädigen) Strahlen, wurde jenes ganz hurtig wieder von seinem Gesicht gewischt.
    „Ähm.“, begann er. Da an der Bedeutsamkeit dieses Wortes, für sich alleine, doch zu zweifeln war, sah Piso sich in der Situation, dass er einen Satz zusammenbasteln musste. Und gerade jetzt sah er, dass sich Prisca infolge dieser unmöglichen Episode angepatzt hatte. Außer der Ehre der Aurelierin hatte er also auch noch ihr Kleid beschmiert. Deplorabel „Also, Aurelia Prisca, das ist mir jetzt wirklich sehr unangenehm. Ich habe dich mit der lupa da hinten verwechselt, die mir Geld stehlen wollte. Ich frage mich, wie ich das konnte.“ Er wagte es wieder, ganz leicht und vage zu lächeln. „Die Götter haben mich scheinbar mit Blindheit geschlagen, dass ich dich mit einer unschönen, uneleganten Kriminellen bar jeder Anmut und Sitten verwechsle, stellst du doch das komplette Gegenteil davon dar.“, sprach er, hoffend, mit ein paar mehr oder weniger geschickten Worten die Situation wieder hinbiegen zu können, während er ganz verkrampft sich darauf konzentrierte, dass er ihrem festen Blick nicht auswich. „Und... danke, dass du deinen...“ ...aus der Unterwelt zu kommen scheinden Monströsitäten... „...Leibwächtern Einhalt geboten hast...“ Peinlich berührt klang er durchaus, das konnte er nicht verhehlen.
    Ihre nächste Frage war ein wenig unerwartet. „Schmuckhändler?“ Was? Was sollte er bei einem Schmuckhändler? Für wen sollte er Schmuck kaufen? Etwa für das nichtsnutzige Luder Semiramis? Oder für wen? Ganz langsam jedoch dämmerte es Piso, wen Prisca damit meinen könnte. Sie hatte seine (an jenem Tag erfolgreiche, langfristig gesehen jedoch ins Wasser schlagenden) Annäherungsversuche an die Decimerin gesehen. Vielleicht glaubte sie ja, er wäre hier, um ihr Schmuck zu kaufen. Schon wieder Serrana! Würde sie ihn nie los lassen?
    Er senkte seine Schultern, besser gesagt, sie sackten nach unten. „Ach, kann sein, kann auch nicht sein. Wonach ich suche, ist mir selber schleierhaft.“ Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht aber, ziemlich sicher sogar, bin ich wohl jetzt auf der Suche nach einem Schmuckladen. Denn ich bin dir eine Wiedergutmachung für das ganze Unglück, welches ja ganz und gar meine Schuld war, schuldig. Ich hoffe, ein Schmuckstück deiner Wahl für dich lässt dich meine Fahrlässigkeit vielleicht vergessen machen...“ Er schielte kurz an den Fleck an Priscas Gewand, der sich doch realtiv deutlich abzeichnete. Aulus, Aulus, was für ein Katastrophenjunkie bist du bloß, schalt eine Stimme innerhalb seines Kopfes.

    Zuerst einmal atmete Piso ruhig, aber dennoch stark, aus, als er seine Rede beendet hatte. Erst danach wagte er es, konzentriert wieder in die Runde zu schauen. Und schau an, Durus schien recht zufrieden. Anscheinend war seine erste große Rede nicht gar zu erbärmlich gewesen. Der Mann lächelte sogar. Am liebsten hätte Piso zurückgegrinst, vor lauter Freude ob des nonverbalen Lobes, aber er beherrschte sich, und behielt einen zurückhaltenden Blick bei, wiewohl die Freude in seinen Augen glimmerte.
    Als Durus die Runde fragte, ob es Fragen gäbe, fand sich natürlich sofort jemand, der bereit war, eine solche zu stellen. Furianus natürlich, wer denn sonst. Die Frage war ziemlich lange und verschachtelt, so musste Piso einen Moment lang überlegen, um sich eine Antwort zusammen zu basteln.
    „Ich verstehe durchaus, wieso du diese Frage stellst.“ Eigentlich tat er das überhaupt nicht. Fragen über Pisos Zukunft hatten die beiden zusammen doch schon durchgekaut, zumindest kam es Piso so vor.
    „Mir ist die Bedeutung jener Versammlung hier bewusst, und ich weiß, dass ihr eure Mitglieder nicht leichtfertig wählt. Das ist auch gut so. Wo ich mich also in einigen Jahren wähnen will? Das kann ich dir sagen – auf dem Cursus Honorum, im Senat. Damit ich meiner Heimat gut, besser als jetzt, dienen kann. Wenn ich in den Spiegel sehe, will ich einen Mann sehen, der seinem Land und den Göttern gut gedient hat. Wenn du mich fragst, was ich plane – ein Viginitivirat, dann gegenfügig ein Tribunat und anschließend ein Quaestorat, sodass ich in den Senat aufgenommen werden kann.“ Was dann kommen würde, da wollte er sich nicht festlegen. Und konnte es auch noch gar nicht. Vielleicht wieder ein Verwaltungsamt, oder aber er nahm ein Amt im Cultus Deorum an. Auf jeden Fall würde er sicher nichts machen, wo er so wenig Geld bekam wie im Moment.

    Es geschah eines schönen Tages, dass niemand Geringerer als der ehrenwerte A. Flavius Piso, in Gedanken versunken, weitab aller Realität, über die Märkte Roms einherging. Waren es noble Ideen, denen der Patrizier in seinen Gedankengängen nachging? Wohl kaum. Innerlich war er gerade dran, sich vollends fertig zu machen. Ein Bösewicht in seinem Hirn sprang auf und ab, ihm ständig zurufend: Du bist Schuld! Du bist Schuld! Die Märkte, die ihm früher so viel Freude und Spaß bereitet hatten, wie fade und langweilig waren sie dieser Tage! Fast könnte man meinen, der Flavier wollte sich selber herunter ziehen, indem er genau diesen Ort auswählte als Ziel seines bisher ziellosen Herumschlenderns in Rom.
    Denn dies hier war die Gasse in den Märkten, die er mit Serrana entlang gegangen war. Und vor ihm nun erschloss sich ihm der kleine Platz, wo der Parther mit dem frechen Grinsen seinen Elefanten zum Reiten angeboten hatte. Er konnte sich nicht einmal mehr richtig an den Ritt erinnern. Er wusste nur noch – es war schön gewesen. Das Bild von der schönen Tochter des Decimus Verus ging ihm nicht aus dem Sinn. Er wollte es gar nicht aus seinem gedächtnis verdrängen, im Gegenteil. Er baute darüber auf. Verklärte die Decimerin zu seinem Idol, zur Perfektion erhob er sie. Niemals würde es einer anderen Frau gelingen, so zu sein wie sie! Niemals würde er wieder eine Frau lieben, glaubte er, als er über den Platz schlich.
    Auf den Boden schaute er unwillkürlich. Er suchte nach Holzsplitter vom Podest, auf welchem der Parther gestanden war. Er suchte nach Elefantendung. Doch nichts war mehr da, der Mann war vor Ewigkeiten schon abgezogen.
    So wie Decima Serrana. Ihr Vater hatte sich die Schuld daran gegeben, dass sie gegangen war, spurlos, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Doch das war nicht die Wahrheit. Er war es gewesen, redete sich piso ein. Er war es gewesen, der sie dazu getrieben hatte zu gehen. Mit seiner aufdringlichen Art! Mit seinen Aufforderungen! Wieso hatte er sich nicht zurückhalten können? Wieso musste er sie in den Wahnsinn treiben?
    Dies war der Grund gewesen, warum sie geflüchtet war. Er war der Grund, und niemand sonst.
    Piso atmete tief ein und schritt weiter. Flüchtig blickte er eine leichte Dame neben sich an, die eigentlich ziemlich schwer war. Nein, so war Serrana nicht gewesen, dachte er, als er an ihr vorbei ging. Sie war perfekt gewesen...
    Er blieb stehen und seufzte. Gerade wollte er weiter gehen und seinen traurigen Gedanken weiter nachhängen. Da merkte er etwas an seinem Ellenbogen. Es war ein unangenehmes, ja, fast schon schmerzhaftes Zwicken. Er fuhr herum und blickte in das grinsende Gesicht der unansehnlichen Prostituierten von eben.
    „Na, Süßer? Du schaust traurig aus. Willst du dich ein bisschen amüsieren?“ Piso blickte die Frau streng an. „Nein, danke.“ Das unmoralische Ding lachte. Sie wusste, dass Patrizier gut zahlten. Jene konnte man gut übers Ohr hauen. „Komm schon.“ Piso schüttelte den Kopf, und seinen Körper selber schüttelte es, als sie begann, ihn mit ihren Armen zu umschlingen. „Mir ist wirklich nicht danach.“, meinte Piso scharf. Wie sollte er jemals wieder mit einer anderen Frau das Bett teilen? Das kam nicht in die Tüte!
    Und das Flittchen merkte das ebenfalls, denn als ihre rechte Hand noch seinen Hals umkoste, griff ihre linke Hand geschickt nach seinen rechts hängenden Geldbeutel. Sie hoffte wohl, Piso würde das, abgelenkt wie er war, nicht merken.
    Doch sie hatte sich getäuscht. Piso jaulte auf, als ob sie ihm in die Weichteile gekickt hätte, und umgriff seinen Beutel mit beiden Händen! Er hatte einiges an Geld da drinnen, das würde er sich nicht von einer Prostituierten, Schrägstrich, Diebin klauen lassen. Er riss sich unter Aufwendung all seiner Kräfte weg, drehte sich um, und rannte, was das Zeug hielt, direkt in irgendjemandes Arme.
    Er keuchte entsetzt. Das musste die Diebin sein! Jetzt war er geliefert! „Lass mich los, du mieses, verdammtes Stück, du willst mich doch umbringen, du billiges Flittchen du, du Drecksweib, du elend... OOOOOHHHHHHH, gnädigste Aurelia, welch Freude!“ Er rang sich ein verlegenes Grinsen ab, als er sah, in wen er da wirklich hineingerannt war.


    Sim-Off:

    Reserviert :D


    EDIT: Farbe...

    „Ich danke dir viele Male.“, meinte Piso salbungsvoll. Vor seinen Augen sah er bereits den Rubel rollen. „Wenn du zufrieden bist mit meinen Waren, können wir auch gerne noch über die Lieferung von mehr Waren reden!“, meinte er.
    „Nun denn. Ich freue mich schon, von dir zu hören. Man sieht sich dann hoffentlich!“, verabschiedete Piso mit aller Höflichkeit, die ein Patrizier einem Soldaten darbingen konnte. „Vale!“ Er machte sich dran, den Ort zu verlassen.

    Gracchus blickte zuerst einmal unbewegt auf die beiden Flavier. Dann, gleich nach den Beteuerungen des Piso, geschah etwas, womit der Flavier nie gerechnet hätte. Gracchus begann zu grinsen. Zuerst dachte Piso, er sähe nicht recht. Oder aber Gracchus zeigte das Grinsen eines Löwen, mit der die großen Raubkatzen ihre Beute einige Sekunden lang zu mustern pflegten (in der Phantasiewelt des Piso zumindest), bevor sie ihr Opfer mit Haut und Haar verschlangen. Nein, Piso fühlte sich gar nicht angenehm in seiner Haut. Am Liebsten wäre er einen Schritt zurückgegangen, um sich vor möglichen körperlichen Bestrafungen zu retten (zu tief nämlich noch waren ihm die Schläge, die sein Vater seinem Sohn verpasst hatte, in sein Gedächtnis eingekerbt) - wäre nicht hinter ihm das voll gefüllte Impluvium gewesen. Nass wollte er nicht werden. Und so trat er beiseite, zog eine Kline, welche im Atrium herumstanden, heran und setzte sich darauf, viel eher, als dass er sich hinlegte – zu einer solchen inherent gelassenen Position war er viel zu angespannt. Obwohl er mittlerweile des Umstandes gewahr war, dass Gracchus grinste, weil er die Angelegenheit, die Situation, einfach nur schlicht und ergreifend spassig fand.
    Gracchus machte eine wohl eher scherzhafte Bemekung zu Furianus hin, bevor er dazu überging, ihn NICHT zu schelten. Vielmehr stellte er einige allgemeine Fragen in den Raum (die Piso, innerlich, für qualifizierter befand als das gehässige Reden von Furianus). Er atmete tief durch, und begann dann, die Frage des Pontifex zu beantworten.
    „Aelius hat mir die Antwort quasi auf dem Serviertablett geliefert.“, sagte er. Er blickte nach links, und nach rechts, fast so, als würde er verborgene Lauscher wähnen. „Er erachtet Vescularius Salinator für eine Gefahr. Ich übrigens auch. Vescularius verachtet Patrizier. Aus diesem Grund verwehrte er mir jüngst mein berufliches Vorankommen. Ohne Zweifel hat er vor, die Macht der Patrizier zu beschneiden. Und die Macht des Kaisers. Natürlich nur solange, bis er selber Kaiser ist.“
    Piso blickte die beiden Senatoren ernst an. „Und so will Aelius mit uns einen Handel unterzeichnen. Keinen öffentlichen Handel, natürlich.“
    Er blickte nach oben, der Tag begann schon zu dämmern. Es hätte Nacht sein sollen, jene wäre eine perfekte Szenerie für solche Gespräche gewesen.
    „Ein Geheimbündnis gegen den Vescularier. Zum Schutz Roms.“
    Er räusperte sich. „Und er hat, wie schon gesagt, die Aufhebung der damnatio memoriae des Domitianus in Aussicht gestellt... wenn wir dafür bereit sind, eine öffentliche Entschuldigung abzugeben für das, was den Aeliern angetan wurde.“ Es war ein Tausch von symbolischen Gesten, welche aber solche Macht scheinends besaßen, dass beide Geschlechter krampfhaft daran festhielten.

    Als der Tiberier sich erhob und auf Piso zuschritt, musste jener den Reflex unterdrücken, nicht ein paar Schritte zurückzuweichen.
    „Danke...“, entgegnete er – abermals! – als Entgegnung auf Durus‘ Worte. Er musste sich selber eingestehen, ganz hundertprozentig wohl war ihm nicht. Was, wenn der Senator eines Tages in sein trautes Heim platzen würde und dem armen Flavier irgendeinen absolut lächerlichen und unerfüllbaren Wunsch abverlangen würde?
    Piso war nicht dumm, und wusste, dass es in der Politik vor allem darum ging, Steine im Brett zu haben. Immerhin schätzte wohl der Tiberier ihn als zukunftsträchtig genug ein, um sich die Mühe zu machen, in ihn zu investieren.
    Zwar lächelte Piso breit und artig, jedoch konnte er eine gewisse Unsicherheit nicht abschütteln. Ach was, meinte er dann zu sich selber. Es handelt sich hierbei ja um keinen Unbekannten. Dieser Mann ist Furianus‘ bester Freund im Senat, und sicher wäre er das nicht, hätte er einen dubiosen Charakter.
    Dieser eine Gedanke verdrängte sein kurzes Gefühl, etwas bei dieser Angelegenheit etwas verschachert zu haben, etwas, was noch in der Zukunft lag.
    „Gemäß dem Falle, du kämest auf mich irgendwann zurück, wäre es mir eine Ehre, dir weiter zu helfen.“
    Bona dea, er klang schon wie eines der Kanzleischreiben, die er tagtäglich aufzusetzen pflegte.

    ...sollte der Brief gehen, den ein flavischer Sklave einwarf.


    Ad
    Caius Aelius Archias
    Habitatio Aeliana
    Alexandria
    Provincia Alexandria et Aegyptus


    Ahoi Archi,


    Dass man von dir auch wieder mal was hört! Wie sagt man aber so schön, keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten. Könnte mir gut vorstellen, dass du mir, wenn dir wieder mal eine Leber über die Laus gelaufen ist (oder war das andersrum?) einen Brief schicken würdest, der eine einzige Heultour wäre.


    Ja, den Fischladen habe ich nun, und er läuft, naja, ganz passabel. Ich habe auch einen neuen Werbegag – jemand läuft vor meinem Laden am Markt, verkleidet als Fisch, herum, und preist meine Ware an. Eine geniale Idee, nicht wahr? So werde ich in kürzester Zeit stinkreich, sage ich dir! Was ich nicht verkaufe, esse ich selber... du kannst dir vorstellen, was für tägliche Fischorgien ich bei mir in der Villa abziehe. Und, jetzt kommt es – ich bin dabei, ein Sägewerk zu kaufen, und zwar in Germania, der Heimat des Holzes. Ich schicke zwei Sklaven von mir dorthin – und die kaufen mir den Laden dann! Und fertig! Ich rieche da ein gutes Geschäft, mein Freund...


    Keine Sorge, Archi. Ich werde nächstes Jahr kandidieren, und zwar fix! Einen ordo senatorius habe ich noch nicht, aber den werde ich mir schon noch holen. Ich werde hoffentlich nicht mehr allzu lange in der Kanzlei mein Dasein fristen müssen (es ödet mich dort schon an). Ich habe mir nämlich einen Patron genommen – jawohl! Die Auswahl war nicht einfach, aber ich bin bei Purgitius Macer gelandet. Der wird mir hoffentlich alles verschaffen, was ich brauche.


    Apropos, kannst du mich als Priester vorstellen? Nein? Morgen nämlich bin ich bei den Arvalbrüdern eingeladen, ich soll dort Mitglied werden. Ist das zu fassen? Ich war nie ein so religiöser Mensch, und jetzt bin ich nur noch mehr dabei, spirituellen Angelegenheiten hinterher zu rennen! Vielleicht werde ich ja noch auf meine alten Tage irgendein Haruspex oder ein Septemvir. Mal sehen, wie es läuft.


    Dass du nach Rom kommst, finde ich Klasse. Klopf einfach bei der Villa Flavia an, wenn du wieder hier bist! Dann können wir gleich beginnen, deinen Junggesellenabschied zu planen.


    Quarto ist sicher ein guter Mann, der einiges für dich tun kann. Wenn alles glatt läuft, schneit er auch mal bei uns vorbei – ich habe ihn zu uns eingeladen! Meine Verwandten sind deswegen nciht ganz begeistert, aber ich werde sie noch rumkriegen. Schließlich geht es ja nicht an, dass wir, die Flavier und die Aelier, uns noch ewig in den Haaren liegen!


    Aber Germanien ist sicher toll. Dort will ich auch mal hin. Mal sehen, vielleicht kriege ich irgendwann ein Tribunat dort. Haha, ich als Soldat! Kannst du dich noch erinnern, wie ich mit meinem Holzschwert beim Üben immer daneben gehaut habe? Aber es wird sicher in Ordnung kommen.


    Ach ja, Imperiosus. Was macht Impi denn in Aegyptus? So wie ich den kenne, ist er eh nur auf der faulen Haut gelegen. Aber er ist ein anständiger, netter Bursche. Wenn du mal in die Kanzlei kommst, dann solltest du unbedingt was unternehmen, dass er weiter nach oben kommt, er hat es sich verdient.


    Danke für die Empfehlung! Was du da sagst, klingt super... aber ich weiß nicht, inwieweit mir momentan nach Frauen ist. Ich habe dir ja erzählt, wie ich mir die Decimerin angelacht habe? Verschwunden ist sie! Einfach abgehauen! Mir nichts, dir nichts! Ich bin ihr schon etwas böse deswegen. Aber mal sehen, vielleicht ist die Iunierin die Eine. Auch wenn sie Plebejerin ist (meine lieben Verwandten würden mich auspeitschen, wenn sie wüssten, dass ich etwas mit einer Plebejerin habe!).


    Hast du Iunius Merula gesagt? Verdamm mich, den kenn ich! Der Luchs hat mir bei einer Wette 100 Sesterzen abgezockt! Frag ihn, ob er sie wenigstens ordnungsgemäß versoffen hat, wie es sich für gewonnenes Wettgeld gehört!


    Ich hoffe, ich seh dich dann bald!


    In Freundschaft



    PS: Na, wie gefällt dir meine neue Unterschrift? Ich habe sie mir mühevoll antrainiert.




    Sim-Off:

    Wertkarte. Wertkarte. Wertkarte. Habe ich schon Wertkarte erwähnt? :D

    Ach, das Lächeln einer alten Dame konnte verzücken. Piso dachte kurz nach. Wenn seine Mutter noch lebte, wäre sie vielleicht in ihrem Alter... vielleicht ein wenig jünger, aber nicht signifikant. Dunkle Erinnerungen kamen hervor, doch er verdrängte sie gekonnt. Er wollte nciht daran denken. Konzentriert sah er Laevina an und versuchte dabei, nicht an seine Mutter zu denken. Indes lächelte er zurück. „Vielleicht hast du da ja auch Recht. Vielleicht sollte ich mich wirklich aufs Dichten konzentrieren, denn das kann ich einen Sklaven aufsagen lassen. Dann kriegt der das faule Obst ab.“ Er lachte falsettlastig und zwinkerte zurück. Selbstironie war nicht unbedingt das Ding des Piso, also musste man annehmen, dass er es als Scherz gemeint hatte. Niemals würde er auch nur annähernd annehmen, dass wirklich jemanden sein Gedicht nicht schätzen könnte.
    Welches in seinem Kopf übrigens schon eine Form angenommen hatte. Ein Gerüst, ein wahrhaft elend langes Gerüst, welches sich streckte und dehnte, wo 20 Minuten lang wohl mal nichts passierte, wo entweder Tarquinius, Lucretia oder Collatinus in hirnlosen Gedanken verstrickt waren, die man vernünftigen menschen nicht zumuten würde. Wo die Handlung stanzenlang durch irgendwelche Hirngespinste und metaphorischen Abwandlungen unterbrochen wird. Da würde Tarquinius herumgrübeln, bis es zur Schändung käme! Sein Schwert würde er hunderttausendmal ausziehen und wieder einstecken, ohne sonst etwas damit zu tun! Malerisch würde seine Niederträchtigkeit und Lucretias Schönheit beschrieben werden, tragisch, wie Collatinus seiner Lucretia beraubt würde! Und vielleicht eine Zeile, die ein Happy End daraus schustert. Die Gedankengänge des Flaviers wurden nur in seinen Augen manifest, wo bereits wirre Ideen in der Form von flimmernden Punkten einander jagten.
    „Es ist selbstredend, dass ich dir eine Einladung zukommen lasse. Wenn du ein oder mehrere Mitglieder deiner Gens mitbringen willst, so sollen sie willkommen sein.“, versprach er. Und, wer den Flavier kannte, wusste sofort, dass er bei dieser Sache keine halben Sachen machen würde. Das Gedicht würde lang werden. Elend lang.Der arme Sklave, der damit beauftragt sein würde, es vorzulesen, würde lang beschäftigt sein. Beim Gedanken daran entglitt ihm ein Lächeln, welches, unbeachtet der Wärme, welches es ausstrahlte, Böses vermuten ließ. Laevina sollte wohl, so würde der objektive Beobachter ihr zuflüstern, ihren Uhuschlaf vor der Aufführung noch einmal gut durchtrainieren.
    Politik jedoch faszinierte Piso nicht minder, und er nickte mit einem ein wenig gequälten Lächeln. Ja, natürlich war es gut so, aber... er würde es ohne diesen Zustand bedeutend leichter haben.
    „Ich denke durchaus, dass du Recht hast, ja.“, stimmte er zu. Mehr Worte verschwendete er gar nciht darauf. Wenn es so wäre wie früher, wo eine Unze Abstammung mehr wert war als ein Pfund von Meriten, dann würde er sicher schon ganz oben sitzen. Aber dem war nun halt nicht so.
    Ihre Frage versetzte ihn in kurzes Nachdenken. „Eines, wo man Kapital und Ansehen sammeln kann. Momentan strebe ich nach dem Amt des Architekten der Regio Italia. Da müsste ich dann den ganzen Tag Pläne zeichnen. Das wird sicher nicht schlecht.“, merkte er an. „Ein ritterliches Amt in der Kanzlei wäre auch schön gewesen, aber das geht nicht.“ Er seufzte. „Wer weiß, ob ich überhaupt noch jemals von meinem Posten wegkomme, ich hocke dort schon Äonen lang herum. Hoffentlich werde ich nächstes Jahr Vigintivir, dann wird alles gut. Dann nehme ich einen Tribunatsposten irgendwo an, vielleicht in Britannia oder Germania oder so, und dann habe ich meine Zukunft in der Tasche.“ Er blickte leicht schräg nach oben. „Vielleicht aber hätte ich auch gleich einen Posten im Cultus Deorum erlangen sollen. Das wäre wohl der einfachste und unsteinigste Pfad...“

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    TIBERIUS OCTAVIUS DRAGONUM


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE NON NOV DCCCLIX A.U.C. (4.11.2009/106 n.Chr.)


    ZUM
    PRAEFECTUS LEGIONIS
    der LEGIO XXII DEIOTARIANA



    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    LUCIUS IUNIUS SILANUS


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE NON NOV DCCCLIX A.U.C. (4.11.2009/106 n.Chr.)


    ZUM
    PROCURATOR AB EPISTULIS





    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ENTLASSE ICH
    APPIUS TERENTIUS CYPRIANUS


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE NON NOV DCCCLIX A.U.C. (4.11.2009/106 n.Chr.)


    AUS DEN DIENSTEN DES
    PRAEFECTUS LEGIONIS
    der LEGIO XXII DEIOTARIANA



    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    APPIUS TERENTIUS CYPRIANUS


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE NON NOV DCCCLIX A.U.C. (4.11.2009/106 n.Chr.)


    ZUM
    PRAEFECTUS ALAE
    der ALA II NUMIDIA



    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ENTLASSE ICH
    DECIUS GERMANICUS CORVUS


    MIT WIRKUNG VOM
    PRIDIE NON NOV DCCCLIX A.U.C. (4.11.2009/106 n.Chr.)


    AUS DEN DIENSTEN DES
    PRAEFECTUS PROVINCIALIS
    der PROVINCIA AEGYPTUS ET ALEXANDRIA


    Zitat

    Original von Marcus Decimus Mattiacus
    Der Iantor runzelte die Stirn. "Iunia Narcissa? Das ist hier die Casa Decima, da bist du falsch hier."


    Piso grinste überlegen, seine Schlaftrunkenheit hinter sich lassend. Sandmann war weg, flavische Selbstsicherheit war wieder da. „Da liegst du falsch. Iunia Narcissa hält sich in dieser Casa auf, wenn sie nicht in atemberaubenden Tempo umgezogen ist.“, meinte er, sich seiner Sache ganz sicher. Am liebsten wäre er einfach um den Ianitor herumgegangen, aber der Anstand gebot Anderweitiges.

    Piso lächelte, ein wenig Ungläubigkeit schien durch sein Lächeln. Hatte der Consul Electus ihn gerade als Freund bezeichnet? Offenbar. Wodurch hatte er das bloß verdient, dachte sich der Flavier in einem Anfall von Minderwertigkeitsgefühl. Er rang sich ein Lächeln ab. „Ich schätze dein Geschenk über alle Maßen, und hoffe, ich kann mich in Zukunft revanchieren.“, antwortete er, glücklich.
    Als der Tiberier ihn fragte, ob er noch etwas wollte, dachte Piso kurz nach und schüttelte dann den Kopf. „Ich denke nicht, ich fühle mich jetzt schon schlecht, weil ich soviel von deiner kostbaren Zeit in Anspruch genommen habe.“, fiel ihm als Antwort ein. Wenn ihm später etwas einfiele, was er bräuchte, könnte er sicherlich wieder zu ihm. Ein Consul hatte seine Türe dem Volke offen zu halten.

    Piso mochte durchaus seine Schwächen haben – nein, er hatte sie definitiv, und sie drohten seine Meriten manchmal zu übertrumpfen. Doch er konnte mit Stolz behaupten, dass er nicht die Schwächen, die brutale Ader, seines Vaters hatte. Er ging nicht über Leichen. Er war kein Mörder. Er mochte nicht perfekt sein, doch er hatte keinen Grund, sich vor sich selber zu ekeln, so, wie es ihm vor seinem Vater mittlerweile grauste. Am Liebsten hätte er seinem Onkel nun alles erzählt, was er über seinen Vater erfahren hatte. Doch er traute sich nicht. Es würde, wenn es nicht nach flavischer Manier unter den Tisch gekehrt werden würde, eine Katastrophe ergeben. Und so erhielt er nur ein vages Lächeln aufrecht, als sein Onkel eine schmunzelnde Bemerkung über seinen Vater machte. Nein, das war kein Mann, der sich auch nur im Geringsten vorstellen könnte, wie sich Aetius in Ravenna gebahrte. Oder ein Mann, der einfach zu kaltblütig war, als dass es ihn berührt hätte (letzteres wollte Piso, ganz Advokat, gemäß dem Grundsatz „in dubio pro reo“, nicht annehmen).
    So lächelte er nur, ein wenig eingefroren erschien sein Lächeln jedoch. Er erwiderte allerdings nichts. Er hätte sowieso nicht über seine Lippen gebracht. So entstand wiederum eine ein wenig unangenehme Situation – die unangenehme geistige Präsenz seines Vaters schien solche Situationen geradezu heraufzubeschwören.
    Doch gerade noch rechtzeitig wandte sich das Gespräch in eine bessere Richtung, aufgrund desser Piso von seinen düsteren Gedanken abkommen konnte.
    „Das sehe ich durchaus, und ich bin sehr froh darüber!“, lächelte Piso. Zwar hatte ihm sein Vater damals tatsächlich das eine oder andere über Manius Sabinus erzählt. Doch das bekümmerte ihn nicht mehr. Er hatte beschlossen, alles über Bord zu werfen, was sein Vater ihm gesagt hatte. Dadurch konnte er nur ein besserer Mensch werden. Und er trat Onkel Manius mit einer inneren tabula rasa entgegen.
    „Ein Unfall? Das ist ja schlimm! Wie ist das denn gekommen? Etwa auf einer deiner Reisen?“, verwunderte sich Piso, ein wenig neugierig durchaus, denn er wusste noch gar nicht, was sein Onkel die ganze Zeit hindurch getrieben hatte. „Und, du weißt, dass wir dich hier gerne aufnehmen. Ich lasse gleich jemanden wissen, dass dir ein Zimmer hergerichtet werden sollte!“, meinte er, konnte aber, als er durchs Atrium blickte, keinen Sklaven erblickte. Typisch, immer, wenn man sie brauchte, waren sie weg!
    Dass Severus dadurch nur noch mehr seine Aufmerksamkeit hatte, war klar. „In diesem Falle sind wir als Familie dir zu Dank verpflichtet.“, meinte er zu jenem. „Solltest du unsere Gastfreundschaft gebrauchen, sind wir selbstverständlich bereit, dir ein Cubiculum anzubieten, als Freund der Familie.“ Er murmelte zu sich selber: „Es stehen zur Zeit eh so viele leer...“
    Kurz verlor er sich selber in Gedanken, bevor er wieder aufschaute zu seinem Onkel. Was hatte jener für Abenteuergeschichten zu erzählen?

    Heute war der Tag, der Tag der Contio. Piso hatte sich den Termin sehr genau im Gedächtnis gehalten. Leicht aufgekratzt war er hierher gekommen – er hatte doch den Termin nicht verschlafen – nein! Er war pünktlich da, beim Tempel der Concordia. Dass er nicht sitzen konnte, störte Piso nicht. Hauptsache, hier sein!
    Er stellte sich an einer strategischen Position halbrechts hinter Durus auf und lauschte dessen Rede. Heute war offenbar einiges los! Pisos Lauscher stellten sich auf, als sein Name fiel. Und nun wurde er nach vorne gebeten! War das vielleicht aufmürbend...
    Als Piso nach vorne ging, zu der Stelle, die Durus ihm frei gemacht hatte. Er räusperte sich, bevor er zu sprechen begann. „Danke, Consul Electus.“, machte er erst einmal. Das war ja wie eine Senatsrede im Kleinen.
    „Werte Arvalbrüder.“
    Er hatte lange überlegt, wie er die Versammelten anreden sollte. Diese Anrede war ihm opportun erschienen – zumindest geeigneter als manche der Anreden, die er sich ausgedacht hatte.
    „Ich will vorausschicken, welch Freude und Ehre es mir ist, von einem solch eminenten Gremium wie dem Eurigen in Betracht gezogen zu werden.“
    Seine zusammengefalteten Hände, sein Blick, sein leicht zusammengezogener Kopf, all dies strömte Ehrfurcht und Demut aus.
    „Es ist, wie Tiberius Durus es schon gesagt hat, mein Wunsch, Arvalbruder zu werden.“Seine Gestik lockerte sich ein wenig.
    „Die Arvalbruderschaft ist eines der ehrenwertesten und ältesten religiösen Konglomerationen in Rom, und es wäre eine Ehre für jeden, Mitglied zu sein. Ich habe mich entschieden, mich bei eurem Gremium zu bewerben, weil ich überzeugt bin, dass ich Rom damit hilfreich sein kann.“
    Sein Kopf reckte sich leicht, er ließ seinen Blick durch die Reihen der Arvalbrüder wandern.
    „Jeder einzelne von euch tut seinen Teil für das Wachstum und die Prosperität von Rom, indem ihr durch euren Kult Dea Dia ehrt. Ich will es euch gleich tun. Ich will Rom meine Dienste als Arvalbruder anbieten, sodass ich beim jährlichen Opfer der Arvalbrüder, welches den Stand Roms als Herrscherin der zivilisierten Welt gewährleistet, meinen Teil zur Größe Roms und zur Pax Deorum beitragen kann.“
    Er streckte seine rechte Hand vor und beschrieb eine Drehung des Handgelenkes. Er sah schon viel selbstbewusster und weniger humil aus als am Anfang. Siene Stimme schwoll an.
    „Was also habe ich euch zu offerieren? Ich habe durch eine große Anzahl an Opfern in jüngster Zeit und durch intensives Studium von religiösen Texten mein Wissen um die Religio Romana auf einen hohen Stand* gebracht. Ich habe keine Mühen gescheut, mir das anzueignen, was zu wissen einem Arvalbruder angemessen ist. Insbesondere viel Erfahrung sammelte ich bei Besuchen beim Hain der Dea Dia, welcher ich auch jüngst geopfert habe.“
    Er war nun komplett aufgerichtet, seine Stimme war durchdrungen von Selbstsicherheit.
    „Aus diesen Gründen bitte ich euch, mich aufzunehmen. Ich werde ein guter, gewissenhafter und frommer Arvalbruder sein. Ich verspreche es euch, ich werde alles geben, damit ihr es niemals bereuen werdet, mich aufgenommen zu haben – sowie ihr dies für angemessen empfindet.“
    Gab es Fragen? Piso blickte in die Versammlung hinein.


    Sim-Off:

    *PRS II

    Die Lobhudeleien Pisos wurden gnädig aufgefasst, doch Durus befasste sich gar nicht allzu lange damit, bevor er sich dem eigentlichen heutigen Geschäft zuwandte. Nun würde doch endlich wieder eine Contio statt finden. Wieso erst jetzt, wusste er nicht (er hatte ja – noch – keine Ahnung von den inneren Problemen der Arvalbrüder), aber er war froh, eine Anhörung zu bekommen. Er nickte dankbar. „Danke...“, meinte er, weiter kam er nicht, denn der Sklave teilte ihm ein Datum mit. Er nahm es zur Kenntnis und notierte es sich innerlich in seinem Gehirn.
    „Ich danke dir viele Male für deine Unterstützung.“, meinte Piso. „Ich werde da sein, und ich werde dich nicht enttäuschen.“Er konnte es sich nicht verkneifen, zu denken, dass ihn der Pontifex durchaus schnell abwimmeln nun wollte, hatte ihn doch Piso, wie es schien, bei etwas Wichtigem... unterbrochen.