Beiträge von Aulus Flavius Piso

    Vor der Casa der Purgitier, da stand jemand. Er hatte eine sorgfältig gefaltete Toga an und eine geschniegelte Tunika aus Seide. Kein armer Mann. Sandalen auf Hochglanz poliert, einen Scheitel haben sie ihn frisiert. He, das reimt sich sogar, freute sich Piso, der genau dieser Mann vor der Casa Purgitia war. Wie er hierher gekommen war?
    Es war eine relativ lange Geschichte, doch sie soll nicht unerzählt bleiben.
    In einer Taverne hatte vor ein paar Tagen Flavius Piso Sulpicius Galba getroffen. Letzterer war ein Patrizier aus altem Hause, er war früher Aedil gewesen, und obwohl er ein farbloser Politiker gewesen war (denn nun hatte er sich zur Ruhe gesetzt) wurde ihm allgemein nachgesagt, einen guten Durchblick in politischen Sachen zu haben. Piso hatte ihn per Zufall kennen gelernt, in der selben Taverne, in der er Galba damals kennen gelernt hatte. Und Galba hatte, kaum dass sie sich niedergelassen hatten, gefragt, ob Piso einen Patron hätte. Nein, antwortete Piso. Er solle sich einen suchen, behauptete Galba und schlug ihm eine Palette von Leuten vor, eine Auswahl der Creme de la Creme von Rom. Gemeinsam hatten sie dann die einzelnen Kandidaten durchdiskutiert. Einen flavier sollte er nicht nehmen, er konnte sich eh schon deren Unterstützung gewiss sein. Aelius Quarto hatte Einfluss, aber suchte nun mit seinen Klienten den Cursus Honorum zu überschwemmen. Vinicius Hungaricus war in Germanien, und nur schwer erreichbar. Vinicius Lucianus war in Rom, doch Galba hatte abgeraten. Spring auf auf den fahrenden Zug! Vinicius Lucianus war am Ende seiner Laufbahn angelangt. Piso sollte sich jemanden suchen, der noch im Cursus Honorum war. Aurelius Corvinus und Tiberius Durus legte Piso widerwillig beiseite, da sie Priester waren, und einem jungen Beamten wenig bieten konnten. Claudius Menecrates war schwer krank, und wohl nicht in der Lage, ihn genügend zu unterstützen. Die beiden Germanicer schieden sowieso aus. Decimus Livianus? Er wäre keine schlechte Wahl, doch seine Amtsführung als Praetor sei nicht sehr beeindruckend gewesen. Und so blieb, nach vielem Herumstreichen, nur noch ein Name übrig auf der Liste.
    Purgitius Macer sei eine gute Wahl, hatte ihm Galba versichert. Ein Mann, der nun zum praetor kandidieren würde, und danach wohl ein hochdotiertes Amt annehmen würde. Einflussreich auch unter den Patriziern. Unter den Plebejern sowieso. Sogar bei den Germanicern. Die besten Beziehungen zur römischen Gesellschaft konnte man ohne Zweifel mit diesem Mann pflegen.


    Und so schnaufte Piso deftig ein, bevor er schlussendlich anklopfte.

    Es erschallte ein Klopfen an der Türe der Casa Decima. Es war nicht allzu laut, aber dennoch hörbar. Sollte der Ianitor die Türe öffnen, würde er davor ohne Fehl einen ein wenig schlacksigen Mann erblicken, der verlegen mit seinen Füßen am Boden herumscharrte. Er würde vielleicht in ihm die Heulsuse von den vorigen Wochen erkennen.
    Piso hatte keine gute Zeit gehabt. Er hatte viel über Serrana nachgedacht. Zwar hatte er sich vorgenommen, dies nicht zu tun – doch er wusste sich nicht zu helfen. Er musste es einfach tun, da half nichts. Sein Seufzen verwehte im Wind, als er jenes von sich gab.
    Das Schlimmste war, er wusste nciht, über wen er damit reden sollte. Wenn er zu Vera wollte, war sie nie da. Aristides lebte jetzt in Baiae. Gracchus? Unmöglich. Celerina? Noch viel unmöglicher. Furianus? Am Unmöglichsten. Seine Sklaven? Was scherten die sich um seine Probleme? Verus? Er würde ihn wieder in Verzweiflung stürzen. Und so war in seiner inneren Liste nur noch ein Name übrig geblieben. Iunia Narcissa. Sie hatte ihm seine Hilfe angeboten... und die brauchte dieses menschliche Wrack namens Piso jetzt.

    Kapitel VI – Spaziergang zum Hain an den Klippen


    Nach einer unruhigen nacht erhob sich Piso aus dem Bett und stellte fest, dass er sich nicht in einen Käfer verwandelt hatte. Aber sein Kopf dröhnte. Dabei hatte er gestern keinen Schluck Wein getrunken. Es war unerklärlich.
    Eine Weile saß er im Bett, verbissen vor sich her starrend. Dann, auf ein Mal, setzte er sich auf. „Cassivellaunus!“, erschallte seine Stimme. Kaum schon hatte er gerufen, kniff er seine Augen zusammen und fuhr mit einem Ruck mit seinen beiden Händen an den Kopf. Wie das schmerzte... woher das kam?
    Ruckartig jedoch, genau so ruckartig, wie er seine Hände auf seinen Kopf platziert hatte, ließ er sie wieder schnell sinken, als Cassivellaunus hereinkam, er wollte dem dämlichen Britannier nicht zehnmal versichern müssen, dass bei ihm alles in Ordnung war.
    „Ich will einen Spaziergang machen.“ So früh?“, fragte ein offensichtlich schlaftrunkener Cassivellaunus. „Die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen, Heeeeerr...“ „Macht nichts. Wir gehen.“ Cassivellaunus, sich seiner fehlenden Macht bewusst, seufzte nur. „Wohin?“ Piso zuckte mit den Schultern. „Irgendwohin. Zu den Klippen.“ Cassivellaunus nickte und bereitete sich innerlich auf einen öden Spaziergang vor.
    Später, bei den Klippen. Herr und Sklave wandeln genau diesen entlang. Piso frohen Mutes, schwillt doch sein Kopfweh beständig ab, Cassivellaunus halbherzig, hatte er doch auf einen Tag des Faulenzens gehofft.
    „Dies hier sind die Klippen von Ravenna.“ Ja, Herr. Ich kenne sie.“ Piso seufzte. Mit dem Kerl konnte man sich über nichts unterhalten! Er bräuchte wohl einen Unterhaltersklaven. Cassivellaunus war dazu zu blöd und uninteressant, Artomaglos zu unverständlich und primitiv, Semiramis zu aufsässig und gemein zu ihm, und Antiochos war ohnehin der Langweiler vom Dienst. Ein kultivierter mensch, mit dem man sich unterhalten konnte... oder er konnte eine unterhaltsame Frau heiraten. Eine Stimme aus seinem Hinterkopf flüsterte ihm zu: Die ist dir gerade durch die Lappen gegangen. Piso knirschte mit seinen Zähnen, um die Gedanken irgendwie zermalmen zu können.
    Ein kleiner Hain tat sich vor ihnen auf. Piso und Cassivellaunus betraten die dicht zusammenstehende Baumgruppe. „Sieh nur die Schönheiten der Natur! Diese vollkommne Ästhetik!“Mhm...“ Mit dem war nichts zu machen, dachte sich Piso und wollte gerade weitergehen... da sah er etwas. Vor ihm.
    Es waren Cleomenes und der Thraker von gestern, der Aetius‘ Leibsklave war. Beide hielten zusammen etwas, was seltsam aussah. Ein Bündel. Piso wollte gerade hervortreten und die beiden fragen, was sie vorhätten... da begriff er auf einmal, woran ihn das Bündel erinnerte.
    „Was... halt. Halt an, Cassivellaunus. Hinter den Busch, da!“, wies Piso seinen Sklaven an und ging in Deckung. Cassivellaunus tat es ihm gleich. „Was ist, Herr?“
    Piso wandte sich seinem Sklaven zu. „Siehst du die beiden da? Weißt du, was sie tragen? Einen Leichnam! Einen verfluchten Leichnam!“ Cassivellaunus verstand sofort und bückte sich tiefer. Was Cleomenes wohl mit ihnen machen würde, wenn sie die beiden entdeckten!
    Die Schritte kamen näher und hielten. Piso lugte durch das Geäst vorsichtig durch. Die beiden Männer waren nun sehr nahe, er konnte ihre Stimmen hören.
    „...und, Kynos...“ Das war der Name vom Thraker. Hund, auf griechisch. Welch schmeichelnder Name. „...du bist sicher, hier sollen wir das Flittchen hineinwerfen? Da schaut es nicht so tief aus. Gehen wir an die gewohnte Stelle.“
    Gleich zwei Sachen kamen Piso. Die erste war, dass sie das wohl öfters taten. Leichen ins Meer schmeißen. Und das zweite war, dass die Leiche Damasippa war. Unzweifelhaft; die überkanditelte Schminke, das affektiert aufgesteckte Haar, der gepuderte Hals – all dies gehörte der Nonierin, deren dermaßen aufgebrezelter Kopf nun nach unten hang. Die gebrochenen Augen schienen Piso direkt anzublicken, als ob sie ihm einen Vorwurf mache. Am Hals zeigten sich Würgmale, das Merkmal einer erdrosselten Leiche.
    Piso wollte aufbrüllen, doch es ging nicht. Er konnte auch nicht, sonst wären sie entdeckt worden. Sprachlos beobachtete er, wie der Thraker, trotz des Widerspruches des Griechen, die Leiche doch hier hineinwarf. Eine kurze Pause. Dann ein Platsch.
    „Schau! Geht!“, grunzte der Thraker und kicherte. „Und, ist doch nix erstes mal, dass wir benutzen dieses Platz! Erinner dich an das eine Frau von Aetius. Wie hieß? Ach ja, Fausta. Auch hier.“Genau!“, lachte Cleomenes auf. „Gutes Gedächtnis, Kynos! Und gerade jetzt, wo ihr elender Sohn hier ist... hat einen gewissen Reiz. Aetius wird Tränen lachen vor Heiterkeit, wenn wir es ihm erzählen.„Was erzählen?“ „Na, dass wir Nonia Damasippa an der selben Stelle hineinwarfen wie Calpurnia Fausta. Ich glaube fast, dass du recht hast, dass das hier eine noch bessere Stelle ist, um Aetius‘ Leichen zu entsorgen, als der gewohnte Platz weiter oben.“ Hehe!“, lachte der Thraker stolz. „Haben gut gemacht ich, oder?“ „Sehr gut, Kynos, sehr gut. So, das wäre getan. Gehen wir zurück in die Villa. Dort holen wir uns bei Aetius unseren Lohn ab, und dann wird der auf den Putz gehaut. Geh schon mal voraus. Ich muss schnell pinkeln.“, meinte Cleomenes lächelnd und deutete in den Hain, dort, wo Piso und Cassivellaunus noch immer saßen. Cassivellaunus blickte verduzt hin und her. Piso war käsbleich geworden. Er bewegte seine Lippen langsam auf und ab, doch kein Laut entwich ihnen.
    Die Schritte des Thrakers entfernten sich, als jener in Richtung Villa davonstapfte. Genauso, wie sich die Schritte des Griechen näherten. Sie wurden überlagert von einem Rascheln, als Cleomenes in den Hain hineintrat. Ein wenig mehr Rascheln, als er nach einem Platz suchte, und ein wenig mehr, als er seine Tunika hochlupfte, um sich entsprechend erleichtern zu können.
    Dies, und exakt dies, war der Moment, da Piso aus seiner Starre erwachte und aufsprang.

    Es gibt Sachen, die liegen tief in der Seele eines jeden Flaviers. Schmeichelei ist nur eine davon, aber eine Wichtige, impliziert sie doch, dass der Schmeichelnde unter einem steht, zumindest im Momen der Schmeichelei etwas wollte, was man nur selber machen konnte. Und so war Piso komplett eingenommen von der Bauchpinselei der Alten. „Ach, das sagst du nur so!“, lächelte er, aber man konnte sehen, wie sehr es ihn freute. Sie berührte genau die richtigen Stellen in ihm, um ihn komplett einzuweichen.
    Er blcikte das arme Frauchen (für das er sie hielt) mitleidsvoll an. „Ach, ist das ein Elend! Ich hätte mich, in jedem Stadium meines Lebens gefreut über eine gütige Mutterfigur!“, meinte er. „Schon früh...“ Er dachte kurz nach. „...verlor ich meine Mutter.“ Unter welchen Umständen, würde er nicht verraten. Seine Gesichtszüge verdüsterten sich kurz, kaum merklich, bevor er normal weitersprach. „Da kann ich einfach nicht verstehen, dass man sich nicht um eine so nette alte Frau wie dich kümmert!“ Ein weiteres Vorurteil gegen Germanicus Avarus stapelte sich in seinem Kopf auf. Er spürte, mit dem mann würde er nicht alt werden, sollte er jemals in den Senat kommen. Furianus‘ Reden widerhallten in seinem Kopf. Er war aufs deutlichste darauf doktriniert, nur das Schlechteste von Avarus zu vermuten, und dies passte ins Bild.
    Mitleidsvoll hörte er zu, wie sie von ihrem Mann erzählte. „Mein herzliches Beileid!“, rief er. „Das tut mir schrecklich Leid. Und was du mir von deiner Enkelin erzählst, bereitet mir noch mehr Pein. Natürlich höre ich dir gerne zu! Besonders, weil deine Geschichte eine wichtige Analoge darstellt zur Wahrheit. Diese ist, dass die Jugend von heute, ich kann es dir nicht sagen, verroht! Überhaupt verkümmert unsere Gesellschaft. Ich muss dir da glatt was erzählen. Jüngst wurde ich von Raufbolden von Eiern und Gemüse beworfen, als ich eine künstlerische Darbietung machte. Ist das noch zu glauben?“ Er schüttelte heute den Kopf. „Du musst wissen, ich besitze über gewisse künstlerische Gaben, die jedoch niemand zu schätzen weiß. Es ist schlimm, furchtbar!“, jammerte er.
    Er griff sich an den Kopf, wie, um seiner seelischen Pein Ausdruck zu verleihen. Oh, der Schmerz, bei Iuppiter, der Schmerz saß tief!

    Ach, was war das bloß für eine süße und arme alte Frau, dachte sich Piso, der ja im Herzen ein guter Mensch war, selbst wenn diese Information für manche sehr seltsam anmuten könnte. Viel besser schien es ihr, entgegen ihrer Worte, nicht zu gehen, so laut wie ihr Stöhnen und Schnaufen klang, als sie sich hinsetzte. Piso nickte natürlich, als sie ihm den freien Platz anbot, und setzte sich. Er selber war ja ein relativ hoch aufgeschossener Mensch, wenn auch nicht riesenhaft, und er konnte sich vorstellen, dass zu ihm hinaufsehen für so ein liebes Mütterchen eine echte Plagerei war.
    Er lachte jedoch los, als sie ihn ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft nannte. „Ich? Ein wichtiges Mitglied? Ich bin einfacher Beamter in der Kanzlei.“, machte er. Unnötig anzufügen, dass er ein einfacher Beamter war, der ein wichtiger Beamter werden wollte, was ihm aber bislang missgönnt geblieben war.
    „Unnötige Gefahr? Ich bitte dich, ich halte sowas schon noch aus.“, lächelte er, was ein wenig schwer fiel, pochte doch der Schädel so arg!
    Sie stellte sich vor, und Pisos Gehirn begann zu rattern. Germanicus Avarus, der elende Frevler, Germanicus Sedulus, das vulgäre Schosshündchen, so hatte es Furianus formuliert. Und dann Germanica Calvena... wenn das kein schlechter Start war. Doch laevina schien eine nette Person zu sein, was er so sehen konnte.
    „Die Ehre liegt ganz auf meiner Seite, werte Germanica. Ist es möglich, dass du mit den Senatoren Avarus und Sedulus verwandt bist?“, fragte er freundlich. Er wollte erst einmal ausloten, wie sie zu den beiden stand.

    Piso wollte sich nach seinen herablassenden Worten, mit dem er diese unäthetische Erscheinung schon abgekanzelt gehabt zu haben geglaubt hatte, schon umwenden und seines Weges gehen, weiter zu seinem exotischen Markt gehen. Doch plötzlich sah er, wie die Dame vor ihm ins Straucheln kam. Er schnellte vor und packte sie unter den Achselhöhlen. Sein Gesicht, noch vorher leicht verärgert, wirkte nun besorgt. „Alles in Ordnung?“, fragte er nun besorgt. Und es wurde ihm einwandfrei verkündet, dass gar nichts in Ordnung war. Ihre Worte berührten ihn, es tat ihm nun sehr Leid, dass er die Alte vorhin so rüde angefahren hatte.
    „Gnädige Dame“, meinte er nun, der Wechsel in seiner Ausdrucksweise war spürbar. „Willst du dich nicht kurz setzen? Hier ist eine Bank!“ Er wies auf eine unbesetzte Bank, die eigentlich ein Händler dazu aufgestellt hatte, damit seine Kunden seine erlesene Steinsammlung in Ruhe betrachten konnte. Die Beule an seinem Kopf schmerzte noch immer, aber diesmal wurde sie tapfer ignoriert. „Wirklich, es tut mir sehr Leid, das zu hören, und ich muss mich entschuldigen für meine Ausdrucksweise.“ Betroffen klang seine Stimme. „Gibt es da irgendetwas, was ich für dich tun kann?“
    Er bemerkte überhaupt nicht, dass das ganze nur Maskerade war, dass die Alte ihre wahren gehässigen Gefühle vor ihm verbarg.
    „Ich bin übrigens Aulus Flavius Piso. Wenn ich irgendwie helfen kann, ich stehe zu Diensten.“, betonte er nochmals nachdrücklich und fühlte der Frau an den Puls. Wie hoch der war! Er fühlte sich einfach nur schrecklich darüber, wie er sich benommen hatte.

    Piso nahm keine Sekunde lang an, dass Semiramis ihm nicht attentiv, aufmerksam, zugehört hätte. Natürlich, sie hatte die ganze Zeit Artomaglos begafft, aus irgendeinem Grund. Aber er dachte sich nichts dabei, seine armen, von der (fiktiven) Krankheit ganz malträtierten Äuglein, bekamen eh nicht viel mit. Und er missverstand sie prompt, als sie ihn fragte, was sie tun sollten.
    Er räusperte sich wichtig. „Was ihr tun sollt, sobald ihr in Mogontiacum ankommt, liegt auf der Hand, oder? Ihr sucht euch irgendeine Unterkunft, und dann sucht ihr ein paar der wichtigsten Händler der Stadt auf. Ihr werdet sicher schnell herausfinden, wer das ist. Und dann lasst euch von denen Ratschläge geben. Wie ihr die aus denen herauskriegt, sei euch überlassen, solange ihr nichts Kriminelles tut.“, indoktrinierte er seinen beiden Sklaven.
    „Semiramis, die vielversprechendsten Angebote wirst du dir aufschreiben, und du wirst um die Preise verhandeln. Und du wirst mir, sobald du etwas erreicht hast, mir den Vertrag schicken, sodass ich ihn unterschreiben kann.“ Sie hatte ihm immerhin erzählt, sie könne lesen, schreiben und rechnen, als sie ihm verkauft wurde! Sie hatte ihn wohl damals angelogen, und Piso war es nicht aufgefallen.
    „Du, Artomaglos, wirst die Kutsche herrichten, ich will, dass es morgen am Morgen losgeht. Hopphopp, auf geht’s! Packt eure Sachen und dann geht. Aber nimmt euch warme Sachen zum Anziehen mit, in Germanien soll es sehr kalt sein. Und vor allem in den Alpen, wenn ihr sie überquert.“, fast schon freundlich sagte er dies. „Am Besten nimmt ihr die Route über den Verlauf des Rhenus und über den Lacus Brigantii. Das ist am Schnellsten. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Viel Erfolg. Aus meinem Zimmer nun, kusch.“, rief er affektiert und kringelte sich anschließend unter seiner Decke wieder ein. Für ihn war es das, die Sklaven sollten nun selber schauen, wie sie zurecht kamen. Er würde es sicher kein zweites Mal erklären.

    Kapitel V – in den Thermen


    Die privaten Thermen des Flavius Aetius. Sie waren in einem Anbau an die Villa angebracht. Als Piso ein Kind war, waren sie noch nicht dort gewesen. Es hatte ein Becken gegeben, in einem anderen Teil des Hauses, der nun als Sklavenunterkunft genutzt wurde. Es war weder sonderlich groß noch sauber gewesen. Was sich aber hier vor ihm erstreckte, als er die Türe zur Therme aufmachte, war der Luxus pur. Piso sog tief den Duft des vor ihm dampfenden Bades ein. Welch Genuss! Es roch nach... er konnte den Geruch nicht einordnen, irgendein Gewürz. Er schritt durch die Tür und machte sie eilends zu, nicht, dass noch Wärme entwich. Die Thermen waren in einem massiven, gut isolierendem Bau, und es wäre dunkel gewesen, hätten nicht überall Fackeln geflackert. Er ging auf das warme Becken zu und grinste hinein – er war durchaus erfreut. Einmal eine sinnige Investition seines Vaters.
    Piso sah sich um. Er war komplett alleine. Das war gut. Er zog seine Sachen aus, bis er nackt vor dem Becken stand. Mit einem Hüpfer plantschte er in das Becken hinein. Es war so angenehm, dass es nicht in Worte zu fassen war.
    So warm, so schön, so bequem! Das hatte die Welt noch nicht gesehen. Er lehnte sich entspannt zurück und seufzte selig, erst einmal gar nichts denkend, an gar nichts.
    Auf einmal knarzte die Türe. Piso blickte unwillig hin. Wer konnte das sein?
    Es war Damasippa, das Luder, mit dem es Aetius trieb. Sie war vielleicht 2 oder 3 Jahre jünger als Piso, und kicherte, als sie ihn sah.
    „Oh! Piso!“, meinte sie und lächelte ihn an. „Du hier! Eigentlich wollte ich ins Bad. Aber das macht ja nichts! Ich kann sicher zu dir hinein!“ Piso blickte verdattert hinauf. „Äh... öh, klar, sicher, wieso nicht, es sind ja nicht die öffentlichen Thermen... und so...“ Bevor er noch geendet hatte, ließ Damasippa ihre Hüllen fallen. Piso staunte nicht schlecht, als er ihre weiblichen Formen sah. Sein Vater hatte Geschmack, das musste man ihm lassen.
    Sie hüpfte behände in das Bad hinein, neben den jungen Patrizier, der das Spektakel beäugte. Prustend tauchte sie neben ihm auf, und setzte sich neben ihn hin. „Ich kann dich doch Aulus nennen, oder?“, fragte sie ihn, ihn mit großen Augen anschauend. Piso zuckte mit den Achseln. „Sicher.“, brachte er hervor. „Ach, wie schön! Aulus, stell dir vor! Dein Vater ist solch ein wundervoller Mensch!“ Piso brummte nur. „Und ich dachte mir, du solltest es erfahren!“ Was kitzelte denn da so an seinen Beinen? Die Nonierin stieß wohl mit ihren Beinen an die seinen. War das Zufall oder...
    „Wir werden heiraten! Ich werde deine Stiefmutter!“ „Huch, was... wie?“, fragte er erstaunt und blickte sie an. Sein Vater wollte... was? Eine Nonierin? Aus unbekanntem, plebejischem Geschlechte? Piso konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Unwillkürlich schoss ihm ein Gedanken in den Kopf. Aetius hatte schon viele Liebhaberinnen gehabt, hauptsächlich Sklavinnen. Diese hatte er dann immer verkauft, oder sie waren ihm abgehauen, hatte er gegenüber Piso immer wieder gesagt. Und Leontia war hie und da daneben gestanden. Und hatte gegrinst. Wieso, hatte sich Piso immer gefragt, wieso dieses blöde Grinsen? Na ja, so war sie halt gewesen. Man hatte immer das Gefühl gehabt, Piso zumindest, dass sie ihn aufzog, dass ihr Vater sie in Dinge einweihte, die er sonst keinem erzählte. Was Gracchus und Aristides immer an ihr gefunden hatten, war ihm unerklärlich.
    Die Stimme der Nonierin drang ihm wieder ans Ohr. „Doch! Das hast du gehört! Da habe ich gedacht, wir sollten uns vielleicht ein bisschen besser... kennen lernen.“ Sie strich ihm mit der rechten Hand über den linken Arm. Das war jetzt wohl ein schlechter Witz, dachte Piso. Das war jetzt nicht real. Das ist jetzt gar nichts, was man beachten sollte.
    Das Blöde daran war, von diesem Sachverhalt war seine Männlichkeit weiter unten nicht so leicht zu überzeugen. Die Nonierin sah wohl den ungewollten Wandel in seiner Physique. „Was für ein Kerl bist du, Aulus!“, sagte... nein, stöhnte sie. Piso schluckte. Das konnte er nicht machen, verdammt! Das war ein Vergehen! Er wollte sich losreißen, aber er konnte nicht. Er merkte, wie sein Blut in Wallung geriet. Er würde jetzt sicher nicht dies mitmachen!
    Sein Gehirn sagte dies, doch wie sagt man so schön? Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach. Und so gab sich Pisos Körper, als Nonia Damasippa ihn umarmte, voll und ganz der Umarmung hin. Und, als sie sich auf ihn warf, drang er in ihr ein.


    Das Gehirn wurde erst wieder aktiviert, als er mit Damasippa in enger Umarmung , noch immer im warmen Wasser, auf dem Steinvorsrung, wo dies geschehen war, saß. Was hatte er gean. Was hatte er bloß, beim Willen der Götter, getan? Was hatte Damasippa getan! Was hatten sie beide getan! Es war schlimm. Wieso hatte er nicht mehr Widerstandswillen gezeigt? Die Antwort war einfach: Welcher mann hätte in so einer Situation Widerstand zeigen können? Er merkte, wie ihm Damasippas Finger an der Brust kraulten. „Was für ein Mann du bist.“, kicherte sie. Piso fragte sich das auch. Was für ein Mann war er? Was für eine üble Art von Kreatur, die sich an dem verging, was seines Vaters war?
    Er erhob sich. „Entschuldige mich. Ich muss weg.“, meinte er mechanisch. Damasippa blickte erstaunt drein. „Aber... wie... du kannst doch nicht...“ Ich gehe.“, erwiderte Piso hart und schwang sich aus dem Becken heraus. Schnell zog er die Tunika über, ohne sich zu trocknen.
    Er entfloh den Thermen. Schnell, hastig, eilig. „Aulus! Aulus!“, hörte er hinter sich, doch er drehte sich nicht um. „Aulus!“ Er knalte die Tür hinter sich zu, doch selbst so konnte er das Rufen der Nonierin nicht aus seinem Hirn aussperren. Es begleitete ihn fast bis zu seinem Zimmer.
    Und es würde ihn noch lange begleiten. In den Nächten, wenn er keinen Schlaf fand. In seinen Träumen. Hie und da am hellichten Tage. Immer wieder „Aulus, Aulus, Aulus!“
    Und das würde ihn an seine Feigheit erinnern.


    Und daran, wieviel er möglicherweise hätte verhindern können, wäre er über die Nacht bei Damasippa geblieben.

    Sinnlos mit dem Schal in der Luft herumfuchtelnd, stand Piso also am Markt, sich als hervorragende Zielscheibe für Spott und Hohn aus ungeschlachtem Plebejermunde anbietend. Womit hatte er sich das bloß verdient? Der objektive, einsichtige Leser mag geneigt sein, zu antworten, allein schon durch seine musikalischen Misserfolge müsste er tausend Jahre im Tartarus schmoren. Doch für einen gestandenen Flavier war dies keine Antwort, und die einzige Frage, die ihn sowieso nur interessierte, war: Wem gehört der Schal? Und dass sein Cursus Iuris nicht umsonst gewesen war, konnte man daran sehen, dass er schon zu berechnen anfing, wieviel Schmerzensgeld er von der unachtsamen Person eintreiben könnte, die ihren Schal auf ihn losgelassen hatte.
    Und, da war sie schon! War das eine schräge Alte. Sie hielt ihn wohl für einen Dieb. Piso verdrehte innerlich die Augen. Öffentliche Verleumdung, ha, die könnte er am Gericht auspressen wie eine Zitrone.
    Er hielt den Schal zu ihr hin. „Den kannst du gern haben, Mütterchen. Ist eh minderwertige Qualität.“, meinte er mit bemitleidendem Grinsen. „Da.“ Er warf ihn lässig der alten Frau zu. „Du kannst froh sein, dass er mir in die Arme... besser gesagt, an den Kopf gekommen ist. Denn ich habe es weder nötig, den Schal zu stehlen, noch, dich wegen Fahrlässigkeit zu verklagen, auch, wenn es mich in den Fingern juckt.“, meinte er nonchalant, mit dem Tonfall eines erfahrenen Juristen (der er, als Grünschnabel in seinem Fach, durchaus nicht war). Mittlerweile müssten wohl auch seine Schuhe für die Alte ersichtlich sein, der Halbmond hatte dort wie eh und je sein Zuhause.

    Sim-Off:

    Wie könnte man einer solch reizenden Damen diesen Gefallen verweigern? ;)


    Piso war gut drauf, sehr gut drauf. Er hatte heute am Morgen eine hübsche lustige Melodie erfunden 8), selber, ganz ohne Hilfe, und sie vermittelts des griechischen Notensystemes auf Pergament gebracht. Sie ständig vor sich hinsummend schritt er durch die Märkte. Wozu eigentlich, wusste er selber nicht. Er liebte die Märkte einfach, es gab jeden Tag was Neues zu sehen. Vielleicht würde er heute einen ganz großartigen Gegenstand erwerben, etwas Ästhetisches, was süße Klänge zu verströmen imstande war (ie. Vorzugsweise, was Lärm machte und die Leute von in der ganzen Villa vergällen könnte). Er bog ab, an diversen Kleidungsständen vorbei, um zum exotischeren Teil des Marktes zu gelangen, hatte er doch hier schon diverse ganz abstruse Sachen bekommen. Die Menschenmenge schien sich vor ihm zu teilen. Gleich müsste er seinen Lieblingsmarktteil sehen können!
    Doch er sah, wie er es auf einmal gewahr wurde, gar nichts mehr. Ihm war etwas ins Gesicht geweht worden, ohne Vorwarnung. Er rief einen Fluch vor lauter Überraschung, durch den vor sienen Mund zusammengepressten Stoff klang es wie ein Muhen. Pisos Arme fuhren in einem Satz nach oben und versuchten den Schal von seinem Kopf zu entwirren, während er selbst unwillkürlich nach links torkelte. Fast schon hatte er den Schal vom Gesicht gerissen, da stieß er mit seinem Kopf an etwas hartes an – den Holzständer eines Marktstandes. Ein weiteres Muhen erschallte über das Forum, bevor Piso es schaffte, sich den vermaledeiten Schal vom Gesicht zu reißen.
    „Verdammt.“, hörte man endlich, nun aber bedeutend leiser. „Was für ein Elend... wem gehört dieser Schal?“, rief er und winkte mit ihm, etwas verärgert, in der Luft herum. Mit der rechten Hand. Mit der linken fasste er sich an seinen Kopf, an eine Stelle, wo womöglich bald eine Beule zu sehen sein würde. Sein Schädel brummte ordentlich, das Holz war stark gewesen. Der Händler grinste ihm nur blöd zu. Standhaft ignorierte der Flavier den Blick des Idioten. Er wollte unbedingt rausfinden, wer ihm das Leid mit dem Schal zugefügt hatte.

    Nur einmal konnte ich mit deinem Charakter richtig schreiben, und es war einer der besten Fäden, die ich je im IR gehabt habe. Leb wohl, Aristides. Und ich hoffe, das war noch nicht alles.

    „Dimdimdimdim...“, falsch gesungen natürlich, könnte man durch die Flure hallen hören, wenn man hinhorchen würde. „Tralallala...“ Der Schall wurde lauter, ebenso die Fußstapfen. Die Tür flog unvermittelt auf. Hinein ins Atrium trat der selbsternannte größte Ästhet aller Zeiten... nein, trat war der falsche Ausdruck. Er machte eine Pirouette in den Raum hinein, mit dem typischen Gesichtsausdruck, dem die Zeit allen gescheiterten Künstlern aufdrückte. Piso wäre, gedankenlos, ohne sich auf nur irgendetwas zu denken, durch das ganze Atrium hindurchgetänzelt, hätte er nach seiner Umdrehung nicht gesehen, dass zwei Männer im Atrium waren. Der eine war sein Vetter Aristides, mit dem er sich gerade vor kurzem etwas verständigt hatte. Der andere war... ein seltsamer Mann. Mit Bart. Er sah ein bisschen aus wie die Büsten von manch verhutzeltem Consul und Procurator aus der Zeit des Augustus, welche in der Kanzlei da und dort herumstanden. Nicht, dass Piso ihn zuordnen konnte, doch irgendwie erinnerten seine Züge Piso ein kleines bisschen... an eine ältere Version seines Vaters. Konnte das sein? Welch irriger Gedanke, dies musste irgendein Bittsteller sein, vielleicht wollte er Aristides, oder aber Gracchus oder Furianus auf seine alten Tage zu seinem Patron machen. Solche waren nichts ungewöhnliches, aber Pisos omnipräsente Neugier war doch ein wenig geweckt.
    Er stolzierte deshalb, wohl ein wenig effemininiert, auf Aristides und dem fremden Mann zu. „Salve, Marcus!“, begrüßte Piso freundlich seinen Vetter, eine normale Gangart annehmend (da ihm rechtzeitig einfiel, dass dieser Gang nicht als der eines Künstlers, sondern als der eines Mannes, der heimlich sich im Zimmer Frauenkleider anzuziehen pflegte, gewertet werden konnte). „Salve!“ Besucher, das Wort konnte er sich gerade noch verkneifen. „Willkommen in der Villa Flavia. Immer schön, wenn wir Besucher haben. Ich bin Aulus Flavius Piso, Sohn des Gnaeus Flavius Aetius. Mit wem habe ich die Ehre?“ Großväterchen, wieder ein Wort, das er erfolgreich hinunterschluckte, noch bevor es ihm aus dem Mund purzelte.

    Piso machte ein befriedigtes Gesicht. „Das Dankes, guter Mann, von meiner Seite, sei dir gewiss!“, deklarierte er, nahm die Unterlagen nonchalant und patzte sich auf einen Stuhl, der hier herumstand, und rückte an einen Tisch. Dann warf er einen Blick auf die Unterlagen. Er atmete tief durch und begann zu kritzeln.

    Kapitel IV – im Cubiculum, zweiter Besucher


    Noch immer in jener Position saß er auf dem Bett, grübelnd seine Stirn auf seine Hand aufstützend, da klopfte es abermals.
    Schon wieder. Piso wollte niemanden hereinlassen. Nicht jetzt, da er mit sich selber beschäftigt war. Er hatte einiges zu verdauen. Cleomenes, dieser Schuft, dieser elende *zensiert*. Was hatte Piso ihm jemals getan? Nun, einiges, wenn er daran dachte, wie er einst mit Archias unter die Decke seines Bettes Würmer ausgestreut hatten... oder wie sie ihm in die Schuhe gepinkelt hatten... oder wie sie ihm im Schlaf die Haare angezündet hatten. Aber das war doch schon so lange her! War er Piso deshalb noch immer sauer? Offenbar. Aber er glaubte nicht, dass das gehässige Verhalten des Cleomenes rein auf Rachelust zurückzuführen war. Nein, vielmehr war es eine Eigenschaft, eine hässliche, miese Eigenschaft, welche im Sklaven tief drinnen schlummerte. Wie er ihn hasste, wie er ihn hasste! Weil er ihm erbarmungslos den Spiegel vorhiel. Aus diesem Grund hasste Piso ihn.
    Wieder klopfte es. Unwillig drehte sich der Flavier herum und starrte zur Türe hin. Dann murrte er, grimmig: „Herein!“
    Die Tür ging auf, und durch sie trat eine Frau um die 50 oder 60, zwischen jenen Altersstufen, die man „reif“ und „fortgeschritten“ im noblen Sprachgebrauch nannte. Eine Sklavin. Sie trug einen Korb voller Früchte vor sich hin und lächelte Piso gütig zu. Piso hatte sie schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Dch er erkannte sie sofoert wieder. „Mutter Sophonisba!“, rief er aus und stand sofort auf. Wie hätte er sich der Sklavin nicht entsinnen können? Sie war natürlich keine Punierin, sondern entstammte der flavischen Sklavenzucht, welche allen Sklaven und Sklavinnen karthagische Namen verlieh. Sie war eine der Älteren unter den Sklavinnen in der flavischen Villa zu Ravenna, und ohne Frage die mütterlichste und gütigste von allen. „Piso, mein Junge.“, begrüßte sie ihn herzlich, stellte den Korb ab und fasste ihn an die Schulter. „Ich habe gehört, du stattest uns wieder mal einen Besuch ab. So gefreut habe ich mich, als du gekommen bist! Hier, ein Korb voller Marillen. Die magst du doch so gerne.“ Sie griff zum korb hin, hob ihn hoch und hielt die Aprikosen unter Pisos Nase. Dieser sog glücklich den Duft ein. Hmmmm! Wie gut roch das doch. „Danke, Sophonisba!“, meinte er und lächelte sie selig an. „Du bist die Beste.“
    Sie war es immer schon gewesen. Sein Mutter-Ersatz. Da seine Mutter seit ihrem Verschwinden nicht mehr für sie sorgen konnte, war sie ihm immer das gewesen, was seine Mutter nicht hatte sein können. Selbstredend war Piso nie damit hausieren gegangen, dass er von einer Sklavin aufgezogen worden war. Aber Aetius war überfordert mit der Erziehung seines Sohnes gewesen, so hatte er ihn an Sophonisba abgeschoben.
    Piso nahm eine Marille aus dem Korb und verschlang sie. Den Kern legte er in den Korb zurück. „Die schind ja köschtlisch!“, meinte er kauend. Er schluckte und gab der Sklavin einen leichten Kuss auf die linke Wange. Nur gut, dass niemand dies sehen konnte. In der Öffentlichkeit würde er dies nie machen.
    „Setz dich doch und nimm Platz!“ Die Sklavin tat dies, den Korb abstellend und sich auf die bettkante setzend. Piso setzte sich neben ihr hin. „Siehst du, da? Die Porzellanfigur?“ Er zeigte auf eben jene. „Sie ist noch da.“ „Ja, ich weiß...“, entgegnete Sophonisba fröhlich. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass sie nicht entfernt wird.“ Piso lächelte dankbar. „Ich kann mich noch erinnern, wie du mir damals das Porzellanfigürchen geschenkt hast.“ Niemals hatte die Sklavin ihm erzählt, wie sie daran gekommen war, doch Piso war sofort wie verzaubert gewesen von jenem kitschigen Geschenk. Schon alleine, weil es ein Geschenk war. Ein Zeichen von Liebe. Von Aufmerksamkeit. Seit jenem Zeitpunkt an liebte er Porzellanstatuetten. Je kitschiger, desto besser.„Ich habe schon eine große Sammlung davon in Rom. Wenn du magst, kannst du kommen, und sie ansehen.“, lud Piso sie ein, bevor es ihm siedend heiß einfiel, dass sie das ja nicht durfte. Sie war ja Sklavin. Er fügte schnell hinzu: „Ich werde mit meinem Vater darüber reden, wenn du willst.“ Er wollte die Angelegenheit schließlich nicht ins Lächerliche rutschen lassen.
    Sie lachte nur. „Mal sehen. Du kannst es ja später noch immer machen.“ Piso nickte ein wenig bedröselt. „Sicher.“, bestätigte er ihre Worte, während seine Gedanken wieder abschweiften. Sein Vater hatte ihm gegenüber immer betont, dass in seinem Zimmer eine Ordnung zu herrschen hatte, und Zeug nicht herumzuliegen hatte. Ein Gebot, welches er immer gehasst hatte, und vermittelst seines unordentlichen Schreibtisches zuhause immer zu umgehen suchte.
    Doch eine Ausnahme hatte es gegeben. Das Porzellanpferdchen. Sein Vater hatte ihn immer dazu angehalten, Ornung zu halten, nichts in seinem Zimmer zu haben, es steril zu halten. Doch bei der prozellanfigur hatte er eine Ausnahme gemacht. Fast, als hätte er sich davor gefürchtet, das Pferd anzugreifen, hatte es Piso doch nur wenig nach dem Verschwinden seiner Mutter bekommen.
    Piso lächelte der Sklavin, welche wie eine Mutter gewesen war für ihn, nochmals zu, dann begann er ihr alles zu erzählen, der Reihe nach, wie es ihm in Rom ergangen war. Wie er dort angekommen war. Von der Familie in Rom. Gracchus, Aristides, Furianus, Celerina. Die denkwürdige Hochzeit von Corvinus und Celerina. Von Decima Serrana erzählte er viel. Auch von seinen neuen Freunden und Verbündeten in Rom. Von seiner Arbeit, und wie er sie bekommen hatte. Von seinen Zukunftsaussichten. „Ich will Senator werden. Und zuerst eine ritterliche Arbeit bekommen. Ich brauche noch einen Patron. Aber den werde ich sicher finden. Ich glaube, ich werde meinen Freund, Gaius Sulpicius Galba, fragen, was er davon hält. Und wen er vorschlägt.“, vertraute Piso der älteren Sklavin an. Diese nickte. „Du hast dir viel vorgenommen. Aber ich bin mir sicher, du schaffst es.“ Sie klopfte ihm sanft auf die Schulter. „Wie ist es dir ergangen, Sophonisba?“, fragte er, sich eine Aprikose nehmend und jene kauend. Jene zuckte die Schultern. „Es ist halt das Übliche. Arbeit, Arbeit, ncihts als Arbeit. Deprimierend, Piso, deprimierend. Es ist halt so.“ Sie lächelte schwach.
    „Aber ich muss jetzt gehen. Viel Arbeit wartet noch auf mich. Weißt du was? Geh in die Thermen. Dein Vater hat sie gerade renovieren lassen, und sie sind jetzt absolut prächtig. Ich sage dir, solche Thermen siehst du sonst in ganz Rom nicht. Geh sie dir anschauen.“, legte sie ihm nahe, bevor sie sich erhob. „Den Korb lasse ich dir hier. Und hoffe, du hast noch einen guten Appetit. Wir sehen uns dann später.“, meinte sie, bevor sie: „Vale.“, sagte und das Zimmer verließ.
    Piso rief ebenfalls noch ein „Vale!“, bevor er sich zurücksacken ließ auf das Bett. Gute alte Sophonisba! Gut, dass es sie gab... er nahm gedankenverloren eine Frucht aus dem Korb und biss ab. Wie köstlich. Es war kaum zu vergleichen mit dem elenden Geschluder, das man immer in Rom bekam! Ganz und gar nicht. Welch Genuss...


    An
    Titus Helvetius Geminus
    Casa Helvetia
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    SENATORI T. HELVETIO GEMINO S. D.


    Ich schreibe dir im Auftrag des Procurator a libellis, Tib. Prudentius Balbus, zum Zwecke der Beantwortung deines Audienzgesuches. Bedauerlicherweise muss ich dir mitteilen, dass die Kanzlei für die Vergabe von Terminen beim Praefectus Urbi keinerlei Kompetenzen hat. Bitte, melde dein Gesuch beim Officium des Praefectus Urbi an, und lass dir von einem zuständigen Scriba oder vom Praefectus selber einen Termin geben.


    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei


    [Blockierte Grafik: http://img29.imageshack.us/img29/589/unterschriftafp.png]
    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


    [Blockierte Grafik: http://pages.imperiumromanum.net/wiki/images/5/5d/Siegel_Administratio_Impera.gif]

    „Du!“, ertönte Pisos Stimme wie die eines wütenden Gottes durch sein Officium, nachdem er eingetreten war. „Du! Du machst mir jetzt...“ Sein Zeigefinger, zitternd vor gerechtem Zorn, zitterte, in die Richtung eines armen Notarius deutend. „...mein MITTAGESSEN! Ich habe HUNGER! Ich will... ähm... SCHWEINSBRATEN! ABER FLOTT! Bitte.“ Der Notarius katzbuckelte, nickte eifrig und verschwand durch die Tür des Officiums. Piso seufzte, ließ sich auf seinen Primiceriussessel fallen, zog eine Wachstafel hervor und begann zu schreiben.
    „Schwafelschwafel salutem dicit.“, meinte er halblaut vor sich hin, als er schrieb. „Ich schreibe dir im Auftrag des Procurator a libellis, Tib. Prudentius Balbus, zum Zwecke der Beantwortung deines Audienzgesuches. Bedauerlicherweise muss ich dir mitteilen, dass die Kanzlei für die Vergabe von Terminen beim Praefectus Urbi keinerlei Kompetenzen hat. Bitte, melde dein Gesuch beim Officium des Praefectus Urbi an, und lass dir von einem zuständigen Scriba oder vom Praefectus selber einen Termin geben.“
    So, das war alles!
    Jetzt konnte es ja ans Mittagessen gehen, welches der Notarius gerade durch die Tür brachte... hmm, das würde gut sein...

    Ach ja, Balbus‘ Mittagessen. Hmm, du schaust aber gut aus heute, versuchte er mental an das Mittagessen zu funken, was zu misslingen schien. Das Mittagessen würde nicht automatisch in seinen Mund wandern... er würde halt einfach irgendeinem Notarius befehlen, ihm ein Mittagessen zuzubereiten. In harschem Tonfall. So gehorchten sie einem immer.
    Es wanderten also nicht gedünsteter Schweinsbraten in seine Hände, sondern ein Brief, den Piso als unessbar einstufte, während er Balbus‘ Stimme hörte. „Mhmmm... aha... gut, ich werde einen Brief schreiben an den Senator.“ Möglicherweise war das seine letzte große Aufgabe als Primicerius. Er würde es also gewissenhaft erledigen. „Das werde ich tun. Dann war das schon alles. Na dann... vale.“, meinte er mit einem Kopfnicken und machte sich daran, zu gehen.