Kapitel V – in den Thermen
Die privaten Thermen des Flavius Aetius. Sie waren in einem Anbau an die Villa angebracht. Als Piso ein Kind war, waren sie noch nicht dort gewesen. Es hatte ein Becken gegeben, in einem anderen Teil des Hauses, der nun als Sklavenunterkunft genutzt wurde. Es war weder sonderlich groß noch sauber gewesen. Was sich aber hier vor ihm erstreckte, als er die Türe zur Therme aufmachte, war der Luxus pur. Piso sog tief den Duft des vor ihm dampfenden Bades ein. Welch Genuss! Es roch nach... er konnte den Geruch nicht einordnen, irgendein Gewürz. Er schritt durch die Tür und machte sie eilends zu, nicht, dass noch Wärme entwich. Die Thermen waren in einem massiven, gut isolierendem Bau, und es wäre dunkel gewesen, hätten nicht überall Fackeln geflackert. Er ging auf das warme Becken zu und grinste hinein – er war durchaus erfreut. Einmal eine sinnige Investition seines Vaters.
Piso sah sich um. Er war komplett alleine. Das war gut. Er zog seine Sachen aus, bis er nackt vor dem Becken stand. Mit einem Hüpfer plantschte er in das Becken hinein. Es war so angenehm, dass es nicht in Worte zu fassen war.
So warm, so schön, so bequem! Das hatte die Welt noch nicht gesehen. Er lehnte sich entspannt zurück und seufzte selig, erst einmal gar nichts denkend, an gar nichts.
Auf einmal knarzte die Türe. Piso blickte unwillig hin. Wer konnte das sein?
Es war Damasippa, das Luder, mit dem es Aetius trieb. Sie war vielleicht 2 oder 3 Jahre jünger als Piso, und kicherte, als sie ihn sah.
„Oh! Piso!“, meinte sie und lächelte ihn an. „Du hier! Eigentlich wollte ich ins Bad. Aber das macht ja nichts! Ich kann sicher zu dir hinein!“ Piso blickte verdattert hinauf. „Äh... öh, klar, sicher, wieso nicht, es sind ja nicht die öffentlichen Thermen... und so...“ Bevor er noch geendet hatte, ließ Damasippa ihre Hüllen fallen. Piso staunte nicht schlecht, als er ihre weiblichen Formen sah. Sein Vater hatte Geschmack, das musste man ihm lassen.
Sie hüpfte behände in das Bad hinein, neben den jungen Patrizier, der das Spektakel beäugte. Prustend tauchte sie neben ihm auf, und setzte sich neben ihn hin. „Ich kann dich doch Aulus nennen, oder?“, fragte sie ihn, ihn mit großen Augen anschauend. Piso zuckte mit den Achseln. „Sicher.“, brachte er hervor. „Ach, wie schön! Aulus, stell dir vor! Dein Vater ist solch ein wundervoller Mensch!“ Piso brummte nur. „Und ich dachte mir, du solltest es erfahren!“ Was kitzelte denn da so an seinen Beinen? Die Nonierin stieß wohl mit ihren Beinen an die seinen. War das Zufall oder...
„Wir werden heiraten! Ich werde deine Stiefmutter!“ „Huch, was... wie?“, fragte er erstaunt und blickte sie an. Sein Vater wollte... was? Eine Nonierin? Aus unbekanntem, plebejischem Geschlechte? Piso konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Unwillkürlich schoss ihm ein Gedanken in den Kopf. Aetius hatte schon viele Liebhaberinnen gehabt, hauptsächlich Sklavinnen. Diese hatte er dann immer verkauft, oder sie waren ihm abgehauen, hatte er gegenüber Piso immer wieder gesagt. Und Leontia war hie und da daneben gestanden. Und hatte gegrinst. Wieso, hatte sich Piso immer gefragt, wieso dieses blöde Grinsen? Na ja, so war sie halt gewesen. Man hatte immer das Gefühl gehabt, Piso zumindest, dass sie ihn aufzog, dass ihr Vater sie in Dinge einweihte, die er sonst keinem erzählte. Was Gracchus und Aristides immer an ihr gefunden hatten, war ihm unerklärlich.
Die Stimme der Nonierin drang ihm wieder ans Ohr. „Doch! Das hast du gehört! Da habe ich gedacht, wir sollten uns vielleicht ein bisschen besser... kennen lernen.“ Sie strich ihm mit der rechten Hand über den linken Arm. Das war jetzt wohl ein schlechter Witz, dachte Piso. Das war jetzt nicht real. Das ist jetzt gar nichts, was man beachten sollte.
Das Blöde daran war, von diesem Sachverhalt war seine Männlichkeit weiter unten nicht so leicht zu überzeugen. Die Nonierin sah wohl den ungewollten Wandel in seiner Physique. „Was für ein Kerl bist du, Aulus!“, sagte... nein, stöhnte sie. Piso schluckte. Das konnte er nicht machen, verdammt! Das war ein Vergehen! Er wollte sich losreißen, aber er konnte nicht. Er merkte, wie sein Blut in Wallung geriet. Er würde jetzt sicher nicht dies mitmachen!
Sein Gehirn sagte dies, doch wie sagt man so schön? Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach. Und so gab sich Pisos Körper, als Nonia Damasippa ihn umarmte, voll und ganz der Umarmung hin. Und, als sie sich auf ihn warf, drang er in ihr ein.
Das Gehirn wurde erst wieder aktiviert, als er mit Damasippa in enger Umarmung , noch immer im warmen Wasser, auf dem Steinvorsrung, wo dies geschehen war, saß. Was hatte er gean. Was hatte er bloß, beim Willen der Götter, getan? Was hatte Damasippa getan! Was hatten sie beide getan! Es war schlimm. Wieso hatte er nicht mehr Widerstandswillen gezeigt? Die Antwort war einfach: Welcher mann hätte in so einer Situation Widerstand zeigen können? Er merkte, wie ihm Damasippas Finger an der Brust kraulten. „Was für ein Mann du bist.“, kicherte sie. Piso fragte sich das auch. Was für ein Mann war er? Was für eine üble Art von Kreatur, die sich an dem verging, was seines Vaters war?
Er erhob sich. „Entschuldige mich. Ich muss weg.“, meinte er mechanisch. Damasippa blickte erstaunt drein. „Aber... wie... du kannst doch nicht...“ „Ich gehe.“, erwiderte Piso hart und schwang sich aus dem Becken heraus. Schnell zog er die Tunika über, ohne sich zu trocknen.
Er entfloh den Thermen. Schnell, hastig, eilig. „Aulus! Aulus!“, hörte er hinter sich, doch er drehte sich nicht um. „Aulus!“ Er knalte die Tür hinter sich zu, doch selbst so konnte er das Rufen der Nonierin nicht aus seinem Hirn aussperren. Es begleitete ihn fast bis zu seinem Zimmer.
Und es würde ihn noch lange begleiten. In den Nächten, wenn er keinen Schlaf fand. In seinen Träumen. Hie und da am hellichten Tage. Immer wieder „Aulus, Aulus, Aulus!“
Und das würde ihn an seine Feigheit erinnern.
Und daran, wieviel er möglicherweise hätte verhindern können, wäre er über die Nacht bei Damasippa geblieben.