Beiträge von Aulus Flavius Piso

    „Oh.“, war das intelligenteste, was Piso einfiel, was die Thematik des Lyraspiels anbelangte. Sehr eloquent war dies natürlich nicht, jedoch traf es den Punkt – er war baff und komplett wortlos. Auf einmal fühlte er sich ein wenig mickrig. Dieser Mann vor ihm war nicht der Halbseidene, für den Piso ihn noch vor ein paar Tagen gehalten hatte. Es steckte wirklich etwas hinter der Oberfläche. Kurz gesagt, Piso war beeindruckt. Er neigte natürlich massivst zur Selbstüberschätzung, doch Lucius Furianus machte ihn ein für alle Mal seine Grenzen klar. Eine erstaunliche Leistung, hatte das doch noch niemand jemals geschafft.
    „Z’rückn’mm?“ Seine Kehle war trocken, und so verstümmelte er in fast schon gracchischer Manier seine Worte. Er räusperte sich. „Ich muss mich... oh.“ Schon zum zweiten Mal entströmte seiner Kehle dieser Laut. Natürlich, bedeutungsreich per se war sie nicht, doch drückte sie so gut aus wie 100 Worte, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte.
    Er grübelte ganz kurz nach. Zurücknehmen, sich zurücknehmen? Er räusperte sich. „Äh, es gibt Leute, die denken anders über meinen Gesang.“, krächzte er eher, als dass er es sagte. „Warte.“ Er griff zielsicher zwischen zwei Kisten hinein und holte seinen Schatz heraus. „Hier. Es ist ein Artikel in der Acta vom hoch angesehenen Blandus! Er schreibt sehr hoch über meine Musik.“, verkündete er stolz und reichte den Zettel an Furianus weiter. Sicher würde der Senator dies anerkennen mü... MERDA! Im Artikel stand auch, unseligerweise, dass man ihn mit Eiern und Obst der faulen Sorte beworfen hatte! Doch den Artikel konnte er jetzt nicht mehr zurücknehmen. Wieso musste er unbedingt auf sein Recht beharren? Er hätte den Märtyrer spielen können, der sich im Auftrag der Muse opferte, für was auch immer. Doch nun war es zu spät, seine Hand konnte er nicht mehr zurückziehen.
    So fand er es sehr agreabel, dass man zu einem anderen Thema überging.
    „Im Vertrauen... Nero ist sehr ungerecht im Kreise der Historiker behandelt worden.“, meinte er. „Es ist ja klar, dass nicht er Rom angezündet hat, sondern die verdammten Christen. Ich respektiere die Claudier, und ihre Ahnen ziehe ich genau so wenig durch den Schmutz, wie sie unsere Ahnen durch den Schmutz ziehen würden.“ So, das war jetzt mal ein schöner Satz! Ständisch, zünftig, selbstbewusst und ehrsam. Gäbe es da nicht ein kleines Problem... die Aelier. Nein, nur nicht dran denken.
    Den nächsten Worten lauschte er brav. „Aha... gut...“, viel mehr brachte er nicht heraus. Wo es angebracht war, nickte er. Er war schon viel zu eingeschüchtert, um noch zu schmollen. Am Ende von Furianus‘ Rede schluckte er und brachte nur noch ein „Ich verstehe“ zusammen.
    „Prudentius Balbus ist dein Freund?“, wiederholte Piso erstaunt. „So... so ist das also...“ Konnte dies der Grund dafür sein, dass Balbus eingewilligt hatte? Ach ihr Götter, Balbus. Der würde sicherlich brühwarm erzählen, was bei ihm den Ausschlag gegeben hatte, Piso anzustellen – das Bedürfnis nach besseren Beziehungen mit dem Kaiser. So eine Ansage war relativ schräg für einen Flavier, musste sich Piso eingestehen. Vielleicht konnte er das noch später irgendwo im Gespräch einflechten. Sodass es Furianus nicht von Balbus erfahren musste.
    Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr fiel ihm auf, wieviel Geheimnisse er vor der eigenen Familie hütete.
    „Einige der Notarii sind römische Bürger. Mein Obernotarius zum Beispiel, ein Mitglied der Gens der Numerier! Wir sind schon praktisch in einem Klientelverhältnis.“ Nun war die Gens Numeria eher unbedeutend, und der Zweig, aus dem Urbicus stammte, an Einfluss im Keller darunter. Doch diesen Punkt wollte er einmal machen. „Und ich habe Freunde in der Kanzlei. Imperiosus, das derzeitige Oberhaupt der Pompeier, und auch noch Sabinus von den Viniciern. Seine beiden Onkel sind Hungaricus und Lucianus.“, warf er ein. „Diese beiden würden mich sicher unterstützen.“ Er war sich dessen ziemlich sicher.
    Dass seine Leistung bezüglich des CRV nicht gewürdigt wurde, hätte er fast schon erahnen können, war es doch der grundlegende Test. „Ich würde den Cursus Iuris machen, gerne!“, rief Piso, der Anwälte schon immer bewundert hatte. Sie waren einfach unschlagbar, fand er, mit ihren Reden und Verteidigungen und Anklagen, und Paragraphen und Fallrecht... sicher wäre das nicht uninteressant. „Nur gibt es ein Problem. Man hat ihn ausgesetzt. Und zwar kurz, bevor ich nach Rom gekommen bin. Aus diesem Grund will ich auf den Wirtschaftstest fürs Erste ausweichen.“ Er blickte etwas traurig drein, man konnte sehen, dass sein Verdruss darüber echt war. „Ich will ihn aber so früh wie möglich machen...“, setzte er hinzu.


    „Geld? Tausende?“, fragte er erstaunt, und die Augen weit aufgerissen hatte nun der junge Beamte, der noch nie mehr als 500 Sesterzen auf seinem armseligen Kontolein gehabt hatte. Er dachte hastig nach. Wieviel Wein konnte man für 5000 Sesterzen hinunterkippen? Definitiv könnte er damit eine Runde Falerner ausgeben... doch es war nur allzu evident, dass solch Geld nicht vorgesehen wären fürs Vertrantscheln. Das war nun ein bisschen eine Zwickmühle. Er würde das Geld ausgeben müssen für diverses Glump, Weiterbildung und Standesgeld. Und Kauf von Land. Er blickte also Furianus nur dackelig an. „Ähm... wieviel, Lucius Furianus, denkst du, brauche ich für einen Einstieg in... äh... öh... die Karriere, die du mir zugedacht hast?“ Er war ja schon ein bisschen stolz. Um Geld zu betteln war noch nie sein Ding gewesen. Doch dies war Rom. Hier war alles anders. Und vor allem, sehr kompliziert. Das konnte man als sehr gute Ausrede zum Sandeln sehen.
    Er sah etwas hilflos dabei zu, wie Furianus in seinem Zimmer herumzulatschen begann. Iupiter, mach, dass er nichts zertritt, lautete das Stoßgebet von Piso, als Furianus zwischen den Sachen, die er am Boden herumliegen hatte, hindurchwandelte.
    „Äh... ja... gut... wenn du es sagst... vielen Dank...“, meinte er als Furianus ihm seine Hilfe anbot.
    Sollte er sie annehmen?
    Es gab zwei Varianten.


    Erstens, Aulus, du arbeitest weiter in deinem Officium. Du verdienst dir deine Brötchen selber. Du bist frei und ungebunden. Aber du musst schuften. Irgendwann kriegst du einen krummen Rücken. Du wirst vielleich irgendwann mal Procurator a memoria. Vielleicht schaffst du es noch vor der Rente zum Procurator ab epistulis, oder sowas in der Art. Dein Gehalt versäufst du. Und das war dann dein Leben.


    Zweitens, du tust, was er sagt, Aulus. Du kriegst erst mal eine Stange Geld. Du kannst dich weiterbilden. Nach Aegyptus kommst du wohl nicht mehr. Aber du kommst zu Ehre und Bekanntheit. Flavius Piso, werden die Leute sagen, natürlich kenne ich den. Er ist beliebt und angesehen. Wenn du durch die Menge reitest, werden dir die Leute zujubeln. Der Jubel wird ästhetisch sein. Und erfüllend. Genau so wie die Redewendung: „Das Jahr des Consulats des Flavius Piso.“ Hmmm... Kaiser Piso der Erste. Lecker. :D


    Er entschied sich. „Ich nehme deine Hilfe gerne an, und danke dir dafür.“ So, es war gesagt. Es war vollfüllt. Er atmete tief durch. Eine Ära war zu Ende gegangen. Eine neue war angebrochen. Oder so etwas in der Art. Hauptsache, es klang schön kitschig, das war nett. Ja.
    Er lauschte den Worten des Furianus um einen Zacken aufmerksamer als vorhin. „Du redest mit Balbus... gut, ich hoffe, er wird dir nur Gutes sagen können. Und, wenn du schon bei ihm bist... äh... es gibt da einen Posten in der Kanzlei. Der Posten heißt „Procurator a memoria“ und ist sehr angesehen. Und gut bezahlt. Und... ich meine... vielleicht bekommst du da etwas hin? Ich glaube, ich würde einen guten Procurator a memoria geben... äh... ich meine natürlich, ich würde eine solche Arbeit zur vollsten Befriedigung des Kaisers erfüllen.“, verbesserte er sich, innerlich sich seiner Rhetorikstunden gemahnend. „Ich will noch etwas in der Kanzlei bleiben. Denn es ist ein Zeichen von Integrität und guter Disposition, dort einen etwas höheren Posten inne gehabt zu haben.“, erklärte er seinen Wunsch.
    Dann kam die Rede auf die Kultgemeinschaft. „Oh, das ist... nun gut... ich werde... das machen.“ Die Arvalbrüder? Da musste man ja senatorischen Ranges sein! Oder halt, das war ja schon inkludiert, wenn es nach Furianus ging. Also gut. Dann sollen es die Arvales Fratres sein. Die Salier waren ihm sowieso schon immer leicht suspekt gewesen. Immerhin redete er sich dies nun ein.
    „Ein Tribunat?“, rief Piso und wurde etwas bleich. „Schlachten, Soldaten, Blutvergiessen, wie unästhetisch!“, rief er aus und rang mit seinen Händen. Aber gut bezahlt wäre es. Also ließ Piso die Hände sinken und hörte weiter zu.
    „Gut, gut, das mache ich! Festmahl klingt gut, äh... aber wie soll ich es mir leisten? Ich bin ja nur ein kleiner Beam... ach, ja, stimmt.“ Genau, der beziehungsweise die Furianus-Tausender. Und Feinde sollte er sich machen? Das tat der joviale Piso ungern. Aber dies war wohl Politik.
    „Ähm... wenn ich dann wirklich im Senat bin... es wäre so, dass ich, glaube ich, schon einen guten Beitrag leisten könnte... weißt du, so eine Gesetzesvorlage schwirrt mir schon sehr lange im Kopf herum...“, vertraute er seinem Verwandten an.


    Sim-Off:

    Bislang war das, glaube ich, vielleicht mein laengster Text im IR. So, jetzt aber. Gute Nacht. ;)

    Nicht nur der Pöbel zog durch die Straßen, nein, auch einen einschlägig bekannten Patrizier ließen die Füße keine Ruhe. Hinter sich her sah sich ein kleiner, mickriger Sklave gezogen, den man als Cassivellaunus ohne große Schwierigkeiten wiedererkennt, sofern man vertraut ist mit dem Gefolge des Flavius Piso. Cassivellaunus hatte nicht viel Widerstand geleistet, als er von seinem Herrn verschleppt wurde, wozu auch?
    Zu einem Park wollte Piso, soviel hatte Cassivellaunus gehört. Er schaffte es, zu Atem zu kommen, nachdem er Piso, so schnell wie ihn seine Füße trugen, aus dem Haus gefolgt war. Schnaufend, sich abmühend, jappelte er seinem Herrn hinterher, ihn nicht aus den Augen lassend. Wer wusste, was er für Dummheiten machen würde, wenn er erst einmal aus seinem Gesichtsfeld entschwunden wäre! Durchkämmte er doch bloß nur die Stände des Marktes wie gehabt, hätte Cassivellaunus weniger Sorgen, denn durchs Feilschen war sein Herr immer davon abgehalten, auf absolut wahnwitzige Vorhaben einzugehen.
    Doch nun, auf der Straße, war alles möglich. Irgendwohin ins Freie wollte der impulsive Kindskopf, konnte sich Cassivellaunus erinnern und verzog sein Gesicht leicht. Doch es half nichts, er musste Piso nach!
    Immer vorwärts, immer weiter, ging es. Da blieb Piso plötzlich stehen und deutete auf eine Kreuzung vor ihnen. „Siehst du diese Mauer?“, fragte er Cassivellaunus, welcher fast mit ihm zusammengestoßen wäre, war er doch dicht hinter ihm und hatte er nicht aufgepasst. Seinem Herrn hinten hinein zu rennen wäre dumm gewesen für ihn.
    „Was ist mit der Mauer, Heeeerr?“, kam die verschneuzte Antwort des Britanniers. „Hinter dieser Mauer liegt ein park. Sehr ruhig. Dort sind immer wieder Patrizier. Sicherlich treffen wir dort auf adequate Gesellschaft.“ „Wenn du meinst, Herr.“, kam die unglückliche Antwort von jemanden, der wieder weitergeschleift wurde.
    Durchs Gewühl hindurch marschierte Piso ohne Rücksichtsnahme, Cassivellaunus mit entschuldigendem Gesichtsausdruck hinterher, und ein Eingang zum Park tat sich ihnen auf. „Wundervoll.“, meinte der Patrizier und lanzierte sich mit Elan in den Park hinein.
    Hinter den Mauern des parkes war es verhältnismäßig ruhig. Dem übermutigen Flavier hinterhereilend, befand sich Cassivellaunus schon bald in einem abgeschiedenen Teil des Parkes... und musste niesen.
    Der Grund daür war in einem überwältigenden Geruch zu finden, welcher aus der Richtung eines Baumes vor ihm kam. Piso blickte in diese Richtung... und vernahm Gesang.
    Er erkannte diese Sprache ohne Fehl wieder, hatte er sich doch schon damit beschäftigt, auf Antreiben seines früheren Lehrers hin. Er wartete, bis sich verklang, dann zischte er Cassivellaunus hinüber: „Nicht bewegen!“ und trat dann an den Baum hin.
    Cassivellaunus hätte sich ja am liebsten bewegt, weg von diesem umhauenden Geruch, doch er folgte dem Befehl seines Herren und blieb stehen, selbst wenn es ihm Qualen bereitete.
    Sein Gehör hatte sich nicht getäuscht, die Stimme gehörte einer Frau – und zwar einer gestandenen, wenn Piso eine solche jemals gesehen hatte.
    „Salve.“, begrüßte er die Dame, welche eindeutig als Patrizierin zu erkennen war. „Störe ich? Der bezaubernde Duft hat mich angezogen wie eine Biene.“, lächelte er sie an. „Und die Sprache, irre ich mich, oder war das Etruskisch?“, fragte er ein bisschen neugierig.

    Piso war Mitte 20, doch es war sehr leicht, ihn für jünger zu halten. Seine geistige Haltung entsprach dem eines Kindes. Er hatte seinen Vater immer für allzu streng erachtet, doch der Ausdruck in Furianus‘ Augen ließ ihn erahnen, dass bald schon er sich die Zeit in Ravenna zurückersehen würde und sich an sie mit Sehnsucht in seinen Augen zurückersehen würde. Es war ja nicht so, dass ein gewisser Verstand in Piso danach schrie, mit dem Kinderkram aufzuhören, doch überlagert worden war es stets von seinem Drang nach Musik.
    Wie man schon erahnen konnte, dauerte das Geschwafel von Piso nicht lange an, denn ein gezischtes Wort aus dem Mund eines furiosen Furianus ließ ihn inne halten. Er ließ mit seinen Händen von der Lyra, nach der er schon greifen wollte, ab und ließ sie seitlich baumeln.
    „G... gar nichts mehr?“, wiederholte Piso. In seinen Augen widerspiegelte sich der Ausdruck eines Kindes, dem gesagt wurde, es dürfe nicht mehr am Schnuller suckeln. „Nie, nie mehr?“, fragte er ein bisschen präziser, und seine Kinnlade klappte nach unten. Um die Musik gebracht werden konnte er doch nicht. Oder doch?
    Furianus schaut schon ziemlich bedrohlich aus, wenn er hier so herumsteht, dachte er sich. Geradezu respekteinflössend.
    Er wartete erst einmal die Schimpftirade des Älteren ab, bevor er etwas sagte. Was da Furianus von sich gab, war höchst unerbaulich. Miserabel? Es wäre nicht das erste Mal, dass er das hörte. Doch bisher waren es immer die Kleingeister gewesen, die ihn so nannten. War Furianus ein Kleingeist? Soweit, wie sein Verständnis von einem Kleingeist ging, ja. Ein Kleingeist war doch jeder, der seine Musik nicht mochte... oder so etwas in der Art... oder? ODER?
    Der Kerl vor ihm, der sich scheinends zu seinem Vater aufgeschwungen hatte, schimpfte weiter. Kaiser Nero? Piso erachtete Nero für ein Genie, und von der Meinung würde er auch nicht abkommen. Was eine gewaltige Ironie war, war Piso doch der Namensvetter von Neros größtem Widersacher.
    Fische? Rosen? Vor Piso entstand ein Bild. Er, auf einem Acker, ein paar Rosen liebevoll betätschelnd. Er, auf dem Lacus Volsinii, mit einem Boot, fischen. Ohne Wein, Weib und (wichtig) Gesang. Ohne, dass er mit seinen Kumpels aufs zeremonielle Komasaufen gehen könnte. Ohne, dass billige Flittchen seinen Kopf umschmusten. Ohne seine Musik.
    „W... wie?“, war also alles, was er herv orbrachte. „Kein Singen m... mehr? Und ich singe miserabel?“ Aus großen, entsetzten Augen blickte er Furianus an. „Und... wie Nero? Das muss ein Kompliment sein, mich mit dem göttlichen Nero zu vergleichen.“, brachte er zustande und blickte Furianus wieder fest an. „Du gibst selber zu, Musik nicht zu kennen! Was maßt du dir dann ein solches Urteil an, Lucius Furianus?“ Er erhob dramatisch seine linke Hand und fuhr damit in der Luft herum. Eine sinnlose Geste, doch er hatte sie sich angewöhnt.
    „Klienten habe ich keine, formell einmal nicht, doch du wirst sehen, dass meine Notarii mich als Mentor sehen!“, prahlte er und ließ seine Brust anschwellen. „Ich habe den CRV bestanden, und morgen, wenn ich mein Gehalt ausgezahlt kriege, werde ich mich zum Cursus Res Mercatoribus anmelden! Und... wie?“
    Er wurde wieder fahl.
    „Mein Vorgesetzter? Das ist... Procurator a libellis Prudentius Balbus.“ Er hatte es wieder mit der Angst bekommen. „Was willst du ihm sagen? Du musst erst an mir vorbei, wenn du zu ihm willst!“, stellte er fest und verschränkte wieder etwas selbstsicherer seine Arme. „Im Ordo Senatorius bin ich nicht. Auch nicht in einem Kultverein. Es wird schon noch alles kommen!“, versuchte Piso seinen Verwandten zu beschwichtigen.

    Ah, die Harmonie, die Wonne, das Ebenmaß seiner Klänge! Wie trunken vom Wohlklang seiner Lyra saß er auf seinem Bett und bewegte seine Lippen schnappend auf und ab, wie ein Fisch, den es ans Land gespült hatte. Dann streckte er seine beiden Arme aus und warf sich in einer heroische Pose, welche eine äußerst unkomfortable Sitzhaltung beinhaltete. In dieser Pose erwischte ihn furianus, und Piso zog ein bisschen peinlich berührt sein linkes, in einem etwas seltsamen Winkel abstehendes Bein, zurück. Erwartungsvoll lächelnd blickte er den Senator an, erhoffte er sich doch Kommendationen und Applaus für seine harmonische Darbietung.
    Doch dem war nicht so.
    Zuerst kam die Erwähnung des Dis Pater, der, wie jeder wusste, bei den Flaviern auf nicht allzu gutem Fuße stand. Und dann noch entfuhr dem Stadtpatron von Tarraco der Ausdruck „Lärm“. Was sollte das denn sein? Womit hatte er das verdient?
    Entrüstet also gab sich der avantgardistische Künstlernachwuchs.
    „Lärm?“, wiederholte er bass erstaunt. „Dies hier war kein Lärm, sondern eine wagemutige Auslotung der ausgetretenen musikalischen Pfade!“ Er flocht in seinen Satz Formulierungen hinein, die er Wort für Wort aus jenem Acta-Artikel sich eingeprägt hatte. „Bei Venus, der Schutzpatronin der Ästhetik, dies war kontemporäre Musik! Raue Geister mögen zwar nicht auf sie ansprechen, doch dem Musikkenner erschließt sich sofort der hohe ästhetische, pädagogische und progressive Wert jener Kunstform! Du wirst sehen, sie wird sich durchsetzen, jene Art der Musik.“ Er verdrängte krampfhaft das Gedächtnis an die faulen Eier, die ihm damals (statt der Herzen) zugeflogen waren.
    „Ach ja... aufpassen, nicht, dass du auf irgendwas hinaufsteigst.“, meinte er noch bezüglich des unnützen Krempels, der hier am Boden herumlag. „Es sind wertvolle Sachen darunter.“ Irgendwo in all diesem Müll musste doch seine Toga begraben sein, dachte er kurz.
    Er räusperte sich nun wichtig. „Was hast du an meiner Musik auszusetzen?“, fragte er in einer nun etwas versöhnlicheren Stimmlage. „Gehe in dich, und wenn du dich überwindest, wirst auch du diese Musik genießen können! Warte mal, ich singe was anderes.“, meinte er und griff nach seiner Lyra.

    Sim-Off:

    OK... Ich übernehme mal. ;)



    “Halthalthalthalt!”, erklang die Stimme von Acanthus hinter dem Claudier. „Nicht gehen, Herr! Ich war nur erstaunt, dass du es noch nicht gewusst hast!“, erklärte Acanthus sein verblüfftes Schweigen gerade vorhin. „Die Herrin Epicharis ist von aufsässigen Sklaven entführt worden und hat sich nun, nachdem jene eingefangen wurden, auf ihre Villa in den Bergen zurückgezogen.“ Er schüttelte nur traurig den Kopf. „Verzeihe mir, aber ich habe geglaubt, du hättest es gewusst. Hier in Rom wirst du aber nicht fündig werden.“, erklärte er.

    Wenn man ein Abenteurer war, der an fernen Küsten sein leben aufs Spiel setzte, so war Langeweile etwas Willkommenes. Wenn man als römischer Legionär in Parthien einer Kolonne von Kataphrakten, in Germanien einer Horde von fanatischen nackten Berserkern oder in Africa einer Schaar von furchterregenden nubischen Speerträgern gegenüberstand, war Langeweile etwas durch und durch erstrebenswertes. Gleichsam auch, wenn man vorm CRV oder einem höheren Test stand und sich einen herunterschwitzte, weil man komplett blank war. Oder aber, wenn man Arzt war und eine komplizierte Operation durchführen musste, oder wenn man als Anwalt vor einem Richter einen hoffnungslosen Fall verteidigen musste.
    In allen diesen Fällen war Langeweile spitze. Unerreicht und unerreichbar. Man sehnt sich danach.
    Allen diesen Leuten hätte Piso mit Belieben gerne ein Stück von seiner eigenen Fadesse gegeben. Er war schon den ganzen Tag am Pult gesessen und hatte abwechselnd an einer Wurstsemmel herumgenagt, immer wieder die selbe Acta Diurna durchgeschmökert und mit diversen Notarii belanglose Gespräche geführt über das Wohlbefinden derer Familie.Oder aber, alternativ, scheuchte er sie herum und nannte sie Faulpelze. Und natürlich hatte er gearbeitet. Er hatte sich schon gut eingefügt, und diverse Schreiben aufsetzen war kein Problem mehr. Doch es mangelte an Ästhetik. Nichts passierte, es war immer dasselbe.
    Er blickte vorsichtig um sich, dann langte er in eine Schublade hinein und holte einen Fetzen Papier hervor. Nicht viel stand drauf, es war nur eine Berufsbeschreibung. Und zwar vom Procurator a memoria. 1000 Sesterzen. Seine Augen glommen, als er diesen fantastischen Betrag sah. Eine schöne, runde, ästhetische Summe. Nicht zu vergleichen mit den 150 Sesterzen, die er bekam. Erine krumme, hässliche Azahl. Und deplorablerweise eher klein, wenn man sich das Gesamtbild so anschaute. Und nicht zuletzt die Arbeit, die er dort erledigen musste, war auch sehr ansprechend.
    Nur schien sie noch einigermaßen entfernt zu sein. Er dachte nach. Es war ein Posten, den er wollte. Ja, zu dem Entschluss war er gekommen. Und noch zu einem weiteren. Er hatte kein Geld locker, doch bald würde er ausbezahlt werden. Dann könnte er sich was leisten... einen Kurs.
    Ein anderer Zettel wurde hervorgezogen. Ein Zettel mit fortgeschrittenen Kursen. Pisos leicht fettiger Finger wanderte übder den Wisch und verharrte bei einem Namen. „Rebus Mercatoribus.“, murmelte er leicht zu sich. Ja, den würde er eventuell, vielleicht, irgendwann machen. Vielleicht konnte das ja überzeugen? Oder auch nicht.
    Er ließ den Zettel sinken und wandte sich wieder der Arbeit zu, dabei ein Gähnen unterdrückend. Es war immer dasselbe, bei den Göttern.
    Wie ganz und gar kalamitös.

    Piso lachte. „Menschen dürfen nicht allzu verwöhnt werden.“, konstatierte er pompös. Er blickte kurz streng in der Taverne sich um, nur um sich dann seinem Freund hinzuwenden. „Ich habe schon von so einem Erbstreitsfall gehört, bei dem es um riesige Ländereien gegangen ist. Der Fall hat sich über fast 80 Jahre dahingezogen. Dann aber hatte der Fall den Wert der ganzen Ländereien verschlungen, und beide Zweige der Familie wurden in die Armut getrieben.“ Er schüttelte den Kopf. „Vieles davon hat auch mit dem komplizierten Rechtssystem zu tun. Mit dieser Erbschaft wurde zweifelsohne kein gutes Werk getan. Sag, Titus, ist dein Bart gewachsen?“, fragte er hintennach. Wer aufmerksam hinhorchte, konnte erkennen, dass Piso vielleicht nicht der fanatischste Bart-Fan war.
    Und er nickte weiterhin, als das Gespräch immer weiter ins Philosophische abgleitete. „Ausgleich klingt sehr gut. Doch viele Menschen versagen darin, sich einen Ausgleich zu tun. Der Imperator scheint aber keine Probleme damit zu haben, hat er sich doch nach Misenum zurückgezogen, um sich zu erholen von seinem sicherlich sehr mühsamen Amt.“ Gut, ein kaiserlicher Beamter und einer, der es bald werden würde könnten sicherlich über ein weniger brisantes Thema sprechen – doch Piso wollte einmal wissen, wie denn Verus zum Kaiser stand.

    Verus gibt sich ja äußerst bescheiden für jemanden, der so unbedingt Procurator a rationibus werden will, dachte sich Piso und musste grinsen. Ihm kam, als Außenstehender, Titus Decimus Verus eher als Mann vor, der mit einem durch eine Art Midlife Crisis angetriebenen Vorwärtsdrang ausgestattet war, dies aber beharrlich negierte. Aber Piso sagte nichts, sondern nickte nur freundlich.
    „Titus, da magst du recht haben. Obwohl man auch bedenken sollte, dass dein Vermögen an deine Nachkommen gehen wird, an deine Kinder. Auch sie solltest du bedenken. Du tust ihnen einen Gefallen, wenn du etwas für sie sparst. Und Geld braucht man auch für Notzeiten. Aber recht hast du, was soll’s? Gute Zeiten gibt es, schlechte ebenso, es kommt wie’s kommt. Man hat nur ein Leben, und das sollte man genießen, wenn man es kann.“ Nun war es an Piso, zu schwafeln. „Das Blöde ist, je mehr man verdient, desto weniger Zeit hat man, um sein Geld auszugeben, weil man für ein größeres Gehalt mehr arbeiten muss.“ Ja, das war durchaus ein Dilemma. Eigentlich sollte man weniger arbeiten, je mehr man verdient... es würde Sinn machen. Oder auch nicht, je nach Sichtweise.

    Sein Verwandter hatte eine... blumige Ausdrucksweise. Die Art und Weise, mit der er die Frauen begrüßte, faszinierte Piso irgendwie. Sie hatte so etwas herrlich Pompöses, Überkanditeltes, Ausschweifendes an sich. Dies zog den jungen Flavier auf eine unerklärliche Weise an, wie eine Fackel einen Mückenschwarm oder wie ein Honigtopf den Bären. Er kam nicht darum umhin, die aufgeblähte Rhetorik seines Neffen zweiten Grades, der aber um einiges älter war als er selber, zu bewundern. Innerlich entspannte er sich. Er wusste, den ersten Eindruck hatte er gründlich – fachmännisch, möchte man fast meinen – versaubeutelt. Beileibe nicht, dass dies das erste Mal war. Doch er musste sich jetzt einfach zusammenreißen.
    Als er seinen Beruf gegenüber Furianus erwähnte, hob dieser erst mal seine Augenbraue. Aha, das gute alte Zeichen flavischer Abkunft. Er sollte es sich, so dachte er, auch angewöhnen, es häufiger zu machen. Sonst könnte man denken, er wäre – die Götter sollten ihn davor behüten – aus dem kläglichen plebejischen Zweig der Familie, von der sich jeder patrizische Flavier, der auf etwas sich hielt, Abstand nahm.
    Das Augenbrauenheben hatte natürlich einen Grund. Jeder Flavier wusste um das gespannte Verhältnis zwischen dem Imperator und der Vorgängerdynastie. Dass da jemand in die kaiserliche Kanzlei gelangte, war durchaus merkwürdig... und, so dachte Piso selbstgefällig, schon ein kleines Bravourstück. Doch hatte er Glück gehabt, dass sein prudentischer Chef, im Gegensatz zum Kaiser, die Flavier nicht verachtete... nun ja, das war ein starkes Wort. Dass die Distanz nicht so groß war. Genau, so war es viel besser.
    Er nickte also nur und lächelte höflich. „Zu Schade.“, meinte er ebenfalls und dachte sich seinen Teil dabei. Sosehr er auch fand, dass die Aelier und Flavier bei einer gegenseitigen Fehde nur verlieren konnten, so dachte er auch, dass der Kaiser... nicht unbedingt... die Fußstapfen, die sein Vorgänger hinterlassen hatte, ausfüllen konnte. Um es diplomatisch zu sagen.
    Er nickte eifrig weiter, als Furianus weiterphilosophierte. „Das ist nett von dir...“, machte er und fügte hinzu: „Ich danke dir. Das sind weise Worte...“ Weiter kam er nicht, denn Furianus wandte sich schon Quartus Lucullus zu. Der arme Vetter, der seine wilden Tiere nicht an den Mann hatte bringen können. Piso nickte ihm freundlich zu und schaute dann zu Vera hinüber. Die flavische Venus, hihi, damit könnte er sie jetzt sicherlich ganz großartig aufziehen. Er zwinkerte ihr unauffällig zu.
    Und da kam ja auch schon das Essen! Na also. Der Abend war gerettet. Wenn auch Piso vielleicht noch ein bisschen schmollen würde über den ungünstigen Anfang seiner Beziehung mit Furianus, sicher würde das noch 2, 3 Tage anhalten, doch dann würde er es eh schon wieder längst vergessen haben.
    Es gab sowieso Wichtigeres. Essen zum Beispiel. Piso blickte mit einem gewissen Ausdruck von Gier in seinen Augen zum Fresschen hinüber, das nun zu fassen war. Ein unwiderstehlicher Duft durchströmte seine Nase. Doch wollte er nicht anfangen zu essen, bevor die älteren Familienmitglieder das nicht auch getan hätten.

    Piso kam an der Schola Atheniensis vorbei, und ihm fiel auf einer Plakette ein Kurs auf, den er vorher noch gar nicht wirklich zur Kenntnis genommen hatte.
    Er schrieb sich also ein.


    Sim-Off:

    Kann man das denn noch? Existiert der Kurs denn noch ueberhaupt? ?(

    Es war wieder das selbe wie an allen anderen Tagen, als Piso sich zum wiederholten Male die Briefe durchschaute. Doch eines war auffällig heute – besonders viel Post einer bestimmten Art schien aus Achaia zu kommen. Doch es handelte sich dabei nicht um Beschwerdebriefe an den Kaiser, keine kläglichen Kommentare bezüglich der repressiven Herrschaft der pösen, pösen Rhomäer. Nein, es war... Fanpost.
    Ungläubig starrte der Primicerius in die Schriftrollen hinein, die der Laufbursche Orbinus ihm kübelweise schon fast heraufbrachte. Das meiste wurde übergeben an Acidinus, doch die witzigsten Briefe beschlagnahmte Piso.
    Wenn man wissen will, wer Acidinus ist, er war Notarius in der Kanzlei. Im vollen Namen hieß er Marcus Calpurnianus Acidinus, er war also Freigelassener. Und zwar freigelassener von niemand geringerem als Marcus Calpurnius Piso, dem Statthalter von Asia. Unser Piso, der Primicerius, wr ein heimlicher Verehrer jenes Statthalters, dachte er doch, jemand, der so einen grandiosen Cognomen hatte, konnte kein übler Kerl sein. Aus diesem Grunde hatte er Acidinus auch zum Leiter der Bearbeitungsgruppe für Privatanfragen von Nichtbürgern gemacht. Doch dass er der Freigelassene eines Mannes mit einem lässigen Namen war, war nicht seine einzige Merite, nein, er war auch ein scharfer Denker.
    Und aus diesem Grund hatte Acidinus auch ein eigenes Urteil über sein Leben gebildet. Hinter dem Rücken von Piso pflegte er zu sagen, sein Leben heute und damals wäre nicht sehr unterschiedlich. Damals war er von einer Kanaille namens Piso herumgescheucht worden. Heute würde er von einer Kanaille namens Piso herumgescheucht werden. Immer das Gleiche.
    Insgesamt gab es 8 Bearbeitungsgruppen im Officum. Und es war wirklich so, dass sich durch die Arbeitseinteilung die Arbeit um einiges beschleunigt hatte.
    Früher wären die Notarii unter der Last einer solchen Briefwelle verblüfft gewesen, und niemand hätte damit umgehen können. Und dieses Mal war es nur ein Achtel der Notarii, welche schuften mussten. Doch diese Notarii wussten, wie man mit Anfragen von Peregrini umging. Viele allzu seltsame Briefe wurden einfach verworfen.
    Ein paar Briefe, solche von Leuten, die in der Verwaltung angestellt waren, wurden freundlciherweise von der Bearbeitungsgruppe von Privatanfragen aus den Verwaltungen der östlichen Reichshälfte bearbeitet.
    Und Piso hatte sich die Rosinen herausgepickt.
    In einem der Briefe bettelte jemand darum, nach Rom zu kommen, um die Füße des Imperators zu küssen. Jemand anderer bat um ein konspiratives Gespräch mit dem Imperator, und jemand bat um eine Audienz, ohne einen Grund anzugeben. Jemand, eine Frau, schrieb im absolut kläglichen latein, dass sie den Procurator a libellis kennen lernen wollte, um ihn zu heiraten.
    Spätestens dann fing Piso an, herzhaft loszulachen.
    Da hatten wohl ein paar in der Witzkiste geschlafen. Auf jeden Fall schienen durch einen seltsamen Zufall alle Narren Achaias auf einmal einen Wusch von Briefen in die kaiserliche Kanzlei geschickt zu haben.
    Waren diese Briefe ernst gemeint? Oder war es doch nur eine Art... Gag? Eine Beamtenverarschung? Oder war die Kanzlei das Opfer einer griechischen Wette geworden?
    Was auch immer die Intentionen der Bittsteller gewesen waren, erflogreich waren sie nicht. Am Abend wurden Kisten voll mit Briefen aus dem Officium XXIII gekarrt, alle mit Absender und Ankunftsadresse fein beschriftet, und als Inhalt hatten sie alle ein einziges Wort: OXI – nein.


    Damit war der Fall geschlossen.

    Wein war grundsätzlich rot? In Rom und Griechenland mochte man das vielleicht so sehen, doch in Norditalien, wo es tendenziell viel mehr Weißwein gab als weiter im Süden, wurde immer ein Unterschied gemacht. Wie dem auch sei, Piso beließ es dabei, es war wohl eine Art Aufeinanderkommen der Kulturen.
    „Titus, ich sage dir, das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“, meinte er also, als das liebreizende Schankmädchen hinwegschwebte. „Schlechter Wein ist die Quelle allen Übels. Man kann sich damit betrinken, doch der Schädel am nächsten Morgen wird es dir heimzahlen.“ Er dachte kurz über die weiteren Punkte nach. „Schlafen, Essen, wenn du unter letzterem Punkt auch das Trinken hinzufügst, sicherlich. Und Kleidung ist auch wichtig.“ Er zupfte stolz an dem edlen Stoff seiner Tunika herum. So ganz indezent Aufmerksamkeit auf seine wie immer prunkvolle Kleidung merken war doch eine ganz feine Sache. „Vielleicht sollte man in dieser Aufzählung verallgemeinern. Wer billig kauft, kauft im Endeffekt teuer. Was meinst du, mit wievielen minderwertigen Gegenständen ich schon eingefahren bin? So was soll nie wieder vorkommen.“ Er schüttelte den Kopf.

    Sim-Off:

    Verzeihung viele Male. Nicht daran gedacht. :(


    Hätte Asny nun ihre Intention verlautbart, Piso mit auf die Märkte zu nehmen und diverse Händler, oder Bettler, oder Banditen nach deren Definition gewisser Wörter zu befragen, er hätte gelacht. Gesetze werden nicht durch den Pöbel beschrieben. Im Gegenteil, der Pöbel hat sich aus der Legislation rauszuhalten.
    Es war also ein Glück für Asny, dass sie nicht auf jenen Punkt bestanden hatte. Piso wäre ohne Zweifel auf eine Linie eingeschwenkt, bei der er ohne Zweifel mit juristischen Spitzfindigkeiten hätte punkten können. Asny wäre mit einem langweiligen und recht irrelevanten Vortrag über Gesetzgebung und Gewaltentrennung überschüttet worden, und Pisos Ego hätte sich zu bisher ungeahnten Maßen aufgebläht, wie immer, wenn er vermeinte, über einen Sachverhalt besser im Bilde zu sein als sein Gegenüber. Besonders, wenn es sich bei jenem Gegenüber um eine Sklavin handelte... eine kleine, wertlose Sklavin, die nicht einmal Dreck sein sollte für einen hochwohlgeborenen Römer wie ihn. Andere mochten ihren Sklaven das Leben versüßen, Piso hätte im Prinzip auch nichts dagegen, doch es war klar, dass die Sklavin, auch wenn sie Pisos Selbstgerechtigkeit einen Schlag versetzt hatte, sich keinen Freund gemacht hatte.
    Pisos Liste in seinem Kopf war demnach lang. Die Liste bestand aus diversen Delikten, die ihm die Sklavin zugefügt hatte, oder von denen er dies dachte. Tätlicher Angriff natürlich. Beleidigung. Verleumdung. Drohungen. Verhetzung. Infamie. Verletzung seines Rechtes auf Privatsphäre. Verletzung seines Rechtes auf körperliche Integrität.
    Während er also diese großen, vornehmen Wörter in seinem Kopf herumwälzte, entging es ihm tatsächlich, dass die Hälfte der Anschuldigungen aus der Luft gegriffen waren und er sich mit der anderen Hälfte eher lächerlich machen würde. Doch für den Sohn des ehrenwerten Saufboldes und Lebemanns Flavius Aetius war die Idee, sich der allgemeinen Lächerlichkeit preiszugeben, kein fremdes Konzept. Es war ihm wohlvertraut.
    Doch einen Anklagepunkt konnte selbst sein kreatives Hirn nicht erfinden. Einen Punkt gegen ihr debiles Grinsen. Hilfe, Hilfe, sie hat mich angelächelt – nein, das wäre vielleicht eine kleine Spur seltsam. Doch die Sklavin wusste, mit so einem Lächeln konnte man die Leute zur Weißglut treiben. So frech, so infam, so ungezogen! Aristides hatte seine Zügel eindeutig zu locker gelassen bei dieser Sklavin. Piso würde dies niemals passieren. Seine Sklaven waren nicht ungehörig.
    Doch war dies nicht wegen seines festen Anpackens, sondern, weil die Sklaven, mit denen er sich ungab, zu philosophisch, zu gutmütig oder zu willenlos waren, um ihm etwas anzutun. Es war wohl deshalb, wieso er sich mit genau diesen Subjekten umgab. Wenn man noch an Secundus Felix dachte, wie streng er mit den Sklaven umgegangen war – Piso war viel zu schwach, um dies jemals durchziehen zu können. Vielleicht war es sein innerlicher guter Kern, der verhinderte, dass er die Sklaven reihenweise ans Kreuz nagelte.
    Obwohl, vielleicht würde er noch eine Ausnahme bei dieser jungen Dame machen.
    Freude über seine eigene Demütigung empfand er keineswegs, vielmehr war es die Unfähigkiet seiner geistigen Haltung, zu begreifen, dass er nichts ausrichten konnte. Er zeihte seinen Vater einen elenden Kerl, der ihm eine elende Kindheit bereitete hatte. In Wirklichkeit aber konnte Flavius Aetius wenig dafür. Im Gegenteil, er hatte immer nur das beste für seinen Sohn wollen, welcher aber nicht die Ruchlosigkeit besaß, die ein Mann brauchte, um ganz nach vorne zu kommen.
    Es war ihm also seiner Kindheit ein gemachtes Nest gestaltet worden.Andere Leute wurden in hinteren Gossen geboren, oder als Sklaven, und mussten aus eigener Kraft sich aufraffen. Pisos Beine berührten den harten Grund der Realität, als sie schon am Laufen waren. Leider war für Piso die Realität ein Sumpf, in dem er immer wieder stecken blieb. Was lag also näher, als sich Luftschlösser zu bauen? Was lag näher, als sich einzureden, in Wirklichkeit hatte er der Sklavin Respekt vor sich selber beigebracht? Was lag näher, als sich selber zum Sieger dieser verbalen Auseinandersetzung zu erkiesen, sich mit imaginären lorbeeren zu schmücken, abzugehen wie ein Kaiser, oder zumindest wie ein Patrizier mit kaiserlichen Blut in seinen Venen?
    Und doch, der Pfeil steckte in ihm. Er wollte es nicht wissen, doch es war klar, dass sie ihn getroffen hatte. Seine Pfeile währenddessen waren an ihr abgeprallt wie an einer Legionärsrüstung. Er blickte ihr abschätzig in die Augen und schüttelte leicht den Kopf. Das Mädchen war abgebrüht... so sehr, dass er nicht mehr wusste, wie das vonstatten gegangen war. Sicherlich war es ihre Verrücktheit. Dass er sie der Verrücktheit zeihte, war natürlich so, als ob die Krähe den Raben schwarz nennt.
    Er schenkte ihr also sein Gehör, wobei er nicht wusste, wieso. Vielleicht dachte er, dass er noch den einen oder anderen sinnlosen Punkt machen könnte.
    Er kicherte leicht sinnlos und hielt dann inne. „Der Zustand meiner Füße geht dich einen verdammten Kehrricht an, Sklavin.“, blaffte er die Sklavin an und blickte säuerlich.
    Als sie auf ihn zutrat, hielt er sich nur mit äußerster Standhaftigkeit davor zurück, unwillkürlich nach hinten zu treten. Er blieb also, wo er war, und fühlte die Körperwärme der Sklavin. Was, wenn er jetzt... Unfug, sie würde ihm die Zunge abbeißen. Obwohl, eine Gaudi wäre es schon.
    Unflätige Überlegungen hielten ihn also zurück, den Worten Asnys irgendeine Bedeutung zuzumessen. „Jaja...“, meinte er deshalb nur spitz und wortkarg.
    Er räusperte sich, als er ihre Worte verdaut hatte. „Soso. Befehlsverweigerung. Das kommt natürlich sehr gut.“, stellte er fest und grinste selbstgefällig. „Und du willst eine vorbildliche Sklavin sein? Natürlich hätte mein Befehl nicht das Ausreißen meines Nagels inkludiert. Vielmehr wäre es eine Übererfüllung meines Wunsches gewesen, und ich hätte dir da sicherlich noch eine Extra-Angenehmlichkeit zukommen gelassen. Es fände sich sicherlich jemand aus der Sklavenschaft, der für eine Exraportion Pampe dir mit Freude alle Nägel herausreißen würde.“ Wer am Hahn saß, und daran herumschrauben konnte, war immer in einer guten Position. „Was würde DAS nur für ein Bild machen...“ Mitleidig schüttelte er den Kopf.
    „Wie dem auch sei, Spaß habe ich enorm gehabt bei dieser Konversation.“ Seine Stimme troff vor Ironie, doch dem aufmerksamen Leser musste dies nicht klargemacht werden. „Und jetzt... scher dich.“ So harsch endeten seine Worte, und er war schon dabei, sich brüsk umzuwenden, als ihm noch etwas einfiel, was er loswerden wollte.
    „Sklavin! Vergiss deinen Auftrag nicht. Damit wäre uns beiden geholfen. Ich könnte mich wieder den Musen widmen, und du musst dem Missklang dich nicht mehr hingeben. Und das war alles. Du bist entlassen.“, strich er heruas und drehte sich um.
    Als er ging, hörte er noch ihre Stimme verträumt etwas nuscheln... Gelee Royale? Er dachte nach. Er, als Norditaliener, kannte das unter Königinfuttersaft. Angeblich hatte es stärkende Funktionen. Doch so krampfhaft er seine Hirnwindungen arbeiten ließ, er kam nicht darauf, was der Sinn von Asnys Worten bezüglich der Nahrung der Bienenköniginnen war. Er beschloss, es auf ihre Verrücktheit zu schieben, ohne sich noch weitere Gedanken in Richtung der unterschwelligen Bedeutung ihres Satzes zu machen.
    Weitausholend waren seine Schritte, als er den Ort des Grauens verließ. Sein Tag war ihm verlitten. Er würde sich noch einen falerner genehmigen, nicht, weil er ihn verdient hatte, sondern,w eil er damit seine Erinnerungen an dieses gespräch wegspülen wollte.
    Er bog um die Ecke und war verschwunden.
    Dies konnte das Ende sein in den Auseinandersetzungen zwischen dem römischen Patrizier und der germanischen Sklavin.
    Ob es dies aber war, stand in den Sternen.

    ...kam ein Brief dahergeflattert.



    An
    Titus Decimus Verus
    Casa Decima
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    T. DECIMO VERO S.D.


    Ich habe die Ehre, dir im Namen des Procurator a libellis Tiberius Prudentius Balbus mitteilen zu können, dass deine Bewerbung um das Amt des Curator Calendariis erfolgreich war und du unter dein neuer Berufsstand nun eingetragen und bestätigt ist. Bitte melde dich am ANTE DIEM III ID IUN DCCCLIX A.U.C. beim Curator Rei Publicae, um anfangen zu können. Bedenke, dass du pünktlich erscheinen sollst und bereit sein musst, sofort beginnen zu können.


    Im Auftrag des Procurator a Libellis


    Aulus Flavius Piso
    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


    [Blockierte Grafik: http://pages.imperiumromanum.net/wiki/images/5/5d/Siegel_Administratio_Impera.gif]


    Noch ein Papyrusstreifen war angeheftet:


    Gratulation Titus! Ich freue mich echt fuer dich! Aulus

    Der vierte Brief aber sollte gelingen! So, er hoffte, dass dies auch tatsächlich der Fall war.



    An
    Titus Decimus Verus
    Casa Decima
    Roma
    Italia



    A. FLAVIUS PISO PRIMICERIUS A LIBELLIS
    T. DECIMO VERO S.D.


    Ich habe die Ehre, dir im Namen des Procurator a libellis Tiberius Prudentius Balbus mitteilen zu können, dass deine Bewerbung um das Amt des Curator Calendariis erfolgreich war und du unter dein neuer Berufsstand nun eingetragen und bestätigt ist. Bitte melde dich am ANTE DIEM III ID IUN DCCCLIX A.U.C. beim Curator Rei Publicae, um anfangen zu können. Bedenke, dass du pünktlich erscheinen sollst und bereit sein musst, sofort beginnen zu können.


    Im Auftrag des Procurator a Libellis


    Aulus Flavius Piso
    Primicerius a Libellis der Admistratio Imperatoris


    [Blockierte Grafik: http://pages.imperiumromanum.net/wiki/images/5/5d/Siegel_Administratio_Impera.gif]


    PS: Gratulation Titus! Das freut mich wirklich fur dich!


    Das klang gut! Das würde er so abschicken.

    "Ach, genau!", meinte Piso. Ihm war es jetzt gerade auch eingefallen. Es musste der verfluchte Restalkohol sein. "Du hast recht, tut mir Leid. Gut, dann war das wohl alles, oder? Vale.", sagte er.

    ...oder auch nicht.


    Piso saß in seinem Officum, vor ein paar Papyrusrollen. Er nahm sich eine und begann zu schreiben.


    Hey, Titus, altes Haus, wie geht’s so? Stell dir mal vor, was mir der Pal heute gezwitschert hat! Du wirst es nicht glauben, dreimal darfst du raten! Nein, er hat mich nicht zum Kaiser gemacht, hähä! Nein, er hat nicht Flamininus rausgeworfen! Aber, stell dir vor, er hat mir gesagt, dass du ernannt worden bist! Und zwar, jetzt kommt es, halt dich gut fest, zum Curat


    Hier endete der Brief. Piso hatte den Federkiel fallen lassen, zerknüllte das Papyrus und warf es in die Richtung eines der Notarii. Dieser sprang entsetzt auf und wimmerte, als ihn das Geschoss traf.
    Piso schüttelte den Kopf. So schrieben absolute Löcher einen Brief, und keine Beamten.
    Er versuchte es abermals.


    Aulus Flavius Piso Tito Decimo Vero s.d.
    Meine aufrecht empfunden Kontrafibularitäten und Ornatofikationen zu deiner Auswahl als Curat


    Der Brief überlebte sogar weniger lange als der Vorherige. Der arme Flavier ließ den Kopf hängen und blickte den bereits dritten brief vor sich an.


    Hallo, Titus, Verus und so, glubglubkritzelkramharharhar, weißst eh, oder? Hrmbrmbarmpflumlumlum. Dideldidididüdeldüdedüdeldi, dadumbarum. Zimpfbampflalalalala! Lalalala! Lalalala! Also, freuet euch! Gaudeamus igitur, tralalalala! Ach, ich sag es dir, ich waere auch gern ein Curat


    Er hatte gestern eindeutig zuviel getrunken. Auch dieser Papyrus wurde sachgemäß verworfen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Numerius Urbicus, der Obernotarius, nahm das Papyrus, welches ihm am Kopf traf, mit Gleichmut zur Kenntnis, faltete es klammheimlich aus, las es und lachte. Dann steckte er es ein.
    Was Piso nicht half. Jener saß über sein Pult gebeugt und hatte keine Ahnung, was er schreiben sollte.

    Wie? Nur ein weiterer Auftrag? Keine Ernennung? Nicht einmal eine Gehaltserhöhung? Piso verkniff sich ein enttäuschtes Gesicht, doch auch er wollte nicht unprofessionell wirken. EIn laeises, kaum hoerbares „Boh.“, war also der einzige Kommentar, den er abgab, und damit war die Sache erledigt.
    „Werde ich sofort tun.“ Wie gerne er doch Briefe schrieb. Arbeit war doch was Schönes. „Ich werde ihm sagen, er soll sich bei...“ Was war der CRP nochmal, wie hieß der? Genau. „Germanicus Sedulus melden. Wenn das alles ist?“, meinte er und blickte Balbus abermals interessiert an, fast so, als hätte er auf seinem Gesicht einen Tintenfleck entdeckt.

    Ein ganz erbärmlicher Klang durchströmte die Villa. Wer genau hinhörte, konnte vielleicht hören, dass die Quelle des Missklangs eine komplett verspannte Lyra war, die übermäßig laut gespielt wurde. Dann setzte eine Singstimme ein, die eher ins Horrorkabinett einer finsteren orientalischen Gottheit gepasst hätte als in eine gepflegte römsiche Villa. Wer den Lärm aushielt für ein paar Sekunden und hinhorchte, konnte erkennen, dass es sich um einen kontemporären Schlager handelte, welcher von niemand Geringerem als dem verdienten Patrizier und Staatsdiener Flavius Piso zerstört wurde.
    „Wochenend und So-honnensche-he-hein! U-hund mit di-hir in den Wa-ha-hald hineieieieiein, was andere-he-hes brauch ich nicht zum Glü-hücklichse-hein! Wochenend und Sonnenschein!“, krächzte es aus seinem Cubiculum heraus. Die Stimme klang fröhlich, doch entsetzlich. Die Melodie war stark verfälscht. Wer 1800 Jahre später Schönberg mögen würde, würde sicher auch Pisos Musik mögen. Doch Menschen mit normalen Musikgeschmack könnten sich kaum je für diesen „Musikstil“ erwärmen. Allenfalls als Kuriosität.
    Der Lärm verklang, und fast konnte man schon aufatmen... es wäre verfrüht gewesen. Die Musik stoppte nur für ein paar Sekunden.
    Dann ging es wieder los, als Piso wieder in seinem Zimmer, wie üblich von am Boden liegenden Krempel umgeben, auf seinem überkanditelten, geschmacklosen Bett saß und losplärrte. „Mein kleiner grü-hüner Kaktushushus stääääääääht draußen am Balkon!“ Und, vorsicht, geneigte Leser, verehrte Leserin, jetzt kam es. „Hollari-Hollari-Hollaro!“, durchdrang es die Villa, dass es nur so tschepperte. Schräg, unharmonisch, viel zu laut. Ein besoffener britannischer Schfshirte hätte das noch ästhetisch wertvoller hingebracht. Eine vorübergehende Sklavin bekam fast einen Herzkasper und eilte panisch von dannen. Ihre gallischen Glaubensvorstellungen ließen ihr keine andere Wahl, als zu denken, der Himmel ihr auf den Kopf gefallen.
    Piso stieß sich nicht daran. Er saß in seinem Zimmer und blickte selbstverliebt auf seine Lyra. Er dachte schon an das nächste Lied, und würde sicher nciht von sich aus aufhören.
    Jemand musste dem üblen Zauber Einhalt gebieten. Die Frage war, ob sich jemand fand.


    Sim-Off:

    Wer will? ;)
    Apropos: Meine untertänigste Entschuldigung an die Comedian Harmonists. :D