Beiträge von Aulus Flavius Piso

    „Oh, das weiß ich.“, meinte Piso lächelnd. „Ich bin sicher, dass er es schaffen wird, und zwar erfolgreich. Ich selber habe da auch schon Pläne in die Richtung. Doch zuerst will ich mir einen Namen machen... und nicht zuletzt muss ich in den ordo senatorius.“ Er beschloss, sich dem Alten anzuvertrauen, hatte Verus doch so eine hohe Meinung von ihm. „Politik mag ein Wagnis sein, aber sie kennzeichnet Rom und seine Größe.“, war sich Piso ganz sicher. Rom und seine Größe, die nicht zuletzt auch die flavischen Kaiser mit aufgebaut hatten

    Kapitel III – Im Cubiculum, erster Besucher


    Der Thraker schob sich selber durch die Flure, Piso ging, angespannt, hinter ihm her. Er kannte sich noch aus. Er wusste, wohin er gehen musste, um zu seinem Raum zu kommen, es war kein Sklave notwendig, um ihm den Raum zu zeigen. Entweder dachte Aetius von seinem Sohn so wenig, dass er dachte, jener hätte schon längst vergessen, wo sein Zimmer lag. Oder, kam es Piso in den Sinn, er wollte ihm was verbergen. „Unsinn.“, murmelte er zu sich selber, was den Thraker veranlasste, auf einmal stehen zu bleiben und sich umzusehen nach Piso. Jener starrte mit strengem Blick auf den Sklaven. Geh weiter, du Hornochse, versperr mir nicht den Weg. Mit einem Grunzen bewegte sich der Sklave endlich weiter fort.
    Es waren nur noch wenige Schritte zu seinem alten Cubiculum. Piso schritt diese ab mit einer Art von befriedigtem Schmunzeln auf seinem Gesicht. Trotz allem, wieder zuhause. Der Thraker öffnete die Türe, Piso eilte schnell durch, packte, kaum dass er drinnen war, den Griff, und haute die Türe zu. Endlich in Ruhe. Und er konnte, ganz alleine im Zimmer, sich umblicken.
    Es war alles noch wie früher. Kein Möbel war verrückt worden, keine Gegenstände entfernt oder hinzugefegt worden, genau wie früher. Alles linear streng ausgerichtet, wie es sein Vater immer befohlen hatte. Kein Staubkrümel am Boden. Kein Kram auf dem Schreibtisch, wie daheim in Rom. Daheim, was für ein Wort, nun war es Rom für ihn. Ravenna kam für ihn überhaupt nicht mehr in Frage. Er war nur auf Besuch hier, mehr nichts.
    Nur ein Gegenstand erheiterte die Atmosphäre im Raum, lockerte sie auf. Piso lächelte, als er ihn erblickte. Ein kleines, kitschiges Porzellanstatuettchen von einem Pferd, auf einem Regal oben stehen. Piso ging, an seinem ehemaligen Bett vorbei, an seinem Schreibtisch vorbei, zum Regal hin, wo die Statuette noch immer stand. Er langte hoch und holte das kleine geschmackvolle Pferd hinunter. Fast zärtlich begann er es in seinen Armen hin- und herzuwiegen. „Pferdchen...“, flüsterte er fast schon väterlich...
    ...als es plötzlich anklopfte. Das konnte doch jetzt nicht der Thraker sein! Hastig stellte er die Porzellanstatuette wieder aufs Regal, drehte sich ruckartig herum und rief: „Herein!“
    Herein trat nicht der Thraker, sondern Cleomenes.
    Cleomenes war ein alter Bekannter von Piso. Es war der Schreibersklave des Aetius, welcher ständig um jenen herumschlich, ihm schmeichelte und andere Sklaven verpetzte. Piso mochte ihn nicht, nicht unbedingt wegen seiner schleimischen Eigenschaften, sondern viel eher wegen seiner Art. Er tat so, als ob alle im Haus, Aetius ausgenommen, in einer Form und Weise weniger wert seien als er selber. Dies traf selbst auf die Kinder des Aetius zu, denen Aetius scheinbar weniger traute als Cleomenes. Manchmal schien es Piso fast, als ob Aetius... ja, Angst vor Cleomenes hätte. Als wüsste jener ein dunkles Geheimnis, von dem Aetius auf keinen Fall wollte, dass es an die Öffentlichkeit gelangte. Er schüttelte den dämlichen Gedanken ab. Cleomenes war einfach ein intriganter Misthaufen, der wohl jedem Angst einflösste. Es war einfach so, dass er verlässlich und loyal war wie kein anderer. Aetius gegenüber, hieß das.
    „Der Sohn des Hauses ist zurückgekehrt.“, meinte Cleomenes ohne ein Wort des Grußes. „Dein Vater hat mich geschickt, um zu fragen, ob alles bestens sei.„Salve, Sklave.“, antwortete Piso giftig. „Alles war bestens bei mir, bis ich deine Fresse gesehen habe. Jetzt windet sich mein Magen herum. Du hast doch sicher einen Kotzkübel mitgebracht?“ Die Beleidigung rang Cleomenes nur ein Lächeln ab. „Meinst du wirklich, du kannst mich so treffen, Herr Piso?“ Das Herr ließ er nie weg. „Du warst schon immer so, hast mir Beleidigungen an den Kopf geworfen, hirnlose Angriffe auf mich geritten, ohne je erfolgreich zu sein...“ Pisos Augen verengten sich. „Wie wagst du es, mit mir zu sprechen!“ „So, wie ich es für angemessen halte.“, lächelte Cleomenes. „Seit du weg bist, verbringe ich angenehme Nächte. Niemand singt mehr hier schräg, niemand gröhlt sinnlos herum. Es ist wundervoll.“ „Was hast du gesagt?“, fragte Piso agressiv, wohl wissend, dass er Cleomenes dadurch nicht einschüchterte. „Ich sage dir, dass du ein so miserabler Sänger bist, dass ich mich gewunden habe vor entsetzen, als ich gehört habe, du kommst hierher.“ So wie du dich immer windest, du Wurm.“ Cleomenes überhörte die Bemerkung. „Wieso bildest du dir eigentlich ein, ein guter Sänger zu sein, wenn es offensichtlich ist, dass dem nicht so ist? Du hast die Stimme und das Talent geerbt von deinem Vater.“ Cleomenes begann, schulmeisterhaft in Pisos Zimmer herumzuschreiten. „Dein Vater singt grässlich. Er wieß dies auch. Wenn er betrunken ist – immer häufiger dieser Tage – sitzt er herum und lallt Lieder. Es ist schlimm, fast übler als du, Herr Piso.“ Er erreichte das Bett und drehte sich abrupt herum, um in die andere Richtung loszumarschieren. „Deine Mutter hingegen, sie sang zauberhaft. Und konnte die Lyra spielen wie keine andere. Ich erinnere mich noch. Ein junger Kerl war ich damals. Heute bin ich alt. Aber ich höre ihre Stimme noch. Ein wundervoller Sopran, ja, er durchklang das Haus... so wunderschön...“ Piso machte einen Satz auf dem mann zu und packte ihm am Arm. „Was weißt du schon von Schönheit, was weißt du schon von Ästhetik, Sklave! Du nichtiges Geschöpf, du elender Drecksack! Was weißt du von diesen Sachen.“ Unbeeindruckt vom festen Griff, wandte der Alte sich Piso zu. „Ich weiß viel davon. Auch von deiner Mutter. Sie war sehr interessiert darin. Einen großen Kunstsinn hatte sie.“ Piso wusste dies. Ständig hatte man es ihm erzählt.
    „Es ist deswegen, oder?“ „Was? Ich verstehe nicht.“, grollte Piso, übel aufgelegt. „Deshalb widmest du dein Leben den schönen Künsten. Du willst deiner Mutter nacheifern.“
    In Pisos Augen wich der Groll dem Erstaunen, dann der Wut. „Du kommst daher und stellst Hypothesen auf, du...“ „Ich stelle nichts auf, ich konstatiere die Wahrheit!“, gab Cleomenes barsch zurück. „Du hast kein Talent, für nichts musisches, nichts musikalisches, nichts, was mit Ästhetik zu tun hat. Wie dein Vater, Herr Piso, wie dein Vater. Deine Mutter verstand was davon. Sie war gut darin, es war ihr Lebensinhalt, sich den schönen Künsten zu widmen. Nichts von ihrem talent hast du geerbt. Nur den Drang zur Ästhetik, zur Musik, hin. Nur dies, Herr Piso. Und dies hast du auch nur begonnen, als man dir erzählt hatte, was für ein mensch deine Mutter war. Denn du wolltest nicht so sein wie dein Vater. Du brauchtest ein anderes Identifikationsbild. Ein Semifiktives, welches du kaum kanntest. Calpurnia Fausta. Ihr eiferst du nach im Leben, nicht deinem Vater. Du veachtest deinen Vater, nicht wahr? Das stimmt doch.“
    Piso hielt dies nicht länger aus. Auf seiner Stirn war seine Ader geschwollen, seine Augen rot unterlaufen. „Raus hier. Sofort, du alter blöder Mann. Raus hier.“ Cleomenes nickte nur mit einem spöttischen Grinsen und verschwand hastig durch die Tür.
    Davor blieb Piso alleine stehen, ins Leere starrend. Nach einiger Zeit setzte er sich hin, auf den rand seines Bettes, noch immer herumstarrend. Denn eines wusste er, tief in sich drinnen. Cleomenes hatte recht.
    In allem, was er gesagt hatte, hatte er recht gehabt.

    Je mehr Piso seinem Vetter von seinem Beruf erzählte, so weniger verstand jener, was vor sich ging. Zumindest wollte es Piso so scheinen. Überhaupt fühlte er sich streckenweise so, als ob er mit Aristides, wenn er über Verwaltungsarbeit sprach, in einer Sprache sprach, die so unverständlich war wie germanisch oder hebräisch. Irgendwie hätte Piso schon Grund, sich ein wenig verunsichert zu fühlen. Immerhin hatte er einen Flavier vor sich, einen Vigintivir, einen Mann von Herkunft und von Rang. Doch schien Aristides dies nicht zu interessieren. Kurz fragte er sich, ob er überhaupt recht daran getan hatte, zu Aristides zu kommen. Er hatte ihn für einen fleißigen, schaffensreichen Mann gehalten, doch es kristallisierte sich heraus, dass Piso gegen ihm ein rechter Arbeitswüterich war. Das aufgeblasene Ego des jungen Flaviers rumorrte in seinem Hirn herum, kommandierte ihn, sich doch irgendwie besser zu fühlen als sein heruntergewirtschafteter Vetter.
    Doch er brachte es doch nicht über sich. Aristides, von dem sein Vater immer mit solch großen Respekt gesprochen hatte! Dies war kein Mann, dem man weniger Respekt zollen sollte, als es angebracht wäre. Zudem, da nun, so dachte Piso, eine echte Brücke zwischen den beiden entstanden war. Er glaubte wirklich, die beiden wären nun etwas näher gerückt.
    Er lächelte höflich, als Aristides zu ihm sprach. „Du bist zu freundlich, Marcus. Dabei bin ich nur ein kleiner Beamter. Aber, du wirst sehen, bald wird alles anders werden. Bald werde ich jemand sein.“ Zumindest hoffte er dies. Er lachte auf, als sein Vetter das Wort „Verrosten“ in den Mund nahm. „Nein, nein! Es besteht schon eine Gefahr, dass ich verrosten werde in der Schreibstube, in der ich momentan arbeite, doch dort werde ich wohl nicht ewig bleiben. Ich werde bald aufsteigen, da bin ich mir sicher. Jeden Tag könnte es passieren...“ Zumindest hoffte er dies. „Und im Senat ist es gleich nochmals schlimmer, sagst du? Ach, komm, Marcus. Kannst du mich als alten, miesepetrigen Knülch, wie du es ausdrückst, vorstellen? Dort, wo ich bin, ist immer was los!“ Mit einem gewinnenden Lächeln (oder zumindest etwas, von dem er sich vorstellte, dass es so aussehen müsste) blickte er seinen Vetter an.
    Und tatsächlich, als Aristides seine Heiterkeit sah, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Nicht gewaltig, nur leicht, doch eine Änderung war zu sehen. „Das ist großartig, dann machen wir uns gleich ans Musizieren, wenn die cena vorbei ist!“ Tatsächlich, es war schon so spät. Es war direktgehend unglaublich.
    „Dann wollen wir einmal zur cena gehen. Mir kracht schon der Magen, Marcus. Ich bin sicher, du kannst noch gut die kithara spielen. Du wirst sehen, wenn du so etwas gelernt hast, vergisst du es nie wieder. Also, gehen wir!“ Piso erhob sich und bedeutete Aristides, das selbe zu tun. „Komm. Ich glaube, ich habe gehört, es gäbe heute Lammbraten. Das wird sicher gut.“, war er sich sicher.

    Piso wurde fast erdrückt von den kräftigen Seemannsarmen des Decimers, als jener ihn immer fester an sich zog. Piso gurgelte leicht, ließ aber nicht los, und drückte sienerseits auch Verus fester. Die Antwort beantwortete seine Frage nicht, aber es war auch eine bemerkenswert bescheuerte Frage gewesen, die keine vernünftige Antwort verdiente. „Das Leben geht weiter...“, wiederholte er schluchzend, „Leider!“ Er heulte verzweifelt auf, sein Körper zuckte im takt seiner Heulschübe. Es war ein Elend mit den zwei Männern, die nur noch mehr Nervenbündel waren und sich gegenseitig an Heulbojenähnlichkeit zu übertreffen versuchten. Beide waren dabei ziemlich erfolgreich. Die Mengen der Tränen, die die Männer vergossen, amchte den Boden ganz glitschig, und ihre Togen waren wie Wischfetzen, so durchtränkt und verheult, von den Tränen beider, dass es einfach nur noch entsetzlich war. Die konnte man nur noch den Waschweibern geben.
    „Ihr Götter, ihr Götter! Warum habt ihr uns verlassen!“, rief Piso verzweifelt hoch, Verus darin imitierend. Denn nun fiel ihm ein, dass es jemanden gab, dem man die Schuld zuweisen konnte. „Was habe ich euch getan! Ihr Götter! Wieso!“ Jegliche Hoffnung auf Hilfe hatte er schon längst hinter sich gelassen. Es blieb nur noch Schmerz, Trauer, Kummer.

    Sim-Off:

    Und das Schönste ist, man kann da noch aufdrehen... :D


    Piso weinte jämmerlich in den Bart von Verus hinein, welcher wohl nun ein rechter Trieffetzen war. Er hörte Verus‘ Worte kaum noch, sein Hirn war erfüllt vom Schmerz und vom Kummer, der sein herz durchflutete. „Oh, Titus!“, heulte er, sich fest an den Decimer klammernd. „Sie war mein ein und alles! Wie soll ich bloß ohne sie leben, oh, Titus, wie nur!“ Die Frage war sinnlos, Piso wusste, es gab keine Antwort darauf. Als ob in seinem Inneren ein Damm gebrochen wäre, stürzten die Tränen aus seinen Augen heraus, es war ein gar betrubsamer Anblick.
    Seine Augen taten schon weh vor lauter Heulen, doch er konnte nicht aufhören. „Oh, nein, nein, wieso ist die Welt bloß so ungerecht und gemein?“, heulte Piso. „Serrana! Komm zurück... bitte, bitte, kehre wieder!“ Seine vergeblichen Bitten verhallten ungehört (nun gut, Narcissa musste sie hören) im Raum. „Wie soll ich bloß ohne sie leben?“, fragte er abermals und schluchzte hemmungslos Verus voll. „Wie nur? Oh Titus, sag es mir!“ Er stand sehr kurz vorm absoluten Kollaps.

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus


    Piso hatte nicht Opium geraucht, jedoch den Genuss von hochgeistigen Bestrebungen. So hätte zumindest er es ausgedrückt, im Volksmund konnte man sagten, er sponn wieder ein bisschen. Sein Lächeln, welches er selber als warm und gütig empfand, aber jedem vernünftigen Menschen als höchst befremdlich erscheinen musste, wurde noch breiter. „Ah, Sklave, wundervoll wäre dies. Wundervoll. Ich werde morgen wiederkehren, wenn er hoffentlich mehr Zeit hat. Vale bene.“, meinte Piso.
    Er drehte sich um und suchte mit schwungvoll-federnden Schritten den Grund der Villa Tiberia zu verlassen.

    Sim-Off:

    Und so schaut unsere politische Zukunft aus. Tststsss... Gnaden uns die Götter. :D


    Piso ergriff hastig den Wein, den man ihn reichte. Er zitterte, als er ihn zu seinem Mund führte und daraus trank. Kleine Tröpfchen sprenkelten sich über seine Toga. Einen tiefen Schluck nahm er, bevor er absetzte und leer in die Richtung der Iunia schaute, welche ihm sagte, dass sie nichts über Serranas Verschwinden wusste. Nur, dass sie nach Athenae gegangen war, was Piso schon wusste. Er hätte es ahnen müssen. Todtraurig blickte er auf Narcissa, er sah müde aus, als ob er jetzt und dann umfallen würde vor lauter Müdigkeit. Er leerte den becher gerade in jenem Augenblick, als Verus sich von einem scheinbar Toten zu einem scheinbaren Zombie verwandelte.
    Entsetzt blickte Piso auf dieses menschliche Wrack, in das Serranas Verschwinden Verus verwandelt hatte. Und erst jetzt, als er Verus anschaute, dran in sein Gehirn durch, dass Serrana für ihn verloren war. Es war aus, vorbei. Er brüllte einen Schrei der Verzweiflung. „Merda!“, erschallte es im ganzen Raum, als Piso beide Hände an den Kopf griff und begann, wie ein kopfloses Huhn herumzurennen. „NeinneinneinAUA! Scortum Mater!“, brüllte er abermals, als er, blind wie er war, an eine Wand stieß und sich den Kopf anhaute. Er stürzte zu Verus hin, entriss jenem den Weinkrug und kippte ihn in einen Zug hinunter.
    Dann warf er jenen weg, in Narcissas Richtung, ohne zu bedenken, dass dort noch jemand stand. Anschließend warf er sich auf Verus, auf seine Schulter, wo er seinen Kopf vergrub und zu heulen begann. Er fühlte sich ganz, ganz elend, so mies, wie er sich womöglich noch nie gefühlt hatte. Es war ihm jetzt wurscht, was Narcissa von ihm dachte, er war seelisch am Ende.

    Kapitel II - das Gespräch


    „Salve, Vater.“, kam es Piso über die Lippen, als er denjenigen sah. Was ihm als erstes auffiel – Flavius Aetius hatte zugenommen. Sehr zugenommen. Fast so, als hätte er seit Pisos Aufbruch nur noch mehr gegessen, ohne ein einziges mal innezuhalten in einer Orgie von epischen Ausmaß.
    „Aulus!“, dröhnte dem Flavier die Stimme seines Vaters entgegen. „Du besuchst mich! Wie wundersam!“
    Sarkasmus konnte man dem dicken Flavier anhören, der sich auf eine Kline plumpsen ließ. Sie waren nämlich im Triclinium – ein Raum, der sich nicht verändert hatte, seit Piso denken konnte. Die Wandmalereien waren die selben, die Klinen standen an den selben Plätzen, sogar der Dekorationsbronzehund stand noch immer in der Ecke, dämlich mit dem Schwanz, der mit einer Feder an den Rest der Statuette festgemacht war, wackelnd.
    „Das stimmt, ich besuche dich.“, meinte Piso trocken und blickte sich um. Es war wirklich alles beim Alten. „Darf ich mich setzen?“ „Sicher! Setz dich!“ Wieder die dröhnende Stimme. Piso nahm zögerlich Platz. „Also, mein Sohn, wie ist es dir in Rom ergangen? Wie geht es Aristides, den alten Haudegen? Hä?“ „Ihm geht es gut, denke ich einmal...“, meinte Piso vorsichtig, wusste er doch um den manchmal etwas zweifelhaften Gesundheitszustandes seines Vetters Bescheid. „Es hat ihn halt sehr mitgenommen, wie man ihm seine Frau entführt hat...“ „Ah, die! Diese Claudierin! Die! Genau!“, betonte Aetius. „Das war hier, in Ravenna, wo man sie gepackt hat... hier in Ravenna, mhm!“ „Ich weiß, Vater.“, antwortete ein leicht erschöpfter Piso.
    „Ah! Mhm. Und wie geht es ihr jetzt?“ „Keine Ahnung. Sie lebt auf irgendeiner Villa.“ „Ah! Mhm.“, erwiderte Aetius, und pflückte eine Traube vom Rollwägelchen, welches ein Sklave daherschob. Genüsslich zerkaute er sie. „Und du? Wie geht es dir?“ Nun ja... ich arbeite jetzt in der kaiserlichen Kanzlei...“ Aetius blickte auf und starrte seinen Sohn an. „Du? Bei der Kanzlei? Neinneinnein, das kannst du vergessen, nicht bei den Aeliern...“ Doch. Dort arbeite ich. Es macht mir Spaß, ich verdiene gut, und ich stehe kurz davor, befördert zu werden.“, aszertierte Piso, unwirsch, genervt vom engen Blickfeld seines Vaters. Jener blickte kurz erstaunt, dann winkte er ab. „Tu, was du nicht lassen kannst!“, rief er. „Aber du fällst noch auf die Nase, Aulus. Du fällst noch auf die Nase.“ Gleich eine ganze Handvoll Trauben nahm er und schoppte sie sich in den Mund. Geräuschvoll kaute er. Er schluckte und sprach dann weiter. „Wie du es schon immer getan hast. Die Aelier sind ja deine alten Kumpels, nicht wahr? Dieser, wie hieß er, Archias, dieser ungezogene Nachbarslümmel... mit dem bist du immer herumgehangen.“ Bevor Piso ein Wort der Verteidigung seines Freundes sagen konnte, fuhr Aetius fort. „Ach, ich denke mir, hie und da, wie es gewesen wäre, wärst du das Mädchen geworden, und Leontia mein Sohn... aus ihr wäre etwas Gescheites geworden, meiner Seel, was Gescheites!“, betonte er.
    Pisos Augenbrauen zogen sich zusammen. „Du hast gerade gesagt, ich bin unfähig, und Leontia...“ Genau, sie war was besonderes.“ Im Gegensatz zu mir.“ Aetius blickte erstaunt, dann fing er dröhnend zu lachen an. „Na ja, ich weiß auch nicht. Als ich sie erwischt habe... mit diesem... Gracchus, diesem Schwein, diesem dummen...“ „Sprich nicht so über Gracchus. Er ist ein guter Mann.“, widersprach Piso heftig. „Genau so gut wie dein geliebter Aelius Quarto? Genau, geh dem brav den Hintern ablecken.“, blaffte Aetius heraus, hob die linke Hinternbacke und furzte laut. „Ahhh. Das ist gut. Also, Sohn, willst du in die Politik gehen?“ „Ja, durchaus.“, meinte Piso knapp und blickte mit einem sonderbaren Blick auf seinen Vater. „Tu das nicht!“ Ein väterlicher, wurstiger Zeigefinger rauschte empor. „Geh in die Wirtschaft. Wie ich. Da macht man so ein Vermögen, dass es unglaublich ist. Dann kann man sich noch immer als Duumvir von Ravenna bewerben, das wäre dann toll!“, rief er begeistert aus, und schenkte sich Wein ein. „Du willst doch auch Wein, oder?“ Ein Sklave drückte Piso einen Weinkelch in seine Hände. Vorsichtig trank er draus. „Nein, ich will in die Politik, in Rom.“, meinte er mit fester Stimme. „Ach, du Sturkopf! Du bist mir wie ein rechter Calpurnier, wie deine Mutter!“
    Beim Wort Mutter sackten Pisos Mundwinkel schlagartig nach unten. Selbst Aetius sah, dass er in ein Fettnäpfchen getreten war, und ließ es sein, in diese Richtung weitere Kommentare zu machen. Aetius kaute eine Weile vor sich hin. Dann fragte er: „Wie schaut es bei den Frauen aus?“ „Schlecht.“, antwortete Piso knapp. Er wollte mit seinem Vater nicht über Serrana reden. Es war zu schmerzvoll.
    Bevor Aetius was sagen konnte, öffnete sich plötzlich die Tür. Ein Frauenzimmer schneite herein, kreischte: „Gnaeus!“ und warf sich in Aetius‘ Arme. Jener lachte rustikal auf und umarmte sie stürmisch. Nach einigem an Geknutsche, welches Piso interessiert beobachtete, drehte Aetius die Frau zu Piso hin. „Dies hier ist mein Sohn, Aulus Flavius Piso. Das hier ist Nonia Damasippa, mein Liebchen aus Patavium.“ Kräftig klopfte er ihr auf den Hintern, die Nonierin kreischte vor Lachen. Sie gefiel Piso nicht. Objektiv war sie schon ganz hübsch... aber so vulgär sah sie aus... dick geschminkt, und dann dieses Lachen, welches einem in den Ohren gellte. „Sehr erfreut.“, rang er sich ab, zusammen mit einem Lächeln. „Ganz meinerseits, hihihi!“, kicherte Damasippa ihm zu. „Aulus... wie aufregend...“ Lasziv schwang sie ihr Bein über dies von Aetius, sodass sie nun in der Reiterposition vor ihm saß.
    Aetius lachte. „Hahahaha... nun, Aulus, du wirst uns entschuldigen. Ein Sklave wird dich zu deinem Zimmer führen.“ Ein Riesenkerl, dessen Blick keinen Widerspruch zuließ, baute sich vor ihm auf, ein Thraker. „Du kommen.“, grollte er. Wortlos stand Piso auf, ging durch die Tür, machte sie ohne ein Wort des Abschieds zu, und folgte dem Thraker zu seinem Zimmer.

    Mit einem breiten Lächeln begrüßte der junge Römer den griechischen Sklaven, ein Lächeln, fast schon ein Grinsen, welches er die ganze Zeit über nicht ablegte, und welches fast schon ein bisschen beunruhigend wirken könnte.
    Wie du mir helfen kannst? Ah, um dies zu tun, wisse meinen Namen! Aulus Flavius Piso, und ich will den Arvalbrüdern beitreten.“ Für diesen Tag hatte sich Piso selber eine Aura von Hochgeistigkeit verliehen – zumindest dachte er dies. Unweigerlich aber erschien er damit noch kasperlhafter, als er es sonst schon tat. „Zu diesem Zwecke, so hat man mir berichtet, muss ich mich an die Tiberier wenden. Ist jemand zugegen, der in irgendeiner Weise zuständig ist?“, fragte Piso, noch immer salbungsvoll lächelnd.

    Sim-Off:

    Urgs, fast verschlafen! :(


    Pisos Herz wummerte noch immer rasant, als er das Tablinum des decimischen Hauses betrat. Sein Blick ruhte konstant auf Verus, der in einer Bahre, scheinends leblos, vor ihnen hergetragen wurde. Sein Freund war ihm schon immer instabil und leicht aus der Bahn zu werfen erschienen, doch er schaffte es immer wieder, den Flavier zu erstaunen. Aus diesem Grund war Piso auch so angespannt – Sorge um Serrana, nein, besser Entsetzen, vielleicht sogar ein bisschen Wut, und Sorge um Verus, der jetzt hoffentlich nichts machen würde. Er fühlte sich so, als ob er gerade noch vorhin auf einem Teppich gestanden sei, man den jedoch ruckartig unter seinen Füßen weggezogen hätte und Piso auf seinem Hinterteil gelandet wäre. Genau so fühlte er sich, als ob sein Arsch auf Grundeis ginge.
    Inmitten all dieser Sorgen fragte ersich nicht einmal richtig, was wohl eine Iunierin mit den Decimern zu schaffen hatte. Er nickte nur bedröselt, als die Iunierin ihn fragte, ob er etwas wolle. „Äh, ja, gerne. Was? Äh, Wein, bitte.“, machte er gedankenabwesend und setzte sich ächzend auf eine der Klinen, ohne dass ihm ein Platz angeboten worden wäre. Er war einfach momentan viel zu zerstreut, um auf solche Sachen zu achten.
    Verzweifelt blickte er die Frau vor ihm an. „Werte Iunia, ich kann mir keinen Reim aus dem ganzen machen, ich verstehe nicht, was los ist, was geschehen ist! Wieso ist Serrana verschwunden? Was habe ich falsch getan?“, quollen ihm die Worte rasend schnell aus seinem Mund hervor. Er wollte wissen, was vor sich ging!

    Stampfend marschierte Piso zur Villa des Patriziergeschlechtes der Tiberier. Den Quirnial war er schon so eigentümlich gegangen, und den Viminal war er ebenso hinaufgestiegen. Ein paar merkwürdige Blicke von Passanten hatte dies auf sich gezogen, doch Piso hatte sich davon nicht abhalten lassen, jene neue Form des Gehens auszuprobieren. Strahlte sie doch eine Ästhetik sondersgleichen aus, dachte er sich und grinste breit, als die Villa Tiberia in Sicht kam. Sich rechtzeitig darauf besinnen, bei den Tiberiern nicht als „der Trottel mit den Füßen“ in die Annalen einzugehen, verlangsamte er seine Schritte und ging wieder normal.
    Ein bisschen Schweiß wischte er sich von der Strin, bevor er laut und kraftvoll anklopfte. Die Türe war nagelneu, die alte war wohl damals niedergebrannt, dachte er sich. Es klang auch ganz neu, als er anklopfte. Mal sehen, ob es was brachte, zu den Tiberiern gegangen zu sein...

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    erhebe ich
    Titus Decimus Verus


    in den
    Ordo Senatorius



    - ANTE DIEM XIV KAL OCT DCCCLIX A.U.C. -
    (18.09.2009/106 n.Chr.)





    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    erhebe ich
    Lucius Iulius Centho


    in den
    Ordo Senatorius



    - ANTE DIEM XIV KAL OCT DCCCLIX A.U.C. -
    (18.09.2009/106 n.Chr.)





    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    erhebe ich
    Faustus Octavius Macer


    in den
    Ordo Senatorius



    - ANTE DIEM XIV KAL OCT DCCCLIX A.U.C. -
    (18.09.2009/106 n.Chr.)



    An
    Faustus Octavius Macer
    Villa Rustica Octavia
    Ostia
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    DUUMVIRO OSTIAE F. OCTAVIO MACERI S. D.


    Ich habe die Anweisung, dir im Namen der kaiserlichen Kanzlei mitzuteilen, dass du in den ordo senatorius erhoben worden bist. Dein neuer Stand ist nun eingetragen und bestätigt. Er befähigt dich nun dazu, für politische Ämter zu kanditieren. Trage deinen neuen Titel mit Würde und Stolz.


    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei


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    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


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    Schon seltsam, dass ein Iulier bei den Sergiern lebt, dachte sich der Bote, als er den Brief einwarf, bevor er wieder verschwand. Nun, ihm sollte es gleich sein.



    An
    Lucius Iulius Centho
    Casa Sergia
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    AQUARIO L. IULIO CENTHONI S. D.


    Ich habe die Anweisung, dir im Namen der kaiserlichen Kanzlei mitzuteilen, dass du in den ordo senatorius erhoben worden bist. Dein neuer Stand ist nun eingetragen und bestätigt. Er befähigt dich nun dazu, für politische Ämter zu kanditieren. Trage deinen neuen Titel mit Würde und Stolz.


    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei


    [Blockierte Grafik: http://img29.imageshack.us/img29/589/unterschriftafp.png]
    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


    [Blockierte Grafik: http://pages.imperiumromanum.net/wiki/images/5/5d/Siegel_Administratio_Impera.gif]


    An
    Titus Decimus Verus
    Casa Decima Mercator
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    CURATORI KALENDARII T. DECIMUS VERUS S. D.


    Ich habe die Anweisung, dir im Namen der kaiserlichen Kanzlei mitzuteilen, dass du in den ordo senatorius erhoben worden bist. Dein neuer Stand ist nun eingetragen und bestätigt. Er befähigt dich nun dazu, für politische Ämter zu kanditieren. Trage deinen neuen Titel mit Würde und Stolz.


    Im Auftrag der kaiserlichen Kanzlei


    [Blockierte Grafik: http://img29.imageshack.us/img29/589/unterschriftafp.png]
    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


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    Nicht Mangel an Enthusiasmus war es, welches den patrizischen beamten in seinem Stuhl zurücksacken ließ, sondern die Gewissheit, dass er wieder leer ausgegangen war, während andere an ihm vorbeirauschten. Es musste dagegen was getan werden, er würde sich innert kurzer Zeit mit Balbus kurzschließen. Währenddessen dachte er sich, er sollte wirklich einen guten Patron suchen. Wenn er bloß wüsste, wen...
    Er versuchte, sich nichts von seinen Gedanken anmerken zu lassen, und lächelte den Senatoren so freundlich an, wie er konnte, das hier war nicht die Zeit für Extravaganzen. „Oh, ja, ich kenne ihn.“, beantwortete er die Frage des Senatoren und dachte sich dabei: Wenn du wüsstest. „Ich würde ihn durchaus als guten Freund bezeichnen. Doch mir gegenüber hat er noch nie die Intention erwähnt, in die Politik gehen zu wollen.“, merkte Piso an. „Er wird schon wissen, was er tut.“ Hoffte er einmal. Ob Verus den Druck in der Politik aushalten würde, fragte er sich unwillkürlich.


    Sim-Off:

    Wird doch glatt gemacht. ;)

    Piso schritt eilends zum Officium seines Vorgesetzten und klopfte dort an. Es gab Sachen von administrativer Wichtigkeit zu besprechen - und es gab da noch zwei, drei Sachen interessanterer Natur, die unbedingt besprochen werden mussten...

    Und schon wieder sprang nichts für ihn heraus als Arbeit! Nichts! Piso hätte vor Enttäuschung mit der Faust auf den Tisch hämmern können und einen bizarren Tanz vor den Augen eines sicherlich erstaunten Aelius Quarto aufführen können. Er hatte schon gedacht, der Consular käme zu ihm, um ihm mitzuteilen, dass ihm ein Senatorensitz und eine Landvilla dazu angeboten wird... aoder wenigstens ein besserer Posten mit Aussicht auf den ordo senatorius. Nichts dergleichen. Ein seine Enttäuschung herunterschluckenender, sicher nun ein wenig müder aussehender Flavius Piso nickte kurz, wurde aber hellhörig, als er sich die Namen nochmals durch sein Gedächtnis gehen ließ. Lucius Iulius Centho, das sagte ihm rein gar nichts. Der andere Name aber... „Titus Decimus Verus?“, fragte er nach, sicherheitshalber. „Das ist ja interessant... nun gut, ich mache mich sofort an die Arbeit. Vale, Senator... oder gab es noch etwas?“, fragte er und blickte so dienstbeflissen wie nur möglich den Aelier an.