Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Nein? Es gab niemanden mehr, der noch etwas sagen wollte? Alles klar!
    Piso räusperte sich gewichtig, rückte sich mit einer bedeutungsschwangeren Geste, die für gewöhnlich mit bedeutsamen Ereignissen in der Geschichte einhergingen, die Toga zurecht, räusperte sich abermals und setzte dann zu den letzten Worten an.
    “In jenem Fall erkläre ich diese Sitzung für geschlossen. Ich danke allen für ihre Anwesenheit. Dea Dia sei mir euch.“

    Es dauerte keinesfalls lange, da erschien Gracchus an der Szenerie. Piso hielt ein erfreutes Lächeln für seinen Vetter bereit, als dieser seiner Sänfte entstieg und ihn warm begrüßte. Mit seinem Praenomen, wie es Piso auffiel. Gracchus hatte nicht vergessen, worauf sich die beiden an jenem Abend in der Villa Flavia geeinigt hatten.
    Tja, was sollte er auf Gracchus‘ Worte, die er wirklich sehr nett fand, erwidern, ohne zu bescheiden oder zu großspurig daherzukommen? Hmm, vielleicht nichts? Er lächelte also nur weiter und nickte. “Ich freue mich sehr über deine Worte. Die Jahre werden zeigen, ob ich deine Erwartungen erfüllen kann.“ Ach, sicher würde dies eintreten, sagte er sich. Sicherlich. Er war ja nicht irgendjemand. Er war ein Flavier. Und einen versagenden Flavier, das musste man ihm erst noch zeigen!
    Genau in diesem Moment kam auch Durus. Piso wandte sich um und bedachte auch den alten Tiberius, dessen überdimensionale Ohren ihn schon immer fasziniert hatten, mit einem Lächeln. “Tiberius, salve! Ich denke, ich bin bereit. “ Er dachte daran, wie er das letzte Mal in ein Priestercollegium berufen worden war, damals war er Septemvir geworden. Der Augur Aurelius Orestes, ein Verwandter seiner Frau, hatte ihn inauguriert. Nun war es an Tiberius Durus, dies zu tun.
    “Wann fangen wir an?“ Soweit er sah, hatten sich ja alle Pontifices schon versammelt und das Spektakel konnte anfangen. Endlich war es soweit. Hurra...

    Arrrgh. Gracchus klopfte ihm auf die Schultern. Irgendwie taten sie das ständig, alle Gratulanten, Klienten und sonstige Glückwünscher. Sie klopften auf die Schulter, ohne zu wissen, dass die Schulter Pisos empfindliche Stelle hatte. Er hatte eine regelrechte Phobie davor, dort ein weniger fester als sachtest hinaufgeklopft zu werden. Es verursachte in ihm ein krampfhaftes Zusammenzucken, als würde man ihn mit dem Tode bedrohen. Natürlich wusste Piso, dass Gracchus es freundlich meinte. Aber dieses Schulterklopfen... urrg. Vielleicht sollte er einmal allen unmissverständlich klar machen, dass seine Schulter eine Tabu-Zone war? Hmm. Vielleicht war jetzt die richtige Zeit, Gracchus hatte das Zusammenzucken des jüngeren Flaviers unter Garantie gesehen.
    “Ähm“, machte er mit einem verlegenen Lächeln. “Verzeihung. Es ist nur so... meine Schulter ist eine etwas empfindliche Stelle bei mir...“ Hoffentlich genügte das als Erklärung. Hoffentlich gab Gracchus ihm nicht jetzt irgendwelche Ratschläge, die beinhalteten, dass irgendjemand an seinen Schultern herumdoktorte. Piso konnte so etwas auf den Tod nicht ausstehen. Wenn schon das bloße Hinaufklopfen bei Piso solche Reaktionen auslöste, da wollte er selber lieber nicht wissen, wie es sich anfühlen würde, schlitzte dort jemand herum. Es würde schlimm sein.
    Ach wenn dieses Mal, um ehrlich zu sein, seine Reaktion abgedämpft wurde durch seinen Adrenalinrausch. Noch immer pumpte das Blut durch seine Adern, ließ seine Gefühle wellenartig aufpeitschen, bewirkte ein Rauschen in seinen Ohren.
    Ob dies durch Wein gelindert werden konnte, dieses Gefühl?
    Er nahm zur Kenntnis, wie Gracchus jetzt, da Piso es ihm herausgedeutet hatte, auf Aulus umschwenkte. Piso grinste jetzt doch wieder. “Darauf stoße ich gerne an, Manius. Auf uns und unsere Gens. Möge sie erblühen und erwachsen. Dies an dich, Dea Dia, lasse Wachstum einkehren in diese Mauern.“ Er kippte seinen Becher ein wenig, um etwas Wein als Trankopfer auf den Boden tröpfeln zu lassen für die Göttin, deren Oberpriester er jetzt war. Zum Magister der Arvalbrüder ausgerufen worden zu sein ergab noch immer ein sehr seltsames Gefühl in ihm, aber eines war sicher – er würde sich eine Statue der Göttin des Wachstums besorgen und sie in sein Arbeitszimmer stellen lassen, neben Vespasian hin. Und, wenn er schon dabei war, würde er sich auch noch gleich eine Statuette von Apoll besorgen. Venus hatte er ja schon in seiner Sammlung, genauso wie Titus, der schon seit Anbeginn seines Aufenthaltes in Rom in seinem Cubiculum stand.
    Gracchus sprach plötzlich etwas an, was bei Piso inneren Unmut auslöste. Er mochte nicht über seinen Vater reden, nicht jetzt, niemals! Und doch erschien ihm eine Antwort unumgänglich. “Er wird wieder nach Ravenna zurückkehren“, informierte er deshalb, versuchend, sich nichts anmerken zu lassen, “Meine kleine Schwester wird er aber hierlassen. Domitilla. Ich werde sie wohl am Hals haben in Zukunft. Wobei ich verwundert sein sollte, dass mein Vater mir die Rolle eines Aufpasswauwaus zutraut.“ Er trank einen großen Schluck von seinem Becher Wein, wie, um Erinnerungen herunterzuspülen.

    Ahhhh, es war herzerwärmend. Wie sie ihre Hand auf seinen Arm legte... wieso nicht immer so? Hie und da Wärme unter Geschwistern. Damit konnte er sich anfreunden. Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln. So näherte man sich. Man schloss Kompromisse. Piso verzichtete darauf, allzu nervig und kindisch – einmal in ihrer Präsenz – in der Öffentlichkeit zu agieren. Und sie zeigte ein bisschen Ankuschelungsbereitschaft.
    Er nickte kurz dem Sklaven zu, der den Becher füllte und ihn mit einer submissesten Geste an die Schwester seines Dominus reichte.
    Piso konnte nicht verleugnen, dass er tief in sich drinnen enttäuscht war, dass sie genuin nichts zu bemäkeln hatte bei Lupus. Piso hatte sich das anders vorgestellt. Ja, in seiner ausgeprägten Phantasie war er beriets, in der Rüstung eines strahlenden [strike]Ritters[/strike] Legionärs, zu ihr geritten und hatte Lupus die Ohren für seine Niederträchtigkeit ausgerissen. Aber man konnte auch das Gute darin sehen. Ha, Lupus, dachte er in sich drinnen. So viel Schiss hast du vor mir, dem allmächtigen Flavius Piso, dass du nicht wagst, Nigrina nur ein Ohrläppchen zu krümmen! Es war doch schön, sich die Realität so zu konstruieren, so dass sie einem genau passte. Nur das zu sehen, was man wollte! Dann sah man nur schöne Sachen!
    Er lächelte also. “Das finde ich schön! Mir geht es auch sehr gut! Ich kann meine Hochzeit gar nicht erwarten, sage ich dir!“, breitete er ihr seine Vorfreude auf dieses Ereignis aus, bevor er auf seine Senatorenwürde angesprochen würde.
    Piso lachte heraus. Ertrappt! "Ich grinse? Ach so? Nun ja, wird wohl so sein, weil ich mich so freue, dich zu sehen, Schwesterherz!", versicherte er ihr, eifrig nickend. Dann lachte er abermals, gerade, als sie Senator sagte. Denn in diesem Moment kam ihm gerade, was es genau war, was ihn besser machte als Lupus! Das, was er nun herausdeutete, seine rötlichen Zierstreifchen, für ihn das Beste seit der Erfindung der Lyra. “Danke, Nigrina! Denkst du nicht auch, dass mir die purpurnen Streifen gut stehen?“ Er warf die Arme leicht hoch, sodass sie seine Tunikenpracht in ihrer Gänze bewundern konnte. Ob er eitel war, gar eingebildet? Oh nein! Er stellte nur zur Schau, dass er nun Rom umso besser dienen konnte. Oder so was in der Art, die abgedroschenen Phrasen verbleichten in seinem Hirn schon ein bisschen.

    Er kannte den ort. Er kannte den Geruch des Ortes. Er kannte das Gefühl des Ortes, den Klang des ortes, und irgendwie kam ihm sogar die Temperatur bekannt vor.
    Er war schon einmal hier gewesen.
    Er erinnerte sich, wie er damals noch ein Kanzleibeamter war, zitternd auf den großen Sprung wartend. Den großen Sprung nach oben. Der ihm jetzt, in den Dimensionen, in der er nun zu denken pflegte, wie das Hüpfen eines nicht allzu großen Frosches im Laub erschien.
    Jetzt hatte er alles, was er wollen hatte im Leben. Er war Senator, hatte eine herzallerliebste Frau, und war nun buchstäblich ein paar Schritte entfernt von seiner Ernennung zum Pontifex. Pontifex, wie das klang. Der Brückenbauer. Ja, Brücken würde er bauen, zwischen den unsterblichen Göttern und den kleinen Menschen da unten auf der Erde. Lange und breite Brücken. Sie würden staunen, alle miteinander, staunen und vor Ehrfurcht im Boden versinken!
    Doch die Zeit, in welcher sich seine megalomanischen Vorstellungen verwirklichen würden, die war noch nicht angebrochen. Bislang war nur etwas passiert. Und zwar, dass er hier eingetrudelt war. Und zwar vor allen anderen. In anderen Worten, er war ein wenig zu früh da. Die Versuchung war groß, zurück zur Sänfte zu jappeln und dort eine Jause zu jausnen. Doch er ließ es sein. Ein Pontifex snackte nicht.
    Er trat also dezent zurück von der Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, schloss die Augen, lächelte entrückt und legte seinen Kopf in den Nacken, die Sonne auf sein Gesicht scheinen lassend. So hielt er ein paar Sekunden inne. Endlich aber verließ er diese Haltung wieder, um sich wieder normal hinzustellen und auf die anderen zu warten, die Pontifices, die Auguren und die sonstigen priesterlichen Gestalten, die hier antanzen müssten. Bald einmal.

    Häh? Was ging hier ab? Piso blickte nicht durch. Seinen Blick hielt er starr auf Gracchus gerichtet, als könne er bei ihm Halt finden und in ihnen die Antworten auf all seine Fragen finden. Doch Gracchus schwieg nur. Was in seinem Kopf so alles vorging, konnte der beste Gedankenleser nicht erahnen. Ach Götter, selbst wenn es Gracchus ausdrücken würde in Worten, würde man nicht recht dahinter kommen. Piso blieb nichts anderes übrig, als Gracchus seine monumentalistischen Konstrukte selber zusammenzuspinnen, und wandte sich wieder der echten welt zu, die sich da nun vor ihm abspielte zwischen Ursus und Prisca. Ui, war das dicke Luft? Nun, wenn, dann war es eine inneraurelische Angelegenheit. Und wenn es hart auf hart kam, würde er seine Unterstützung hinter sein Herzblatt werfen. Ja, das klang nach einem Plan.
    Erstmal Prisca. Sie hatte Antonia gemeint? Sicher, dachte sich Piso innerlich. Sicherlich! Antonia würde nichts anbrennen lassen. Sie wäre die perfekte Pronuba. Septima... hmm, Piso kannte sie nicht mehr als nur oberflächlich. Was, wenn sie eine schlampige Chaotin war, die die götter wussten was für Sachen anstellen würde? Nein, wenn er ehrlich mit sich war, war Antonia die sichere Variante. Der Gedanke, dass es eine Claudia Antonia sein würde, die ihn mit Prisca verbinden würde, beruhigte ihn innerlich.
    Er nickte ihr zu und lächelte. “Claudia Antonia finde ich ausgezeichnet. Du hast eine sehr gute Wahl gemacht.“ Ursus war sicher nicht der Froheste darüber. Aber nicht jedermanns Frau konnte alle Hochzeiten in Rom für sich beschlagnahmen. Nein, Antonia war schon recht. Je länger er darüber nachdachte, umso besser erschien ihm Priscas Wahl. Und, sie kannte Septima besser als er. Vielleicht so gut, dass sie es im Bereich des Möglichen hielt, dass die Tiberia versagte.
    Ursus versicherte sehr überzeugend, dass Septima nicht böse sein würde, und Piso entschloss sich, es ihm abzunehmen. Er lächelte ihm also folgerichtig zu und schielte mit dem selben Lächeln dann zu Gracchus hin. “Du hast sicher nichts dagegen, Vetter, das wir uns deine Frau ausborgen, nicht wahr?“

    Es taugte dem Flavier aus den Tiefen seines beschwipsten Herzes heraus, dass sie seinen Gesang für gut befand. Nun ja, eigentlich war es ja eine Selbstverständlichkeit. Er lächelte weinselig und stürzte abermals einen Becher in sich herab. Wein mochte Piso zur Zelebrierung von Erfolgen. Wenn er versagte oder sich Kummer machte, dann zog er sich in sein Zimmer zurück und klampfte an seiner Lyra herum. Und ja, er besoff sich auch dann. Doch nun war nicht die Zeit, daran zu denken! Nun war die Zeit, um lustig zu sein! Trallala!
    Als er ihr umständlich erklärte, was so eine Calatrix machte, sah er keine Reaktion in Bridhes Gesicht. Natürlich nicht. Seine Vison war sehr eingeschränkt durch den vielen Wein, den er vertilgt hatte. Erst, als er auf den Tisch klopfte, und damit Vibrationen von unvorhergesehenen Ausmaßen auslöste – was ihn doch nur zum Gedanken veranlasste, dass er der Größte und Beste war, obwohl die Sachlage sich natürlich so darstellte, dass Piso kein besonderer Kraftlackel war – regte sich bei Bridhe etwas. Obgenannter Becher. Piso blinzelte und glotzte ziemlich intelligenzlos drein, als er sah, wie der Wein einen Flecken auf bridhes Tunika hinterließ.
    “Oh...“, lallte er und erhob sich unter gewaltigem Schwanken, als sei er ein Matrose auf hoher See, von seinem Stuhl. “Das... das tut... tut mir jetzt Leid... Leid... tut...“ Er stolperte, die Gesetze der Gravität durch seine seltsame Gangart ins Gesicht spucken wollend, auf Bridhe zu. Doch noch bevor er sie erreichen konnte, schlug Isaac Newton, obwohl noch lange nicht geboren, mit erbitterer Gnadenlosigkeit zurück. Piso ruderte mit den händen, doch das konnte ihn nicht daran hindern, dass er nach vorne fiel und sehr, sehr ungraziös am Boden aufkam. Passierte ihm in letzter Zeit das nicht häufiger? Er baute ab, dachte er... und nicht nur in der Hinsicht. Denn er spürte, wie ihm im Rachen plötzlich die Galle hochkam. Ah, das war der Rote... eine grässliche Brühe... wenn es nur irgendwo... irgendwie... ah!
    Er verkrallte seine Hände beim nächstbesten Gegenstand, den er finden konnte. Es handelte sich hierbei um eine Zimmerpflanze unbestimmter Spezies, die er irgendwann einmal im Zimmer abstellen ließ und bis nun vergessen hatte. Jetzt aber diente sie ihm gut. Er wuchtete sein Haupt hoch, legte das Kinn auf den Rand des Topfes und rief dann den Genius der Topfpflanze an. In anderen Worten, er kotzte seine Seele heraus.
    “Bröööööööööööhhhhhh!“, brach es (ganz sprichwörtlich) aus ihm heraus, als er eine Welle unschönen Breies auf den Humus vomitierte. Er atmete tief durch, als er seinen Kopf zurückdrehte zu Bridhe und sie mit seinem kotzeverschmierten Mund angrinste. “Keine Sorge, Kleines, Käpt’n Piso hat das Schiff unter Kontroooooooouuuuuuäääääähhh!“ Dieses Mal auf den Boden.

    Piso strahlte übers ganze Gesicht. Er strahlte, als ob er bei irgendeiner doofen Wette in einer abgelutschten Kneipe eine Million Sesterzen gewonnen hätte. Er schien seinem Neffen etwas beigebracht zu haben! Richtig beigebracht! Das war großartig. Er war doch der Beste! Anders konnte man sich das einfach nicht erklären.
    Sein Grinsen verebbte, als er seine Lippen wieder dazu zwang, in eine normale Form zurückzugleiten, sodass er mit ihnen wieder Worte formen konnte.
    “Gut gemacht, Minimus, sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich!“, machte Piso, während er dabei – natürlich, sich selbst bestätigend nickte. Er erhob seine Hand, aber nicht drohend, um Minimus eine zu wischen, sondern, um ihn auf den Kopf zu tätscheln wie einen kleinen Hund, der gerade ein Holzstück apportiert hat.
    “Und nun, Minimus, was machen wir nun? Willst du etwas darüber wissen, wie...“ Er hielt inne und dachte kurz nach. Es musste doch ein kinderfreundlicheres Thema geben als Mord! Und Körperverletzung! Und Hochverrat! Diebstahl wäre lustig. Aber das konnte man doch auch nur im Kontext anderer Verbrechen erklären! Womit also beginnen, wenn nicht mit Strafrecht? Mit Familienrecht? Nun, warum nicht? War weniger dröge als Vertragsrecht.
    “Minimus... du weißt ja, dass du bald eine neue Tante bekommen wirst? Ich werde heiraten. Jaja... willst du wissen, wie?“ Er grinste Minimus zum erneuerten Mal an.

    Magister der Arvalbrüder, dachte Piso nochmals selber. Das klang doch geradezu frivol gut! Eine Ära der Ästhetik bei den Arvalbrüdern würde nun eingeleitet werden, eine Ära der Schönheit und der ätherischen Mystik! Oder so was in der Art. Eines stand aber fest, das Singen wrde sich kein Arvalbruder nehmen lassen, und singen, ja, das tat Piso gerne, allzu gerne.
    Es schauten die Arvalbrüder kurz ziemlich doof in der Gegend einher, bevor einer etwas sagte. Ah, Flaccus. Soso. Piso blickte zu ihm hin und nickte, noch immer sehr ernst, auch wenn er sich dachte, was für ein Riesenspaß es nun wäre, würde es nun aus ihm lachend hervorbrechen.
    Nun ja, vielleicht für andere, aber nicht für ihn, denn er würde sich lächerlich machen. Und was nicht sein konnte, war ein Magister bei den Arvalbrüdern, der nicht steinernst war. Nein, sicher nicht!
    Sich vornehmend, sich an seinem neuen hübschen Titelchen noch später zu erfreuen, sprach er nun in so salbungsvoller Stimme, dass man denken konnte, man habe ihm seinen Rachen mit Mehl eingestäubt: “Sehr gut. Ich danke dir. Eine Sorge weniger für unsere Bruderschaft. Ich selber werde mich um die Materialien zum Opfer kümmern. Für den Rest gilt, am Fest selber erscheinen. Ihr, Brüder, ihr wisst, welche Handlungen zu vollziehen sind, und somit ist es wohl kaum nötig, die Details zu besprechen. Wenn ihr Fragen habt, wisst ihr, wo ich zu erreichen bin. Wenn dies nun alles war?“ Er glaubte nicht, dass es noch etwas zu besprechen gab, aber er blickte trotzdem noch einmal gründlich in die Runde.

    Ah. Er schien eine Saite geschlagen zu haben, die Flaccus gegen den Strich ging. Freilich schlug Piso des Öfteren ganz reale Saiten, und seine Töne pflegten seine Umwelt so zu verstimmen, wie sie selber verstimmt waren. Doch diese deplorable Tatsache sollte nicht verbergen, dass Piso sehr interessiert war, was diese Reaktion seines Neffen anging. Er hatte bemerkt, welche Worte in Flaccus das ausgelöst haben.
    Ahhhh. Interessant fürwahr.
    Fast tat es ihm schon Leid, das gesagt zu haben. Aber nur fast. Denn wichtig war, er hatte nun einen sehr interessanten Einblick erhalten. So war das also. So war das. Das würde Piso in seinem Hinterkopf abgespeichert behalten.
    Vor allem, weil es sehr nützlich war. Denn es könnte nun sein, dass er sich einen besonders enthusiastischen Feind des größten Blödians zwischen Sizilien und den Alpen heranzüchten konnte.
    Das Stottern seines Neffen war wirklich etwas, was man fast schon niedlich finden konnte. Der Flavier verkniff sich ein Grinsen und schaute stattdessen etwas betroffen drein. Nun ja, etwas traurig war die Geschichte schon. Aber die Realität war hart, und Piso enthielt sie Flaccus nicht vor.
    Er wusste nicht, dass er so ist? Piso verzog seine Lippen, als sähe er ein hässlcihes Insekt. “Niemand weiß das, bis man nicht auf einmal seine gesamte Hässlichkeit vor sich sieht.“ Mit diesen dramatischen Worten nickte er bedeutungsschwanger. “Es war mir eine große Freude. Wie gesagt, so du etwas brauchst, klopfe bei mir an. Wir sehen uns bei der Cena am Abend. Vale!“ Mit diesen Worten entfernte Piso, der wohl spürte, dass er hier nicht mehr gebraucht oder gewollt wurde, die Räumlichkeiten des Flaccus.

    Piso blickte den Vescularier ungerührt an, als dieser versuchte, ihn herunterzuputzen. So? “Verzeihung. Ich in meiner Naivität habe geglaubt, es sei die Aufgabe des Senates, den Imperator zu beraten“, machte er trocken.
    Um ehrlich zu sein, hatte er jene Beschränkung gar nicht so recht mitgekriegt – Kunststück, er war ja erst seit Kurzem Senator. Aber Götter. Solange es Salinator geärgert hatte, war es das wert gewesen. Er setzte sich wieder auf seine 4 Buchstaben und beschloss, fürs Erste den Mund zu halten.

    Piso nickte. “Machen wir das so.“ Er würde sich dann häöchstselbst von der qualität dieses Schriftstückes überzeugen können. Mal sehen. Vielleicht hatte er bis dahin schon eine bessere Idee.
    Über Verus‘ Worte wunderte sich Piso, woraufhin jener die Stirn runzelte. “Was, die Octavia will dich nicht? Nun ja.“ Piso hatte viel gehört über die Octavier. Für ihn eine Pöbelgens, ähnlich wie die Germanicer. Varena schien eine Ausnahme zu sein, ebenso wie auch Germanica Laevina bei den Germanicern. Hmm, von der Alten hatte er schon lange nichts mehr gehört. Vielleicht schrieb er ihr mal.
    “Verus, die Liebe findet ihren Weg. Weißt du was? Opfere mal. Beim Venustempel. Venus hilft dir sicher. Mit half sie. Dir wird sie auch sicher helfen, die Herrin Callipygos.“ Er schmunzelte. Die mit dem schönen Hintern, das war seine Lieblingsbezeichnung für die Göttin der Liebe, es mochte an einem kleinen Hinternfetisch liegen. “Vertraue den Göttern.“ Er nickte suggestiv. Einen besseren Ratschlag hatte er nämlich nicht zur Hand.

    Zuckte Gracchus da zusammen? Schien so. Dabei kam sich Piso nicht sonderlich gefährlich vor. Aus diesem grund hatte er es ja auch vermieden, ein Tribunat abzuleisten, was ja sein gutes recht war. In einer rüstung sah er lächerlich aus. Irgendwann mal hatte er Fechtunterricht genommen – sein Vater hatte ihn dazu gezwungen – aber hatte mittlerweile wieder alles verlernt. In einer Rüstung würde er genau so aussehen wie das, was er sein würde als Tribun – ein Zivilist in einer Rüstung. Und das, das wollte er sich nicht antun.
    Umso seltsamer war es für ihn, dass Gracchus so tat, aber gut, es mochte gut sein, dass sein Vetter ein ein wenig schreckhaftes Gemüt hatte. Nun gut, das mochte mit dessen künstlerisch-ästhetischer Seele zusammenhängen – wenn Piso und Gracchus etwas wirklich gemein hatten, war es diese. Der Flavier setzte sich an die Tischkante, als seine überquellenden Emotionen ein wenig in ihm schwanden.
    Piso, halb am Tisch hockend, schob dann aber flavisch seine rechte Augenbraue hoch, als er hörte, dass sein Vetter noch etwas für ihn in Reserve hatte. Er war extrem stark versucht, mit Worten heraussprudelnd zu fragen, was denn die Neuigkeit wäre, aber er hielt sich zurück. Bei der Bemerkung beim Wein lachte er aber. “Der beste Wein? Den habe ich schon parat!“ Er deutete nach hinten, wo tatsächlich irgendwo der Weinschlauch schon herumlungerte, bevor er seine Konzentration wieder auf Gracchus richtete. Der Mann wusste wirklich, wie man etwas spannend machte.
    Die Mitteilung seines Vetters traf Piso wie ein Rammbock das Tor einer belagerten Festung. Nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Richtig gelesen, instinktiv versteifte er sich, verlor dabei aber den Halt, den er mit seinem Hinterteil am Tisch gehabt hatte. Er rutschte, mit weit aufgerissenen Augen, nach rechts, bevor er über die Kante des Tisches hinaus rutschte. Piso ruderte erschrocken mit seinen Händen in der Luft herum, aber das verhinderte nicht das Unvermeidbare. Er fiel nach hinten. Mit seinem Allerwertesten traf er schmerzhaft am Boden auf. “Au!“ Damit hatte Gracchus mit seiner Prophezeiung, Piso würde sich aufgrund der freudigen nachricht eine Verletzung zu ziehen, zweifelsohne recht gehabt.
    Unter normalen Bedingungen hätte Piso jetzt den Wehleidigen gespielt. Aber das waren nicht normale Bedingungen. So rappelte er sich mit erstaunender Schnelligkeit wieder auf und strahlte Gracchustrotz schmerzendem Hinterteil mit unverhohlener Freude an.
    “Ich? P..P...Pontifex?“ GEEEEEENIIIIAAALLL. Das war viel zu gut, um wahr sein zu können. Pontifex Aulus Flavius Piso. Einem Pontifex kam niemand krumm. Niemand. Es würde Piso in die höchsten Sphären katapultieren.
    “Das, das, das, ich, ich, ich“, kommentierte er das Geschehen mit einer Rhetorik zum Hinknien. “Wawa... uuuu... ohhh... du GROßARTIGER, TOLLER, WUNDERBARER, WUNDERSCHÖNER MENSCH!“ Mit diesen sich überschlagenden Worten umarmte Piso herzhaft Gracchus. “Ohhhh, danke! Das ist buchstäblich die Erfüllung meiner Träume! Pontifex! Ich... meine Kinder werden die Kinder eines Pontifex sein. Und wir, die Flavier... und ich... und sowieso... ahhhhh!“ Er lachte fast schon manisch. “Ich muss mich wirklich hinsetzen...“ Er ergriff sich einen Stuhl, der zufällig in der Nähe herumstand, zog ihn zu einer Stelle neben Gracchus hin, und umrundete dann den Tisch, um aus einem obskuren kleinen Platz einen Weinschlauch mit 2 Bechern herauszuzaubern. “Mannomannomann... viel zu viele gute Sachen für einen Tag.“ Noch immer ganz belämmert setzte er sich, schenkte zwei Becher ein, schob eines zu Gracchus rüber und schnappte sich eines. “Auf uns, Manius. Ich darf doch Manius sagen? Wir leben schon zu lange unter dem selben Dach, um uns noch immer anzureden wie zwei vage Bekannte“, gab der von Natur aus ziemlich anhängliche Piso seine Meinung Preis.

    Piso hatte eines in letzter Zeit gut gelernt – sich seine Grinser zu verkneifen. Manchmal ging das gut, machmal auch nicht. Hier schaffte er es. Mit einem würdevollen Ausdruck, der seine lausbubenhafte gedanken gut kaschierte, nickte er würdevoll. “Ich danke dir, Tiberius.“ Er verscuhte, seine Stimme magistral zu halten. Magister Arvalum! Hihihehehehohoho. Ein Posten, am welchem die Flavier ihre gierigen Klauen behalten konnten. Aber auch ein Posten, der Verantwortung mit sich brachte.Verantwortung, die Piso nun zu übernehmen trachtete.
    “Arvalbrüder“, machte er, sich erhebend und die Bruderschaft noch immer ernst anblickend. “Ich danke euch allen für euer Vertrauen und hoffe, eben dieses nicht zu enttäuschen.“ Er überlegte kurz. “Nach der erfolgreichen Vota am Anfang dieses Jahres würde ich gerne auch das Fest der Dea Dia so prachtvoll wie möglich ausfallen lassen. Ich weiß, es ist noch einige Zeit bis zur eigentlichen Feier Ende Mai, aber es ist nie zu früh, um sich darüber nicht schon Gedanken zu machen. Wer wäre bereit, für die dann anstehenden Pferderennen Besorgungen zu machen? Das heißt, bei den Factiones anzufragen?“

    “Oh, Nigrina, salve!“, entfleuchte es Piso. Sein erfreutes Lächeln war nicht gestellt. Tatsächlich fand er es wirklich schön, seine Schwester zu sehen. Natürlich lagen er und sie sich regelmäßig in den Haaren. Ja, er und Nigrina, sie waren sich nicht sehr ähnlich. Nur in gewissen Belangen. Und da waren sie sich so ähnlich, dass es wiederum zu Reibereien führte.
    Aber nichtsdestotrotz, die Anwesenheit seiner Schwester machte für Piso immer alles besser. Sie war ein Frauenzimmer, das ihm gewachsen war, und das, das musste er sich tief innerlich eingestehen, beeindruckte ihn sehr.
    Er ergriff ihre Hand und widerstand den Drang, sie in einer emotionalen Geste zu umarmen und einen dicken Schmatzer zu geben. Denn er wusste ja, dass seine Schwester das nicht mochte. Und heute war Piso, ausnahmsweise, nicht allzu konfrontationell drauf. Zumindest nicht in der Anwesenheit seiner Schwester. Denn wie es damals beim Rennen geendet hatte, das tat ihm jetzt noch Leid. Ach, wie schön wäre es, eine Schwester zu haben, die auf so einen Schmäh mit einsteigt! Nicht so Nigrina. Vera wäre absolut mitgezogen... nicht an sie denken. Nicht an sie denken.
    “Wein?“, machte er zu seiner Schwester hin und deutete zu einem Sklaven, der schon parat stand, einen dritten Becher einzufüllen. “Ich habe dich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, meine Liebe. Es geht dir doch gut?“, fragte er mit freundlicher Stimme ebenso leise, wie sie ihn angesprochen hatte, in der vagen Hoffnung, ihr ein Geständnis bezüglich Lupus‘ Brutalität entlocken zu können.
    Dann aber wurde seine Aufmerksamkeit wieder zu Lupus gelenkt. Der ihm zutiefst unsympathische Aurelier, bei dem er sich ganz sicher war, dass seine Schwester etwas Besseres verdient hatte, schien halbwegs voranzukommen. Und lieferte nun eine kleine Rede ab. Diana ist erzürnt, ach ne, das hätte sich Piso nie gedacht. Pah, Schwätzer – Piso vergaß bei diesen Gedanken komplett, dass er selber auch gerne viel von sich gab, wenn der Tag lang war. Sicherlich hatte sich dieser Kerl schon im Vorhinein was zurecht gelegt.
    Durch die Blume gab er zuverstehen, dass der Rex Nemorensis wohl bald den Löffel abzugeben hatte. Nun, ging Piso wahrlich nicht nahe. Ein Opfer an Diana daheim? Nun gut, warum nicht? Erschien nicht einmal allzu verwerflich. Oder absurd. Nur... es würde doch sicher noch etwas kommen. Von wegen großes, öffentliches Opfer. Das wäre doch etwas Schönes!
    Das ist wer? Ach so, Nigrina. Er gab ihr einen undeutbaren Blick, verkrampfte seinen Mund, als er es sich verkniff, Sachen zu sagen, die ihm eine Ohrfeige einspeisen würden, und begnügte sich dann mit einem “Aha. Hmmhmm. Mhm.“ Nur mit Mühe und Not ersparte er sich eine Bemerkung über das putzige Hütchen des Haruspex. Wenn er einmal Kinder hatte, dann würde er sich auch so eines kaufen, damit sich die Kleinen darüber scheckig lachen konnten. Schaut, so einen Hut trägt auch Onkel Lupus, ist der nicht lustig? Nicht, dass ein Mann, den man ernst nehmen konnte, sich mit so was in der Öffentlichkeit blicken lassen würde. Arme Tante Nigrina, sich muss sich immer wieder schämen mit ihm... der Gedanke erheiterte ihn so, dass er unbewusst grinste.

    Hmm, das warme und weiche Anschmiegen seiner Frau versetzte den Flavier direkt in Wallungen. Hach, dachte er sich, sie war so wundervoll! Ein wahrer Schatz. Mit so einer Frau konnte man nichts anderes sein als ein gemachter Mann. Denn mit ihr hatte er, da war er sich sicher, einen Reichtum errungen, den nicht einmal die kaiserliche Procura am Palatin oben mit all ihrem Gold aufwiegen konnte (Piso, als gewesener Kanzleibeamter, wusste, wovon er redete). Ihre Frage dann allerdings, seine zunehmend unzüchtigeren Gedanken unterbrechend, schoss wirklich den Vogel ab.
    Er lachte und streckte seine Hand aus, um ihr zärtlich mit seinem rechten Zeigefinger – der übrigens genau so gepflegt war wie seine Hände insgesamt, hatten diese doch nie härtere Arbeit erlebt als das gelegentliche Schlagen der Lyrasaiten – auf die Nase zu stubsen. “Oooooooch, Prisca, wie kommst du nur darauf!“, machte er mit gespielt verwundertem, leicht schmollenden Gesichtsausdruck, bevor er wieder breit grinste. Oh ja, Piso freute sich. Das hier war der triumphale Einzug in die Regia, auf die er schon sein ganzes Leben gesehnt hatte. Piso hatte ja irgendwie nicht geglaubt, dass er je eine Frau finden würde, die seinen Ansprüchen so total und absolut genügen würde wie die Frau seines Lebens, die sich an ihn herankuschelte, als sie vorm etwas verblüfften Beamten stehen blieben, Piso etwas stolpernd, denn er konnte sich vor lauter Aufgeregtheit kaum mehr recht auf den Beinen halten.
    Wenn der Scriba, der das junge und offensichtlich zutiefst verknallte Paar sah, und wohl kaum die Tatsache, dass er es mit einer äußerst angesehenen Dame der römischen Gesellschaft und einem Priester-Senator zu tun hatte, und nicht mit einem blutjungen Ausreißerpaar, überriss, nicht glaubte, dass Piso noch breiter grinsen konnte, dann tat der Flavier es nun als Antwort auf die Frage.
    “Natürlich. Ich bin sui iuris.“ Seit Kurzem, sein Vater hatte es ihm erlaubt, diesen Status zu genießen, nachdem er in den Senat aufgenommen worden war. “Und der Tutor meiner Frau hat auch das Einverständnis gegeben. Du glaubst mir nicht? Nun ja! Tja dann! Hier habe ich die Heiratsurkunde.“ Er löste mit entschuldigendem Blick zu Prisca seine rechte Hand aus ihren Händen, zog eine Schriftrolle aus seiner Togafalte und klatschte sie dem Beamten auf den Tisch, knapp dessen Tintenfass verfehlend. “Zufrieden?“ Sein Grinsen – er hatte es noch immer auf seinem Gesicht, und wenn man sich dachte, es war dümmlich, dann war das sicher bloß Neidigkeit – drückte eindeutig aus, was er dachte. Beneide mich nur, du Wurm, mich juckt es nicht.

    Sowie Piso zum Senator erkiesen worden ward, ließ er es sich nicht nehmen, bei den Senatssitzungen zu fehlen. Er hatte sich dem Senat vorgestellt, doch andersweitig waren seine verbalen Kommentare bis dahin spärlich ausgefallen.
    Einmal bis nun.
    Piso war zu den Zeiten der Debatten um eine Provinzreform in den Senat berufen worden, und von Anfang an hatte er, minutiös Notizen auf einem kleinen Wachsbrett aufkritzelnd – er machte es lieber selber, als es sich von einem Sklaven machen zu lassen – den Sitzungen beigewohnt. Es diskutierten Consulare und Prätorier, Ädilare und Pontifices. Pedarii waren in der Hackordnung des Senates, ganz weit unten, das war Piso bewusst. Aus diesem Grund schwieg der zu diesen Zeiten wahrlich nur noch in den Farben des Senates gewandete Ex-Quaestor und Septemvir wohlweißlich.
    Es war erst zu einer Zeit, da sein Patron seine erarbeitete Liste vorstellte, dass er begann, sich einzumischen.
    Piso erhob sich und räusperte sich, als er begann, gestalterisch im Reich mitzuwirken – hach, ein wunderschöner Gedanke.
    “Patres Conscripti. Mit großer Interesse habe ich der Debatte bis jetzt zugehorcht, und muss sagen, die Argumente für eine Verkleinerung der Provinzen sind überwältigend. Und ich sehe natürlich absolut ein, dass die von dir geleitete Arbeitsgruppe, Consul“, er nickte seinem Patron zu, “nicht allzu viel auf einmal in Gang setzen will. Aber einen Vorschlag hätte ich. Germanien.“
    Er holte tief Luft. “Seit der Gründung von Sizilien als erste Provinz haben wir Römer es unternommen, unsere Provinzen nach den ethnischen Begebenheiten, die wir vorfanden, zu strukturieren, vorweigend zur Vereinfachung der Verwaltung. Nun blicken wir aber nach Germania. 4 Regiones haben wir dort, Patri Conscripti, 4 Regiones. Germania Inferior und Superior sind germanisch dominiert, Raetia und Belgica keltisch.
    Fangen wir mit Rätien an. Die Provinz bevölkern mehrheitlich Kelten, aber auch Räter, von denen die Provinz ihren Namen hat, die aber tatsächlich in der Minderheit sind. Jedoch nicht so in der Minderheit wie die Germanen, die in Rätien quasi absent sind. Höchstens in den Hilfstruppen an der Donau! Es erscheint mir sonderbar, dass jene keltisch-rätische Provinz vom fernen Mogontiacum aus verwaltet werden soll. Vor allem, weil die rätischen Alpenpässe, die so wichtig sind für Rom, der unmittelbaren Aufsicht eines Proconsuls oder Legaten in Augusta Vindelicorum unterstehen sollten.
    Der mögliche Status von Belgica als Provinz erscheint mir nicht so drängend und unverzichtbar wie der von Raetia, aber auch hier spricht vieles dafür. Im Gegensatz zu Germania Inferior und Superior hat diese Provinz einen keltischen Charakter, sieht man von ubischen und nervischen Stämmen ab. Und vor allem ist es eine ausgesprochen zivile und unmilitärische Provinz, im Gegensatz eben zu den Provinzen am Rhein. Dies meritiert durchaus eine Weglösung von Germanien.
    Dann Germania Superior und Inferior. Beide Regiones sind sehr ähnlich – germanisch dominiert und militärisch. Doch auch hier ist ein großes Problem. Nein, halt, falsch, zwei große Probleme. Erstens: es umfasst eine lange und extrem gefährliche Grenze. Wäre diese unterteilt in zwei Bereiche, würde sich die Verwaltung dieses Teils des Reiches sicher viel leichter tun bei der Abwehr von den kriegslustigen Germanen. Zweitens: ein Legat von Germania Superior und Inferior hat die Kontrolle über eine Vielzahl an Legionen. Ich bin mir absolut sicher, dass der momentane Legat, den ich als integren und pflichtbewussten Menschen kennen lernen durfte, dies sicher nicht missbrauchen wird. Doch was ist mit seinen Nachfolgern? Werden wir sicher sein können, dass nicht einmal einer sich entschließt, mit all diesen Legionen nach Rom einzumarschieren? Nein, Patres Conscripti, mit diesem Risiko zu Leben erscheint mir nicht nur vermeidbar, sondern auch abzulehnen.
    Darum bin ich für Folgendes: die Etablierung von 4 Provinzen, Raetia, Belgica, Germania Superior und Germania Inferior auf dem Gebiet der jetzigen Provinz Germania.“

    Er schloss mit einem Hüsteln.

    ...und Piso war sich gewiss, darin den Jackpot geknackt zu haben, als er, mit Prisca an seiner Hand, in die Regia schritt. Den ehrwürdigen Septemvir kannte man bereits an dieser Stelle, natürlich ließ man ihn ein, ohne dass man ihn groß gefragt hätte, wohin des Weges. Zumal, sofern zwei junge Leute verschiedenen Geschlechtes eintraten, und so offensichtlich verliebt waren wie Piso und Prisca – Piso warf seiner Angetrauten immer wieder schmachtende, feurige Blicke zu, die wohl signalisierten, dass er zu diesem Moment wohl viel lieber bei ihr im warmen Bettchen wäre als in diesem hochoffiziellen, faden Bau – es klar war, worum es ging.
    Ehe!
    Großes Wort (einmal dafür, dass es so kurz war), und Realität. Stolz emporgereckten Hauptes pochte Piso am Officium formellerweise einmal kurz an, bevor er die Türe aufstieß.
    Den Mann am Tisch fixierte er eine Sekunde lang streng, bevor er zu grinsen begann.
    “Salve! Ich bin Senator Aulus Flavius Piso. Das hier an meiner Seite ist Aurelia Prisca. Wir wollten unsere Ehe registrieren lassen“, verkündete er überschwänglich vor einer dramatatischen Pause. Er ließ in jener das Wort Ehe sich auf den Hochzeitsbeamten auswirken. Wie schön das klang. Der Gute würde sich sicherlich grün und blau ärgern, dass er keine solche Frau hatte!
    “Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, unsere Sponsalia einzutragen, aber gut. Sie fand an den Kalenden des Januars (1. Januar) statt. Unsere Hochzeit selber war am Tag vor den Nonen des Februar (4. Februar). Kann man das bitte eintragen?“ Er hielt kurz inne, bevor er noch eine Spur weiter grinste. “Sine manu und per usum“, fügte er noch schnell dazu, dabei mit seinen Augenbrauen wackelnd.